Zweites Kapitel

Wie sehr Jesus Christus geliebt zu werden verdient wegen der Liebe, die Er uns durch Einsetzung des allerheiligsten Sakramentes des Altars bewiesen hat.

1. „Da Jesus wußte, daß seine Stunde gekommen sei, um aus dieser Welt zum Vater zu gehen und da Er die Seinigen liebte, hat Er sie bis an das Ende geliebt“ (Jo 13,1). Da unser liebevoller Heiland wußte, daß die Stunde gekommen sei, wo er aus dieser Welt scheiden mußte, wollte er uns, bevor er in den Tod ging, den größten Beweis seiner Liebe hinterlassen, den er uns hinterlassen konnte, und dieses Vermächtnis seiner Liebe ist das allerheiligste Sakrament des Altars. Die Zeichen der Liebe und Freundschaft, die wir von einem Sterbenden empfangen haben, prägen sich, wie der heilige Bonaventura bemerkt, am tiefsten dem Gedächtnisse ein, und sind uns die unvergeßlichsten und teuersten. Deshalb hinterlassen viele, wenn sie dem Tode nahe sind, geliebten Personen ein Andenken ihrer Liebe, ein Kleid, einen Ring oder ein ähnliches Geschenk. Und was hast Du, o mein Jesus, uns zum Andenken an deine Liebe hinterlassen, als Du im Begriffe warst, aus dieser Welt zu scheiden? Kein Kleid, keinen Ring oder sonst ein Geschenk dieser Art, sondern deinen Leib, dein Blut, deine Seele und deine Gottheit, mit einem Worte: Dich selbst, ohne sich etwas vorzubehalten. „Ganz hat er sich Dir geschenkt, nichts hat er zurückbehalten“, sagt der heilige Johannes Chrysostomus.

2. In diesem allerheiligsten Sakramente wollte Jesus Christus aller Schätze und Reichtümer der Liebe, die Er dem Menschen bewahrte, sich gleichsam entledigen. „Er hat die Reichtümer seiner Liebe zu den Menschen gleichsam darin ausgegossen,“ sagt das Konzil von Trient (Sess. 13, cap. 2). Und dieses Geschenk hat Jesus, wie der Apostel hervorhebt, den Menschen in derselben Nacht gemacht, in welcher die Menschen seinen Tod vorbereiteten: „In der Nacht, in welcher er verraten wurde, nahm er das Brot, dankte, brach es und sprach: Nehmet hin und esset, das ist mein Leib“ (1 Kor 11,23). Der heilige Bernardin von Siena sagt, es sei dem Herrn nicht genug gewesen, sein Leben für uns hinzugeben, sondern als er sich zum Tode bereitete, habe ihn das Übermaß der Liebe gedrängt, zuvor ein noch größeres Werk zu wirken: „Als er in dem Eifer seiner Liebe sich bereitete, für uns zu sterben, ward er vom Übermaß seiner Liebe angetrieben, ein größeres Werk zu wirken, als Er je gewirkt hatte: seinen Leib uns zur Speise zu geben.“

