Lebensordnung
eines Christen
Hl. Alfons Maria von Liguori
Vorwort
Lebensordnung eines Christen
Kurze Belehrungen über das Gebet für jeden, wessen Standes er sein möge, welcher sein Heil wirken will
Lebensregeln
Kurzer Inbegriff der Tugenden, in welchen sich eine Seele üben muß, die ein vollkommenes Leben führen und sich heiligen will
Geistliche Sprüche und Grundsätze, die man sich einprägen soll
Fromme Gedanken und Erwägungen, um die heilige Liebe zu Gott und die Andacht zur allerseligsten Jungfrau in unserem Herzen zu erwecken
Personenverzeichnis
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Vorwort
In einem Breve vom 25. November 1846 schrieb Papst Pius IX. über die aszetischen Werke des hl. Alfons Maria von Liguori (1696‑1787): „Die Bücher dieses heiligen und überaus gelehrten Mannes, in denen sich eine wunderbar zarte Frömmigkeit ausspricht, atmen allerwärts eine innige Liebe zu Jesus Christus und ein großes Vertrauen auf seine Verdienste und seine Barmherzigkeit; sie regen mächtig an zur Verehrung der seligsten Jungfrau und der Heiligen des Himmels; sie befördern den häufigen Empfang der heiligen Sakramente und bieten eine reiche Fülle der trefflichsten Mahnungen, Ratschläge und Vorschriften, durch welche in wirksamster Weise zur Sicherung des Seelenheils der Gläubigen beigetragen wird.“
Im Lichte dieser Empfehlung übergeben wir dem Leser das vorliegende Werk des Heiligen. Sicherlich entspränge es einer allzu engen und ängstlichen Haltung, wollte man sich verpflichtet fühlen, alle Details der vorliegenden „Lebensordnung eines Christen“ unbesehen auf sich selbst anzuwenden. Alfons zeichnet ein hohes Idealbild des christlichen Lebens, und der mündige Leser wird fähig sein, dort Abstriche zu machen, wo die objektiven Lebensumstände eine wörtliche Umsetzung nicht erlauben. Ich denke etwa an die Empfehlung der vielen täglichen Frömmigkeitsübungen, die zusammengenommen ein Ausmaß an Zeit beanspruchen, das nicht jedem zur Verfügung steht. Der unkluge Versuch einer unflexiblen Anwendung auf die eigenen Verhältnisse könnte zur Entmutigung und schließlich zur gänzlichen Aufgabe des religiösen Lebens führen, was den Intentionen des Heiligen gerade entgegengesetzt wäre. Auf der anderen Seite darf man sicherlich ohne Gefahr, den Leser zu beleidigen, annehmen, daß die meisten Gläubigen eher der umgekehrten Versuchung ausgesetzt sind, nämlich das religiöse Leben zu vernachlässigen. Man braucht sich nur die Stichfrage zu stellen, wem man mehr Zeit schenkt, dem lieben Gott oder dem Fernseher, um schlagartig zu erkennen, wo man steht. In dieser Beziehung kann uns der hl. Alfons mit seiner Schrift ein heiliger Ansporn zur Großmut sein, auf daß wir Gott wirklich an die erste Stelle in unserem Leben setzen und ihm das Ausmaß an Zeit schenken, das ihm im Rahmen unserer Lebensverhältnisse gebührt. Das vorliegende Werk ist nichts anderes als ein Reflex der Hochherzigkeit und des glühenden Seeleneifers des Heiligen selber, der den Ehrennamen „Doctor zelantissimus“ trägt.
Am 7. Juli 1871 schrieb Pius IX. über den Heiligen: „Alfons hat, einzig und allein auf die Ehre Gottes und das geistliche Wohl der Menschen bedacht, sehr viele Bücher voll heiliger Gelehrsamkeit und Frömmigkeit geschrieben, um durch die verwickelten, teils zu milden, teils zu strengen Lehren der Theologen einen sicheren Weg zu bahnen, auf welchem die Seelenführer ohne Anstoß wandeln könnten... Darum wollen Wir durch gegenwärtiges Schreiben kraft Unserer apostolischen Machtvollkommenheit dem hl. Alfons Maria von Liguori, dem Stifter der Kongregation des allerheiligsten Erlösers und Bischofe von S. Agata dei Goti, den Titel des Kirchenlehrers bestätigen oder, sofern es nötig ist, neuerdings zuerkennen, so zwar, daß Alfons auf dem ganzen katholischen Erdkreis allezeit als Kirchenlehrer angesehen werde... Außerdem wollen und verordnen Wir, daß seine Bücher, Kommentare, Abhandlungen und alle seine sonstigen Schriften gleich denen der anderen Kirchenlehrer nicht nur privatim, sondern auch öffentlich an den Gymnasien, Akademien, Schulen, Kollegien, bei Vorlesungen, Disputationen, Schriflauslegungen, Predigten, Konferenzen, sowie bei allen kirchlichen Studien und christlichen Übungen zitiert und, wie es den Umständen angemessen ist, verwendet werden.“
Dies schrieb der Papst zur Erklärung und Bestätigung des von der Ritenkongregation am 23. März 1871 ergangenen Dekrets, mit welchem Alfons zum Kirchenlehrer erhoben wurde, 651 Tage vor der Geburt der jüngsten Kirchenlehrerin, der kleinen hl. Theresia, mit welcher der hl. Alfons eine Geistesvenwandtschaft verband, auf die hinzuweisen ich im Vorwort zu einem anderen Werk des Heiligen1 bereits Gelegenheit hatte.
Köln, den 20. November 1997
P. Engelbert Recktenwald
1 „Die Art und Weise, vertraulich mit Gott umzugehen“ Kisslegg 1997.
Kurzgefaßte Lebensordnung eines Christen
I.
Sobald man des Morgens aufgestanden ist, soll man folgende Gebete verrichten.
1. Mein Gott, ich bete Dich an, ich liebe Dich von ganzem Herzen, und ich danke Dir für alle Wohltaten, die Du mir erwiesen, besonders dafür, daß Du mich diese Nacht erhalten hast.
2. Ich opfere Dir alles auf, was ich heute tun und leiden werde, ich vereinige es mit allem, was Jesus und Maria getan und gelitten haben, und mache zugleich die Meinung, alle Ablässe zu gewinnen, die ich gewinnen kann.
3. Ich nehme mir vor, o Herr, mich vor aller Sünde zu hüten, und bitte Dich, Deine schützende Hand über mich zu halten, damit ich Dich nicht neuerdings beleidige und verrate. Mutter meines Herrn und meine Mutter Maria, bewahre mich unter deinem Schutzmantel. Mein heiliger Schutzengel und meine heilige Schutzpatrone, steht mir bei.
Zum Schluß ein Vater unser, ein Ave Maria und den Glauben, und sodann noch drei Ave Maria zu Ehren der unbefleckten Reinheit der allerseligsten Jungfrau.
II.
Im Verlaufe des Tages soll man, sobald es geschehen kann, durch eine halbe Stunde das innerliche oder betrachtende Gebet üben. Die Betrachtung ist zwar nicht unbedingt notwendig, um sich im Stande der Gnade zu erhalten, aber sie ist moralisch notwendig, das heißt: diejenigen, die sie nicht üben, werden schwer im Stande der Gnade ausharren, und zwar aus einem doppelten Grunde. Der erste Grund ist: weil man die ewigen Wahrheiten nicht mit den leiblichen Augen sehen kann, sondern nur mit den Augen des Geistes, wenn man sich nämlich daran erinnert, sie erwägt und so auf geistliche Weise sich vor Augen stellt. Wer also nicht betrachtet, sieht diese Wahrheiten nicht, und weil er sie nicht sieht, sieht er auch nicht, wie wichtig das Geschäft seines ewigen Heiles ist, und er sieht weder die Hindernisse und Gefahren, die ihn umgeben, noch die Mittel, die er dagegen anzuwenden lernt: und so wird es ihm sehr schwer sein, sein Heil zu wirken. Der zweite Grund ist: weil eine Seele, welche nicht betrachtet, auch das Bittgebet nicht übt, das Bittgebet aber zu unserem Heile unbedingt notwendig ist, nicht bloß, weil es uns Gott geboten hat, sondern auch, weil es an und für sich ein unerläßliches Mittel ist, um die göttlichen Gebote zu erfüllen. Denn nach dem gewöhnlichen Wege der göttlichen Vorsehung gewährt der Herr seinen Beistand den Erwachsenen nur dann, wenn Er darum gebeten wird. Wer aber nicht betrachtet, erkennt nur wenig oder gar nicht seine geistlichen Bedürfnisse und die Notwendigkeit des Gebetes, um den Versuchungen zu widerstehen und sein Heil zu wirken: er betet deshalb wenig oder gar nicht, und wenn er nicht betet, wie er soll, wird er ganz gewiß zu Grunde gehen. Der gottselige Bischof Palafor sagt: „Wie wird uns der Herr die Beharrlichkeit verleihen, wenn wir Ihn nicht darum bitten? Wie werden wir Ihn aber darum bitten, wenn wir nicht betrachten?“ Die heilige Theresia dagegen sagt, daß derjenige, der das Gebet übt, nicht lange in der Sünde bleiben werde; denn er werde entweder das Gebet oder die Sünde lassen, weil Gebet und Sünde nicht nebeneinander bestehen können.
III.
