80. Von den Werken der Buße
(Mt 6)
I Die wahre Buße
«Wenn ihr fastet, so macht kein finsteres Gesicht wie die Heuchler! Die geben sich ein düsteres Aussehen, damit die Leute es ihnen ansehen, daß sie fasten. Wahrlich, ich sage euch: sie haben schon ihren Lohn!»
Dein göttlicher Meister spricht hier von der Buße und ihrer Übung. Ein so wichtiger Gegenstand darf bei der Erklärung des neuen Gesetzes nicht übergangen werden. Mache dir heute wieder recht bewußt, wie notwendig die Buße ist.
Die Buße ist so wichtig wie das Gebet und die Nächstenliebe. Die Buße ist innerlich und äußerlich. Sie besteht zuerst in einem inneren Schmerz über die Sünde, durch die man Gott beleidigt hat. Aus diesem inneren Leid heraus werden wir bewegt, auch äußerliche Leiden auf uns zu nehmen, um Gott unsere Reue zu beweisen. Der Büßende bekommt so das Verlangen, Gott seinen Leib zum Opfer zu bringen, der erzürnten göttlichen Gerechtigkeit Sühne zu leisten und an sich selbst die der göttlichen Majestät zugefügten Beleidigungen zu rächen. Das heißt, das widerspenstige Fleisch, das die Ursache der Sünde gewesen ist, der Vernunft unterwerfen, sich der Sinnenfreuden enthalten, um sich fähiger zu machen, die Freuden des Geistes zu genießen, und sich von irdischer Befriedigung lossagen, um mit größerem Eifer nach den himmlischen Gütern zu streben. Schließe daraus auf die Notwendigkeit der Buße, der körperlichen Abtötung und des Fastens. Der Erlöser will uns keineswegs von dieser Pflicht entbinden.
Mit dem alten Gesetze ist die Zeit der Buße durchaus nicht vorüber. Der Jünger des neuen Gesetzes ist um so mehr zum Bußeifer verpflichtet, als er besser verstehen soll, welche Ehre Gott aus der Übung der Buße erwächst. Er soll in hervorragender Weise ein Büßender sein.
II Die freudige Übung der Buße
«Wenn du fastest, salbe dein Haupt und wasche dein Antlitz, damit die Leute nicht sehen, daß du fastest, sondern nur dein Vater, der im Verborgenen ist. Dein Vater, der ins Verborgene sieht, wird es dir vergelten.»
Wie soll die Buße geübt werden? «Ohne Eitelkeit», sagt Jesus. «In den Bußübungen suchet gerade so wie in euren Gebeten und anderen Handlungen die Förderung der Ehre und der Interessen Gottes. Wenn ihr durch eure Buße die Aufmerksamkeit und die Achtung der Menschen anstrebt, so sieht Gott nichts in euch als ein unwahres Herz und eine untreue Seele.» Und so sind in den Augen Gottes die Pharisäer, d. h. alle Menschen, die sich den Anschein geben wollen, abgetötet zu sein. Deshalb geißelt der Heiland die Heuchelei. Ihre Opfer werden äußerlich Gott dargebracht, aber der böse Feind hat den Nutzen davon.
«Tut Buße ohne Traurigkeit», sagt der Heiland. Hat Er nicht recht, wenn Er diese Ermahnung gibt? Schreckst du nicht zurück vor den Fasttagen? Darfst du dich betrüben, wenn du Gelegenheit hast, Gott Opfer zu bringen? Jesus verbietet also, sich über die gebotenen Fast- und Abstinenztage zu beklagen. Er will im Gegenteil, daß wir gerade an diesen Tagen uns im Verkehr mit anderen durch Freundlichkeit und Sanftmut auszeichnen. Es gibt manche, die, weil sie die vorgeschriebenen Bußwerke ungern verrichten, ihren Unwillen darüber an ihren Mitmenschen auslassen, indem sie sich mürrisch zeigen und ihre üble Laune nicht abtöten. Die Buße soll uns sanft und zugänglich machen; sie soll uns helfen, jede Verstimmung zu überwinden. Das will Jesus uns sagen.
Hast nicht auch du die Mahnung des Heilandes notwendig? Verlierst du nicht durch Eitelkeit das Verdienst deiner geringen Buße und übst du sie nicht mit Widerwillen und Feigheit?