3. Treffend bezeichnet daher der heilige Thomas von Aquin dieses Sakrament, wenn er es „ein Sakrament der Liebe“ und „ein Unterpfand der Liebe“ nennt. Ein Sakrament der Liebe: weil nur die Liebe den Heiland bewegen konnte, sich uns in diesem Geheimnisse ganz und ohne Vorbehalt zu schenken. Ein Unterpfand der Liebe: weil es uns in der Tat für den Fall, daß wir an seiner Liebe zweifeln sollten, in Art eines Pfandes gegeben ist, gleichsam als hätte der Heiland bei der Einsetzung dieses Geheimnisses zu uns gesprochen: Geliebte Seelen, wenn ihr noch einen Zweifel habt an meiner Liebe, seht dieses Sakrament, in welchem ich mich ganz und ohne Vorbehalt schenke; im Besitze eines solchen Pfandes werdet ihr nicht länger zweifeln können, daß ich euch liebe und daß ich euch über alles Maß liebe! Der heilige Bernhard nennt dieses Sakrament ferner „die Liebe aller Liebe“, weil diese eine Gabe und Gnade alle übrigen, die uns Gott verliehen hat, in sich begreift: die Erschaffung, die Erlösung, die Auserwählung; denn die Eucharistie ist ein Unterpfand nicht nur der Liebe Jesu Christi, sondern auch der ewigen Seligkeit, die Er uns vorbehalten hat. „Es wird uns damit ein Unterpfand der künftigen Glorie gegeben“, sagt die Kirche. Deshalb pflegte der heilige Philipp Neri Jesus Christus im allerheiligsten Sakramente mit einem einzigen Worte „die Liebe“ zu nennen; und als man ihm die heilige Wegzehrung brachte, rief er aus: Seht da meine Liebe! Gebt mir meine Liebe!

4. Der Prophet Isaias wollte, daß der ganzen Welt verkündigt werde, was der Herr alles ersonnen hat, um die Liebe der Menschen zu gewinnen. Wer hätte jemals den Gedanken fassen können, daß das Mensch gewordene Wort sich in die Gestalten des Brotes verhüllen werde, um uns zur Speise zu werden, wenn nicht Gott selbst diesen Gedanken ins Werk gesetzt hätte? „Scheint es nicht ein Unverstand zu sein“, sagt der heilige Augustinus, „zu sprechen: Esset mein Fleisch und trinket mein Blut!“ Als Jesus Christus zum ersten Mal zu seinen Jüngern vom Geheimnis dieses Sakramentes redete, in welchem Er sich selbst uns hinterlassen wollte, konnten einige sich nicht entschließen, seine Worte gläubig anzunehmen, und verließen ihn, indem sie sagten: „Wie kann Er uns sein Fleisch zu essen geben? Diese Rede ist hart, wer kann sie hören?“ (Jo 6,61). Was aber die Menschen nicht denken und glauben konnten, hat die maßlose Liebe Jesu Christi gedacht und vollbracht. „Nehmet hin und esset“, sprach Er zu seinen Jüngern und durch sie zu uns allen, bevor Er in den Tod ging. Nehmet hin und esset: aber welche Speise ist es denn, o Heiland der Welt, die Du uns vor deinem Tode geben willst? „Nehmet hin und esset, dies ist mein Leib.“ Diese Speise ist keine irdische; ich bin es selbst, der euch zur Speise gegeben wird.

5. Wie sehr hat sich Jesus Christus nicht danach gesehnt, sich uns in der heiligen Kommunion zu schenken! „Mit einem sehnlichen Verlangen habe ich verlangt, dieses Osterlamm mit euch zu essen“ (Lk 22,15), sprach Er in der Nacht, in der Er das Sakrament der Liebe einsetzte. „Mit einem sehnlichen Verlangen habe ich verlangt“: So ließ Ihn die grenzenlose Liebe sprechen, die Er zu uns trägt, sagt der heilige Laurentius Justinianus. „Es ist dies die Stimme einer glühenden Liebe.“ Und damit jeder Ihn leicht und ohne große Schwierigkeiten empfangen könne, wollte Er die Gestalten des Brotes annehmen; denn hätte Er die Gestalt einer seltenen und kostbaren Speise gewählt, so wären die Armen von der Teilnahme ausgeschlossen worden. Dies wollte aber Jesus nicht, und darum wählte er die Gestalten des Brotes, der Speise der Armen wie der Reichen, die sich in der ganzen Welt vorfindet, damit alle Menschen an allen Orten Ihn finden und empfangen können.

