Vorbereitung zum Tode
Betrachtungen über die ewigen Wahrheiten um fromm zu leben und selig zu sterben
vom Heiligen Alphons Maria von Liguori
Zweck dieses Werkes; notwendig zu lesen
1. Betrachtung: Schilderung eines vor kurzem ins andere Leben übergegangenen Menschen
2. Betrachtung: Mit dem Tode endet alles
3. Betrachtung: Die Kürze des Lebens
4. Betrachtung: Gewißheit des Todes
5. Betrachtung: Ungewißheit der Stunde des Todes
6. Betrachtung: Tod des Sünders
7. Betrachtung: Gefühle eines Sterbenden, der sorglos und wenig auf den Tod bedacht war
8. Betrachtung: Tod der Gerechten
9. Betrachtung: Der Friede eines sterbenden Gerechten
10. Betrachtung: Mittel, sich zum Tode vorzubereiten
11. Betrachtung: Wert der Zeit
12. Betrachtung: Wichtigkeit des Heiles
13. Betrachtung: Eitelkeit der Welt
14. Betrachtung: Das gegenwärtige Leben ist eine Reise in die Ewigkeit
15. Betrachtung: Bosheit der Todsünde
16. Betrachtung: Gottes Barmherzigkeit
17. Betrachtung: Mißbrauch der göttlichen Barmherzigkeit
18. Betrachtung: Von der Zahl der Sünden
19. Betrachtung: Welch ein großes Glück Gottes Gnade, und welch großes Unglück Gottes Ungnade sei
20. Betrachtung: Torheit des Sünders
21. Betrachtung: Unglückliches Leben des Sünders und glückliches Leben desjenigen, der Gott liebt.
22. Betrachtung: Von der bösen Gewohnheit
23. Betrachtung: Täuschungen, die der böse Geist den Sündern einflüstert
24. Betrachtung: Von dem besonderen Gerichte
25. Betrachtung: Von dem allgemeinen Gerichte
26. Betrachtung: Von der Pein der Hölle
27. Betrachtung: Ewigkeit der Hölle
28. Betrachtung: Gewissensbisse der Verdammten
29. Betrachtung: Von dem Himmel
30. Betrachtung: Von dem Gebete
31. Betrachtung: Von der Beharrlichkeit
32. Betrachtung: Von dem Vertrauen auf den Schutz der allerseligsten Jungfrau Maria
33. Betrachtung: Liebe zu Gott
34. Betrachtung: Von der heiligen Kommunion
36. Betrachtung: Von der Gleichförmigkeit mit dem Willen Gottes
„Kurz, ungewiß, gefährdet
ist unsere Wanderschaft hienieden.
In Absicht auf sie ist nur eines gewiß,
der Tod.“ (Stolberg)
Da, wie wir alle wissen, mit der Auflösung des Leibes nicht auch die Seele ihr Ende nimmt, sondern, nachdem sie aus der erstarrten Hülle geschieden ist, ihrer Bestimmung gemäß der Ewigkeit zueilt, so ist es nötig, daß man ihr Heil mit Furcht und Zittern wirke, solange sie noch in der irdischen Hütte der Heimsuchung harrt.
Um nun unsere Bestimmung, unser hohes Ziel ja nicht zu verfehlen, so müssen wir alle Mittel ergreifen, die uns zu Gebote stehen, um dieses Ziel zu erringen, der ewigen Glückseligkeit teilhaft zu werden.
„Noch sind wir auf der Welt, noch stehen wir auf dem Kampfplatze, noch kämpfen wir täglich für unser Leben.“ „Ihr müßt euch Mühe geben, daß ihr nach diesem Anfange auch weiter schreitet, und das vollendet, was ihr durch einen glücklichen Anfang zu sein schon begonnen habt.“ (S. Cypr. ad Rogat.)
Ihr tugendhaften Jünglinge, ihr gottesfürchtigen Jungfrauen, ihr eures Heiles beflissenen Männer und Frauen, die ihr den zwar mühsamen aber sicheren Weg des Heils bereits betretet, „sucht nur dem zu gefallen, für den ihr kämpft, von dem ihr auch den Sold empfanget. Keiner von euch werde als abtrünnig befunden.
Die Taufe diene euch als Schild, der Glaube als Helm, die Liebe als Lanze, die Geduld als die ganze Rüstung. Eure Werke seien das Kleinod, womit ihr den Lohn empfanget. Wetteifert miteinander in Langmut und Milde, wie auch Gott gegen euch es ist.“ (S. Ign. ad Polic.) „Stehet also, umgürtet eure Lenden mit der Wahrheit, seid angetan mit dem Panzer der Gerechtigkeit.“ (Eph 6,14)
„Ja, es gibt nur eine sanfte und zuverlässige Seelenruhe, nur eine feste, unerschütterliche und dauerhafte Sicherheit, wenn nämlich jemand diesem Wirbel der beunruhigenden Welt entrissen, und auf dem Landungsplatze des heilsamen Hafens feststehend, seine Augen von der Erde zu dem Himmel erhebt, und seinem Gott möglichst nahe, sich rühmen kann, alles, was bei den übrigen für erhaben und groß gilt, liege unter seinem Bewußtsein. Wer über die Welt erhaben ist, kann nichts mehr von der Welt wünschen, nichts mehr von ihr begehren. O welch dauerhafte und unerschütterliche Schutzwehr! Welch ein unversiegbarer Schutz ist es, von den Fallstricken der verwickelnden Welt befreit, und von dem irdischen Unräte zum Lichte der ewigen Unsterblichkeit gereiniget zu werden!
Doch du, welchen der Dienst unter der himmlischen Fahne im geistigen Lager schon ausgezeichnet hat, halte dich an eine durch religiöse Tugenden nüchterne Lebensweise. Beten oder lesen sollst du ohne Unterlaß. Bald rede du mit Gott, bald rede Gott mit dir. Er unterweise dich in seinen Geboten, er leite dich. (S. Cypr. ad Donat)
Vergänglich ist unser Leben; so wie das Leben unserer Genossen schwand, eben so vergeht das unsere dem Schatten gleich.
Demnach wollen wir, so lange wir in dieser gebrechlichen, den brausenden Winden, und den tobenden Stürmen des Meeres ausgesetzten Hütte weilen, unter Gottes allvermögender Obhut und Leitung niemals die Waffen hinwegwerfen, niemals Frieden schließen, und von der Religion und dem Evangelium Jesu Christi mit Heldenmut erfüllt, von Tapferkeit beseelt, im Namen des Herrn gegen den alten Feind zu Felde ziehen.
Auf also! meine Brüder und Schwestern, streitet um euer Heil, seid tapfere Kämpfer Jesu Christi; denn das Leben des Menschen ist ja ein beständiger Kampf, und jenem, der da sieget, wird verborgenes Manna gegeben.
Wer dürstet und zu diesem heftigen Streite der Labung bedarf, der schöpfe aus der Quelle des Heils; wer nach Heiligung sich sehnt, wer nach Vollkommenheit strebt, der nehme dies Buch zur Hand. Stärkung wird er da finden, und Trost, ermunternde Beispiele in Menge; und wenn auf diese Art so manche nach oben sich sehnende Seele Trost, so mancher, der aus dem Schlamme der Sünden sich erhebt, eine Stütze daran findet, um nicht mehr auszugleiten, und in den Abgrund zurückzusinken, o wie reichlich wird alsdann dieses Werk von Gott gesegnet werden! und dann erklinge ewiges Lob, und unendlicher Dank dem, der zu allem Guten das Gedeihen gibt, Jesu, unsere Liebe, Maria, unserer Hoffnung, und Joseph, unserem Fürsprecher!
