312. Petrus und Johannes am Grab
(Joh 20)
I Petrus und Johannes eilen zum Grab Jesu
Da machten sich Petrus und der andere Jünger auf und gingen zum Grab. Die beiden liefen miteinander. Der andere Jünger lief schneller voran als Petrus und kam zuerst am Grab an.
Begib dich mit den beiden Aposteln, die Maria Magdalena benachrichtigt hat, wieder zum heiligen Grab. Versetze dich in ihre Stimmung; höre, was sie miteinander reden! Ist es wirklich wahr, was man ihnen angekündigt hat? Ist Jesus für sie verloren, oder bleibt ihnen noch eine Möglichkeit, Ihn wiederzufinden?
Das Herz der Jünger ist voll Bangigkeit, doch allmählich dringen die ersten Strahlen der Ostersonne hinein. Petrus und Johannes ahnen, daß die Ereignisse, deren Zeugen sie waren, nicht abgeschlossen sein können und daß Jesu Werk nicht mit seinem Tod enden kann. Sie hören im Grund ihres Herzens die Stimmen des Himmels, die sie gleichzeitig mit Magdalena zum Grab des Meisters rufen, und obgleich sie nicht klar erkennen können, was diese Stimmen sagen, so lebt doch ihre Hoffnung wieder auf. Begleite sie und suche mit ihnen den auferstandenen Erlöser, das höchste Ziel unserer Sehnsucht! Der Weg ist dir bekannt, suche, und du wirst Ihn finden.
II Petrus findet das Grab leer
Nun kam auch Simon Petrus ihm nach, ging in das Grab hinein und sah die Leinenbinden daliegen sowie das Schweißtuch, das auf seinem Haupt gelegen hatte. Es lag aber nicht mit den Leinenbinden zusammen, sondern für sich zusammengefaltet an einer Stelle.
Folge dem Apostelfürsten, dessen innere Aufregung sich steigert, je näher er zum Grab kommt. «Ach, wenn es wahr wäre!» spricht er zu sich selbst. «Wenn es mir vergönnt wäre, Ihn wiederzusehen, Ihn, der mich so sehr geliebt hat und den ich so feige verleugnet habe. Wenn ich zu seinen Füßen meine Sünden beweinen und aus seinem Mund ein Wort der Verzeihung hören könnte!»
In dieser Stimmung betritt er das Grabgemach. Er küßt voll Liebe die Tücher, die Jesu Leichnam berührt haben, und benetzt sie mit seinen Tränen. — «O Gott, gib uns den Führer unserer Seelen wieder. Wir haben noch so viel von Ihm zu lernen! Was soll aus uns werden ohne Ihn? Wer wird uns verzeihen, wer uns segnen, wer uns retten?»
So betet der reuige Apostel. Der verlorene Sohn steht wieder auf der Schwelle des Vaterhauses. Der gütige Heiland wird ihm an diesem Ostertag erscheinen. Höre, wie die Stimme des göttlichen Meisters Petrus antwortet: «Habe Vertrauen, fürchte nichts, ich bin es!» — Lerne auch du, ein großes Vertrauen auf die Barmherzigkeit Jesu zu haben, die allen verzeiht, die ihre Sünden wahrhaft bereuen.
Sieh, wie Petrus von Freude überwältigt ist, als er Jesus sehen darf. — Freuet euch, all ihr Sünder, der Heiland ist wieder da, bereit, euch zu vergeben, damit ihr frohen Herzens an der Auferstehungsfeier teilnehmen könnt!
III Johannes betritt das leere Grab
Jetzt ging auch der andere Jünger, der zuerst am Grab angekommen war, hinein. Er sah und glaubte. Denn sie hatten noch nicht die Schrift verstanden, daß Er von den Toten auferstehen müsse. Dann kehrten die Jünger nach Hause zurück.
Begleite den Liebesjünger, wie er nun auch das Grab betritt! Er wird als erster zum Glauben an die Auferstehung Jesu kommen. Aber sein Herz hat am meisten am Heiland verloren. Wie sehnt er sich, noch einmal sein Haupt an Jesu Brust zu legen!
«O Gott, warum ist unser Glück von so kurzer Dauer? Warum können wir nur durch Leiden und Tod denjenigen wiederfinden, der während seines Erdenlebens uns die Schätze seiner Liebe so freudig mitteilte?» So fragt sich der Liebesjünger und lehnt sein Haupt, statt an die Brust des Meisters, an den kalten Stein. Das Geheimnis bleibt undurchdringlich.
Doch plötzlich geht für Johannes wie für Petrus die Ostersonne strahlend auf. O Herrlichkeit und Freude! Im Glauben erkennt er, daß Jesus, der ihn vor allen liebte, lebt.1 Jesus ist bei ihm und läßt ihn im Geist wieder an seinem Herzen ruhen. Noch fester sind die Bande der Liebe, die Johannes nun mit seinem Meister verknüpfen, denn was der auferstandene Heiland bringt, ist ewig und unwandelbar. Sein Wort erhellt alle Finsternisse der Seele und seine Nähe spendet Glück und Leben.
1 Das Evangelium berichtet, ohne den Ort anzugeben, daß Jesus dem Petrus erschienen ist; was Johannes betrifft, so ist nichts davon überliefert.