288. Die Stimme des Volkes
(Mt 27, Mk 15, Lk 23)
I Jesus wird vom Volk verworfen
Der Statthalter nahm das Wort und fragte sie: «Wen von den beiden soll ich euch freigeben?» Sie riefen: «Barabbas!»
Finde dich abermals im Prätorium ein! Die schimpfliche Wahl zwischen Jesus und Barabbas ist noch nicht zum Abschluß gekommen. Höre das Geschrei der Menge: «Hinweg mit Ihm! Ans Kreuz mit Ihm! Befreie uns von dem Anblick dieses Menschen!»
So gehässig äußert sich das Volk gegen Jesus. Es hat auf schlechte Ratgeber gehört und sich von ihnen beeinflussen lassen; es hat blindlings dem Urteil seiner Priester geglaubt und wurde durch Trugschlüsse von ihnen getäuscht. Drücke dem Heiland dein Mitleid aus! Er, der allen Gutes erwiesen hat, ist nun allen zu einer unerträglichen Last geworden, deren man sich um jeden Preis entledigen will. Hier siehst du, wie wenig man auf menschliches Urteil und auf Volksgunst rechnen darf.
«Gib uns den Barabbas frei», schreit die Menge. Das betörte Volk verzichtet hierdurch auf den Ruhm und die Hoffnung seiner Väter, auf seinen Erlöser. Überlasse diesen armen Verblendeten jenen Mörder, den sie Jesus vorziehen, und erhebe deine Gedanken zum himmlischen Vater! Verweile bei der erstaunlichen Tatsache, daß auch dieser den Barabbas verschont. Er läßt alle Schmach über seinen Sohn ergehen, Ihn zur schmerzlichen Geißelung verurteilen und am Kreuze sterben. Das Volk begehrt die Befreiung des Mörders und den Tod seines Erlösers. Der himmlische Vater stimmt diesem Verlangen bei, da Er die Menschen bis zum Übermaß liebt.
Du hattest seine Strafe verdient, und Er schenkt dir Leben und Gnade durch den Tod seines vielgeliebten Sohnes. Öffne dein ganzes Herz der göttlichen Liebe und sprich in tiefster Dankbarkeit: «Dies alles ist aus Liebe zu mir geschehen.»
II Das Volk fordert den Tod Jesu
Abermals redete Pilatus zu ihnen, da er Jesus freigeben wollte, und sprach: «Was soll ich denn mit Ihm anfangen, den ihr den König der Juden nennt?» Sie aber schrieen nur noch lauter: «Kreuzige, kreuzige Ihn!»
Um der Menge, die er fürchtet, nicht zu mißfallen, fordert Pilatus sie selbst zur Entscheidung auf. «Was soll ich denn mit Jesus tun? Sprecht ihr selbst das Urteil über Ihn!» So ist nun der Heiland der Wut des Volkes preisgegeben.
«Kreuzige Ihn!» schreit die Menge. Der Tod Jesu befriedigt sie noch nicht; ihr Haß verlangt für Ihn die schmachvollste Todesart. All unsere Sünden des Hasses, der Zwietracht, der Unmäßigkeit, der Unkeuschheit, der Gotteslästerung stimmen ein in diesen Ruf und fordern mit lautem Geschrei ihr Opfer. Jesus will als Sühneopfer unter unsäglichen Demütigungen und Schmerzen auf dem Altar des Kreuzes verbluten, um uns armen Sündern ein grenzenloses Vertrauen einzuflößen.
Laß die betörte Menge ihre blinde Wut in wüstem Geschrei austoben, sie weiß nicht, was sie begehrt. Du aber, der du weißt, um was es sich handelt, sammle dich und sprich in reuevoller Liebe: «Erbarme dich! Guter Meister, laß dich kreuzigen! Wir bedürfen deines Blutes. Deine Schmerzen, deine Demütigungen, dein Tod sind uns notwendig. Stirb für uns, damit wir leben für dich.» Halte liebevolle, dankbare Zwiegespräche mit deinem Erlöser!