(Notwendig zu lesen)
Einige wünschten von mir ein Buch mit Betrachtungen über die ewigen Wahrheiten für Seelen, die sich im geistlichen Leben besser zu begründen und fortzuschreiten verlangen. Andere begehrten von mir eine kleine Sammlung von Reden, die auf Missionen, sowie auch bei geistlichen Exerzitien als Predigten brauchbar wären. Um aber Bücher, Mühe und Unkosten nicht zu vermehren, hielt ich für gut, vorliegendes Werk auf die Art, wie man sieht, einzurichten, damit es sowohl für den einen, als für den anderen Zweck dienlich wäre.
Damit es den Weltleuten zum Betrachten diene, teilte ich jede dieser Erwägungen in drei Punkte. Jeder Punkt kann für eine Betrachtung gelten und deswegen habe ich nach jedem Punkte die Anmutung und Bitten beigefügt. Ich bitte die Leser, nicht überdrüssig zu werden, wenn in diesen Bitten immer um die Gnade der Beharrlichkeit und Liebe zu Gott gebeten wird, denn diese zwei Gnaden sind uns zur Erlangung des ewigen Heils am notwendigsten.
Die Gabe der göttlichen Liebe ist jene Gnade, sagt der heilige Franciscus Salesius, welche alle Gnaden in sich begreift, indem die Tugend der Liebe zu Gott alle übrigen Tugenden im Gefolge hat. „Es sind mir aber mit ihr zugleich alle Güter zugekommen.“ (Weish 7,11) Wer Gott liebt, ist demütig, ist keusch, ist gehorsam, ist abgetötet, kurz er besitzt alle Tugenden. „Liebe Gott“, sagte der heilige Augustinus, „dann tue, was du willst“. Jawohl, denn wer Gott liebt, wird sich bemühen, alles ihm Mißfällige zu meiden und nichts anderes suchen, als ihm in allem zu gefallen.
Die zweite Gnade: der Beharrlichkeit, ist jene, welche die Erlangung der ewigen Krone bewirkt. „Der Himmel“, spricht der heilige Bernardus, „ist allen versprochen, die das gute Leben beginnen, doch wird er nur jenen zuteil, welche ausharren. Den Anfängern wird er zugesichert, den Ausharrenden aber wird er gegeben.“ (Sermo 6. S. Bern, de modo bene viv.)
Doch diese Beharrlichkeit gibt man, wie die heiligen Väter lehren, nur jenen, die darum bitten. Daher schrieb der heilige Thomas, um in den Himmel zu gelangen, sei beständiges Gebet erforderlich. „Nach der Taufe aber ist dem Menschen immerwährend das Gebet nötig, daß er in den Himmel eingehe.“ (3 p. qu. 39. art. 5) Und vor ihm sagte es unser Heiland: „Man muß immer beten und nicht aufhören.“ (Lk 18,1)
Und dies ist die Ursache, warum so viele elende Sünder, obschon ihre Sünden verziehen worden sind, dennoch nicht in der Gnade Gottes beharren. Sie erhalten Vergebung; weil sie jedoch unterlassen, Gott - besonders zur Zeit der Versuchungen - um Beharrlichkeit zu bitten, so fallen sie aufs neue. Obwohl hingegen die Beharrlichkeit eine ganz unverdiente Gnade ist, deren wir uns durch unsere Werke nicht würdig machen können, so sagt dennoch Pater Suarez, durch das Gebet erhalte man sie unfehlbar, und schon vor ihm sagte der heilige Augustinus: die Gabe der Beharrlichkeit könne man durch das Gebet erlangen. „Dies Geschenk Gottes kann bittweise verdient, das heißt durch Beten erlangt werden“. (De Dono Persev. C. 6) Diese Notwendigkeit des Gebetes haben wir in einem anderen besonderen Werkchen, mit dem Titel: Das Gebet als Hauptmittel usw. weitläufig erwiesen: ein Werkchen, das so kurz und wohlfeil es ist, uns dennoch viel Mühe gekostet hat, und ich halte es für jede Menschenklasse höchst nützlich, ich behaupte sogar, unter sämtlichen geistlichen Abhandlungen gebe es, und könne es keine notwendigere Abhandlung geben, als jene über das Gebet, um das ewige Heil zu erlangen.
Damit sonach vorliegende Betrachtungen den Priestern, die wenig Bücher, oder sie zu lesen nicht Zeit haben, auch zum Predigen dienen könnten, so habe ich sie mit Zeugnissen aus der Heiligen Schrift, und mit Stellen der heiligen Väter versehen, die zwar kurz, aber geistreich sind, wie sie eben zu Predigten sein sollen, und bemerkte, daß jede einzelne Betrachtung mit allen drei Punkten eine Predigt abgeben wird.
In dieser Absicht suchte ich aus vielen Schriftstellern die gehaltvollsten Gedanken zu sammeln, die ich für die tauglichsten hielt, um zu bewegen, und führte verschiedene kurz an, damit der Leser jene wählen könne, die ihm am besten gefallen, und sie dann nach Belieben ausführe. Alles gereiche Gott zur Ehre.
Meinen Leser bitte ich, mich Jesu Christo anzuempfehlen, mag ich - wenn er dies Buch lesen wird - am Leben oder tot sein, und ich verspreche eben dasselbe für jene zu tun, die mir diese Liebe erweisen werden. Es lebe Jesus, unsere Liebe, und Maria, unsere Hoffnung.
Schilderung eines vor kurzem ins andere Leben übergegangenen Menschen.
„Du bist Staub und sollst zum Staube wiederkehren.“ (Gen 3,19)
1. Punkt
Gedenke, daß du Erde bist und zur Erde wiederkehren wirst. Es wird ein Tag kommen, an dem du sterben und in einer Grube dich befinden, wo du vermodern und mit Würmern bedeckt werden wirst. „Motten werden deine Decke sein.“ (Jes 14, 11) Alle wird ein und dasselbe Schicksal treffen; Vornehme und Gemeine, Fürsten und Untertanen. Sobald bei jener letzten Öffnung des Mundes die Seele vom Leibe geschieden sein wird, wird die Seele in ihre Ewigkeit, und der Leib in Staub übergehen. „Du wirst ihnen den Atem nehmen und sie werden vergehen und wieder in ihren Staub zurückkehren.“ (Ps 103, 30)
Stelle dir vor, du sehest eine Person, die vor einer kurzen Zeit den Geist aufgegeben hat. Betrachte an diesem Leichname, der sich noch im Bette befindet, das auf die Brust gesenkte Haupt, die Haare verwirrt und vom Todesschweiße noch triefend, die Augen eingefallen, die Wangen abgezehrt, das Gesicht aschfarbig, die Lippen und Zunge eisengrau, der Leib kalt und schwer. Wer ihn ansieht, erblaßt und zittert. Viele haben beim Anblick eines verstorbenen Verwandten oder Freundes ihr Leben geändert und die Welt verlassen.
Größeren Schauder noch erregt der Leichnam, wenn er zu verwesen beginnt. Es sind kaum vierundzwanzig Stunden vergangen, seitdem dieser Jüngling verschieden ist, so läßt sich schon der Gestank riechen. Man muß die Fenster öffnen und viel Rauchwerk verbrennen, man muß schnell in die Kirche schicken, um ihn unter die Erde zu bringen, damit nicht das ganze Haus erkranke. Und daß dies der Leib eines Vornehmen war, dient vielleicht zu nichts anderem, als dazu, daß er einen desto unerträglicheren Geruch von sich gibt. Ärger riechen die Leichname der Reichen, sagt irgend ein Schriftsteller.