Was nun die Art und Weise, das innerliche oder das betrachtende Gebet zu üben, betrifft, so ist vor allem zu bemerken, daß dasselbe aus drei Teilen besteht: aus der Vorbereitung, der eigentlichen Betrachtung und dem Schluß.
Zur Vorbereitung soll man drei Akte erwecken: des Glaubens an die Gegenwart Gottes, der Demut und des Bittgebetes, indem man Gott um Erleuchtung bittet. Man kann zu diesem Ende sprechen: 1. Mein Gott, ich glaube, daß Du mir gegenwärtig bist. Ich bete Dich an, ich liebe Dich über alles. 2. Mein Gott, ich sollte wegen meiner Sünden jetzt schon in der Hölle sein; ich bereue es aus dem Grunde meines Herzens, Dich beleidigt zu haben. 3. Himmlischer Vater, ich bitte Dich durch die Liebe zu Jesus und Maria: erleuchte mich in dieser Betrachtung, damit sie mir zum Nutzen und zum Heile meiner Seele gereiche. Sodann bete man ein Ave Maria zur allerseligsten Jungfrau und ein Ehre sei Gott etc. zum heiligen Schutzengel.
Zum Gegenstande der Betrachtung wähle man sich die ewigen Wahrheiten, vorzüglich aber das Leiden Jesu Christi, auf welches man, wenigstens von Zeit zu Zeit, immer wieder zurückkommen soll. Man lese sodann aufmerksam den Punkt der Betrachtung und verweile bei jenen Gedanken oder Vorstellungen, durch welche man sich am meisten ergriffen oder gerührt fühlt. Es ist jedoch zu bemerken, daß die eigentliche Frucht und der Nutzen das betrachtenden Gebetes nicht so sehr im Nachdenken und im Erwägen der Wahrheiten, sondern vielmehr darin besteht:
1. Daß man Anmutungen erwecke: der Demut, des Vertrauens, der Liebe, der Reue und des Schmerzes über seine Sünden, der Aufopferung, der Ergebung in den Willen Gottes etc. 2. Daß man das Bittgebet übe, und vorzüglich Gott um die Beharrlichkeit und um die heilige Liebe bitte. 3. Daß man Vorsätze mache, und zwar nicht bloß im allgemeinen, sondern daß man sich insbesondere vornehme, einen gewissen Fehler zu meiden, eine gewisse böse Neigung zu bekämpfen oder sich in einer gewissen Tugend zu üben.
Zum Schluß soll man wieder drei Akte erwecken:
1. Mein Gott, ich danke Dir für alle Erleuchtungen, die Du mir in dieser Betrachtung verliehen hast. 2. Ich erneuere die Vorsätze, die ich gefaßt habe. 3. Ich bitte Dich, o mein Gott, um die Gnade, sie auszuführen. Auch soll man jedesmal die armen Seelen im Fegefeuer und die Sünder der Barmherzigkeit Gottes anempfehlen.
Von größter Wichtigkeit ist es, daß man die gewohnte Betrachtung niemals unterlasse, möge man sich auch noch so kalt und unaufgelegt fühlen, und möge der Überdruß, den man dabei empfindet, noch so groß sein; denn dadurch würde die Seele, wie die heilige Theresia sagt, sich selbst den Himmel verschließen und die Hölle aufschließen. Endlich ist noch zu bemerken, daß Papst Benedikt XIV. allen Gläubigen, welche durch einen Monat täglich eine halbe Stunde auf das betrachtende Gebet verwendet haben, wenn sie beichten und kommunizieren, einen vollkommenen Ablaß, und außerdem noch einige unvollkommene Ablässe für jeden einzelnen Tag verliehen hat.
IV.
Man soll täglich die heilige Messe hören, wodurch man gleichfalls mehrere Ablässe gewinnen kann. Die Hauptsache jedoch ist: daß denjenigen, welche andächtig der heiligen Messe beiwohnen, die Verdienste des Leidens Jesu Christi insbesondere zugewendet werden. Dieses heiligste Opfer ist zu einem vierfachen Zwecke eingesetzt worden: Um Gott zu ehren und zu verherrlichen; um Ihm für alle uns erwiesenen Wohltaten zu danken; um für Unsere Sünden genugzutun; und um die Gnaden zu verlangen, deren wir bedürfen. Deshalb soll man auch bei Anhörung der heiligen Messe eine vierfache Meinung machen und sprechen:
Himmlischer Vater, ich bringe Dir in diesem hochheiligen Opfer deinen eingeborenen Sohn Jesus Christus dar und alle Verdienste seines Leidens und Sterbens: 1. Zur Ehre und Verherrlichung deiner göttlichen Majestät. 2. Zur Danksagung für alle mir erwiesenen Wohltaten. 3. Zur Genugtuung für meine Sünden und die Sünden aller Lebenden und Abgestorbenen, die im Stande der Gnade sind. 4. Um alle Gnaden zu erlangen, die mir zu meinem ewigen Heile notwendig sind.
Wenn der Priester die Hostie erhebt, spreche man: Mein Gott, ich bitte Dich durch deine Liebe zu deinem eingeborenen Sohne Jesus Christus: verzeihe mir alle meine Sünden und verleihe mir die Gnade der Beharrlichkeit. Wenn der Priester den Kelch erhebt: Mein Gott, ich bitte Dich durch das kostbare Blut Jesu Christi: verleihe mir die Gnade, Dich allezeit zu lieben in diesem und in dem anderen Leben. Wenn der Priester kommuniziert, soll man geistlicher Weise kommunizieren und sprechen: Mein Jesus, ich liebe Dich, meine Seele sehnt sich nach Dir, ich umfange Dich, wie wenn Du in mir gegenwärtig wärst, ich will mich nie wieder von Dir trennen.
V.
Man soll täglich eine halbe oder doch eine Viertelstunde auf die Lesung eines geistlichen Buches verwenden; am besten ist es, hierzu das Leben eines Heiligen zu wählen.
VI.
Man soll nicht unterlassen, täglich das allerheiligste Sakrament zu besuchen und dabei wenigstens die nachfolgenden Anmutungen erwecken: 1. Mein Jesus, ich danke Dir, daß Du Dich uns in diesem allerheiligsten Sakramente hinterlassen hast aus Liebe zu uns. 2. Ich liebe Dich, o mein höchstes Gut, von ganzem Herzen und über alles, und weil ich Dich liebe, bereue ich alle Sünden, durch welche ich Dich beleidigt habe, die schweren und die läßlichen. 3. Mein Jesus, ich bitte Dich: verleihe mir die Gnade der Beharrlichkeit und Deine heilige Liebe. Zugleich soll man auch die allerseligste Jungfrau in einem ihrer Bildnisse besuchen und sie um ihre Fürsprache bitten, um diese beiden Gnaden: die Beharrlichkeit und die heilige Liebe zu erlangen.
VII.
Man soll abends immer sein Gewissen erforschen und sodann die drei göttlichen Tugenden: Glauben, Hoffnung und Liebe erwecken.
VIII.
Man soll beichten und kommunizieren wenigstens einmal in der Woche, und wenn es sein kann, mit Erlaubnis des Beichtvaters auch öfters. Vor der Beichte spreche man: Ich danke Dir, o mein Gott, daß Du mich bis jetzt erwartet hast. Ich hoffe, daß Du mir um der Verdienste Jesu Christi willen alle Beleidigungen verzeihen wirst, die ich Dir zugefügt habe. Ich bereue sie von ganzem Herzen, weil ich dadurch die Hölle verdient und den Himmel verloren habe, noch mehr aber, weil ich dadurch Dich, die unendliche Güte, beleidigt habe. Dies schmerzt mich im Grunde meiner Seele; ich hasse und verabscheue deshalb alle meine Sünden mehr, als jedes andere Übel, und nehme mir für die Zukunft vor, lieber zu sterben, als Dich wieder zu beleidigen.
Nach der Beichte soll man Gott danken für die hoffentlich erlangte Verzeihung, den Vorsatz, Ihn nicht mehr zu beleidigen und alle Gelegenheit zur Sünde zu meiden, erneuern, und Jesus und Maria um die heilige Beharrlichkeit bitten.
Die Kommunion ist, wie das Konzil von Trient sagt, das große Heilsmittel, das uns von den täglichen Sünden befreit und vor den Todsünden bewahrt. Wer öfters kommuniziert, wird mehr von den Sünden befreit werden und größere Fortschritte in der Liebe Gottes machen, und es genügt hierzu, daß man das aufrichtige Verlangen habe, Gott immer mehr zu lieben und sich immer mehr mit Ihm zu vereinigen. Um jedoch reichlichere Früchte aus der Kommunion zu ziehen, soll man trachten, nach derselben wenigstens eine halbe Stunde auf die Danksagung zu verwenden, und während dieser Zeit fromme Anmutungen erwecken oder sich zu diesem Ende eines Andachtsbuches bedienen. Jedoch darf man, was die häufige Kommunion betrifft, nicht eigenmächtig verfahren, sondern man muß sich hierin ganz nach dem Rate und den Vorschriften seines Gewissensführers richten.
IX.
