274. Die Gefangennahme
(Joh 18)
I Jesus tritt vor die Rotte
Jesus, der alles wußte, was Ihm bevorstand, trat vor und fragte sie: «Wen sucht ihr?» Sie antworteten Ihm: «Jesus von Nazareth!» Jesus sagte zu ihnen: «Ich bin es.» Auch Judas, sein Verräter, stand bei ihnen. Als Er ihnen nun sagte: «Ich bin es«, wichen sie zurück und stürzten zu Boden.
Hefte deinen Blick unverwandt auf Jesus! Er weiß, was Seiner harrt, Er kennt im einzelnen die Anschläge seiner Feinde. Es ist Ihm vollkommen bekannt, wie weit ihr Haß gehen wird, und dennoch geht Er ihnen entgegen. Denen, die Ihn zum König machen wollten, entzog Er sich; jenen, die Ihm nach dem Leben trachten, geht Er entgegen. So bereitet Er als der wahre Hohepriester des Neuen Bundes den Opferaltar. «Wen sucht ihr?» fragt Er. An wen ist dieses Wort gerichtet? An eine Rotte von Menschen, deren größtes Unglück in ihrer Unwissenheit besteht. Die meisten von ihnen wissen nichts von der Güte, die Jesus durch Wunder aller Art im ganzen Land gewirkt hatte. Es war ihnen nicht vergönnt gewesen, den Heiland in der Nähe zu sehen, sein göttliches Wort zu hören und seinen Umgang zu genießen. Weil sie Ihn nicht kennen, haben sie sich täuschen und zu seinen Henkern anwerben lassen. Zu was für Greueltaten kann die Unkenntnis Jesu die Menschen führen! «Wir suchen Jesus von Nazareth», antwortet die Rotte. Kannst du dieselbe Antwort geben? Suche du aus Liebe jenen, den die Schergen nur aus Bosheit suchen! Wenn diese Ihn suchen, um Ihn zu töten, so suche du Ihn, im Ihn in dir leben zu lassen.
«Ich bin es», entgegnet der Heiland. «Ich bin Jesus von Nazareth. Die Allmacht steht mir zu Gebote, durch mich ist alles erschaffen und alles könnte ich vernichten.» Aus freiem Entschluß will Jesus sich ausliefern, aber so, wie es dem Sohn Gottes zusteht. Seine Feinde sollen die göttliche Kraft fühlen, die in Ihm unter der Schwäche der menschlichen Natur verborgen ist. Bevor Er seiner Allmacht sich entäußert, soll sie noch einmal hervortreten. «Ich bin es.»
Mit der bestürzten Rotte sinke auch du in die Knie und verdemütige dich tief vor Ihm; du weißt ja, was dieses Wort Jesu ausdrückt. Zu Füßen der göttlichen Majestät versenke dich in dein Nichts; erkenne seine allerhöchste Gewalt über dich an und nimm die Stellung ein, die dir als Geschöpf und Knecht zusteht.
II Jesus gibt sich gefangen
Nochmals fragte Er sie: «Wen sucht ihr?» Sie antworteten: «Jesus von Nazareth.» Jesus erwiderte: «Ich habe euch gesagt, daß ich es bin. Wenn ihr also mich sucht, dann laßt diese gehen!»
Wie besorgt ist der Heiland für die Seinen! Den Kelch der Leiden behält Er sich selbst vor; uns bietet Er ihn erst an, nachdem Er das Bitterste davon getrunken hat. «Lasset diese gehen!» befiehlt Er. Im Augenblick, wo Er selbst seine Freiheit opfert, ist Er um die Freiheit der Seinen besorgt. Er will sie in Sicherheit wissen, während Er sich zum Tode anbietet.
Nicht bloß den Juden sagt Jesus dieses Wort, auch dem himmlischen Vater wiederholt Er es. Die göttliche Gerechtigkeit zürnt den sündigen Menschen; da spricht Jesus vermittelnd: «Hier bin ich, richte die Geißel deines Grimms gegen mich und laß diese gehen! Schone jene, für die ich sterbe.» — Er bietet sich also dem Tode dar, damit wir leben. Seinen Feinden überliefert Er seinen Leib, um seine Liebe zu beweisen. Das hat der Heiland für dich getan, was willst du für Ihn tun?