Siehe, wo ist dieser Stolze, dieser Wüstling hingekommen! Früher in Gesellschaftszirkeln willkommen und erwünscht, ist er jetzt jedem, der ihn sieht, zum Schrecken und Abscheu geworden. Daher beeilen sich die Verwandten, ihn aus dem Hause zu schaffen, und bezahlen die Träger, damit sie ihn in einen Sarg verschlossen hinwegtragen und in eine Grube werfen. Früher rühmte man überall seinen Witz, seine Artigkeit, sein einnehmendes Wesen und seine guten Einfälle; über ein kurzes aber, nachdem er gestorben ist, verliert sich die Erinnerung an ihn. „Ihr Andenken ist mit einem Geräusche untergegangen.“ (Ps 9,7)
Bei der Nachricht von seinem Tode sagt der eine: Dieser hat sich Ehre gemacht; der andere: Er hinterließ sein Haus wohlbestellt; diese trauern darüber, weil ihnen der Verblichene irgend einen Vorteil gewährte, jene freuen sich, indem ihnen sein Tod Nutzen schafft. Übrigens wird bald niemand mehr von ihm reden. Und gleich anfangs wollen die nächsten Anverwandten nicht mehr von ihm sprechen hören, damit ihr Schmerz nicht erneuert werde. In den Beileidsbesuchen bespricht man sich über andere Sachen, und läßt jemand die Rede auf den Verstorbenen fallen, so sagt der Verwandte zu ihm, ich bitte um Himmels willen, nenne mir ihn nicht mehr! Bedenke, daß, so wie du beim Tode deiner Freunde und Verwandten dich benehmen wirst, auch andere gegen dich sich betragen werden. Es treten die Lebenden bei diesem Auftritte ein, nur um zu erscheinen und von den Gütern und der Wohnung des Verstorbenen Besitz zu nehmen, und auf den Toten achtet und lenkt man die Rede wenig oder gar nicht mehr. Anfangs werden die Verwandten einige Tage lang betrübt sein, bald aber werden sie sich mit den ihnen zugefallenen Sachen trösten, so daß sie sich in Kürze über den Tod eher erfreuen werden, und im nämlichen Zimmer, wo du wirst verschieden und von Jesu Christo gerichtet worden sein, wird man tanzen, essen, spielen und lachen wie zuvor. Und deine Seele - wo wird sie dann sein?
Anmutungen und Bitten
O Jesu, mein Erlöser! ich danke dir, daß du zur Zeit, als ich in deiner Ungnade lebte, mich nicht sterben ließest. Wie viele Jahre lang verdiente ich in der Hölle zu sein! Wäre ich an jenem Tage in jener Nacht gestorben, wie stände es um mich in alle Ewigkeit? Herr, ich danke dir dafür. Ich nehme meinen Tod an zur Genugtuung für alle meine Sünden, und nehme ihn an, so wie es dir gefallen wird, ihn über mich zu verhängen; da du aber bisher meiner harrtest, so warte noch ein wenig auf mich. Laß mich also meinen Schmerz nur ein wenig beweinen. Gib mir Zeit, über die Beleidigungen, die ich dir zufügte, zu weinen, ehe du mich richten wirst. Ich will deiner Stimme nicht mehr widerstehen. Wer weiß, ob diese Worte, die ich las, nicht der letzte Zuruf für mich seien! Ich bekenne, daß ich nicht Barmherzigkeit verdiene, du hast mir so oft verziehen, und ich Undankbarer beleidigte dich neuerdings. „Ein zerknirschtes und gedemütigtes Herz wirst du, o Gott, nicht verachten. „ (Ps 50) Da du, o Herr, ein Herz, das sich gedemütiget und voll der Reue ist, nicht verschmähen kannst, so schaue doch auf den Sünder, der reumütig sich zu dir wendet. „Verstoß mich nicht von deinem Angesichte „ und treibe mich nicht hinweg. Du hast ja gesagt: „ Wer zu mir kommt, den werde ich nicht verstoßen. „ (Joh 6,37) Es ist wahr, ich beschimpfte dich mehr, als andere, weil ich von dir mit mehr Licht und Gnaden beschenkt wurde, als andere; allein das Blut, welches du für mich vergossen hast, gibt mir Mut, und bietet mir Verzeihung an, wenn ich Reue habe. Ja, mein höchstes Gut, es reuet mich aus ganzer Seele, dich verachtet zu haben. Verzeihe mir und gib mir die Gnade, in Zukunft dich zu lieben. Ich habe dich oft genug beleidiget. Mein übriges Leben, mein Jesu! will ich nicht mehr zubringen, um dich zu beleidigen, sondern bloß um die dir zugefügten Beleidigungen zu beweinen, und dich unendlicher Liebe würdigen Gott aus ganzem Herzen zu lieben. - O Maria, meine Hoffnung, bitte Jesum für mich.
1. Betrachtung
Schilderung eines vor kurzem ins andere Leben übergegangenen Menschen.
2. Punkt
Um aber besser zu sehen, was du seiest, mein Christ, so gehe, sagt der heilige J. Chrysostomus, zum Grabe hin, betrachte den Staub, die Asche, die Würmer und seufze. Sieh wie jener Leichnam zuerst gelb und dann schwarz wird. Sodann zeigt sich auf dem ganzen Leibe weißer und ekelhafter Schimmel, hierauf rinnt schleimiges und stinkendes Eiter hervor, das auf die Erde herabträufelt. Bei dieser Verwesung erzeugt sich dann eine Menge Würmer, die vom nämlichen Fleische sich nähren. Zu diesen gesellen sich Ratten, um an jenem Leichname sich zu weiden, indem die einen von außen umherlaufen, und die anderen in den Mund und in die Eingeweide hineinkriechen. Da zerfallen stückweise die Wangen, Lippen und Haare, zuerst entfleischen sich die Rippen, dann die Arme und Schenkel. Nachdem die Würmer alles Fleisch verzehrt haben, zehren sie endlich einander selbst auf, und zuletzt bleibt von jenem Körper nichts übrig, als ein stinkendes Gerippe, welches mit der Zeit sich auflöst, indem die Knochen sich trennen, und der Kopf vom Rumpfe fällt. „Sie wurden zermalmet und einem Staube auf der Tenne im Sommer gleich, den der Wind hinwegführt.“ (Dan 2,85) - Siehe da, was der Mensch ist! Eine Handvoll Staub ist er, den der Wind wie aus einer Tenne wegwehet.
Schauet jenen Adeligen an, welcher die Lust, die Seele der Gesellschaft genannt war; wo ist er? Gehet in sein Zimmer, er ist nicht mehr darin. Wenn ihr sein Bett suchet, ist es andern gegeben worden, seine Kleider und Waffen haben schon andere fortgenommen und verteilt. Wollt ihr ihn sehen, so gehet zu jener Grube hin, wo er in Unflat und entfleischtes Gebein verwandelt ist. O Gott! dieser mit so vielen Wollüsten genährte, mit so großer Pracht bekleidete, von so vielem Gesinde bediente Leib ist jetzt in solchem Zustande. Ihr, o Heilige, wäret wohl klug, da ihr aus Liebe zu jenem Gott, den ihr allein auf dieser Welt liebtet, eure Leiber abzutöten wußtet, und jetzt sind eure Gebeine als heilige Reliquien in Gold gefaßt und hochgeschätzt, und eure schönen Seelen genießen Gott, dem jüngsten Tage entgegenharrend, an dem auch eure Leiber hervorkommen werden, um Mitgenossen der Herrlichkeit zu werden, so wie sie in diesem Leben Mitgenossen des Kreuzes waren. Dies ist die echte Liebe zum Leibe, ihn hienieden mit Mißhandlungen zu beladen, damit er in der Ewigkeit glücklich werde, und ihm jene Vergnügungen zu versagen, die ihn ewig unglücklich machen würden.
