299. Die Verteilung der Kleider Jesu

(Mt 27, Mk 15, Lk 23, Joh 19)

 

I Die Soldaten verteilen die Kleider Jesu

Nachdem die Soldaten Jesus gekreuzigt hatten, nahmen sie seine Kleider und machten daraus vier Teile, für jeden Soldaten einen Teil; dazu kam noch der Leibrock. Sie verteilten seine Kleider, indem sie das Los darüber warfen.

Bleibe in heiliger Sammlung auf dem Kalvarienberg! Die Soldaten schicken sich an, die Kleider Jesu unter sich zu teilen. Warum solltest du nicht auch deinen Anteil an der Hinterlassenschaft Jesu begehren? Du hast ein Recht darauf, denn du gehörst zu den Seinen.

Siehe das Erbteil der Armut! Diese Kleider sind alles, was Jesus auf Erden besitzt. Sie erinnern uns daran, daß unser Heiland hienieden nichts hatte, wohin Er sein Haupt legen konnte, und daß in seiner Nachfolge kein Platz ist für Sklaven des Wohllebens.

Siehe das Erbteil der Reinheit! Den Mantel jungfräulicher Reinheit hat keine Befleckung je entweiht. Hülle deine schwache Seele darin ein und verbirg in seinen Falten die Vorsätze, die du zum Schutz dieser Tugend fassen mußt. Bitte deinen Erlöser, durch die Berührung seines Gewandes das Feuer der Begierlichkeit und den Durst der Wollust in dir vollständig zu löschen!

Siehe das Erbteil der Liebe! Ist das Kleid ohne Naht nicht ein entsprechendes Sinnbild dafür? Der Rock aber war ohne Naht, von oben bis unten ganz durchgewoben. Da sagten sie zueinander: «Diesen wollen wir nicht zerschneiden, sondern das Los darüber werfen, wem er gehören soll.» Erwäge dies zu deinem Nutzen! Hast du nicht gelobt, in deinem Kreis die vollkommene Liebe des Evangeliums zu üben? Hüte dich also vor Sondergeist und Zwiespalt, Empfindlichkeit, böswilligem Argwohn, bitteren und herben Worten. Sorge für vollkommene Eintracht zwischen Haupt und Gliedern! Das nahtlose Kleid deines Erlösers, das Er dir hinterlassen hat, mahnt dich zur Einheit im Geist und im wahren Glauben.

 

II Die Soldaten bewachen den sterbenden Heiland

Und sie setzten sich nieder und bewachten Ihn.

Die Soldaten bewachen Jesus am Kreuz. Fürchten sie wohl, Er könne vom Kreuz herabsteigen? Doch wie könnte solch ein Gedanke in seiner Seele auftauchen? Bemühe dich, in die Gedanken Jesu einzudringen!

Am Kreuz läßt der Heiland alle Arbeiten, Demütigungen und Qualen an sich vorüberziehen, die die göttliche Gerechtigkeit zur Sühne unserer Vergehen Ihm auferlegt hatte. Er überblickt sie alle, vom ersten Augenblick seines Lebens an bis zum letzten, und sieht nun, daß alles vollbracht ist. Warum sollte Er vom Kreuz herabsteigen, jetzt, wo Er am Ende seiner Laufbahn angelangt ist und die Siegeskrone Ihn erwartet? Um die Rechte des Vaters zu verteidigen, hat Er sein Leben hingegeben. Warum sollte Er von neuem zu leben beginnen? Leben heißt durch Erfüllung des göttlichen Willens zur Ehre Gottes arbeiten. Den Willen des Vaters hat Jesus erfüllt, seine Lebensaufgabe ist vollbracht. Das Leben des Menschen endet in dem Augenblick, da die Absichten Gottes mit ihm erreicht sind. Daher wird es im Tod nicht vernichtet, sondern vollendet.

Sinke dem sterbenden Heiland zu Füßen! Er richtet liebend seinen Blick auf dich, sein Herz öffnet sich dir. Mit seinem Blut ergießt Er seine Gnade über dich, um dich durch ein reines und heiliges Leben auf einen guten Tod vorzubereiten. Wenn du Jesus im Leben die Treue bewahrst, wird Er dir im Sterben treu zur Seite stehen.