Man soll sich deshalb einen Beichtvater wählen, zu dem man Vertrauen hat, sich mit demselben über alle geistlichen, und auch über die wichtigeren zeitlichen Angelegenheiten beraten, sich von ihm leiten lassen und ihn ohne eine wichtige Ursache nicht verlassen. Der heilige Philipp Neri sagte: „Wer auf den Wegen Gottes Fortschritte machen will, soll sich einem Beichtvater anvertrauen, der die nötige Wissenschaft und Einsicht besitzt, und ihm an Gottes Statt gehorchen; er ist dann sicher, daß er über das, was er im Gehorsam getan hat, Gott keine Rechenschaft ablegen wird.“ Und dies gründet sich auf den Ausspruch des Herrn, der im Evangelium sagt, daß Ihn höre, wer seine Diener hört. „Wer euch hört, der hört mich“ (Lk 10,16). Ein sehr wirksames Mittel, seine Gewissensangelegenheiten und seinen ganzen Wandel in gute Ordnung zu bringen, ist die allgemeine Lebensbeichte. Wer sie also noch nicht gemacht hat, soll sie ablegen, und es wird sehr gut sein, wenn er sie bei seinem Gewissensführer ablegt, damit derselbe in der geistlichen Leitung sich darnach richten könne.
X.
Man soll allen Müßiggang, die schlechten Gesellschaften, die leichtfertigen Reden und vor allem die bösen Gelegenheiten meiden, besonders diejenigen, die mit der Gefahr der Unenthaltsamkeit verbunden sind. Deshalb ist es auch notwendig, die Augen im Zaum zu halten und sich vor dem Anblicke gefährlicher Gegenstände zu hüten. Es ist unmöglich, sich im Stande der Gnade zu erhalten, wenn man die freiwilligen gefährlichen Gelegenheiten nicht meidet, besonders wenn jemand aus Erfahrung weiß, daß solche Gelegenheiten ihn schon früher öfters zum Falle gebracht hatten. „Wer die Gefahr liebt, kommt darin um.“
XI.
In allen Versuchungen soll man sich weder auf seine eigenen Kräfte noch auf seine Vorsätze und Versprechungen verlassen, sondern sein Vertrauen einzig und allein auf den göttlichen Beistand setzen, und deshalb sogleich zu Gott und der heiligsten Jungfrau seine Zuflucht nehmen. Was insbesondere die Versuchungen gegen die Reinheit betrifft, muß man achthaben, sich mit denselben nicht in einen Wortwechsel einzulassen. Manche setzen der Versuchung Beteuerungen entgegen, daß sie nicht einwilligen wollen; aber auch diese schweben immer noch in großer Gefahr. Das Beste und Sicherste in solchen Fällen ist: den Vorsatz zu machen, eher sterben zu wollen, als Gott zu beleidigen; sodann aber unverzüglich, ohne weitere Verhandlung mit der Versuchung, sich mit dem heiligen Kreuzzeichen zu bezeichnen, sich dem Schutze Gottes und der seligsten Jungfrau anzuempfehlen und oftmals die heiligsten Namen Jesus und Maria anzurufen. Diese heiligsten Namen haben eine besondere Kraft gegen alle unreinen Vorstellungen und Regungen, und darum soll man nicht ablassen, sie anzunehmen, solange die Versuchung dauert. Wir haben aus uns selbst nicht die Kraft, der Sinnenlust, diesem furchtbaren und gewaltigen Feinde, zu widerstehen, aber Gott verleiht diese Kraft jedem, der Ihn darum bittet. Wer dann nicht betet, wird überwunden werden. Ebenso soll man auch verfahren in den Versuchungen wider den Glauben. Ohne sich in eine Verhandlung einzulassen, soll man beteuern, daß man bereit sei, für den heiligen Glauben zu sterben, und nicht so sehr Akte des Glaubens, als vielmehr andere fromme Akte: der Liebe, der Reue, der Hoffnung etc. erwecken.
XII.
Wenn man einen Fehler begangen hat, der jedoch nur eine läßliche Sünde ist, soll man sogleich einen Akt der Liebe zu Gott und der Reue erwecken, den Vorsatz machen, sich zu bessern, und sodann in Frieden bleiben, ohne sich weiter zu beunruhigen. Die Unruhe hierüber wäre ein neuer und noch viel größerer Fehler und das Übelste, was man tun könnte, weil man nicht im Stande ist, etwas Gutes zu tun, wenn das Gemüt unruhig und verwirrt ist. Sollte man aber so unglücklich gewesen sein, in eine schwere Sünde zu fallen, so soll man unverzüglich einen Akt der vollkommenen Liebesreue erwecken, durch welchen man die Gnade Gottes wieder erlangt, einen festen Vorsatz fassen und so bald als möglich zur Beichte gehen.
XIII.
Man soll die Predigten nicht versäumen und das Wort Gottes anhören, sooft es geschehen kann. Sehr heilsam ist es auch, alle Jahre die geistlichen Exerzitien zu machen, und zu diesem Ende, wenn eine Gelegenheit hierzu vorhanden ist, sich in das Haus einer geistlichen Gemeinde zurückzuziehen; wenn aber dies nicht tunlich ist, sich wenigstens zu Hause durch acht Tage auf das Gebet, geistliche Lesungen und fromme Übungen zu verlegen, und während dieser Zeit sich von allen Zerstreuungen, die nicht notwendig sind und nur zur Unterhaltung dienen, möglichst ferne zu halten. Ferner soll man, wenn die Verhältnisse es erlauben, in eine Bruderschaft oder weltliche Kongregation eintreten, in welcher der öftere Empfang der heiligen Sakramente in Übung ist. Man darf jedoch hierbei keine andere Absicht haben als die Förderung seines Seelenheiles. Wer in solche Kongregationen eintritt und sie besucht, um die zeitlichen Angelegenheiten derselben zu besorgen, um das Regiment zu führen oder um zu streiten, wird vielmehr Schaden als Nutzen davon haben. Um nahrhaft einen Gewinn daraus zu ziehen, darf man nur seine Seele und die geistlichen Übungen dabei im Augen haben.
XIV.
Jeder soll bedacht sein, in allen Widerwärtigkeiten, die ihm zustoßen: wenn er erkrankt, wenn er verfolgt wird, wenn er große Verluste erlitten hat etc., sich vollkommen mit dem Willen Gottes zu vereinigen, sich damit zu beruhigen und zu sprechen: Gott will es so, und so will auch ich es; oder: Gott hat es so gewollt, sein Wille geschehe. Wer sich auf diese Weise in allen Leiden und Widerwärtigkeiten dieses Lebens in den Willen Gottes ergibt, wird sich große Verdienste für die Ewigkeit erwerben und allezeit den Frieden des Herzens bewahrend. Wer sich dagegen in den Willen Gottes nicht ergibt, ladet sich eine doppelte Last auf; denn leiden muß er doch, er mag wollen oder nicht, und dann wird er auch noch die Strafe für seine Ungeduld erleiden müssen.
XV.
Jeder soll eine besondere und zärtliche Andacht zur allerseligsten Jungfrau in seinem Herzen tragen, und um diese besondere Andacht auch durch die Tat zu beweisen, täglich einige fromme Übungen zu ihren Ehren verrichten, wie es alle ihre Diener und besonderen Verehrer zu tun pflegen. Und in dieser Beziehung, mein Leser, empfehle ich dir folgendes:
1. Unterlasse nie morgens, wenn du aufgestanden bist, und abends, bevor du zu Bett gehst, drei Ave Maria zu Ehren der unbefleckten Reinheit der seligsten Jungfrau zu beten und sie zu bitten, daß sie dich vor aller Sünde bewahren möge. 2. Unterlasse auch nicht, täglich etwas in einem Buche zu lesen, das von Unserer Lieben Frau handelt, wenn es auch nur ganz wenig wäre. Bete ferner täglich die Lauretanische Litanei und den Rosenkranz, und betrachte dabei die Geheimnisse. 3. Sooft du ausgehst und nach Hause zurückkehrst, bitte die Gottesmutter mit einem Ave Maria um ihren Segen, und begrüße sie ebenso, sooft du an einem ihrer Bildnisse vorübergehst. 4. Sooft du die Uhr schlagen hörst, bete gleichfalls ein Ave Maria, und sprich sodann: Jesus und Maria, Euch liebe ich, gebt nicht zu, daß ich Euch durch eine Sünde beleidige. 5. Faste endlich an den Samstagen und den Vorabenden der sieben Hauptfeste der heiligsten Jungfrau, und halte vor diesen Hauptfesten Novenen oder neuntägige Andachten, in welchen du diejenigen Bußwerke üben kannst, die dir dein Beichtvater erlauben wird. Übrigens sollst du solche neuntägige Andachten auch vor Weihnachten, vor Pfingsten und vor dem Feste deines heiligen Namenspatrons halten.
Kurze Belehrungen über das Gebet für jeden, wessen Standes er sein möge, welcher sein Heil wirken will.
Gott will das Heil aller Menschen: „Er will, daß alle Menschen selig werden“ (1 Tim 2,4). Gott ist auch bereit, allen die nötigen Gnaden zu verleihen, um ihr Heil zu wirken, aber Er gewährt sie nur denjenigen, die Ihn darum bitten. „Er gibt, aber Er gibt nur den Bittenden“, sagt der heilige Augustinus (In Psalm 100). Es ist deshalb die einstimmige Lehre der Theologen und der heiligen Väter, daß das Gebet für alle Erwachsene ein notwendiges Mittel sei, um selig zu werden, weil derjenige notwendig zu Grunde geht, der nicht betet und es unterläßt, von Gott die rechtzeitige Hilfe zu begehren, um die Versuchungen zu überwinden und die empfangene Gnade zu bewahren.