Anmutung und Bitten
Dies ist's also, mein Gott, was aus meinem Leibe werden wird, durch den ich dich so oft beleidigt habe! Ach! Würmer und Fäulnis! Doch ich betrübe mich nicht, o Herr! es ist mir vielmehr lieb, daß dies mein Fleisch so verwesen und verzehrt werden wird, durch das ich dich, mein höchstes Gut, verloren habe. Was mich betrübt, ist, daß ich - anstatt mir diese elenden Vergnügen zu versagen, dir so viel Mißvergnügen verursachte. Aber ich will kein Mißtrauen auf deine Barmherzigkeit setzen. Du harrtest auf mich, um mir zu verzeihen! „ Es wartet der Herr, daß er sich euer erbarme“ (Jes 30, 18), und du willst mir vergeben, wenn ich reumütig bin. Ja, aus ganzem Herzen bereue ich es, daß ich dich, o unendliche Güte! verachtet habe. Mit der heiligen Katharina von Genua will ich zu dir sagen: „Mein Jesu, keine Sünden mehr, keine Sünden mehr!“ Nein, nimmermehr will ich deine Geduld mißbrauchen, und nicht so lange zögern, dich, meine gekreuzigte Liebe zu umarmen, bis du mir in meinem Tode vom Beichtvater wirst gegeben werden; von jetzt an umarme ich dich, von nun an empfehle ich dir meine Seele. „In deine Hände, o Herr! empfehle ich meinen Geist“. Meine Seele war so viele Jahre auf der Welt, und liebte dich nicht; gib mir Licht und Stärke, auf daß ich in dem mir noch übrigen Leben dich liebe. Ich will es nicht auf die Todesstunde verschieben, dich zu lieben; von diesem Augenblicke an umarme und schließe ich mich an dich, und verspreche, dich nicht mehr zu verlassen. — O heiligste Jungfrau, verbinde mich mit Jesu Christo, und erlange mir, daß ich ihn nicht mehr verliere.
1. Betrachtung
Schilderung eines vor kurzem ins andere Leben übergegangenen Menschen.
3. Punkt
Mein Bruder, in dieser Abbildung des Todes siehst du dich selbst, und das, was mit dir zu geschehen hat. „Gedenke, daß du Staub bist, und zum Staube wiederkehren sollst“. Bedenke, in wenigen Jahren, und vielleicht in wenigen Monaten oder Tagen wirst du Fäulnis und Moder werden. Job wurde durch diesen Gedanken heilig: „Ich habe zur Verwesung gesagt: du bist mein Vater und zu den Würmern, ihr seid meine Mütter und Schwestern“. (17, 14)
Alles muß enden; und geht im Tode deine Seele verloren, so wird für dich alles verloren sein. Stelle dir vor, sagt der heilige Laurentius Justinianus, als wärest du schon tot, da du weißt: du wirst sterben müssen. (De ligno vitae. C. 4) Wenn du schon gestorben wärest, was würdest du wünschen, nicht getan zu haben? Jetzt, da du am Leben bist, bedenke, daß du einst tot sein wirst. Der heilige Bonaventura sagt: „Um dem Schiffe die rechte Richtung zu geben, setzt sich der Steuermann an das Ende des Schiffes; ebenso soll der Mensch, um ein gutes Leben zu führen, sich immer vorstellen, als wäre er tot“. Von da aus, sagt der heilige Bernardus, schaue zuerst und erröte; überschaue die Sünden der Jugend, und schäme dich darob. Schaue die Sünden des mittleren Alters, und seufze darüber; schaue die Sünden des männlichen Alters, und weine. Schaue die des hohen Alters, und zittere; überschaue die gegenwärtigen letzten Verirrungen deines Lebens, zittere und eile um Hilfe dagegen.
Der heilige Camillus de Lellis sagte, wenn er in die Gräber der Verstorbenen hinabschaute, bei sich selbst: Wenn diese wieder aufleben würden, was täten sie wohl für das ewige Leben? Und ich, der ich noch Zeit habe, was tue ich für die Seele? Dies sagte der Heilige aus Demut. Du aber, mein Bruder, kannst vielleicht mit Recht zittern, jener unfruchtbare Feigenbaum zu sein, von dem der Herr sprach: „Siehe, es sind nun drei Jahre, daß ich komme, Früchte auf diesem Feigenbaume zu suchen, und keine finde“. (Lk 13,7) Du bist länger als drei Jahre auf der Welt - welche Frucht hast du getragen? Siehe, sagt der heilige Bernardus, der Herr sucht nicht nur Blüten, auch Früchte will er, das heißt, nicht bloß gute Wünsche und Vorsätze, sondern auch heilige Werke verlangt er. Verstehe es also wohl, diese Zeit zu benützen, die Gott durch seine Barmherzigkeit dir schenken wird, warte nicht so lange, bis du die Zeit wünschen wirst, Gutes zu tun, wo nicht mehr Zeit sein, und man zu dir sagen wird: Es ist keine Zeit mehr, reise ab. Hurtig! nun ist es Zeit, von dieser Welt abzureisen; eile! was geschehen ist, ist geschehen.
Anmutungen und Bitten
Siehe, mein Gott, ich bin dieser Baum, der seit so vielen Jahren die Worte zu vernehmen verdiente: „Haue ihn ab, warum nimmt er wohl den Platz ein?“ Jawohl, denn so lange ich auf der Welt bin, brachte ich dir keine andern Früchte, als Distel und Dornen - Sünden. Doch du, o Herr! willst nicht, daß ich verzweifle. Du sagtest, wer dich suchet, findet dich. „Suchet, und ihr werdet finden. „ Ich suche dich, mein Gott, und verlange deine Gnade. Alle Beleidigungen, die ich dir zufügte, mißfallen mir von ganzem Herzen, und sterben möchte ich aus Schmerzen darüber. Vorher floh ich dich, jetzt aber achte ich deine Freundschaft höher, als den Besitz aller Königreiche der Welt. Deiner Stimme will ich nicht ferner widerstehen. Willst du mich ganz für dich ? Ich ergebe mich dir ganz und gar, ohne Vorbehalt. Du gabst dich mir am Kreuze ganz hin. Ich ergebe mich gänzlich.
Du hast ja gesagt: „ Wenn ihr mich in meinem Namen um etwas bitten werdet, so werde ich es tun. „ (Joh 14,14) Mein Jesu, im Vertrauen auf dieses große Versprechen bitte ich dich in deinem Namen und um deiner Verdienste willen um deine Gnade und deine Liebe. Gib Überfluß an Gnade und an deiner heiligen Liebe meiner Seele, wo die Sünde in Überfluß war. Ich danke dir, daß du mir den Verstand gabst, diese Bitte an dich zu stellen; daß du mir solche einflößest, ist ein Zeichen, du wollest mich erhören. Erhöre mich, mein Jesu! gib mir eine große Liebe zu dir, ein heftiges Verlangen, dir zu gefallen, und gib mir sonach die Kraft, es wirklich zu tun. — O Maria, meine mächtige Fürsprecherin, erhöre auch du mich; bitte Jesum für mich!
