81. Von der Hochschätzung der himmlischen Güter

(Mt 6)

 

I Jesus mahnt zur Verachtung der irdischen Güter

«Sammelt euch nicht Schätze auf Erden, wo Motte und Rost sie vernichten, wo Diebe einbrechen und stehlen. Sammelt euch Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Rost sie vernichten, wo keine Diebe einbrechen und stehlen. Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.»

Versuche den Gedanken des göttlichen Meisters zu erfassen. Er verlangt Losschälung von Gold und Silber, von Wohlsein, Ehre, Glück und Vergnügen. Alle diese Güter sind unbeständig im Leben, nichtig im Augenblick des Todes, immer aber eine Quelle sittlicher Verderbnis. Welche Schätze sollen wir dagegen nach dem Rate des Heilandes erwerben und aufhäufen? Die Werke der Frömmigkeit, der Liebe, der Geduld, der Abtötung, der Ergebung in den göttlichen Willen, der Treue gegen die Gebote, besonders auch die Werke der Barmherzigkeit. Das sind die wahren Güter, die des Menschen würdig sind und die allein für den Himmel Geltung haben. Stimme der göttlichen Weisheit bei, welche so lehrt, und erkenne die Wahrheit dieser Lehre. Vergleiche die ewigen Güter mit den zeitlichen. Was muß man nicht alles tun, um letztere zu erwerben? Was hast du selbst nicht schon alles um ihretwillen getan? Welches Glück hast du durch sie erlangt? Der ewigen Güter dagegen kannst du überall teilhaftig werden. Der himmlische Vater bietet sie dir an in jedem Augenblick, mittels jeder Pflicht und jeder Prüfung. Das Verlangen nach ihnen genügt schon, um sie zu erhalten, und wenn wir sie erworben haben, hilft uns Gott, sie zu bewahren. Die Mühe eines Augenblicks belohnt Er mit ewigem Glück.

Was sagt Jesus noch weiter über die irdischen Güter? Er erklärt, daß ihnen ein nagender Wurm innewohnt. Ehre, Vergnügen, Wohlsein, Reichtum, irdische Größe, alles das geht vorüber, kann verloren gehen und wird sich einst in nichts auflösen. Nur wer reich ist an himmlischen Schätzen, ist vor jeder Unruhe sicher. Hast du Sehnsucht nach diesen Gütern, die einzig glücklich machen und wirklich auf immer befriedigen?

 

II Jesus fordert eine reine Meinung im Gebrauch der Güter des Lebens

«Das Auge ist die Leuchte deines Leibes. Ist dein Auge gesund, so hat dein ganzer Leib Licht. Ist aber dein Auge krank, so ist dein ganzer Leib in Finsternis. Wenn nun schon das Licht in dir Finsternis ist, wie groß wird dann erst die Finsternis selbst sein!»

Betrachte diese heilsame Lehre. «Bewahrt eure Absicht rein», sagt der Meister zu seinen Jüngern. Was will dies besagen? «Strebet nach Lauterkeit in eurem ganzen Leben. Lebt und handelt nur im Hinblick auf das letzte Ziel. Tut ihr dies und nur dies, so wird euer Geist erleuchtet werden und euer Herz wird den Frieden finden.» Man muß klar erkennen, um aus ganzer Kraft zu wollen. Die durch die Gnade erleuchtete Vernunft ist für die Seele, was das Auge für den Körper ist. Man muß sie befragen, um den Weg der Seligkeit zu finden. Ist unser Erkenntnisvermögen vom Glauben erleuchtet, so wird unsere ganze Tätigkeit von seinen Wahrheiten getragen sein. Wir gehen im Lichte des Glaubens sicheren Schrittes voran, wir betrachten die Dinge, wie sie wirklich sind, und schätzen sie nach ihrem wahren Wert. Man ist stark, weil man sich im Besitze der Wahrheit weiß, und diese Wahrheit macht glücklich.

Bekämpfe darum die Leidenschaften, die deine Vernunft verdunkeln. Verachte die Grundsätze der Welt, die dich noch in der Selbsttäuschung gefangen halten. Ertöte die sinnlichen Begierden, die weichlichen Gewohnheiten, die deinen klaren Blick trüben und dich zu keinem Entschluß kommen lassen. Du mußt der Wahrheit fest ins Auge sehen können. Von Gott bist du ausgegangen, Ihm gehörst du an; für Ihn bist du erschaffen. Gott gab dir das Dasein, Er ist dein Herr, aber auch dein Vater. Das Leben ist dir einzig zu seinem Dienste gegeben. Durch diesen Dienst sollst du dich würdig machen, Gott ewig zu besitzen und im Himmel zu genießen. Das allein ist die Wahrheit.

 

III Jesus warnt uns vor einer Täuschung

«Niemand kann zwei Herren dienen. Entweder wird er den einen hassen und den andern lieben, oder er wird dem einen anhangen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.»

Denke daran, daß Gott und die verdorbene Welt zwei Herren sind, die unseren Dienst verlangen. Es ist aber nicht möglich, beiden gleichzeitig zu dienen, weil sie Gegensätzliches von uns verlangen: was der eine befiehlt, verbietet der andere. Fühlst du nicht, wie der hl. Paulus sagt, in dir ein Gesetz, das dem Willen Gottes widerstreitet? Deine Leidenschaft verführt dich zum Hochmut, zur Rachsucht, zur Sinnlichkeit; Gott aber ermuntert dich zum Gegenteil. Es gibt also kein Mittel, beiden zuzustimmen.

Die weltlichen Christen träumen von einem Kompromiß mit Gott, indem sie geteilten Herzens einmal ihrer Leidenschaft folgen und nachher wieder Gott dienen könnten. Laß dich aber nicht täuschen, denn Gott ruft dich in derselben Stunde, in der der Feind dich verführen will. Wenn du der Sünde zustimmst, bist du gleichzeitig ungehorsam und blind gegen die Gnade Gottes!

Bedenke, daß des Menschen Herz in seinem innersten Wesen unteilbar ist, es kann sich nur auf ganze Weise schenken. Daher ist es ihm unmöglich, sich zwei verschiedenen Personen zu schenken, besonders wenn es sich um zwei verfeindete Personen handelt. Du mußt dich also für den einen Herrn entscheiden. Du hast aber schon lange deinen Meister erwählt, denn du hast versprochen, Gott zu dienen. Bleibe also bei deinem Entschluß!