305. Der letzte Seufzer Jesu

(Joh 19, Mt 27, Mk 15, Lk 23)

 

I Jesus gibt seine Seele in die Hände seines himmlischen Vaters zurück

Jesus rief mit lauter Stimme und sprach: «Vater, in deine Hände empfehle ich meinen Geist!»

Die Stunde ist gekommen, da dein Erlöser aus diesem Leben scheidet. Seine Seele löst sich vom Leibe wie eine reife Frucht. «Vater», sagt Er, «in deine Hände empfehle ich meinen Geist.»

Was heißt denn sterben? Sterben heißt, seine Seele in die Hände eines Vaters zurückgeben, in die Heimat, ins Vaterhaus zurückkehren. Wie süß ist dies den wahren Kindern Gottes. «Vater», sagt Jesus, «ich lege in deine Hände alles, was Du mir gegeben hast, und alles, was ich für dich getan habe.»

Bete den himmlischen Vater an, der beim Sterben Jesu zugegen ist, um dessen heilige Seele in Empfang zu nehmen. Der Augenblick ist da, um deinerseits alles in die Hände Gottes zu legen, was du von Ihm empfangen hast, und um dich im voraus allem zu unterwerfen, was Er dir an körperlichen und seelischen Leiden schicken wird.

Entsage allem, was du deinem himmlischen Vater in deiner Todesstunde nicht darbieten dürftest! Nur das hat wahren Wert, was du Ihm dann aufopfern kannst. Weihe Ihm dein Leben in Vereinigung mit der heiligen Todesangst seines Sohnes!

 

II Jesus neigt sein Haupt und stirbt

Dann neigte Er das Haupt und gab den Geist auf.

Es ist vollbracht; der Sohn Gottes kehrt zu seinem Vater zurück. Versetze dich im Geist mit Ihm an die Schwelle der Ewigkeit und vernimm seinen letzten Seufzer. Halte inne und betrachte! Wer ist derjenige, der soeben gestorben ist? Woher ist Er gekommen? Welchen Weg ist Er gewandelt? Für wen gab Er sein Leben hin?

Frage dich, warum der Sohn Gottes einer von uns geworden ist, ein menschliches Leben geführt und den Tod für unsere Sünden erduldet hat. Was fordern von uns seine erloschenen Augen, seine blutüberronnene Stirn, seine durchbohrten Hände, sein mit Wunden bedeckter Leib? -Denke nach und sprich: «Das hat Er für mich getan, was werde ich für Ihn tun? Was habe ich bis heute getan und was muß ich in Zukunft ändern? Willst du noch länger so weichlich und nachläßig sein, ohne geregelte Tätigkeit und geordnetes Tugendstreben? Willst du weiter ein Sklave des Wohllebens, der Sinnlichkeit und deiner ungeordneten Neigungen bleiben? Wirst du weiterhin deinen eigenen Willen dem Willen Gottes vorziehen? Wirst du stets in deiner Selbstsucht verharren, die dein Herz austrocknet und dich hart und gefühllos gegen deinen Nächsten macht?

Bewege dein Herz in dieser heiligen Stunde zur Anbetung, Liebe und Hingabe! Meine Seele, nichts darfst du dem verweigern, dessen Majestät unendlich ist und der dessen ungeachtet am Kreuz alles erduldet hat, um dir seine Liebe zu beweisen.