Mit dem Tode endet alles
„Das Ende kommt, es kommt das Ende.“ (Ez 7,6)
1. Punkt
Weltgesinnte schätzen nur jene glücklich, welche die Güter, Freuden und Reichtümer dieser Welt besitzen; allein der Tod macht allen diesen Glückseligkeiten der Welt ein Ende. „Was ist dann euer Leben? Ein Dunst ist es, der sich eine geringe Zeit sehen läßt.“ (Jak 4,15) Dünste, die von der Erde aufsteigen, manchmal in die Luft sich erheben, und vom Sonnenlichte bestrahlt, einen schönen Anblick gewähren; aber wie lange dauert dieser Anblick? Bei einem kleinen Winde verschwindet alles. Sieh diesen Großen an; heute macht man ihm den Hof, man fürchtet ihn und betet ihn fast an, morgen wird er tot sein, verachtet, verflucht und mit Füßen getreten. Mit dem Tode muß man alles verlassen. Der Bruder des großen Dieners Gottes Thomas von Kempis war stolz darauf, sich ein schönes Haus gebaut zu haben; ein Freund aber sagte ihm, es sei ein großer Fehler daran. „Was für einer?“ fragte er. „Der Fehler“, antwortete dieser, „besteht darin, daß du ein Tor darein gemacht hast.“ „Wie so“, fragte er wieder, „ist das Tor ein Fehler?“ „Jawohl“, erwiderte der Freund, „denn eines Tages wirst du durch dieses Tor tot herausgetragen werden und das ganze Haus und alles verlassen müssen.“ Kurz, der Tod beraubt den Menschen aller Güter dieser Welt. Welch ein Schauspiel ist es, wenn man diesen Fürsten aus seinem Palaste schleppen sieht, in den er nun nicht mehr hineinkommt, und wie andere von seinen Gerätschaften, Geldern und allen seinen übrigen Gütern Besitz nehmen. Die Diener lassen ihm bei dem Begräbnis kaum ein Kleid an, welches hinlänglich seinen Leib bedeckt, niemand mehr ist da, der ihn schätzte, ihm schmeichelte, und nimmer achtet man auf die Befehle, die er hinterlassen hat. Saladin, der in Asien viele Reiche eroberte, sagte bei seinem Tode, es sollte, wenn sein Leichnam zum Begräbnis getragen werde, einer mit seinem an einem Spieß gehängten Hemde vor ihm einhergehen und schreien: Dies ist alles, was Saladin zum Begräbnis mitnimmt. - Nachdem nun der Leichnam jenes Fürsten in die Gruft gelegt ist, fällt das Fleisch ab, und siehe, sein Gerippe kann man nimmer von den anderen unterscheiden. „Betrachte die Gräber“, sagt Basilius, „schau, ob du unterscheiden könnest, wer Diener oder wer Herr gewesen sei.“ Diogenes stellte sich einst vor Alexander dem Großen, als suchte er etwas sehr sorgfältig unter den Totenköpfen. „Was suchest du?“ fragte Alexander neugierig. „Den Kopf des Königs Philippus, deines Vaters, suche ich auf,“ antwortete er, „und kann ihn nicht unterscheiden. Wenn du ihn auffinden kannst, so laß mich ihn sehen. Wenn du kannst, zeige mir ihn.“ „Ungleich kommen die Menschen auf diese Welt, doch nach dem Tode sind sie alle gleich. Einander ungleich werden wir geboren, einander gleich sterben wir!“ sagte Seneca. Und Horatius spricht, der Tod hebe die Ungleichheit zwischen den Zeptern und Hacken auf: Er macht, daß Zepter und Hauen gleich werden. Kurz, wenn der Tod kommt, nahet das Ende heran, alles hört auf, alles verläßt man, und nichts von allen Sachen der Welt nimmt man mit ins Grab.
Anmutungen und Bitten
Mein Herr! weil du mir das Licht gibst zu erkennen, daß alles, was die Welt schätzt, alles Rauch und Torheit sei, so gib mir Kraft, mich dessen zu entschlagen, ehe mich der Tod davon trennt. Wie unglücklich war ich! Wie oft beleidigte und verlor ich dich, unendliches Gut, wegen der elenden Freuden und Güter dieser Welt! O mein Jesu, o himmlischer Arzt! wende deine Augen auf meine arme Seele, schau auf die vielen Wunden, welche ich durch meine Sünden mir selbst geschlagen habe, und habe Mitleid mit mir. „ Wenn du willst, kannst du mich rein machen. „ Ich weiß, daß du mich heilen kannst und willst; damit ich aber genese, willst du, daß ich alle dir zugefügten Beleidigungen bereue. Mache mich also gesund, da du mir jetzt helfen kannst. „Heile meine Seele, weil ich wider dich gesündigt habe. „ (Ps 40,5) Ich habe mich nicht mehr an dich erinnert, du aber hast mich nicht vergessen, und nun lasse mich hören, daß du auch der Beleidigungen, die ich dir antat, nicht mehr eingedenk sein wollest, da ich sie verfluche. „ Wenn aber der Gottlose Buße tut, so will ich seiner Missetaten nicht mehr gedenken. „ (Ez 18,21) Siehe nun, ich verabscheue und hasse sie mehr, als jedes Übel, vergiß also darauf, mein Erlöser, wie oft ich dich beleidigte. Forthin will ich alles, selbst das Leben lieber verlieren, als deine Gnade. Und was nützen mir alle Güter der Welt ohne deine Gnade ?
Ach hilf mir, du weißt ja, wie schwach ich bin. Die Hölle wird nicht unterlassen, mich zu versuchen: schon sind mir tausend Anfälle bereitet, um mich aufs neue zu ihrem Sklaven zu machen. Nein, mein Jesu, verlasse mich nicht! Ich will von heute an ein Gefangener deiner Liebe sein. Du bist mein einziger Herr, du hast mich erschaffen, du hast mich erlöst, du bist es, der mich mehr als alle liebt, nur du verdienst geliebt zu werden, dich allein will ich lieben.
