Eine Betrachtung über die göttliche Liebe
Zweite Erwägung: die Gegenwart Gottes
In dieser zweiten Stufe betrachten wir, wie Gott als unser Wohltäter uns nicht nur von ferne und unnahbar beschenkt, sondern ganz bei uns ist. Alles Sein erhält Er durch seine geheimnisvolle Gegenwart. Alle Geschöpfe rufen. «Gott ist da!» Durch die wuchtigen Berge erscheint Er uns in seiner Allmacht, in der Blume zeigt Er uns einen kleinen Abglanz seiner Schönheit, durch die Tierlein etwas von seiner Lieblichkeit. Franziskus hat das begriffen: durch alle Wesen der Natur hindurch schaute er Gott. Alle Geschöpfe wurden für ihn zu einem Lobpreis des Herrn. Je höher das Sein, desto intensiver ist seine Gegenwart. Was sollen wir sagen von der unendlichen Herablassung Gottes, da Er nicht nur durch seine Macht, sondern wesenhaft in unserer Seele wohnt und lebt durch die heiligmachende Gnade? «Wir werden kommen und Wohnung bei ihm (in der Seele) nehmen.» (Joh 14, 23) So spricht der Herr selbst. «Und meine Wonne ist es, bei den Menschenkindern zu sein.» (Sprüche 8, 31)
Hier beginnt nun die Freundschaft mit Gott. Meine Antwort sollte sein: Da Gott ganz in mir gegenwärtig ist, so will auch ich leben in seiner Gegenwart und seinem liebenden Blick begegnen, indem ich immer wieder die Sammlung und die innere Stille suche, selbst im Weltgetriebe und in meinen Beschäftigungen. Denn durch seine Gegenwart verlangt Gott auch nach meiner Liebe. So will ich mich ihm weihen und aufs neue betend sprechen: «Nimm hin und nimm Dir, o Herr, meine ganze Freiheit ...»