256. Jesus sagt den Abfall der Apostel voraus

(Joh 13, Mt 26, Lk 22, Mk 14)

 

I Jesus empfiehlt seinen Aposteln die brüderliche Liebe

«Kindlein, nur noch kurze Zeit bin ich bei euch. Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben.»

Bleibe im Abendmahlssaal und sieh, wie Jesus die Seinen mit der Zärtlichkeit eines Mutterherzens liebt. «Meine Kindlein», redet die ewige Weisheit schwache Menschen, arme Sünder, an. Ist eine solche Sprache nicht geeignet, selbst dem Furchtsamsten vollkommenes Vertrauen einzuflößen?

Die folgenden Worte zeigen, welchen Wert Jesus auf die Betätigung der brüderlichen Liebe legt, die das Evangelium allen Menschen vorschreibt. «Ich verlasse euch nun, und ihr könnt mir jetzt noch nicht folgen. Welche Lebensaufgabe bleibt euch nach meinem Hingang? Liebt einander! Das ist mein Gebot, das der ganze Inhalt meines Evangeliums; es soll auch das Programm eures Lebens sein «Daran sollen alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr untereinander Liebe habt.»

Jesus wird freudig den Kalvarienberg besteigen, wenn Er weiß, daß nach seinem Tode seine Jünger sich gegenseitig lieben und diese Liebe in zarter, selbstloser Weise üben werden. Nahe dich dem Heiland und versichere Ihm, daß du das deine dazu beitragen willst, Ihm in seiner letzten Stunde Trost zu bereiten, daß du deine Brüder lieben willst, wie Er sie geliebt hat. Fache in deiner Seele das Feuer jener Liebe, die im Herzen Jesu lodert, zu neuer Glut an.

 

II Jesus sagt dem Petrus und den übrigen Jüngern ihre Untreue voraus

Simon Petrus fragte ihn: «Herr, wohin gehst Du?» Jesus antwortete ihm: «Wohin ich gehe, dahin kannst du mir nicht folgen, du wirst mir aber später folgen.» Petrus sagte zu ihm: «Herr, warum kann ich Dir jetzt nicht folgen?»

Petrus möchte gern viel für Gott tun, weiß aber nicht, was es ihn kostet. Er glaubt sich stark, weil er von lebhaften Empfindungen getragen wird. — «Warum soll ich dir nicht folgen?» ruft er aus. «Zweifelst Du an meiner Treue, meiner Liebe, meinem Mut? Ist nicht gerade jetzt die beste Gelegenheit, mich in deiner Nachfolge auszuzeichnen?»

So spricht Petrus, so sprechen viele Menschen aus Mangel an Selbstkenntnis. Nütze die Verblendung des Apostels zu deinem Vorteil; Jesus belehrt ihn und dich. Entdecke in seinen Worten den Grund, warum auch du seinem Ruf nicht folgst und seiner Gnade nicht ganz entsprichst. Und was sagt Er? «In dieser Nacht werdet ihr alle an mir Anstoß nehmen. — Ihr meint, bereit zu sein, mir zu folgen und seid doch auf dem Punkt, mich zu verlassen. Ihr dünkt euch stark und seid doch schwach. Eure Gefühle täuschen euch und werden in der Gefahr nicht standhalten. In einigen Stunden wird es scheinen, als sei ich von meinen Feinden überwunden, dann werde ich für euch nur mehr ein Gegenstand des Mitleids sein. Der Glaube an meine Macht und an mein Erlösungswerk wird in eurer Seele fast ausgelöscht sein.»

Petrus unterbrach Ihn: «Und wenn alle an dir irre werden, ich werde mich niemals beirren lassen. Ich will mein Leben für dich einsetzen. Ich bin bereit, mit dir in den Kerker und in den Tod zu gehen.» — «Wahrlich, ich sage dir», entgegnete Jesus, «in dieser Nacht, ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.» Die Gefühle, die der Apostel hier zum Ausdruck bringt, sind aufrichtig, aber es sind nur menschliche Empfindungen, und auf die Natur ist kein Verlaß. Hast du dies nicht schon vielfach erfahren? Sagt Jesus nicht deine eigenen Fehltritte in diesen Worten voraus? Unterbrich Ihn nicht wie Petrus, bekenne Ihm vielmehr alle deine Fehler und sprich demütig: «Ja, Meister, ich bin so, wie Du sagst!» — Dieses Geständnis ist das sicherste Mittel, vom lieben Heiland ohne Zögern losgesprochen zu werden. All deine Stärke liegt also im Bewußtsein deiner Schwäche und in deinem Vertrauen auf Jesus. Erinnere dich, was die Apostel waren und was sie später geworden sind. Wappne dich gegen die Mutlosigkeit und befestige deine guten Entschlüsse!

 

III Jesus betont, daß für alle die Stunde des Kampfes naht

Dann sprach Er zu ihnen: «Als ich euch aussandte ohne Beutel, Tasche und Schuhe, hat euch da etwas gefehlt?» «Nein», gaben sie zur Antwort. Da fuhr Er fort: «jetzt aber soll, wer einen Beutel hat, ihn an sich nehmen, ebenso wer eine Tasche hat. Wer das nicht hat, verkaufe seinen Mantel und kaufe dafür ein Schwert.»

Was bedeuten diese geheimnisvollen Worte des göttlichen Meisters? Sind sie nicht ein Aufruf zum Kampfe? — «Sammelt euch Vorräte für die Zeit der Not. Rüstet euch zum Streit; die Verfolgung bricht herein. Der Augenblick ist gekommen, sich in meinem Dienst auszuzeichnen.» Bis jetzt hat den Aposteln nie etwas gefehlt. Jesu Vorsehung sorgte für alles. Aber der Kampf wäre gar zu leicht, wenn Jesus allzeit in sichtbarer Gestalt auf dem Schlachtfeld den Streitenden beistände. Er wird ihnen seinen Anblick entziehen, und seine Abwesenheit wird das Ringen erschweren. Doch beklage dich nicht! Er wird in anderer Weise dir zu Hilfe kommen und es dir möglich machen, dich im Kampf zu bewähren und zu siegen.

Bitte Jesus, dir die Namen der Feinde zu nennen, die Ihn und dich bedrohen, ihre abscheulichen Pläne aufzudecken und dich zu lehren, wie du dich verteidigen kannst. Schwöre dem Heiland Treue bis in den Tod! Sprich auch du: «Ich will mein Leben für dich einsetzen.» Mache dieses Wort zur Wahrheit und bringe dein ganzes Leben einzig in seinem Dienst zu. Freue dich, daß du auch dein Leben für Jesus hingeben kannst, indem du ernstlich danach strebst, es in allem seiner würdig zu gestalten!