Gott dagegen kann nicht unterlassen, uns die Gnaden zu gewähren, um die wir Ihn bitten, weil Er es uns verheißen hat. „Rufe zu mir, und ich werde dich erhören“ (Jer 33,3). „Was ihr immer wollt, bittet, und es wird euch geschehen“ (Joh 15,7). „Bittet, und es wird euch gegeben werden“ (Mt 7,7). Diese Verheißungen beziehen sich nicht auf die zeitlichen Güter; denn diese verleiht Gott uns nur, wenn sie uns zu unserem Seelenheile gereichen; die geistlichen Gnaden aber hat Er unbedingt allen versprochen, die Ihn darum bitten, und folglich ist Er verpflichtet, sein Versprechen zu erfüllen. „Indem Er versprach, hat Er sich zu unserem Schuldner gemacht“, sagt der heilige Augustinus (De Verb. Dom. Serm. 2).
Gott hat uns aber nicht bloß versprochen, unsere Gebete zu erhören, sondern Er hat uns zu dem Gebete unter einer schweren Sünde verpflichtet: „Bittet, und es wird euch gegeben werden“ (Mt 7,7). „Man muß allezeit beten“ (Lk 18,1). Diese Worte: „Betet“, „Man muß“ schließen, wie der heilige Thomas lehrt (III, 39,5), ein eigentliches und strenges Gebot in sich, welches uns für unser ganzes Leben verpflichtet, besonders aber, wenn wir in Todesgefahr oder in der Gefahr sind, eine schwere Sünde zu begehen; denn wer dann nicht zu Gott seine Zuflucht nimmt, wird ganz gewiß unterliegen. Und wer bereits in die Ungnade Gottes gefallen ist, begeht eine neue Sünde, wenn er Gott nicht bittet, ihm beizustehen, um aus seinem unseligen Stande in den Stand der Gnade zurückzukehren. Wie kann er aber Erhörung finden, da er ein Feind Gottes geworden ist? Gott wird ihn dennoch erhören, wenn er sich demütigt und Gott mit zerknirschtem Herzen bittet, ihm zu verzeihen: denn es steht im Evangelium geschrieben: „Jeder, der bittet, empfängt“ (Lk 11,10). „Jeder“, heißt es; und folglich hat Gott verheißen, nicht bloß die Gerechten, sondern auch die Sünder zu erhören. Und an einem anderen Orte der Heiligen Schrift sagt der Herr: „Rufe zu mir, und ich werde dich erretten“ (Ps 49,15). Rufe zu mir, und ich werde dich von der ewigen Verdammnis befreien, die schon über dich ausgesprochen ist.
Es wird sich daher keiner, der in der Sünde stirbt, am Tage des Gerichtes entschuldigen können. Es wird ihm nichts fruchten, sich darauf zu berufen, daß er nicht die Kraft gehabt habe, den Versuchungen, die ihn überfielen, zu widerstehen; denn der Herr wird ihm antworten: Wenn du diese Kraft nicht hattest, warum hast du mich nicht darum gebeten: ich würde sie dir verliehen haben. Und nachdem du in die Sünde gefallen warst, warum hast du nicht zu mir deine Zuflucht genommen: ich würde dich davon befreit haben.
Wenn du dich also, mein Leser, im Stande der Gnade erhalten und selig werden willst, so mußt du oft den Herrn bitten, seine schützende Hand über dich zu halten. Das Konzil von Trient hat erklärt, daß der allgemeine Beistand, welchen Gott allen Menschen verleiht, nicht genügt, um im Stande der Gnade zu verharren, sondern daß hierzu ein besonderer Beistand erfordert wird, den man nur durch das Gebet erlangt (Sess. 6, cap. 13., can. 22). Deshalb ist es die einstimmige Lehre der Theologen, daß jeder unter einer schweren Sünde verpflichtet ist, sich öfters Gott anzuempfehlen und Ihn um die Gnade der Beharrlichkeit zu bitten, wenigstens einmal in jedem Monate. Dies ist jedoch nur im allgemeinen gesprochen; denn wenn sich jemand in gefährlichen Lagen oder Gelegenheiten befindet, so ist er viel öfter verpflichtet, Gott um die Gnade der Beharrlichkeit zu bitten. Ein vorzügliches Mittel aber, um diese Gnade sicher zu erlangen, ist die besondere und zärtliche Andacht zur Gottesmutter, welche die Mutter der Beharrlichkeit genannt wird. Wer diese besondere Andacht nicht hat, wird schwer ausharren, weil, wie der heilige Bernhard sagt, alle Gnaden, besonders aber die Gnade der Beharrlichkeit, welche die größte von allen ist, uns nur durch Maria zukommt.
Wollte Gott, daß die Prediger mehr darauf bedacht wären, ihren Zuhörern dieses große Heils‑ und Gnadenmittel, das Gebet, ans Herz zu legen. Einige sprechen in den Fastenpredigten kaum ein oder das andere Mal davon, und dann nur wie im Vorübergehen, während sie doch eigens und oftmals, und gleichsam in jeder Predigt, davon sprechen sollten. Sie werden einst vor Gott eine schwere Rechenschaft ablegen müssen, wenn sie dies unterlassen. Ebenso richten viele Beichtväter ihr Augenmerk nur darauf, daß die Beichtkinder den Vorsatz machen, Gott nicht mehr zu beleidigen, ohne sich die Mühe zu geben, ihnen das Gebet einzuschärfen, sooft sie von einer Versuchung überfallen werden und in Gefahr sind, in eine Sünde zu fallen. Wenn aber die Beichtkinder in einer heftigeren Versuchung nicht beten und Gott nicht um seinen Beistand und um die Kraft zum Widerstande bitten, so werden ihnen alle ihre Vorsätze nichts helfen; das Gebet allein kann sie retten. So viel ist gewiß: wer betet, wird selig werden, und wer nicht betet, wird zu Grunde gehen.
Und darum, mein Leser, ich wiederhole es: wenn du selig werden willst, bitte Gott unablässig, daß Er dich erleuchten und stärken wolle, damit du nicht in die Sünde fallest. Und bitte Ihn um diese Gnade inständig, dringend, ja mit Ungestüm. Es ist dies ein Ungestüm, das Gott sehr wohlgefällig ist. „Diese ungelegenen Bitten kommen dem Herrn immer gelegen“, sagt der heilige Hieronymus. Unterlasse nicht, Gott an jedem Morgen zu bitten, daß Er dich an diesem Tage vor der Sünde bewahren wolle. Und wenn dir ein böser Gedanke entweder von selbst in den Sinn kommt oder bei irgend einer Gelegenheit aufsteigt, lasse dich mit der Versuchung in keine Verhandlungen ein, sondern nimm unverzüglich zu Jesus Christus und zur seligsten Jungfrau deine Zuflucht und sprich: Mein Jesus, komm mir zu Hilfe, meine Mutter Maria, stehe mir bei! Die Anrufung dieser heiligsten Namen genügt, um der Versuchung ihre Kraft zu nehmen; und sollte sie länger dauern, und nicht ablassen, dich zu belästigen, so lasse auch du nicht ab, Jesus und Maria anzurufen: und du wirst niemals überwunden werden.
Lebensregeln
Kürzester Auszug aus der Lebensordnung eines Christen.
1. Sobald man des Morgens aufgestanden ist, soll man sein Morgengebet verrichten und Glauben, Hoffnung und Liebe erwecken, im Verlaufe des Tages aber eine halbe Stunde lang die Betrachtung halten und wenigstens eine Viertelstunde lang aus irgend einem geeigneten Buche eine geistliche Lesung machen. Ferner täglich der heiligen Messe beiwohnen, das heiligste Sakrament und die allerseligste Jungfrau besuchen, und den Rosenkranz beten. Abends endlich, bevor man zu Bette geht, sein Gewissen erforschen, Reue und Leid machen, die drei göttlichen Tugenden: Glauben, Hoffnung und Liebe erwecken, und die Lauretanische Litanei beten.
2. Wenigstens alle acht Tage beichten und kommunizieren, und wenn es sein kann, mit Erlaubnis des geistlichen Führers auch öfters.
3. Einen frommen und einsichtsvollen Beichtvater sich erwählen, mit demselben alle geistlichen und auch die wichtigeren zeitlichen Angelegenheiten beraten, und ihn ohne eine wichtige Ursache nicht verlassen.
4. Den Müßiggang, die schlechten Gesellschaften und leichtfertigen Reden meiden, vorzüglich aber die gefährlichen Gelegenheiten, und am meisten diejenigen, die mit der Gefahr der Unenthaltsamkeit verbunden sind.
5. In allen Versuchungen, besonders in den unreinen, sich mit dem heiligen Kreuzzeichen bezeichnen, und die heiligsten Namen Jesus und Maria anrufen, solange die Versuchung anhält.
6. Wenn man eine Sünde begangen hat, sogleich Reue und Leid erwecken, den Vorsatz machen, sich zu bessern, und wenn es eine schwere Sünde ist, sobald als möglich zur Beichte gehen.
7. Der Predigt beiwohnen, sooft es sein kann, und in eine Bruderschaft oder weltliche Kongregation eintreten, jedoch nichts anderes dabei im Auge haben als das Geschäft seines Seelenheiles.
