82. Von der Hingabe an die göttliche Vorsehung

(Mt 6)

 

I Jesus fordert seine Jünger auf, sich der Vorsehung ihres himmlischen Vaters zu überlassen

«Seid nicht ängstlich besorgt für euer Leben, was ihr essen und was ihr trinken sollt, noch für euren Leib, was ihr anziehen sollt. Ist denn das Leben nicht mehr als die Nahrung und der Leib nicht mehr als die Kleidung? Betrachtet die Vögel des Himmels! Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen: euer himmlischer Vater ernährt sie. Seid ihr nicht mehr wert als sie?»

Nimm mit Freude diese Einladung zum Vertrauen auf die göttliche Vorsehung an. «Beunruhigt euch nicht», spricht Jesus. Dieses Wort schließt weder eine gemäßigte Vorsorge noch die angestrengte Arbeit für den Lebensunterhalt aus; aber es mißbilligt die Unruhe und Ängstlichkeit. Sich übertriebener Sorge hingeben hieße sich gegen die Liebe verfehlen, die man Gott schuldig ist. Sind die bereits empfangenen Wohltaten nicht ein Pfand für jene, welche man noch erwarten darf? Wir vergessen, was Gott uns bisher gewesen ist, und deshalb beunruhigen wir uns wegen der Zukunft. Wir sind mißtrauisch, weil wir der empfangenen Wohltaten nicht mehr gedenken. Die übertriebene Besorgnis ist auch ein Mangel an Glauben. Die Heiden mögen sich beunruhigen, denn ihre Götter sind blind, ohnmächtig und gefühllos. Aber der Gott, den Jesus uns geoffenbart hat, ist ein Vater; Er kann alles, weiß alles und liebt seine Geschöpfe. Wenn wir Mißtrauen gegen Ihn hegen, so würdigen wir Ihn unter die falschen Götter herab, behandeln Ihn als Fremden und weigern uns, an seine unendliche Weisheit zu glauben.

Die übergroße Bekümmernis ist unvernünftig. Was sagt uns die Vernunft? Sie belehrt uns, daß Gott, der uns das Leben gegeben und unsern Körper gebildet hat, ehe wir noch selbst für uns sorgen konnten, uns jetzt auch alles geben wird, was uns zum Leben notwendig ist. Wer Großes geschenkt hat, wird etwas Geringeres nicht verweigern. Aus dem, was du in der Natur gewahrst, schließe auf das, was du erhoffen darfst. Wenn Gott schon so freigebig für die vernunftlosen Geschöpfe sorgt, wie könnte Er seine Fürsorge dir entziehen, da Er dich zum König der Schöpfung gemacht hat?

Befestige also deinen Glauben. Denke an alles, was der Erlöser dir von Gott gesagt hat, und traue seinem Wort. Das genügt; denn das Vertrauen wankt nur dann, wenn der Glaube schwach ist. Stütze dich auf das Wort Jesu Christi, und du wirst an dir selbst erfahren, wie froh das Vertrauen macht!

 

II Jesus mahnt seine Jünger, zuerst das Reich Gottes zu suchen

«Seid also nicht ängstlich besorgt und fragt nicht: Was sollen wir essen? Was sollen wir trinken? Womit sollen wir uns bekleiden? Um all das sorgen sich die Heiden. Euer himmlischer Vater weiß ja, daß ihr dies alles nötig habt. Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, und dies alles wird euch hinzugegeben werden.»

«Suchet zuerst das Reich Gottes.» Das also ist die Lebensregel der wahren Jünger Jesu Christi. Dein Meister führt sie immer wieder an, damit du dich entschließest, sie anzunehmen. Arbeite an deiner Heiligung und Gott wird alles übrige tun.

Ganz für das Gute und die Tugend leben, treu die tausend kleinen Pflichten, die jeder Augenblick mit sich bringt, in Liebe erfüllen, das ist das Wesen der Vollkommenheit, die der Heiland hier verlangt. Wer so handelt, besitzt die christliche Lebensweisheit.

Bedenke auch, daß es nichts als Gerechtigkeit ist, ganz für die Ehre Gottes und sein Reich zu leben. Alles, was es auf Erden gibt, ist geringer als Gott und verdient deshalb auch weniger unsere Liebe. Es wäre deshalb eine Beleidigung Gottes, wenn man die Sorge um Irdisches wichtiger nehmen würde als seinen Dienst und seine Verehrung. Wenn du in einem erhabenen Gnadenstrahl Gott erkennen und begreifen könntest, wie sehr Er es verdient, über alles geliebt zu werden, würdest du nichts anderes mehr verlangen als Ihn allein.

Besteht das Glück des gegenwärtigen Lebens nicht hauptsächlich in dem, was unser ewiges Heil sichert? So überlasse deinem himmlischen Vater kindlich die Gegenwart, die Vergangenheit und die Zukunft. Er weiß alles, kann alles und liebt dich väterlich. Ihm zu mißtrauen wäre ein großes Unrecht.

 

III Wir sollen uns auch nicht ängstigen wegen der Zukunft

«Seid auch nicht ängstlich besorgt für den morgigen Tag; denn der nächste Tag wird für sich selber sorgen. Jeder Tag hat genug an seiner eigenen Plage.»

Betrachte, was der Heiland hiermit sagen will. Da wir nicht einmal sicher sind, ob wir morgen noch leben werden, ist es töricht, seine Gedanken mit zukünftigen Sorgen zu zerstreuen. Du könntest bald vollkommen sein, wenn du entschlossen wärest, heute und jetzt mit deiner Heiligung zu beginnen. Wie würdest du handeln, um deine Ewigkeit vorzubereiten, wenn du wüßtest, daß dies dein letzter Tag wäre?

Der Herr verbietet jedoch nicht, daß wir mit Klugheit die Dinge für die Zukunft regeln. Er tadelt nur die Ängstlichkeit und das hektische Sorgen, welches den Geist ermüdet und die Seele verwirrt. Man soll sich mit seiner Sorge um den nächsten Tag kindlich der göttlichen Vorsehung anvertrauen. Prüfe dich, ob deine Sorge um die Zukunft von der Klugheit, der Mäßigkeit und dem Gottvertrauen begleitet ist und ob du dabei den Frieden des Herzens bewahren kannst.