6. Um aber auch in uns das Verlangen, Ihn in der heiligen Kommunion zu empfangen, zu erwecken, begnügte Er sich nicht, uns einzuladen und aufzufordern: „Kommet, esset mein Brot und trinket den Wein, den ich euch gemischt habe“ (Spr 9,5); und: „Kommt, meine Freunde, esset und trinket!“ (Hl 5,1 - Es ist hier das Brot und der Wein dieses himmlischen Gastmahles gemeint); sondern Er legte es uns zugleich als ein Gebot auf: „Nehmet hin und esset, das ist mein Leib.“ Und damit wir dieses Gebot um so gewisser erfüllen, lockt Er uns auf der einen Seite mit der Verheißung des ewigen Lebens: „Wer mein Fleisch ißt, hat das ewige Leben“ (Jo 6,55). „Wer dieses Brot ißt, lebt in Ewigkeit“ (Jo 6,59). Auf der anderen Seite aber droht Er uns mit der Ausschließung vom Himmelreich und mit der Hölle, wenn wir uns weigern, Ihn in der heiligen Kommunion zu empfangen: „Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht essen werdet, so werdet ihr das Leben nicht in euch haben“ (Jo 6,54). Alle diese Einladungen, Verheißungen und Drohungen entspringen nur aus seinem übergroßen Verlangen, durch das heiligste Sakrament in uns einzugehen.

7. Warum sehnt sich aber Jesus so sehr danach, daß wir Ihn in der heiligen Kommunion empfangen? Der Grund ist der: weil die Liebe, wie der heilige Dionysius sagt, immer nach Vereinigung strebt, und weil, wie der heilige Thomas von Aquin mit anderen Worten sagt (III, 18, 1, ad 2), Liebende eins zu werden verlangen. Freunde, die sich innig lieben, möchten so innig miteinander verbunden sein, daß sie wünschen, gleichsam nur ein Herz und eine Seele zu sein. Dies hat nun eben die grenzenlose Liebe Jesu Christi zu den Menschen gewirkt. Sie sollten Ihn nicht bloß in der seligen Ewigkeit, sondern schon hier auf Erden besitzen durch die innigste Vereinigung, die sich denken läßt, indem Er sich ihnen in den sakramentalen Gestalten zur Speise gibt. Er steht in diesen Gestalten gleichsam hinter einer Wand und blickt uns durch ein enges Gitter an: „Sieh, Er steht hinter unserer Wand, sieht durch die Fenster und blickt durch die Gitter“ (Hl 2,9). Wir sehen Ihn nicht, aber Er sieht uns und ist gegenwärtig, wahrhaft und wesentlich gegenwärtig, damit wir Ihn wahrhaft und wesentlich besitzen. Er verbirgt sich, damit wir um so mehr nach Ihm verlangen; aber Er will sich uns ganz schenken und ganz mit uns vereinigt sein, ehe wir noch im himmlischen Vaterlande angelangt sind.

8. Es war seiner Liebe nicht genug, durch seine Menschwerdung, sein Leiden und Sterben sich für das ganze menschliche Geschlecht hinzugeben; Er wollte ein Mittel finden, sich jedem insbesondere zu schenken, und deshalb setzte Er das Sakrament des Altares ein, um sich mit jedem einzelnen zu vereinigen: „Wer mein Fleisch ißt, bleibt in mir und ich in ihm“ (Jo 6,57). In der heiligen Kommunion vereinigt sich Jesus mit der Seele und die Seele mit Jesus, und diese Vereinigung besteht nicht in bloßen Gefühlen der Liebe, sondern sie ist eine wahrhafte und wesentliche. Deshalb sagt der heilige Franz von Sales: „In keiner anderen Handlung erscheint die Zärtlichkeit der Liebe, die der Heiland zu uns trägt, in einem helleren Lichte, als in derjenigen, wodurch Er gleichsam sich selbst vernichtet und zu einer Speise wird, um in die Seelen einzugehen und sich mit den Herzen der Gläubigen zu vereinigen.“ Und der heilige Johannes Chrysostomus sagt, daß Jesus Christus in seiner glühenden Liebe zu den Menschen sich so mit uns vereinigen wollte, daß wir gleichsam mit Ihm ein und dasselbe werden.