8. Zu Ehren der seligsten Jungfrau an allen Samstagen und an den Vorabenden ihrer sieben Hauptteste fasten, oder nach dem Rate des Beichtvaters irgend eine andere Abtötung üben. Ferner vor den genannten sieben Festtagen Novenen oder neuntägige Andachten halten; und ebenso vor Weihnachten, Pfingsten und vor dem Feste des heiligen Namenspatrons.
9. In allen Widerwärtigkeiten: wenn man erkrankt, verfolgt wird, einen großen Verlust erlitten hat etc. sich in den Willen Gottes ergeben, damit sich beruhigen und sprechen: So will es Gott, und so will auch ich es; oder: So hat es Gott gewollt, und so soll es sein.
10. Endlich soll man, wo möglich, alle Jahre die geistlichen Exerzitien machen in einem geistlichen Hause, oder an einem anderen abgeschiedenen Orte, oder wenigstens in seinem eigenen Hause, indem man sich durch einige Tage, soviel es sein kann, mit dem Gebete, geistlichen Lesungen und frommen Übungen beschäftigt und alle Zerstreuungen meidet, die nicht notwendig sind. Und ebenso soll man in jedem Monate einen Tag in der Zurückgezogenheit und Sammlung des Geistes zubringen, und an diesem Tage beichten und kommunizieren.
Kurzer Inbegriff der Tugenden, in welchen sich eine Seele üben muß, die ein vollkommenes Leben führen und sich heiligen will.
(Es ist sehr heilsam, alle Monate an dem Tage, welchen man in der Zurückgezogenheit zubringt, diesen kurzen Inbegriff durchzulesen, um zu sehen, in welchen Tugenden es am meisten mangelt.)
Vor allem mußt du ein großes Verlangen haben, in der Liebe zu Jesus Christus immer mehr zuzunehmen. Erwecke also oft in dir dieses Verlangen. Die heiligen Wünsche und Begierden sind die Flügel, mit welchen die Seele sich zu Gott aufschwingt. Der heilige Aloisius wurde deshalb so schnell heilig, weil er ein sehnliches Verlangen hatte, Gott zu lieben; und da er wußte, daß er niemals dahin gelangen könne, Gott so zu lieben, wie Er es verdient, ward er von dieser Sehnsucht verzehrt. Dies war der Grund, warum die heilige Maria Magdalena von Pazzi ihn einen Märtyrer der Liebe nannte.
Betrachte oft das bittere Leiden des Herrn. Der heilige Bonaventura sagt, daß die Wunden Jesu Christi Wunden sind, welche die Herzen verwunden und mit dem Feuer heiliger Liebe entzünden.
Erwecke im Laufe des Tages oftmals Akte der Liebe zu Jesus Christus, fange damit an des Morgens, wenn du erwachst, und trachte abends mit einem Akte der Liebe einzuschlummern. Die Anmutungen der Liebe, sagt die heilige Theresia, sind das Holz, welches in unseren Herzen das glückselige Feuer der göttlichen Liebe unterhält.
Bitte den Herrn oft um seine heilige Liebe. Die Gnade, Gott zu lieben, sagt der heilige Franz von Sales, schließt alle übrigen in sich und hat alle übrigen in ihrem Gefolge; denn wer Gott wahrhaft liebt, bemüht sich, alles zu vermeiden, was Ihm mißfällt, und alles zu tun, was Ihm wohlgefällig ist. Und darum müssen wir Gott unablässig und vor allen anderen Dingen um die Gnade bitten, Ihn zu lieben.
Gehe häufig zum Tische des Herrn. Eine Seele kann nichts tun, was Gott angenehmer wäre, als wenn sie im Stande der Gnade die heilige Kommunion empfängt. Der Grund davon ist der: weil die Liebe nach der vollkommenen Vereinigung mit dem geliebten Gegenstande strebt. Nun liebt Jesus Christus unaussprechlich jede Seele, die sich im Stande der Gnade befindet und folglich trägt Er ein großes Verlangen, sich mit ihr zu vereinigen. Dies geschieht aber durch die heilige Kommunion, in welcher Er sich auf das vollkommenste mit der Seele vereinigt. „Wer mein Fleisch ist, der bleibt in mir und ich in ihm" Und darum kann eine Seele nichts tun, was dem Herrn wohlgefälliger, als wenn sie Ihn in dem heiligsten Sakramente empfängt. Seelen, die ein geistliches Leben führen, sollen deshalb trachten, öfters in der Woche zu kommunizieren, ja, wenn es möglich sein sollte, alle Tage; jedoch immer nur mit Erlaubnis des Gewissensführers; denn die Kommunion, ebenso wie die Abtötungen, die nach seinem eigenen Sinne verrichtet werden, nähren vielmehr den Eigendünkel und den Hochmut als den Geist der Andacht und der Frömmigkeit. Indessen soll man doch den Beichtvater inständig und angelegentlich um die öftere Kommunion und um Abtötungen bitten; denn die geistlichen Führer pflegen sie nach dem Maße des Verlangens zu erlauben, welches das Beichtkind darnach hat.
Verrichte im Laufe des Tages öfters die geistliche Kommunion, zum wenigsten dreimal.
Besuche häufig das heiligste Sakrament auf den Altären, wenigstens einmal oder zweimal an jedem Tage, und erwecke bei diesen Besuchungen zuerst Akte des Glaubens, des Dankes, der Reue über deine Sünden, und sodann bitte eifrig und inständig um die heilige Beharrlichkeit und um die heilige Liebe.
Wenn dir etwas Widerwärtiges begegnet ist: wenn Mißverständnisse oder Verwirrungen entstehen, wenn du einen Verlust erlitten hast, wenn dir eine Beleidigung widerfahren ist etc., nimm sogleich zum heiligsten Sakramente deine Zuflucht, wenigstens an dem Orte, wo du dich gerade befindest, wenn du nicht in die Kirche gehen kannst.
Opfere dich an jedem Morgen, wenn du erwachst, Gott mit dem Vorsatz auf, alle Kreuze, die Er dir an diesem Tage schicken wird, aus seinen Händen anzunehmen, und trage sie dann friedlich und geduldig. „Herr, dein Heiligster Wille geschehe allezeit" ist der Spruch, welchen wahrhaft fromme und heilige Personen beständig im Munde führen.
Freue dich und frohlocke, daß Gott unendlich glückselig ist. Wenn wir Gott mehr lieben als uns selbst, wie wir es schuldig sind, so müssen wir uns über die Glückseligkeit Gottes mehr erfreuen als über alles Glück, das uns in der Zeit und in der Ewigkeit zu Teil werden kann.
Sehne dich danach, in den Himmel zu kommen, und verlange deshalb zu sterben, um von der Gefahr, zu sündigen und die Gnade Gottes zu verlieren, befreit zu werden und um im Himmel Gott aus allen deinen Kräften und durch die ganze Ewigkeit zu lieben, ohne Ihn jemals verlieren zu können.
Wünsche sehnlichst, daß alle Menschen Gott lieben möchten, und bemühe dich hierzu mitzuwirken, soviel du es vermagst. Rede deshalb mit anderen von der Liebe, die Jesus Christus zu uns getragen hat, und von der Liebe, die wir Ihm schuldig sind, sooft sich eine Gelegenheit dazu darbietet.
Schaffe aus deinem Herzen alle Neigungen, die nicht Gott zum Ziele haben. Behalte dir nichts vor, und versage dem Herrn nichts, was du erkennst, daß es Ihm wohlgefällig sei; ja wähle immer dasjenige, das zu seinem größeren Wohlgefallen gereicht.
Bete immerfort für die armen Seelen im Fegefeuer und für die Bekehrung der Sünder.
Nimm oft zu den Heiligen deine Zuflucht, vorzüglich zur allerseligsten Jungfrau, damit sie dir durch ihre Fürbitte die Gnade erlangen, Gott wahrhaft und über alles zu lieben.
Verehre die Muttergottes mit einer besonderen und zärtlichen Andacht, weil Gott an dieser Andacht ein großes Wohlgefallen hat.
Tue alles, was du tust, in der alleinigen Absicht, Gott dadurch zu gefallen, und sprich, bevor du irgend ein Werk oder eine Verrichtung beginnst: Herr, alles Dir zulieb.
Biete dich dem Herrn mehrmals des Tages an, jede Pein aus Liebe zu Ihm leiden zu wollen, und sprich: Mein Jesus, ich schenke mich Dir ohne Vorbehalt siehe: hier bin ich, mache mit mir, was Dir gefällt.
Erneuere oft den Vorsatz, lieber tausendmal sterben zu wollen, als mit Vorbedacht auch nur die geringste, läßliche Sünde zu begehen.
Versage dir auch erlaubte Dinge, die dir angenehm sind, wenigstens zweimal oder dreimal an jedem Tage. Wenn du von den Reichtümern, Ehren und Freuden dieser Welt reden hörst, so erinnere dich, daß dies alles ein Ende nimmt, und sprich: Mein Gott, Dich allein verlange ich und sonst nichts.
Verwende täglich zwei Stunden oder doch wenigstens eine Stunde auf das betrachtende Gebet.
