321. Der Primat des Petrus
(Joh 21)
I Jesus prüft die Liebe des Petrus
Nach dem Frühmahl sprach Jesus zu Simon Petrus: «Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr als diese?» Er antwortete ihm: «Ja, Herr, Du weißt, daß ich dich liebe.»
Wohne dieser letzten Unterredung zwischen Jesus und Petrus bei! Sie zeigt uns einerseits die verzeihende Liebe des Heilandes, andererseits die demütige, hingebende Liebe des reuigen Petrus.
«Simon, liebst du mich mehr als diese?» fragt der Herr. Welche Bußwerke hätte Petrus nicht auf sich genommen, um die ersehnte Verzeihung zu erlangen! Aber Jesus will von ihm nur Liebe, eine größere Liebe als die der andern, denen Er weniger zu verzeihen hat.
Gott hat uns ja nur erschaffen, damit wir Ihn lieben, und Er ist Mensch geworden und am Kreuz gestorben, damit wir Ihn immer mehr lieben. Wenn Er verzeiht, so tut Er es, damit wir Ihn lieben, und je größer die Verzeihung, desto größere Liebe fordert er zum Dank. In dem Ausdruck unserer Reue sucht Er nur das Geständnis unserer Liebe. — Sieh, mit welcher Demut, Aufrichtigkeit und Hingebung Petrus dem Herrn seine Liebe bekennt! Die Demut hat seine Liebe gereinigt, alle Selbstsicherheit und Anmaßung ist geschwunden. Unter Tränen antwortet er: «Ja, Herr, Du weißt, daß ich dich liebe.» Prüfe dein Herz; kannst du dem Apostel in Wahrheit diese Worte nachsprechen?
II Er vertraut ihm die Leitung seiner Kirche an
Da sprach Er zu ihm: «Weide meine Lämmer!» Erfragte ihn abermals: «Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich ?» Er antwortete Ihm: «Ja, Herr, Du weißt, daß ich dich liebe.» Und Er sprach zu ihm: «Weide meine Lämmer!» Er fragte ihn zum drittenmal: «Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich?» Da ward Petrus traurig, weil Er ihn zum drittenmal fragte: «Liebst du mich?» Und er antwortete Ihm: «Herr, Du weißt alles, Du weißt, daß ich dich liebe.» Jesus sprach zu ihm: « Weide meine Schafe!»
Jesus fordert den begnadigten Apostel zu den Arbeiten des Seeleneifers auf. «Wie willst du mir beweisen, daß du mich mehr liebst als die andern? Ich glaube an deine Liebe; sie gibt mir das Recht, nach Belieben über dich zu verfügen und von dir mehr als von den andern zu verlangen; bist du dazu bereit?» Und immer wieder antwortet Petrus von ganzem Herzen: «Ja, Herr, Du weißt es wohl!»
Was antwortet Jesus? Er hätte sagen können: «Weil du mich mehr liebst als die andern, sollst du größere Bußwerke verrichten.» Aber es gibt Besseres zu tun: «Weide meine Lämmer, weide meine Schafe!» sagt der Erlöser der Welt.
«Weil du mich mehr liebst als die andern, vertraue ich dir die Meinigen, meine ganze Herde, an. Vertritt meine Stelle bei ihnen, ich empfehle sie deiner Liebe. Weil du mich liebst, kann ich ohne Sorge zum Himmel zurückkehren. Mein Werk ist vollendet, nun, da du mir dein Herz geschenkt hast. Meine Herde wird in Sicherheit sein, da du den Schafstall hüten wirst. Meine Kirche wird sich ausbreiten, da du sie leiten wirst.» Das alles bedeuten die Worte Jesu, und Petrus faßt sie auch so auf und antwortet in diesem Sinne: «Ja!»
«Ja, Meister, ich liebe dich, und weil ich dich liebe, will ich mich aufopfern für alle, die Du retten möchtest. Aus Liebe zu dir will ich mich selbst in ihrem Dienst vergessen und will allen alles sein, weil ich ganz dir gehöre. Meine Liebe zu dir wird meine Kraft und mein Leben sein.» — So ergießt sich das Herz des Apostels in das des Meisters. Laß dich mit den gleichen Gesinnungen beseelen und erwecke in deinem Herzen ein glühendes Verlangen, für Jesus und seine Kirche zu wirken!
III Er sagt ihm den Martertod voraus
«Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Als du jünger warst, hast du dich selbst gegürtet und bist hingegangen, wohin du wolltest. Bist du aber alt geworden, so wirst du deine Hände ausstrecken und ein anderer wird dich gürten und dich führen, wohin du nicht willst.» Mit diesen Worten wollte Er andeuten, durch welchen Tod er Gott verherrlichen sollte. Darauf sprach Er zu ihm: «Folge mir nach!»
Jesus verkündet dem Petrus seinen Martertod. Er hat mit dieser großen Offenbarung gewartet bis zum letzten Augenblick seines Verweilens auf Erden. Erst wenn eine Seele wahrhaft demütig geworden ist, erweist Jesus ihr die Ehre, sie zu den Kämpfen der Heiligkeit und des Martyriums zu berufen. Demut macht stark. Nur um Petrus zu größerer Demut zu verhelfen, ließ Gott es zu, daß er versucht wurde; es war ein Werk seiner Weisheit und Güte. Jetzt kann Jesus sprechen, ohne bei Petrus auf Widerspruch zu stoßen.
Beachte, in welchen Ausdrücken Jesus ihm die Leiden der künftigen Verfolgungen offenbart. Der Herr will dem Leiden nicht seinen schmerzlichen Stachel nehmen. Petrus soll alle Furcht und alles Widerstreben der Natur durchmachen. Aber er wird stark und unbesiegbar sein, da er liebt und demütig ist.
Jesus fügt ein letztes Wort hinzu: «Folge mir nach!» Es ist dasselbe Wort, das Er bei den ersten Begegnungen gesprochen hat; aber derjenige, an den Er es richtet, ist ein anderer Mensch geworden. Er ist bereit, die steilen Pfade zu betreten, auf denen sein Meister vor ihm gewandelt ist, und den Menschen zu zeigen, wie man sein Blut für das Evangelium vergießt.
Preise deinen Meister für das Wunder, das Er in seinem Jünger gewirkt hat, und bitte Ihn, es zu seiner Ehre in dir zu erneuern!