9. O wunderbare Liebe, fügt der heilige Laurentius Justinianus hinzu, Du wolltest, o Jesus, durch dieses Sakrament bewirken, daß dein Herz mit dem unsrigen nur ein einziges, unzertrennlich verbundenes Herz bilde. In demselben Sinne sagt der heilige Bernardin von Siena, daß es der höchste Grad der Liebe war, als der Herr sich uns zur Speise gab, weil die Speise eins wird mit demjenigen, der sie genießt. O welches Gefallen hat Jesus Christus daran, mit unseren Seelen vereinigt zu sein! Zu seiner geliebten Dienerin Margarethe von Ypern sprach Er eines Tages, nachdem sie die heilige Kommunion empfangen hatte: „Siehe, meine Tochter, wie schön ist diese Vereinigung! Liebe mich also; und wir wollen immer in Liebe vereinigt sein, und uns nie mehr voneinander trennen.“

10. Wir sollen daher überzeugt sein, daß eine Seele nichts tun kann und daß sich nichts denken läßt, was dem Herrn wohlgefälliger wäre, als wenn sie in der gehörigen Verfassung, um einen solchen Gast aufzunehmen, die heilige Kommunion empfängt; denn durch die Kommunion vereinigt sie sich mit Jesus, was eben der Wille und die Absicht unseres liebevollen Heilandes ist. Ich sage: in der gehörigen Verfassung, und nicht: in einer würdigen Verfassung; denn wenn diese erfordert würde, wer dürfte es wagen, die heilige Kommunion zu empfangen? Nur ein Gott ist würdig, einen Gott zu empfangen. Unter der gehörigen Verfassung verstehe ich daher eine solche, wie sie einem so armseligen Geschöpfe entspricht, das mit dem unseligen Fleische Adams bekleidet ist. Im allgemeinen gesprochen genügt es, daß man im Stande der Gnade sei, und das lebhafte Verlangen habe, in der Liebe Jesu Christi immer mehr zuzunehmen. Nur aus Liebe soll man den Heiland in der heiligen Kommunion empfangen, sagt der heilige Franz von Sales, weil Er sich nur aus Liebe uns schenken wollte. Was aber die Frage betrifft, wie oft jeder kommunizieren soll, so hängt dies vom Urteil des geistlichen Führers ab. Es ist jedoch zu bemerken, daß kein Stand an und für sich ein Hindernis ist, die Kommunion öfters zu empfangen, daß auch Handelsleute und verheiratete Personen nicht davon ausgeschlossen sind, wenn der geistliche Führer es für dienlich erachtet; wie dies Papst Innozenz XI. in einem Dekret vom Jahr 1679 erklärt hat: „Der häufige Gebrauch der heiligen Kommunion ist dem Urteil der Beichtväter zu überlassen, welche (...) auch Laien, die Handelschaft treiben, und Verheirateten dasjenige vorzuschreiben haben, was sie für das Seelenheil derselben als das Nützlichste erachten.“

11. Gleichwie aber kein Werk Gott wohlgefälliger ist als die Kommunion, so gibt es auch keines, aus dem wir einen größeren geistlichen Gewinn ziehen könnten. Der ewige Vater hat seinen eingeborenen Sohn Jesus Christus zum Herrn aller seiner Reichtümer eingesetzt. „Alles hat Ihm der Vater in die Hände gegeben“ (Jo 13,3). Wenn daher Jesus durch die heilige Kommunion in eine Seele eingeht, ist er mit unermeßlichen Gnadenschätzen beladen, so daß die Seele in Wahrheit nach der Kommunion ausrufen kann: „Alle Güter sind mir mit ihr zuteil geworden“ (Weish 7,11). Die Eucharistie, sagt der heilige Dionysius, hat eine Kraft in sich, die Seelen zu heiligen, wie sie kein anderes Heilmittel besitzt; und der heilige Vinzenz Ferrer versichert, daß eine Seele durch eine einzige Kommunion mehr gewinne, als wenn sie eine Woche bei Wasser und Brot fastet.