2. Betrachtung
Mit dem Tode endet alles
2. Punkt
Als Philippus, König von Spanien, dem Tode nahe war, rief er seinen Sohn zu sich, und indem er das königliche Kleid, womit er bedeckt war, von sich warf, zeigte er ihm die von Würmern zernagte Brust, und sprach zu ihm: „Mein Prinz, du siehst, wie man stirbt und wie alle Größe dieser Welt ihr Ende nimmt.“ Gar wohl sagte Theodoretus: „Nicht Reichtümer fürchtet der Tod, weder Trabanten, noch Purpur; nichts hindert, daß bei den Fürsten ebenso wie bei den Untertanen Fäulnis erfolge und Eiter abfließe, und niemand, wer immer stirbt, selbst kein Fürst, nimmt etwas mit sich ins Grab; alle Herrlichkeit bleibt im Bette, wo er stirbt, zurück. „Wann er sterben wird, wird er nichts mitnehmen, noch wird seine Herrlichkeit mit ihm hinabsteigen.“ (Ps 48,18) Der heilige Antonius erzählt, ein Philosoph habe, nachdem Alexander der Große verschieden war, also ausgerufen: „Sehet, jener, der gestern die Erde mit Füßen trat, wird jetzt von der Erde unterdrückt. Gestern genügte ihm der ganze Erdboden nicht, jetzt genügen ihm sieben Zoll. Gestern führte er auf der Erde ganze Heere an, und jetzt wird er von wenigen Trägern unter die Erde gebracht.“ Doch es ist besser, was Gott spricht: „Was erhebest du dich, Erde und Asche?“ (Eccl 10,9) Mensch! siehst du nicht, daß du Staub und Asche bist; warum bist du hochmütig? Warum bringst du deine Jahre im Bestreben zu, dich auf dieser Welt groß zu machen? Es wird der Tod kommen, und aufhören werden dann alle deine Herrlichkeiten, alle deine Pläne. „An jenem Tage werden ihre Gedanken untergehen.“ (Ps 55,6)
O, um wie viel glückseliger war der Tod des heiligen Paulus des Einsiedlers, der sechzig Jahre in einer Höhle verborgen lebte, als der Tod des Nero, welcher als Kaiser zu Rom lebte! Um wie viel glücklicher war der Tod des heiligen Felix, eines Kapuziner-Laienbruders, als der Tod Heinrichs VIII., der in königlicher Herrlichkeit - aber in Feindschaft mit Gott lebte! Allein man muß bedenken, daß die Heiligen zur Erlangung eines solchen Todes alles, Vaterland, Vergnügen und Hoffnungen, welche die Welt ihnen anbot, verließen, ein armes und verachtetes Leben annahmen. Wie aber können Weltkinder, die in irdischen Ergötzungen und gefährlichen Gelegenheiten dahin leben, einen glücklichen Tod hoffen? Gott droht den Sündern, daß sie in ihrem Tode ihn suchen, aber nicht finden werden: „Ihr werdet mich suchen, aber nicht finden.“ (Joh 7,34) Er sagt, es werde dann nicht die Zeit der Barmherzigkeit, sondern der Rache sein: „Ich werde zu seiner Zeit vergelten.“ (Dtn 32,15) Die Vernunft überzeugt uns eben desselben; denn ein weltlich gesinnter Mensch wird im Tode schwach an Verstand, und seiner gehabten bösen Gewohnheiten wegen verfinsterten und verstockten Herzens sein. Die Versuchungen werden ihn heftiger bestürmen; und wie wird jener, der im Leben nachzugeben und sich besiegen zu lassen gewohnt war, im Tode widerstehen? Es müßte ihm dann nur eine besonders mächtige göttliche Gnade sein Herz umwandeln. Allein, ist Gott etwa zur Verleihung dieser Gnade verpflichtet? Hat sich vielleicht jener mit seinem unordentlichen Leben, das er führte, selbe verdient? Und dennoch handelt es sich dann um sein ewiges Glück oder Unglück. Wie ist es möglich, daß, wenn man dies bedenkt, und an den Wahrheiten des Glaubens nicht zweifelt, wie ist es möglich, daß man nicht alles verläßt, um sich Gott zu widmen, der uns nach unseren Werken richten wird?
Anmutungen und Bitten
Ach Herr! und wie viele Nächte habe ich Elender in deiner Ungnade geschlafen! O Gott! und in welchem armseligen Zustande war damals meine Seele! Gehaßt war sie von dir, und sie wollte von dir gehaßt werden. Schon war ich zur Hölle verurteilt; nur die Vollziehung des Urteilspruches fehlte noch. Du aber, mein Gott, unterließest nicht, mir nachzugehen und mir Verzeihung anzubieten. Wer aber versichert mich, ob du mir auch verziehen habest? In dieser Furcht, mein Jesu! werde ich leben, bis du mich richtest. Doch der Schmerz, dich beleidigt zu haben, und mehr noch dein Leiden, mein geliebter Erlöser, lassen mich hoffen, in deiner Gnade zu sein. Es ist mir leid, dich, o höchstes Gut! beleidigt zu haben, und ich liebe dich über alles. Ich nehme mir vor, eher alles zu verlieren, als deine Gnade und Liebe. Du willst, daß frohen Mutes das Herz sei, welches dich sucht. „ Es erfreue sich das Herz derjenigen, die den Herrn suchen. „ (1 Chr 16,10) Herr, ich verfluche alle Unbilden, welche ich dir angetan habe. Gib mir Mut und Zuversicht; wirf mir nicht mehr meine Undankbarkeit vor, indem ich selbst sie erkenne und verabscheue. Du sagtest ja, du wollest nicht den Tod des Sünders, sondern daß er sich bekehre und lebe. „Ich will nicht den Tod des Gottlosen, sondern daß er sich bekehre und lebe. „ (Ez 3,1) Ja, mein Gott! ich verlasse alles, und wende mich zu dir; dich suche, dich verlange und liebe ich über alles. Gib mir deine Liebe, und um nichts mehr bitte ich dich. - O Maria, Du bist meine Hoffnung, erhalte mir die heilige Beharrlichkeit!
2. Betrachtung
Mit dem Tode endet alles
3. Punkt
David nannte die Glückseligkeit des gegenwärtigen Lebens einen Traum, aus dem man erwacht: „Wie ein Traum beim Aufwachen.“ (Ps 72,20) Ein Schriftsteller erklärte sie für einen Traum; denn bei eingeschläferten Sinnen kommen uns Dinge groß vor, die gar nichts sind, und alsogleich verschwinden. Die Güter dieser Welt erscheinen groß, allein sie sind nichts und von kurzer Dauer, gleich wie der Traum nur kurze Zeit währt, und alsdann wieder verschwindet. Dieser Gedanke, daß mit dem Tode alles ende, brachte den heiligen Franciscus Borgias zum Entschlusse, sich ganz Gott zu widmen. Es traf den Heiligen, den Leichnam der Kaiserin Isabella nach Granada zu begleiten. Als man nun den Sarg öffnete, flohen alle vor Schrecken und Gestank davon: allein der heilige Franciscus blieb vom göttlichen Lichte geleitet bei dem Leichname, betrachtete an ihm die Eitelkeit der Welt und sagte ihn anschauend: Du bist also meine Kaiserin? Bist du es, vor der so viele Große aus Ehrfurcht die Knie beugten? O, Frau Isabella, wo ist deine Majestät, deine Schönheit? So also - schloß er bei sich - enden die Herrlichkeiten und Kronen dieser Welt? Von heute an also will ich einem Herrn dienen, der nicht mehr sterben kann. Und so weihte er sich in der Folge ganz und gar der Liebe zum Gekreuzigten, legte sodann das Gelübde ab, in einen Orden zu treten, wenn seine Gemahlin sterben würde; was dann wirklich erfolgte, er trat in die Gesellschaft Jesu ein.
Ganz richtig schrieb also ein Mann, der eines Bessern belehrt worden war, auf einen Totenkopf diese Worte: „Dem Nachdenkenden wird alles feil.“ Und warum gibt es denn so viele unglückliche Liebhaber dieser Welt? Weil sie nicht an den Tod denken. „Menschenkinder, wie lange werdet ihr eines schweren Herzens sein? Warum liebt ihr die Eitelkeit und strebet nach Lügen? (Ps 4,3) Ihr elende Kinder Adams, warnet uns der Heilige Geist, warum verjagt ihr nicht aus euren Herzen eure große Zuneigung zur Welt, wodurch die Eitelkeit und Lüge euch lieb wird? Was euren Vorfahren geschehen ist, wird euch ebenfalls geschehen. Auch sie wohnten in eurem Palaste, in eben diesem Bette schliefen sie, und jetzt sind sie nicht mehr da; das nämliche wird auch euch begegnen. Gib dich also, mein Bruder, Gott sogleich hin, ehe der Tod kommt. „Tue hurtig, was deine Hand zu tun vermag.“ (Eccl 9,10) Was du heute tun kannst, verschiebe nicht auf morgen; denn der heutige Tag vergeht, und kommt nicht wieder, und morgen kann der Tod zu dir kommen, welcher dich nichts mehr tun lassen wird. Reiß dich schnell von dem los, was dich von Gott fern hält und entfernen kann. Wir wollen daher in der Tat diese Güter der Welt verlassen, ehe der Tod uns mit Gewalt davon losreißt. „Selig sind die Toten, die im Herrn sterben.“ (Offb 14,13) Selig, die der Liebe zu dieser Welt bei ihrem Tode schon abgestorben sind! Solche fürchten den Tod nicht, sondern wünschen und umarmen ihn fröhlichen Mutes, indem er sie hernach, anstatt von den Gütern, die sie lieben, zu trennen, mit dem höchsten Gute vereint, das allein von ihnen geliebt zu werden verdient und sie ewig beglücken wird.