Übe alle äußerlichen Abtötungen, welche dir der Gehorsam erlaubt: vor allem sei aber bedacht, die innerlichen zu üben, wie z. B. der Befriedigung einer Neugierde zu entsagen, auf ein beleidigendes Wort nicht zu antworten, einen scherzhaften Einfall zu unterdrücken etc., und tue überhaupt nichts, um dir selbst zu genügen.
Verrichte alle deine Andachtsübungen so, als ob es die letzten wären, die du auf dieser Welt zu verrichten hast. Denke deshalb in der Betrachtung oftmals an den Tod, und wenn du zu Bett gehst, gedenke, daß du einst in diesem Bett deinen Geist aufgeben wirst.
Unterlasse niemals deine gewöhnlichen Andachtsübungen noch sonst ein gutes Werk, weil du im Geiste trocken bist und Ekel und Überdruß dabei empfindest.
Wer einmal anfängt, eine oder die andere Übung auszulassen, setzt sich der Gefahr aus, am Ende alle aufzugeben.
Unterlasse auch niemals ein gutes Werk aus menschlichen Rücksichten.
Wenn du krank bist, beklage dich nicht über die Ärzte, die Hausgenossen oder den Krankenwärter, daß sie dir nicht genug Hilfe leisten, oder zu wenig aufmerksam sind; suche sogar, soviel es sein kann, deine Schmerzen zu verbergen.
Liebe die Einsamkeit und das Stillschweigen, um allein mit Gott zu sein und mit Ihm dich zu unterreden, und fliehe deshalb alle weltlichen Gespräche.
Überlasse dich niemals der Traurigkeit, und suche bei allen Ereignissen eine gleichförmige Ruhe und äußerliche Heiterkeit zu bewahren. Wer will, was Gott will, darf niemals traurig sein.
Empfehle dich oft dem Gebete frommer Personen.
Wenn dich eine Versuchung überfällt, nimm sogleich mit großem Vertrauen zu Jesus und Maria deine Zuflucht, und laß nicht ab, Jesus und Maria anzurufen, solange die Versuchung anhält.
Bewahre ein großes Vertrauen vorerst auf das bittere Leiden Jesu Christi, und sodann auf die Fürsprache der heiligsten Jungfrau, und bitte Gott täglich um diese Gnade.
Wenn du einen Fehler begangen hast, beunruhige dich nicht und werde nicht kleinmütig, solltest du auch wiederholt in denselben Fehler zurückgefallen und deinen Vorsätzen untreu geworden sein, sondern erwecke sogleich Reue und Leid, mache den Vorsatz, dich zu bessern, und vertraue auf Gott.
Tue Gutes denen, die dir Böses getan haben, und wenn du nichts anderes vermagst, bete wenigstens für sie.
Antworte mit Sanftmut denjenigen, die dich mit Worten oder durch die Tat übel behandeln, und so wirst du sie gewinnen. Wenn du jedoch aufgeregt bist, so ist es besser, zu schweigen, bis die Aufregung sich gelegt hat, sonst wirst du eine Menge Fehler begehen, ohne sie in diesem Augenblicke auch nur gewahr zu werden. Hast du jemanden zurechtzuweisen, so suche eine solche Zeit zu wählen, wo weder du noch der andere in einer gereizten Stimmung ist, sonst wird der Verweis mehr schaden als nützen.
Rede von allen Gutes; und kannst du die Handlung nicht entschuldigen, so entschuldige wenigstens die Absicht.
Komme deinem Nächsten zu Hilfe, soviel du es vermagst, besonders denjenigen, die dir abgeneigt waren. Sage und tue nichts, was einen anderen kränken könnte, es müßte denn sein, daß die Ehre Gottes es verlangt. Und hast du gegen jemanden die Liebe verletzt, so bitte ihn sogleich um Verzeihung, oder suche es wenigstens durch freundliche Worte gutzumachen. Rede immer auf sanfte Weise und ohne die Stimme zu sehr zu erheben.
Wenn dir eine Verachtung widerfährt, opfere sie Gott auf, ohne dich bei anderen hierüber zu beklagen.
Beobachte pünktlich die Regeln und Vorschriften, die dir dein Gewissensführer gegeben hat.
Ehre in deinen Oberen die Stellvertreter Jesu Christi. Gehorche ihnen ohne Widerrede, und ohne einen Widerwillen zu zeigen. Verlange dagegen nie etwas, was dir zur Ehre gereichen würde oder deiner Eigenliebe angenehm wäre.
Liebe die niedrigsten und unscheinbarsten Ämter und Verrichtungen. Wähle dir zu deinem Gebrauche immer dasjenige, das mehr der Armut entspricht. Verdemütige dich auch vor denen, die unter dir stehen.
Rede niemals von dir, weder Gutes noch Übles; denn oft findet die Eitelkeit auch in dem, was man zu seinem Nachteile sagt, ihre Rechnung.
Entschuldige dich nicht, wenn man dich verleumdet, oder wenn du zurechtgewiesen wirst, es müßte nur sein, daß dies durchaus notwendig wäre wegen des Allgemeinwohls, oder um bei anderen ein Ärgernis zu verhindern.
Besuche die Kranken, und leiste ihnen so viele Dienste, als du vermagst, vorzüglich denjenigen, die am meisten verlassen sind.
Sprich oft zu dir selbst: Wenn ich heilig werden will, muß ich leiden; und wenn ich Gott wohlgefällig werden will, muß ich seinen Willen tun und nicht den meinigen.
Erneuere täglich den Vorsatz, nach Vollkommenheit zu streben und dich zu heiligen, und laß dich hiervon nicht abschrecken, wenn du auch noch so sehr in deinem Eifer nachgelassen und dich der Lauheit hingegeben hattest.
Wenn du einem geistlichen Orden angehörst, erneuere auch täglich deine Ordensgelübde. Die Theologen sagen, daß man durch die Erneuerung derselben ebenso einen vollkommenen Ablaß gewinne wie bei der ersten Ablegung.
Das Notwendigste aber, was eine Seele zu üben hat, die ganz Gott angehören will, ist die Gleichförmigkeit mit seinem heiligsten Willen: daß sie sich schon an jedem Morgen bereite, alle Kreuze, die ihr der Herr schicken wird, aus seinen Händen anzunehmen, und daß sie dann alles, was über sie kommt und wogegen die Natur sich sträubt: Krankheit, Schmerzen, Beleidigungen, Widersprüche, Verluste an zeitlichen Gütern, den Tod naher Verwandter oder anderer teurer Personen und jede andere Widerwärtigkeit willig und geduldig auf sich nehme. Die Leiden und Trübsale dieses Lebens sind gleichsam die geistlichen Märkte, auf welchen sich die frommen Seelen die größten Gnaden und Verdienste einhandeln. Man kann nichts tun, wodurch Gott mehr geehrt und verherrlicht würde, als wenn man sich in allen Dingen mit seinem Willen vereinigt. Diese Gleichförmigkeit mit dem göttlichen Willen sollen wir unablässig zu üben suchen, und hierzu soll uns das innerliche oder betrachtende Gebet dienen. „Eines ist es“, sagt die heilige Theresia, „wonach jede Seele, die das innerliche Gebet übt, zu streben hat: ihren Willen mit dem Willen Gottes gleichförmig zu machen, und sie soll überzeugt sein, daß darin die höchste Vollkommenheit besteht.“
Dies soll also das einzige Ziel bei allen unseren Handlungen, Betrachtungen und Gebeten sein. Wir sollen unablässig beten: „Lehre mich deinen Willen tun.“ Erleuchte mich, o Herr, damit ich erkenne, was dein Wille ist, und gib mir die Kraft, es zu tun. „Herr, was willst Du, daß ich tue?“ Sage mir, o Herr, was Du von mir verlangst; ich will alles tun. „Dein Wille geschehe.“ Dein Heiligster Wille geschehe allezeit und in allen Dingen. Diese Worte sind immerfort in dem Munde der Heiligen; und dies ist alles, was Gott von uns verlangt: „Mein Sohn, gib mir dein Herz.“
Die Vollkommenheit liegt jedoch darin, daß wir uns in jenen Dingen mit dem Willen Gottes vereinigen, die dem natürlichen Gefühle am meisten zuwider sind. Der ehrwürdige Johannes Avila (1970 von Paul VI. heiliggesprochen) sagte: „Ein: Gelobt sei Gott! in Trübsalen ist mehr wert als tausend Danksagungen im Wohlergehen.“ Wir müssen uns ferner auch in jene Kreuze ergeben, die uns durch die Menschen zukommen: wenn wir verleumdet, bestohlen, verachtet, beleidigt werden; denn zuletzt kommt alles von Gott. In solchen Fällen will zwar Gott nicht die Sünde derjenigen, die uns ein Unrecht antun; aber Er will unsere Demütigung und Abtötung. „Das Gute wie das Böse ist von Gott“ [vgl. Job 2,10]. Wir sehen das Leiden für ein Übel und für ein Unglück an, weil wir es mit Ungeduld ertragen; würden wir aber alle Leiden und Trübsale dieses Lebens mit Ergebung in den göttlichen Willen annehmen, sie würden sie uns zu kostbaren Gütern und Edelsteinen in der Krone werden, die uns Gott im Himmel bereitet hat. Mit einem Worte: Wer sich in allen Dingen mit dem Willen Gottes vereinigt, wird heilig werden und schon hier auf Erden einen beständigen Frieden genießen. „Den Gerechten wird nichts betrüben, was ihm auch begegnen mag.“
Du wirst endlich sehr gut tun, wenn du dich dem Gebete frommer Personen empfiehlst, aber noch notwendiger und heilsamer ist es, dich den Heiligen im Himmel, und besonders der seligsten Jungfrau zu empfehlen. Lege einen hohen Wert auf die Andacht zur Muttergottes, und versäume keine Gelegenheit, sie auch anderen ans Herz zu legen. Wer ein großes Vertrauen auf die Fürsprache und den Schutz der allerseligsten Jungfrau hat, soll Gott von ganzem Herzen dafür danken; denn er hat darin ein großes Unterpfand seines ewigen Heils; und wer dieses Vertrauen nicht besitzt, soll Gott inständig bitten, daß Er es ihm verleihen möge.