12. Vorerst ist die Kommunion, wie das Konzil von Trient lehrt (Sessio 13, cap. 2), jenes große Heilmittel, das uns von den läßlichen Sünden befreit und uns vor den Todsünden bewahrt. Sie reinigt uns von den läßlichen Sünden, weil, wie der heilige Thomas von Aquin sagt (III, 79, 4), dieses Sakrament uns zu Akten der Liebe antreibt, durch welche die läßlichen Sünden getilgt werden. Sie bewahrt uns aber vor den Todsünden, weil die Kommunion eine Vermehrung der heiligmachenden Gnade in uns wirkt, durch die wir gegen schwere Fälle geschützt werden. Deshalb sagt Papst Innozenz III., daß Jesus Christus uns durch sein Leiden von der Macht der Sünde befreit habe, durch die Eucharistie aber uns von der Macht zu sündigen befreie.

13. Ferner ist es eine eigentümliche Wirkung dieses Sakramentes, daß es die Seelen zur Liebe Gottes entflammt. Wir wissen, daß Gott die Liebe selbst ist. „Gott ist die Liebe“ (1 Jo 4,5). Er ist zugleich ein Feuer, das die irdischen Neigungen in unseren Herzen verzehrt. „Der Herr, dein Gott, ist ein verzehrendes Feuer“ (Dt 4,24). Dieses Feuer der Liebe zu entzünden, kam eben der Sohn Gottes auf die Welt. „Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu senden.“ Und er fügte hinzu, daß er nichts so sehr wünsche, als dieses heilige Feuer in unseren Herzen brennen zu sehen: „Und was will ich anders, als daß es brenne?“ (Lk 12,49) O welche Flammen göttlicher Liebe facht Jesus in jedem an, der Ihn mit Andacht in diesem Sakramente empfängt! Die heilige Katharina von Siena sah eines Tages den Herrn im heiligsten Sakramente, das ein Priester in seinen Händen hielt, unter der Gestalt eines Feuerballes, und konnte nicht genug staunen, daß von diesen Flammen nicht die Herzen aller Menschen ergriffen und entzündet werden. Aus dem Angesichte der heiligen Rosa von Lima gingen nach der Kommunion Strahlen hervor, die das Auge blendeten, und aus ihrem Munde ging eine solche Glut, daß man die Hand nicht nahe bringen konnte, ohne versengt zu werden. Wenn der heilige Wenzeslaus ausging, um Kirchen zu besuchen, in welchen sich das allerheiligste Sakrament befand, wurde er schon auf dem Weg dahin von einer innerlichen Glut ergriffen, und zwar so sehr, daß sein Diener, der ihn im Winter durch den Schnee begleitete, keine Kälte empfand, wenn er in den Fußstapfen des Heiligen trat. Das allerheiligste Sakrament, sagt der heilige Johannes Chiysostomus, ist ein Feuer, welches unsere Herzen in Brand setzt, damit wir, wenn wir vom Tische des Herrn kommen, Flammen der Liebe aushauchen, durch die wir ein Schrecken der Hölle werden.