Anmutungen und Bitten
Mein lieber Erlöser, ich danke dir, daß du meiner harrtest. Wie stünde es mit mir, wenn du mich hättest sterben lassen, als ich fern von dir war? Gepriesen werde immer deine Barmherzigkeit und Geduld, die du so viele Jahre mit mir hattest. Ich danke dir für das Licht und für die Gnade, womit du mir beistehest. Damals liebte ich dich nicht und bekümmerte mich wenig darum, von dir geliebt zu werden. Jetzt liebe ich dich aus ganzem Herzen, und habe kein größeres Leiden, als dies, daß ich einen so guten Gott so oft beleidigt habe. Dieser Schmerz peiniget mich; doch süß ist diese Pein, indem dieser Schmerz mir Vertrauen gibt, daß du mir schon verziehen habest. Mein süßer Heiland, ach, wäre ich eher tausendmal gestorben, hätte ich dich doch niemals beleidiget! Ich bebe vor Furcht, dich in Zukunft wieder zu beleidigen. Ach, laß mich lieber den schwersten Tod, den es gibt, sterben, als daß ich neuerdings deine Gnade verliere. Einst war ich ein Sklave der Hölle, nun aber bin ich dein Diener, o Gott meiner Seele! Du sagtest, du habest den lieb, der dich lieb hat: „Ich liebe, die mich lieben.“
Ich liebe dich, also bin ich dein und du bist mein. Ich kann dich in der Folge verlieren; allein dies ist die Gnade, um die ich dich bitte: laß mich eher sterben, als daß ich dich wieder beleidige. Du hast mir so viele, von mir nicht verlangte Gnaden erwiesen, ich kann nicht befürchten, daß du mich wegen dieser Gnade nicht erhören wollest, um die ich dich jetzt bitte: Laß nicht mehr zu, daß ich dich verliere; gib mir deine Liebe, nichts wünsche ich mehr. - Maria, meine Hoffnung, bitte für mich.
Die Kürze des Lebens
„Was ist euer Leben?
Ein Dunst ist es, der sich eine geringe Zeit sehen läßt.“
(Jak 4,14)
1. Punkt
Was ist unser Leben? Einem Dunste ist es gleich, der bei einem Windchen verschwindet und nicht mehr ist. Alle wissen, daß sie sterben müssen, aber viele täuschen sich, indem sie wähnen, der Tod sei so fern, als hätte er nie zu kommen. Doch nein! Job belehrt uns, das Leben des Menschen sei kurz: „Der Mensch keimt wie eine Blume auf, lebt eine kurze Zeit und wird zertreten.“ (Job 14) Eben dasselbe befahl der Herr dem Isaias zu predigen: „Alles Fleisch ist Heu. Fürwahr das Volk ist Heu; das Heu ist dürre geworden, und die Blume ist abgefallen.“ (Jes 40) Das menschliche Leben gleicht einer Grasblume; es kommt der Tod, man mähet das Heu ab, und es fällt die Blume jeder Größe und jedes irdischen Gutes, und siehe, das Leben endet.
„Meine Tage waren schneller als ein Läufer.“ (Job 9) Der Tod läuft uns schneller als ein Läufer entgegen, und wir laufen mit jedem Augenblicke dem Tode zu. Bei jedem Schritte, bei jedem Atemzuge nähern wir uns dem Tode. „Was ich schreibe“, sagte der heilige Hieronymus, „wird aus meinem Leben genommen. Während der Zeit, da ich schreibe, komme ich dem Tode näher.“ „Wir alle sterben und werden auf die Erde ausgegossen, wie Wasser, das nicht wiederkommt.“ (2 Kön 14,14) Schaue zu, wie dieser Bach in das Meer sich ergießt. Und diese Gewässer, welche dahin fließen, kommen nicht wieder zurück. So, mein Bruder, vergehen deine Tage und du näherst dich dem Tode. Es vergehen die Freuden, es vergehen die Scherze, die Pracht, die Belobungen, das Freudengeschrei, und was bleibt übrig? „Und das Grab allein bleibt mir übrig.“ (Job 17,1) Wir werden in eine Grube geworfen werden und dort bleiben, um, von allem beraubt, zu verwesen. Bei unserem Tode wird uns die Erinnerung an alle im Leben genossenen Vergnügen, an alle erworbenen Ehren zu nichts dienen, als zur Vergrößerung der Leiden und des Mißtrauens, das ewige Leben zu erlangen. Werden also - wird das elende Weltkind sagen - werden mein Haus, meine Gärten, diese so geschmackvollen Zimmergeräte, diese Gemälde, diese Kleider, in kurzem nicht mehr mir gehören? „Und das Grab allein bleibt mir übrig.“ Ach, dann schaut man mit Verdruß die Güter dieser Welt an, wenn man sie mit solcher Anhänglichkeit liebte. Und was wird dieser Verdruß nützen, als das Seelenheil noch größerer Gefahr auszusetzen, indem man aus Erfahrung sieht, daß Leute, die der Welt so anhängen, von nichts anderem hören wollen, als von ihrer Krankheit, von Ärzten, die man noch holen könnte und von Mitteln, die da helfen dürften: und sagt man ihnen etwas von der Seele, so werden sie gleich überdrüssig und sagen dir, du sollest ihnen Ruhe lassen, es tue ihnen der Kopf wehe, sie können nicht reden hören, und wenn sie hin und wieder Antwort geben, so sind sie verwirrt und wissen nicht, was sie sprechen. Und oft erteilen ihnen die Priester, doch nicht deshalb, weil sie die Kranken für gehörig vorbereitet halten, sondern weil keine Zeit mehr ist, zuzuwarten, die Lossprechung. So sterben jene, die wenig an den Tod denken.
