291. Die Verspottung des Heilands

(Mt 27, Mk 15, Joh 18)

 

I Jesus im Spottmantel

Die Kriegsknechte führten nun Jesus in das Amtsgebäude und versammelten um Ihn die ganze Kohorte. Sie zogen Ihm die Kleider aus und warfen Ihm einen scharlachroten Mantel um.

Betrachte den Heiland in seiner grenzenlosen Verdemütigung! Die Soldaten des Pilatus verschärfen ihre Grausamkeit noch durch Verhöhnung. Sie werfen Jesus einen Purpurmantel um; der Heiland läßt sich demütig und ohne Widerrede damit bekleiden. Dadurch wollte Er in uns den Geist des Hochmutes besiegen. Er läßt uns hier die Wahrheit seines Wortes erkennen: «Mein Reich ist nicht von dieser Welt.» Im Reich Christi sind keine Ehren und zeitlichen Güter zu erwarten.

Nur Demütigungen gewähren den Eintritt in dieses Reich und nur Demütigungen ermöglichen die Wiederaufnahme, wenn man so unglücklich war, es zu verlassen. Die Demütigung ist die dem Sünder offen gelassene Türe, durch die er wieder zu seinem Gott zurückkehren kann. In dem Augenblick, wo der Erlöser im Begriff steht, uns zu verlassen, will Er diese doppelte Lehre uns tief einprägen. Hüte dich, sie je zu vergessen!

Küsse ehrfurchtsvoll den Spottmantel Jesu und verbirg in seinen Falten alle Sünden des Hochmutes, deren du dich schuldig gemacht hast! Willst du einst an der Verherrlichung Jesu teilnehmen, so mußt du hienieden seine Demütigung teilen und deinem Stolz tödliche Niederlagen bereiten, so oft sich Gelegenheit bietet.

 

II Jesus hält in seiner Hand das Spottzepter

Sie gaben Ihm ein Rohr in seine rechte Hand. Dabei spieen sie Ihn an, nahmen das Rohr und schlugen Ihm damit aufs Haupt.

Die Soldaten geben dem Heiland zum Hohn ein Zepter in die Hand. Sie verspotten so das Königtum, von dem Er vor seinem Richter gesprochen hat. Jesus erscheint in ihren Augen als ein Narr, und sie behandeln Ihn demgemäß. Wir bedurften zur Heilung unseres Ehrgeizes und unserer Begierde nach Ehre und Auszeichnung eines solchen Beispiels von Liebe zu Schmach und Verachtung.

Neige dich ehrfurchtsvoll unter dieses Zepter und erkenne die Autorität, die es versinnbildet, an! Dem Anschein nach ist sie nur ein schwaches, vom Winde hin und her bewegtes Rohr, das keinen Schutz gewähren kann gegen die Verfolgungen, Angriffe und Bedrückungen der Welt; in Wirklichkeit ist sie aber die Kraft Gottes, die vor jeder Niederlage bewahrt und jeden Sieg sichert.

Dies schwache Rohr zeigt dir sinnbildlich, daß du unter der Leitung Jesu in der Schwachheit siegen wirst. So fasse denn Mut, bitte den gütigen Heiland, durch Berührung mit seinem Zepter deine Schwäche zu heilen, dich stark zu machen zu allen Kämpfen und dich zu glänzendem Sieg zu führen!

 

III Die höhnischen Huldigungen der Soldaten

Sie fielen vor Ihm auf das Knie und verspotteten Ihn mit den Worten: «Heil dir, König der Juden!» Und sie gaben Ihm Backenstreiche.

Verlängere dein Gebet, um dem Heiland durch deine aufrichtige Huldigung für den Spott der Soldaten Sühne zu leisten. Koste die Bitterkeit der Schmach, die man deinem Erlöser antut!

All diese Beleidigungen duldet Jesus gelassen und schweigend. Seine Gedanken weilen hoch über dem, was hier vorgeht. Jesus offenbart dir dadurch, wo die Quelle des Friedens mitten im Aufruhr und die Geduld inmitten der Verachtung zu suchen ist. Seine unermeßliche Liebe zu Gott und zu uns läßt den Heiland so ruhig all diesen Schimpf ertragen. Wie hell erstrahlt die Gottes- und Menschenliebe im Leiden Christi! Danke dem Heiland für diese Liebe und bestrebe dich, aus seinem Beispiel der Demut praktischen Nutzen zu ziehen. Welch andere Gegengabe kannst du dem Heiland bieten als die vollkommene Aufopferung deiner selbst? Opfere dem leidenden Heiland das, was deinem Herzen am teuersten ist, und entsage auf immer allem, was Ihm mißfällt und Ihn beleidigt! Dann wird der himmlische Vater auch dein Herz mit dem Feuer der Liebe entzünden, das im Herzen seines vielgeliebten Sohnes lodert.