325. Schlußbetrachtung

(Joh 20, 21)

 

I Die Bedeutung des Evangeliums für das Gebetsleben

Jesus hat noch viele andere Wunder vor den Augen seiner Jünger getan, die nicht in diesem Buche aufgezeichnet sind.

Betrachte diese Schlußworte. Du weißt jetzt, welchen Schatz du im Evangelium besitzest. Enthält es auch nur einzelne Züge des unerschöpflichen Lebens Jesu Christi, so enthält es doch Worte des Heils für alle, die es lieben und betrachten. Sage nie mehr: «Ich kann nicht betrachten!»

Betrachten ist beten, und beten heißt Gott seine Huldigung darbringen. Öffne die Seiten des Evangeliums, sie enthalten überreich alles, was man Gott und Jesus Christus darbringen kann, alles, was der Jünger seinem Meister, der Sünder seinem Erlöser, der Untertan seinem König, das Geschöpf seinem Schöpfer zu sagen hat: Gedanken und Wirklichkeiten des Glaubens, der Hoffnung, der Liebe, der Andacht, der Demut, des Vertrauens, der Reue!

Suche im Evangelium, was du in dir selbst nicht finden kannst: die Stimme des Lobes, andächtige Gefühle und Herzenserhebungen, den Heldenmut der Tugend und die Kühnheit heiliger Entschlüsse! Indem du das Gold und den Weihrauch anderer darbringst, wird sich dein eigenes Herz entzünden und deine Zunge sich lösen.

Betrachten ist beten, und beten heißt Gott um das bitten, was wir nötig haben. Lerne aus dem Evangelium, wie du Gott um das bitten mußt, was du zu erlangen wünschest! In den Berichten des Evangeliums finden wir den Mittler, den Gott uns gegeben hat und der bereit ist, all unsere Bitten entgegenzunehmen. Da sehen wir Ihn lebend, wirkend, wie Er allen alles ist. Während du Ihn so im Dienst anderer betrachtest, sprich mit Ihm auch von dir und all deinen Lieben! Auf diesen Blättern wirst du Gebetsworte finden, die ehemals auf sein Herz Eindruck machten und die Bittsteller zum Ziele führten. Mache dir diesen Reichtum zu deinem eigenen Fortschritt zunutze und schöpfe gern aus diesem Schatz der Wahrheit und des Heiles!

 

II Die Bedeutung des Evangeliums für den Glaubensgeist

Diese aber sind aufgezeichnet, damit ihr glaubt, daß Jesus der Messias, der Sohn Gottes ist, und damit ihr im Glauben das Leben habt in seinem Namen.

Erfasse den Sinn dieser Worte! Wenn du wirklich deinen Glauben an Jesus Christus befestigen willst, mußt du Ihn kennen. Gott hat dir seinen Sohn ebenso als Meister und Vorbild wie als Erlöser und Mittler gegeben. Es ist also notwendig, daß dein Leben sich nach dem seinigen gestalte, daß du liebst, was Er liebt, daß du willst, was Er gewollt hat, daß du handelst, wie er gehandelt hat.

Um dazu den Mut zu finden, mußt du in vertrauliche Beziehung mit Jesus treten; du mußt Ihn ganz in der Nähe hören. Es muß einen Ort geben, wo du den Herrn lebend wiederfinden und mit Ihm Zwiesprache halten kannst. Das Evangelium ist dieses heilige Land gnadenreicher Begegnungen. In der täglichen Betrachtung unternimmst du geistigerweise eine Pilgerfahrt ins heilige Land, das Jesus durch seine Gegenwart geheiligt und mit seinen Wohltaten gesegnet hat. Die betrachtende Seele ruft die Vergangenheit wach, sie findet in Wahrheit den Heiland und sammelt für sich die Gnaden ein, die Er ehemals gewährt hat.

Nimm den erhabenen Text des Evangeliums mit heiliger Andacht zur Hand! In den toten Buchstaben suche Jesus, den lebendigen Jesus! Wenn Er sich dir zeigt, dann hast du Besseres gefunden als du in den umfangreichsten und gelehrtesten Erläuterungen finden kannst.

Werde darum nicht müde, diese Seiten immer wieder zu lesen. Vertiefe dich in den Sinn der Wahrheiten, die sie enthalten. Mache dich vertraut mit den kleinsten Einzelheiten, die sie erzählen. Halte das liebevolle Verständnis des Evangeliums für die höchste Wissenschaft und für die kostbarste Gnade!