14. Die Braut im Hohenlied spricht: „Er führte mich in den Weinkeller; Er ordnete in mir die Liebe“ (Hl 2,4). Der heilige Gregor von Nyssa sagt über diesen Text, daß dieser Weinkeller die heilige Kommunion sei, wo die Seelen von der göttlichen Liebe so berauscht wird, daß sie sich selbst vergißt und alle erschaffenen Dinge aus den Augen verliert, und daß darin das Schmachten der Liebe bestehe, von welchem sodann die Rede ist: „Erquicket mich mit Blumen, stärket mich mit Äpfeln, denn ich schmachte vor Liebe!“ (Hl 2,5) Aber, wird mancher sagen, ich kommuniziere nur selten, weil ich mich in der Liebe zu Gott so kalt fühle. Auf diese Einwendungen antwortet Gerson: Also weil du dich kalt fühlst, willst du dich vom Feuer entfernen? Eben deshalb weil du dich kalt fühlst, sollst du dich öfters dem heiligen Sakrament nahen, wenn du anders das aufrichtige Verlangen hast, deinen göttlichen Heiland zu lieben. „Tritt zum Tische des Herrn hinzu“, sagt der heilige Bonaventura, „magst du dich auch lau fühlen, wenn du nur auf die göttliche Barmherzigkeit vertraust; je mehr sich jemand krank fühlt, desto mehr bedarf er des Arztes“ (De prof. rel. cap.78). In demselben Sinne sagt der heilige Franz von Sales: „Es gibt zwei Klassen von Gläubigen, die oft kommunizieren sollen: die Vollkommenen, um sich in der Vollkommenheit zu erhalten; die Unvollkommenen aber, um zur Vollkommenheit zu gelangen“ (Philothea c. 21). Um aber häufig die heilige Kommunion zu empfangen, wird erfordert, daß man wenigstens ein großes Verlangen habe, heilig zu werden und in der Liebe Jesu Christi immer mehr zuzunehmen. „Wenn du zur Kommunion gehst“, sagte der Herr zur heiligen Mechthild, „sollst du wünschen, mich so zu lieben, wie mich jemals ein Herz geliebt hat, und ich werde deine Liebe so annehmen, wie du sie zu besitzen wünschst.“

Gebet

O Gott der Liebe, o mein unendlich liebreicher und unendlich liebenswürdiger Heiland, sage mir: Was konntest Du noch erfinden, um unsere Liebe zu gewinnen? Es hat Dir nicht genügt, Mensch zu werden und Dich allem menschlichen Elende zu unterwerfen. Es hat Dir nicht genügt, all dein Blut unter unsäglichen Qualen für uns zu vergießen und von Schmerzen verzehrt an einem Pfahl zu sterben, an welchem nur die Missetäter die Strafe für ihre Verbrechen erlitten. Du bist endlich so weit gegangen, die Gestalt des Brotes anzunehmen und so Dich mit jedem von uns auf das Innigste zu vereinigen. Sage mir, o Herr, ich wiederhole es nochmals: was hättest Du noch erfinden können, um unsere Liebe zu gewinnen? Wehe uns, wenn wir Dich nicht lieben in dieser Welt! Wenn wir einmal in die Ewigkeit eingegangen sein werden, welche Pein wird uns der Vorwurf sein, Dich nicht geliebt zu haben! O mein Jesus, ich will nicht sterben, ohne Dich geliebt, ohne eine große Liebe zu Dir erreicht zu haben. Es schmerzt mich über alles, Dich so oft und so sehr beleidigt zu haben; ich bereue es und ich möchte sterben vor Leid darüber. Jetzt aber liebe ich Dich mehr als irgendein Gut in der Welt; ich liebe Dich mehr als mich selbst; ich schenke Dir mein Herz und alle Liebe meines Herzens. Du, der Du mir dieses Verlangen gegeben hast, gib mir auch die Kraft, es zu vollbringen. Jesus mein Jesus, ich begehre nichts anderes von Dir, als Dich selbst. Hast Du mich an Dich gezogen, um Dich von ganzer Seele zu lieben, so will ich auch alles verlassen; ich verzichte auf alles, um mich an Dich anzuschließen; Du allein bist mir genug. O Maria, Mutter meines Herrn, bitte für mich bei deinem göttlichen Sohne, und mache mich heilig. Du hast schon so oft das Wunder gewirkt und Sünder in Heilige verwandelt; wirke dieses Wunder auch an mir!