307. Die Öffnung der Seite Jesu

(Joh 19)

 

I Pilatus läßt den Tod Jesu feststellen

Es war Rüsttag. Jener Sabbat war nämlich ein hoher Feiertag. Da baten die Juden Pilatus, er möge den Gekreuzigten die Beine zerschlagen und sie vom Kreuze abnehmen lassen, damit sie nicht über den Sabbat am Kreuze blieben.

Kehre zum Fuß des Kreuzes zurück. Seine Feinde wollen dem Herrn eine letzte Wunde schlagen, und der himmlische Vater läßt es geschehen. Jesus wird den Lanzenstich nicht mehr fühlen, die Zeit seines Leidens ist vorüber. Aber nun ist mehr als je die Zeit gekommen, die Gedanken Gottes zu offenbaren und sich zu versenken in die Schätze der Gnade, die Jesu Tod uns erschlossen hat. Jetzt gilt es, allen Blicken dieses Herz zu zeigen, das die Menschen so sehr geliebt hat und das von ihnen so viel Undank erfahren hat. Danke deinem himmlischen Vater, der diese letzte Verwundung zuläßt, damit du über die letzten Regungen deiner Natur Herr wirst!

Die Knechte des Pilatus kommen und zerschlagen den beiden Schächern die Gebeine. Betrachte, wie die Seele Jesu in der Vorhölle liebevoll den guten Schächer aufnimmt.

 

II Die Seite Jesu wird von der Lanze eines Soldaten durchbohrt

Als sie aber zu Jesus kamen, sahen sie, daß Er schon tot war. Darum zerschlugen sie Ihm die Beine nicht, sondern einer der Soldaten durchbohrte seine Seite mit einer Lanze, und sogleich floß Blut und Wasser heraus.

Siehe, wie einer der Kriegsknechte das Herz deines Heilands durchbohrt, da Jesus die letzten Tropfen seines Blutes für uns vergießen will. Sammle sie ehrfurchtsvoll und betrachte die heilige Wunde! Du kannst darin in blutigen Schriftzügen die Liebe Jesu zu uns armen Menschen lesen. Beim Anblick seines geöffneten Herzens erinnere dich dankbar an alles, was Jesus für dich getan hat!

Der Sohn Gottes, eines Wesens mit dem Vater, verläßt die Herrlichkeit des Himmels, bekleidet sich mit dem Elend der menschlichen Natur und wandelt als unser Bruder auf Erden, auf den Pfaden unseres Alltagslebens. Welch unendlichen Abstand hat Er überschritten, welcher Erniedrigung sich unterzogen. Vergleiche, was Er ist und was du bist! Durchgehe im Geist Bethlehem, wo Er das ärmste der Menschenkinder geworden ist, Nazareth, wo Er in der Stille des verborgenen Lebens und in schwerer Arbeit die falschen Ehren der Welt mit Füßen tritt. Folge Ihm durch die Ortschaften, in denen Er das Reich Gottes verkündet, auf die Hügel, wo Er den Menschen ihre ewige Bestimmung offenbart, und endlich nach Jerusalem, wo Er, mit Beschimpfung bedeckt, all sein Blut auf der schmachvollen Schädelstätte vergießt.

Beteuere dem Heiland deine Liebe bei all diesen Erinnerungen, welche die Wunde seines Herzens in dir wachruft. Sage dir immer wieder: Das tat Er alles für mich! Um mich von der Sünde zu erlösen, um mich für die Tugend zu gewinnen, um mich einzuladen, Ihm auf dem Weg zum wahren Leben zu folgen. Was soll ich dem Herrn vergelten für alles, was Er mir getan hat? Herz für Herz, Leben für Leben!