253. Der Verrat
(Joh 13, Mt 26, Mk 14, Lk 22)
I Jesus offenbart die Anwesenheit eines Verräters im Kreis seiner Apostel
«Nicht von euch allein rede ich. Ich weiß, wen ich erwählt habe; aber damit die Schrift erfüllt werde: Der mit mir das Brot ißt, wird wider mich seine Ferse erheben.»
Bleibe in der Nähe deines Meisters. Er spricht von Künftigem Verrat. Unter denjenigen, denen Er sich eben mit soviel Liebe hingegeben, ist sein Blick einem Verräter begegnet. Selbst bei seinen Vertrauten wird es Abtrünnige geben, es gibt also nirgends volle Sicherheit.
«Was ich euch sage, geht euch nicht alle an. Einer ist unter euch, dem die Lebensweise seines Meisters auf die Dauer unerträglich scheint. Ich bin arm, er möchte reich sein, die Großen verachten mich, er strebt nach der Gunst der Großen, man verfolgt mich, er sucht sich Freunde und Beschützer unter meinen Feinden. Die Eigenliebe hat ihn verblendet; er ist zu jedem Verrat bereit.» — Präge dir diese Worte tief ein! Auch dich will Jesus zur Vorsicht mahnen, wenn Er seine Apostel warnt und sie zur Wachsamkeit auffordert.
«Ich weiß, wen ich erwählt habe», fügt Jesus bei; dieses Wort soll dich im Innersten deiner Seele erfreuen. Darfst du nicht zuversichtlich hoffen, zu jenen Auserwählten zu gehören? Bestärke dich in diesem Glauben, erinnere dich an alles, was Jesus getan hat, damit du nicht ewig zugrunde gehst, und bitte Ihn, dich in seiner Gnade so zu befestigen, daß du Ihm stets unverbrüchlich treu bleibst, um im Himmel mit Ihm vereinigt zu werden.
II Er kündet den feigen Verrat an, den einer der Seinigen an Ihm begehen wird
Nach diesen Worten wurde Jesus im Geiste erschüttert und beteuerte: «Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, einer von euch wird mich verraten. Die Hand meines Verräters ist mit mir auf dem Tische.»
Höre diese Klage des Herzens Jesu! Mitten unter den zärtlichsten Äußerungen Seiner Liebe und den vertrautesten Mitteilungen spricht Jesus von dem Vergehen des Verräters. «Einer von euch wird mich verraten. Einer von euch hat mit meinen Feinden um den Preis meines Blutes verhandelt. Einer von euch!»
Seinen treuen Jüngern entdeckt Jesus die Wunde, welche der Verräter seinem Herzen geschlagen hat. Eile, diesen Schmerz zu lindern! Merke jedoch, daß seine Worte ohne Bitterkeit sind, obschon sein Herz von unendlichem Weh erfüllt ist. Er leidet weit mehr durch den Untergang des Sünders, als durch die unwürdige Behandlung, die Er selbst erdulden muß. Er klagt nur, um auf diese Weise jenen zu warnen, den Er noch zu retten sich bemüht.
Suche zu erfassen, wie schrecklich das Verderben einer Seele für den Heiland ist, der ihren Wert vollkommen kennt! Angesichts der drohenden Gefahr ist sein Herz aufs tiefste erschüttert. Gehe zu deinem Erlöser und bitte Ihn um Verzeihung für alle Besorgnis, die du Ihm verursacht, und für allen Schmerz, den du Ihm durch deine Unvorsichtigkeit, deine Feigheit und Lauheit bereitet hast! Willst du die Gefahr, deinen guten Meister zu verraten, sein Werk zu vereiteln und deine Seele zu verlieren, noch vergrößern? Fasse ernste Vorsätze! Der Heiland verlangt nach der Versicherung deiner Treue als Ersatz für die Treulosigkeit so vieler Abtrünnigen.
III Jesus bedroht den Verräter mit dem ewigen Verderben
Da wurden sie sehr betrübt, und einer nach dem andern fragte Ihn: «Ich bin es doch nicht, Herr?» Er aber antwortete: «Der mit mir die Hand in die Schüssel tunkt, der wird mich verraten.»
Nimm teil an der Trauer der Apostel. Sie fragen einander: «Bin ich es?» — «Meister, hältst Du mich eines solchen Verbrechens fähig? Sieht dein allsehender Blick Anlagen in mir, die zu so großen Fehlern führen können? O, wenn das der Fall ist, so komme meiner Schwachheit zu Hilfe. Demütige meinen Stolz, der meine Treue fortwährend gefährdet. Nimm von mir, was deiner Ehre schaden könnte und bekehre mich!» — So spricht das gute Gewissen. Die treuen Jünger tun recht daran, nicht auf sich selbst zu vertrauen. Erforsche wie sie dein Gewissen!
Welches Los wird den Verräter treffen? «Wehe ihm», sagt Jesus. «Wehe aber dem Menschen, durch den der Menschensohn verraten wird. Für jenen Menschen wäre es besser, wenn er nicht geboren wäre!» — Augenblicklich sitzt er noch am selben Tisch, nimmt an denselben Sakramenten teil, und nichts unterscheidet ihn äußerlich von den Bevorzugtesten. Aber eines Tages wird die göttliche Gerechtigkeit einschreiten. Sie wird schreckliche Strafen über alle Verräter und Gottesschänder verhängen. Wehe ihnen!