Geistliche Sprüche und Grundsätze, die man sich einprägen soll
Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber an seiner Seele schaden leidet?
Alles hat ein Ende, nur die Ewigkeit endet nie.
Möge alles verloren gehen, wenn ich nur Gott nicht verliere.
Keine Sünde, wie gering sie auch sei, ist ein geringes Übel.
Wenn wir Gott gefallen wollen, müssen wir uns selbst verleugnen.
Alles, was man tut, um seinem eigenen Willen zu genügen, ist für die Ewigkeit verloren.
Wer sein Heil wirken will, muß beständig in Furcht sein, daß er fallen könne.
Möge ich sterben, wenn ich nur Gott gefalle.
Die Sünde ist das einzige Übel, das wir fürchten sollen. Was Gott will, ist immer gut, und darum müssen wir immer wollen, was Er will.
Wer nichts anderes will und sucht als Gott, ist ruhig und zufrieden, es mag ihm was immer begegnen.
Jeder soll sich vorstellen, es sei sonst niemand auf der Welt, als Gott und er allein.
Die ganze Welt kann unser Herz nicht befriedigen, Gott allein kann es ausfüllen.
Unser einziges Gut besteht darin: daß wir Gott lieben, und alle Liebe zu Gott besteht darin: daß wir seinen Willen tun.
Ob wir arm oder reich sein wollen, hängt vom Gebet ab. Wer betet, erlangt alles, was er sich wünscht.
Den Tag soll man für verloren halten, an welchem man das betrachtende Gebet unterlassen hat. Wer das Gebet aufgibt, sagt die heilige Theresia, verschließt sich selbst den Himmel und schließt sich die Hölle auf.
Man soll keinen Tag vorübergehen lassen, ohne etwas in einem geistlichen Buche zu lesen.
Die Ehrenpunkte sind eine Pest des geistlichen Lebens.
Um wahrhaft und von Herzen demütig zu sein, genügt es nicht, mit dem Munde zu versichern, daß man von allen Menschen verachtet zu werden verdiene, sondern man muß sich freuen, wenn man wirklich verachtet wird.
Was weiß denn ein Christ für Gott zu tun, wenn er eine Beleidigung, die ihm widerfährt, nicht aus Liebe zu Gott zu ertragen weiß? Wenn man dich beleidigt, nimm es wie einen Scherz auf.
Wer die Armut liebt, besitzt alles. Wenn es sich um Dinge dieser Welt handelt, wähle dir das Schlechteste, wenn es sich aber um Dinge handelt, die sich auf Gott beziehen, wähle das Beste.
Eine gehorsame Seele ist die Freude des Himmels.
Die wahre Liebe besteht darin, daß wir denen Gutes erweisen, die uns Übles angetan haben, und so sie gewinnen.
Was nützen alle Reichtümer und Ehren in der Todesstunde?
Es ist eine große Gunst und Gnade Gottes, wenn man zu seiner heiligen Liebe berufen ist.
Gott läßt kein frommes Verlangen unbelohnt.
Außer der Anhänglichkeit an Gott ist keine Anhänglichkeit gut, wenn auch der Gegenstand an und für sich gut ist.
Sei dankbar gegen die Menschen, sei es aber vor allem gegen Gott. Mache daher den Vorsatz, Gott nichts zu verweigern, was Er von dir verlangt, und wähle immer dasjenige, was Ihm das wohlgefälligste ist.
Wenn du krank bist, kannst du kein besseres und schöneres Gebet verrichten, als wenn du dich ganz in den Willen Gottes ergibst.
Ein frommes, heiliges Leben und weltliche Vergnügungen vertragen sich nicht miteinander.
Wer auf sich selbst vertraut, der ist verloren; wer auf Gott vertraut, der vermag alles.
Was kann einer Seele eine größere Freude machen, als das Bewußtsein, daß sie Gott Freude macht?
Gott ist bereit, sich demjenigen ganz hinzugeben, der aus Liebe zu Ihm alles verläßt.
Der einzige Weg, heilig zu werden, ist der Weg des Leidens.
Durch Versuchungen und durch die Trockenheit und Trostlosigkeit des Geistes prüft Gott die Seelen, die Ihn lieben.
Wer Gott liebt und auf Ihn vertraut, kann nicht zu Grunde gehen.
Bitten wir Jesus Christus, daß Er uns eine zärtliche Andacht zu seiner heiligsten Mutter verleihen möge.
Wer auf den Gekreuzigten hinblickt, erträgt alles mit Geduld.
Je mehr wir Gott lieben, desto zufriedener werden wir auf dieser Welt sein. Alles, was wir nicht für Gott tun, wird uns zur Pein werden.
Die Unruhe kommt nie von Gott, möge sie auch aus einem an und für sich guten Beweggrunde hervorgehen.
Es ist genug, daß man niemals ablasse, auf den Wegen Gottes zu wandeln, und man wird gewiß sein Ziel erreichen.
Wer nichts will und sucht als Gott, ist reich und zufrieden; er bedarf nichts und lacht nur über die Welt und das Treiben der Welt.
Man muß alles überwinden und alles verlassen, um alles zu gewinnen.
Fromme Gedanken und Erwägungen, um die heilige Liebe zu Gott und die Andacht zur allerseligsten Jungfrau in unserem Herzen zu erwecken
Gott ist die Fülle aller Gnade, alles Guten, aller Vollkommenheit.
Gott ist unendlich, Gott ist ewig, Gott ist unermeßlich, Gott ist unwandelbar.
Gott ist mächtig, Gott ist weise, Gott ist gerecht, Gott ist für alles vorsehend.
Gott ist barmherzig, Gott ist heilig, Gott ist die Schönheit selbst, Gott ist Licht und Herrlichkeit, Gott ist reich an allen Schätzen, Gott ist alles. Er verdient daher geliebt zu werden, und wer kann das Maß von Liebe ausdrücken, das Er verdient?
Gott ist sich selbst genügend, Er gibt allen und empfängt von niemandem. Alles, was wir besitzen, haben wir von Gott, aber Gott hat nichts von uns. „Mein Gott bist Du, weil Du meiner Güter nicht bedarfst“ (Ps 15,2).
Gott ist ewig, Er ist immer gewesen, und wird immer sein. Wir zählen unser Dasein nach Tagen und Jahren; Gott aber kennt keinen Anfang und kein Ende. „Du aber bist derselbe und Deine Jahre werden nicht abnehmen“ (Ps 101,28).
Gott ist unermeßlich, Er ist wesentlich an allen Orten gegenwärtig. Wenn wir an einem Orte sind, können wir nicht zugleich an einem andern Orte sein; Gott aber ist überall: im Himmel, auf der Erde, im Meer, in den Abgründen, in uns und außer uns. „Wo soll ich hingehen vor deinem Geiste? Und wohin fliehen vor deinem Angesichte? Wenn ich zum Himmel aufsteigen würde, so wärst Du da, und wenn ich zur Hölle hinabsteigen würde, so wärst Du gegenwärtig“ (Ps 138,7. 8).
Gott ist unveränderlich, und alles, was sein Heiligster Wille von Ewigkeit her gewollt hat, will Er, und wird es wollen durch alle Ewigkeit. „Ich bin der Herr und verändere mich nicht“ (Mal 3,6).
Gott ist mächtig, und im Vergleiche mit der Macht Gottes ist alle Macht der Geschöpfe nur Schwachheit.
Gott ist weise, und im Vergleiche mit der Weisheit Gottes ist alle Weisheit der Geschöpfe Unwissenheit.
Gott ist für alles vorsehend, und im Vergleiche mit der Vorsehung Gottes ist alle Vorsorge der Geschöpfe eitle Torheit.
Gott ist gerecht, und im Vergleiche mit Gott ist alle Gerechtigkeit der Geschöpfe mangelhaft. „In seinen Engeln hat Er Bosheit gefunden“ (Job 4,18).
Gott ist barmherzig, und im Vergleiche mit Gott ist alle Güte der Geschöpfe unvollkommen.
Gott ist heilig, und im Vergleiche mit Gott ist alle Heiligkeit der Geschöpfe, selbst die heldenmütigste, unendlich gering und mit unzähligen Gebrechen behaftet. „Niemand ist gut als Gott allein“ (Lk 18,19).
Gott ist die Schönheit selbst, eine Schönheit, die alle unsere Begriffe übersteigt, und im Vergleich mit Gott ist alle Schönheit der Geschöpfe nur Häßlichkeit.
Gott ist Licht und Herrlichkeit, und im Vergleiche mit Gott ist alles erschaffene Licht, selbst das Sonnenlicht, und alle Herrlichkeit der Geschöpfe nur Finsternis.
Gott ist unendlich reich, und im Vergleiche mit Gott ist aller Reichtum der Geschöpfe nur Armut.
Gott ist alles, und im Vergleiche mit Gott sind alle Geschöpfe nichts, selbst das höchste, das erhabenste, das bewunderungswürdigste Geschöpf ist nichts, und alle Geschöpfe zusammengenommen sind nichts im Vergleiche mit Gott: „Alle sind wie nichts vor Dir“ (Ps 38,6).
Gott verdient es also, geliebt zu werden; und Er verdient eine Liebe, für deren Maß es keinen Ausdruck gibt.
Ach, Gott ist so liebenswürdig, daß alle Engel und Heiligen im Himmel nichts anderes tun und die ganze Ewigkeit hindurch tun werden als Gott lieben und in dieser Liebe zu ihrem Gott unaussprechlich selig sind, und es durch die ganze Ewigkeit sein werden.
Ach, Gott ist so liebenswürdig, daß Er gedrungen ist, sich selbst unendlich zu lieben, und daß in dieser notwendigen und zugleich so süßen Liebe Seiner selbst Seine grenzenlose Glückseligkeit besteht. Und wir, werden wir Ihn nicht lieben?
Betrachten wir, wie die Heiligen Gott geliebt haben. Der heilige Franz Xaver riß sich die Kleider auf, um Luft zu bekommen, und warf sich auf den Boden, weil der Andrang der göttlichen Liebe so gewaltig war, daß er nicht mehr aufrecht zu stehen vermochte. Ebenso der heilige Stanislaus Kostka, der zu einem Brunnen eilte und sich die Brust mit kaltem Wasser begoß, um die innerliche Glut zu kühlen. Dem heiligen Philipp Neri ward durch die Gewalt der göttlichen Liebe das Herz auf sichtbare Weise erweitert. Der heilige Franz von Sales sagte: Wenn er wüßte, daß in seinem Herzen eine Fiber nicht von der Liebe zu Gott durchdrungen sei, so würde er sie sogleich herausreißen und von sich schleudern.
Die heilige Katharina von Siena, die heilige Theresia, die heilige Maria Magdalena von Pazzi und so viele andere ihnen ähnliche Seelen kamen oftmals durch den Andrang der göttlichen Liebe außer sich und waren wie von Sinnen. Die heilige Maria Magdalena von Pazzi begnügte sich nicht mit dem Feuer der Liebe, das in ihrem eigenen Herzen brannte, sondern sie lief öfters durch alle Gänge des Klosters, indem sie dabei, um ihrem Herzen Luft zu machen, mit lauter Stimme ausrief: „Die Liebe wird nicht geliebt! Die Liebe wird nicht geliebt!“ So liebten die Heiligen. Und wir, werden wir Gott nicht lieben?
Fragen wir aber nach der Ursache, warum wir Gott nicht lieben oder nur wenig lieben, so erwidere ich: Darum, weil wir Gott nicht kennen oder zu wenig kennen. Je mehr die Heiligen Gott erkannten, desto mehr liebten sie Ihn. Bemühen wir uns also, Gott besser kennenzulernen. Betrachten wir öfters die Eigenschaften Gottes und seine unendlichen Vollkommenheiten, wenigstens von Zeit zu Zeit in einem kurzen Überblicke, wie der vorliegende ist: und das Feuer der göttlichen Liebe wird sich auch in unseren Herzen entzünden. Es ist eine unendliche Herablassung, daß ein so großer Gott so armseligen Geschöpfen gestattet, Ihn zu lieben, es ist dies aber zugleich sein Gebot, sein süßes Gebot.
Als der Herr auf der Höhe des Berges Sinai sein Gesetz dem Moses verkündigte, lautete das erste Gebot, das Er den Menschen gab: „Du sollst den Herrn deinen Gott lieben, aus deinem ganzen Herzen und aus deiner ganzen Seele und aus allen deinen Kräften“ (Dt 6,5). Zugleich befahl der Herr seinem Diener Moses, diese Worte vorerst seinem eigenen Herzen einzuprägen: „Und es sollen diese Worte in deinem Herzen sein“, und sie sodann mit allem Eifer dem Volke Israel zu verkündigen: „Und du sollst sie den Kindern Israels berichten.“ Lieben wir also Gott, so wie Er es verdient, bemühen wir uns, auf das vollkommenste dieses große und süße Gebot zu erfüllen, welches das erste und größte unter allen Geboten ist: „Dieses ist das größte und erste Gebot“ (Mt 22,38); leben und sterben wir in der Erfüllung dieses Gebotes.
Alle frommen Seelen aber, welche Gott ehren und lieben, ehren und lieben auch die heiligste Jungfrau.
Selig ist, wer Maria für sich hat, und zu beklagen ist, wer Maria nicht für sich hat.
Die heiligste Jungfrau vermag alles bei Gott, weil sie in Wahrheit die Mutter seines eingeborenen Sohnes ist und so sehr von Gott geliebt wird; sie erlangt alles, was sie will; sie will aber alles für uns, weil sie auch unsere Mutter ist und uns so sehr liebt.
Suchen wir also sie immer mehr für uns zu gewinnen, und wir werden ihr Herz immer mehr gewinnen, wenn wir ihr mit immer größerem Eifer dienen und sie mit immer größerer Andacht verehren.
Alle Tage den Rosenkranz zu ihren Ehren.
An allen Samstagen Fasten zu ihren Ehren.
Vor allen Hauptfesten eine neuntägige Andacht und an den Vorabenden Fasten zu ihren Ehren.
An allen minderen Festen wenigstens einige Andachtsübungen zu ihren Ehren.
Nehmen wir ferner in allen Vorfällen unseres Lebens, in allen unseren Anliegen und Nöten mit kindlichem Vertrauen zu Maria unsere Zuflucht, und wir werden sicher sein im Leben, sicher sein im Sterben, sicher sein durch die ganze Ewigkeit.
Und wollen wir den Grund dieser Sicherheit wissen, so erklärt uns der heilige Bernhard, dieser große Verehrer der seligsten Jungfrau, wie die Dinge im Himmel vor sich gehen, um uns zu einem großen Vertrauen aufzumuntern. Er sagt: „Die Mutter steht vor dem Sohne.“ Die heiligste Jungfrau stellt sich ihrem göttlichen Sohne vor und erinnert Ihn, daß sie Ihn durch neun Monate in ihrem reinsten Schoße getragen und mit ihrer Milch ernährt hat. „Der Sohn steht vor dem Vater und zeigt Ihm seine Seite und seine Wunden.“ Jesus Christus erinnert seinen ewigen Vater an alles, was Er, um die Menschen zu erlösen, getan und gelitten, an das Blut, das Er für sie vergossen, und an die Wunden, die Er für sie empfangen hat. „Wo aber die Liebe mit solchen Abzeichen auftritt, kann ihr nichts verweigert werden.“ Bei dem Anblicke solcher süßer Zeichen und Unterpfänder der Liebe kann der ewige Vater dem Sohne nichts abschlagen, und wir erreichen alles, was wir verlangen.
Da aber die heiligste Jungfrau, weil sie die wahre Mutter Gottes ist, zugleich „die Mutter der schönen Liebe“ ist, so kommt es ihr zu, uns die heilige Liebe zu erwirken, und Gott entzündet durch ihre Vermittlung das Feuer der heiligen Liebe in unseren Herzen.
Es lebe Jesus, unsere Liebe, und Maria,
unsere Hoffnung!
Moses
Palafor
Paul Vl.
Philipp Neri
Pius IX.
Stanislaus Kostka
Theresia von Avila
Theresia von Lisieux
Thomas von Aquin
Aloisius
Augustinus
Benedikt XIV.
Bernhard von Clairvaux
Bonaventura
Franz von Sales
Franz Xaver
Hieronymus
Johannes Avila
Katharina von Siena
Maria Magdalena von Pazzi
———
Zum Thema der vorliegenden Broschüre empfehlen wir als weiterführende Literatur:
Hl. Franz von Sales, Philothea, Einführung in das religiöse Leben.
Zu beziehen über jede Buchhandlung.
Wir empfehlen folgende Werke des hl. Alfons Maria von Liguori:
Die Art und Weise, vertraulich mit Gott umzugehen, Kisslegg 1997, 64 Seiten.
Der Wille Gottes. Von der Vereinigung unseres Willens mit dem Willen Gottes, Jestetten, 21993, 46 Seiten.
Beide gegen Spende zu beziehen bei:
P. Engelbert Recktenwald, Johann‑Heinrich‑Platz 12, 50935 Köln.
———
„Diese Zeit verlangt von der ganzen Kirche eine erneuerte Antriebskraft für die Evangelisierung, gespeist von einer aufrichtigen Bekehrung auf persönlicher, gemeinschaftlicher und sozialer Ebene. Das Leben und die Lehre des hl. Alfons stellen in dieser Hinsicht einen wichtigen Ansporn dar. Seit dem Augenblick seiner Bekehrung im Jahre 1723 lebte er den Drang der Evangelisierung ohne jeden Vorbehalt, entsprechend den Worten des Apostels Paulus: ‘Wenn ich nämlich das Evangelium verkünde, kann ich mich deswegen nicht rühmen; denn ein Zwang liegt auf mir. Wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!’ (1 Kor 9,16).“
Johannes Paul II. am 24. September 1996