Anmutungen und Bitten
Ach, mein Gott und Herr! unendliche Majestät! ich schäme mich, vor dir zu erscheinen. Wie oft entehrte ich dich, indem ich deine Gnade einem schmutzigen Vergnügen, einer Befriedigung des Zorns, einer Handvoll Erde, einer Laune, einem Rauche hintansetzte! Ich bete an, und küsse, o mein Erlöser, deine heiligen Wunden, die ich dir zwar durch meine Sünden geschlagen habe; aber eben durch diese Wunden hoffe ich Verzeihung und das heilige Gib mir, o mein Jesu! das große Unrecht zu erkennen, das ich dir tat, indem ich dich als die Quelle alles Guten verließ, um aus faulen und vergifteten Gewässern zu trinken. Was habe ich für so viele dir zugefügte Beleidigungen anderes, als Leiden, Gewissensbisse und Schuld für die Hölle ? „Vater, ich bin nicht würdig, dein Kind genannt zu werden.“ Mein Vater, verstoß mich nicht! Ich verdiene zwar nicht mehr deine Gnade, die mich zu deinem Kinde macht, allein du bist ja gestorben, um mir zu verzeihen. Du sagtest: „Wendet euch zu mir, und ich werde mich zu euch wenden. (Zach. 1,3) Ich verlasse alle meine Vergnügen, ich verzichte auf alle Freuden, welche die Welt mir machen kann, und wende mich zu dir. Vergib mir doch um deines für mich vergossenen Blutes willen, indem ich alle dir zugefügten Beschimpfungen von ganzem Herzen bereue. Ich beweine sie, und liebe dich über alles. Ich bin nicht würdig, dich zu lieben, du aber bist wert, geliebt zu werden: genehmige es, daß ich dich liebe, verschmähe es nicht, daß dich dies Herz liebe, das zu einer Zeit dich verachtete. Du ließest mich absichtlich nicht sterben, als ich in der Sünde war, damit - ich dich lieben sollte; ja, ich will dich in meinem noch übrigen Leben lieben, und nichts lieben als dich. Hilf mir, gib mir die heilige Beharrlichkeit, und deine heilige Liebe. - Maria, meine Zuflucht, empfehle mich Jesu Christo!
3. Betrachtung
Die Kürze des Lebens
2. Punkt
Der König Ezechias weinte und sprach: „Der Faden meines Lebens ist wie von einem Weber abgeschnitten worden: da ich eben webte, riß er mir ab.“ (Jes 38) O, zu wie vielen, welche mit Weben aufs Beste beschäftigt sind, das heißt, die ihre mit so vielen Maßregeln vorgenommenen weltlichen Pläne ordnen und ausführen, kommt der Tod und beendiget alles. Beim Lichte jener letzten Kerze vergehen alle Dinge dieser Welt, Beifall, Pracht und Herrlichkeit. O großes Geheimnis des Todes! du zeigest uns, was die Liebhaber der Welt nicht sehen. Die aufs höchste beneideten Glücksverhältnisse, die größten Ehrenstellen, die stolzesten Triumphzüge verlieren allen Glanz, wenn man im Tode davon hört. Die Begriffe, die wir uns von gewissen falschen Glückseligkeiten gemacht haben, verwandeln sich in Unwillen über unsere eigene Torheit. Der schwarze und traurige Todesschatten bedeckt und verfinstert alle, auch königlichen Würden. Jetzt lassen die Leidenschaften die Güter dieser Erde anders erscheinen, als sie sind. Der Tod entdeckt und läßt sehen, was sie wirklich sind: Rauch, Kot und Elend. O Gott, was nützen im Tode die Reichtümer, Leben, Königreiche, wenn uns nichts mehr zuteil wird, als ein hölzerner Sarg und ein einfaches Kleid, das hinreichend ist zur Bedeckung des Leibes? Wozu dienen die Ehren, wenn unser Anteil nichts anderes ist, als eine traurige Begleitung und ein prächtiges Begräbnis, die der Seele nichts helfen wird, wenn sie verloren ist? Wozu hilft die Schönheit des Körpers, wenn nichts übrig bleibt, als Würmer, Gestank und Schrecken vor dem Tode, und nach demselben - ein wenig übel riechender Staub? „Er hat mich zum Sprichworte unter dem Volke gemacht und ich bin ihnen ein Schauspiel geworden.“ (Job 17) Es stirbt dieser Reiche, dieser Minister, dieser Hauptmann, und dann wird man allenthalben darüber sprechen; wenn er aber schlecht gelebt hat, wird er zum Gespötte: „Zum Sprichworte des Volkes und zum Schauspiele“, ein Muster der Eitelkeit der Welt, sowie ein Beispiel der göttlichen Gerechtigkeit zur Besserung der anderen. Beim Begräbnis wird er dann zu seiner Beschämung unter den anderen Leichnamen der Armen zu liegen kommen. „Dort ist der Kleine und Große beisammen.“ (Job 3) Was nützte ihm die Schönheit des Körpers, wenn er jetzt nichts als ein Haufen von Würmern ist? Was nützt ihm sein Ansehen, wenn nun sein Leib in eine Grube geworfen wird, um zu verfaulen, und die Seele in die Hölle gestürzt wird, zu brennen? O welches Elend, den andern zum Gegenstande dieser Betrachtungen dienen zu müssen und sie nicht zum eigenen Nutzen gemacht zu haben! Halten wir uns also überzeugt, daß, um dem schlechten Zustande des Gewissens abzuhelfen, die Sterbezeit nicht die geeignete Zeit ist, wohl aber jene des Lebens. Beeilen wir uns von der Stunde an, das zu tun, was wir nachher nicht werden tun können. Die Zeit ist kurz: Alles vergeht und endet schnell; deshalb wollen wir trachten, daß uns alles dazu diene, uns das ewige Leben zu erwerben.
Anmutungen und Bitten
O Gott meiner Seele, o unendliche Güte! habe Erbarmen mit mir, der ich dich so oft beleidigte. Ich wußte es schon, daß ich durch Sündigen deine Gnade verlöre, und wollte sie doch verlieren! Sage mir, was soll ich tun, um sie wieder zu erlangen ? Willst du, daß ich meine Sünden bereue ? Ja, sie reuen mich von ganzem Herzen. Willst du, daß ich von dir Verzeihung hoffe ? Ja, ich hoffe sie, wegen der Verdienste deines Blutes. Willst du, daß ich dich über alles liebe ? Nun so verlasse ich alles, leiste auf alle Freuden Verzicht, welche die Welt mir verschaffen kann! Über alle Güter liebe ich dich, o liebenswürdigster Heiland! Willst du, daß ich dich um Gnaden bitte, so ersuche ich dich um zwei: Laß nicht mehr zu, daß ich dich beleidige, und gib, daß ich dich liebe, und dann mache mit mir, wie du willst. - Maria, meine Hoffnung, erhalte mir diese zwei Gnaden; von dir hoffe ich sie!
3. Betrachtung
Die Kürze des Lebens
3. Punkt
Welche Torheit ist es also, wegen elender und kurzer Freuden dieses so kurzen Lebens sich der Gefahr aussetzen, eines bösen Todes zu sterben und mit diesem eine unglückliche Ewigkeit zu beginnen? O wie wichtig ist jener letzte Augenblick, jene letzte Öffnung des Mundes, jener letzte Auftritt! Von Wichtigkeit ist eine Ewigkeit, entweder aller Freuden oder aller Peinen voll. Wichtig ist ein immer glückliches oder immer unglückliches Leben. Bedenken wir, daß Jesus Christus eines so bitteren und schimpflichen Todes sterben wollte, um uns einen guten Tod zu erlangen. Deswegen ruft er uns so oft zu, deshalb gibt er uns so vielen Unterricht, darum warnt er uns mit so vielen Drohungen, damit wir sie annehmen und diesen letzten Augenblick in seiner Gnade beschließen. -Sogar Antisthenes, ein Heide, gab auf die Frage: Welches das beste Glück auf der Welt sei, zur Antwort: „Ein guter Tod.“ Und was soll denn ein Christ sagen, der durch den Glauben weiß, daß von diesem Augenblicke an die Ewigkeit beginnt, so daß man in diesem Augenblicke eines der zwei Lose ergreift, welches entweder ewige Freude oder ewiges Leiden mit sich bringt? Wenn in einem Sacke zwei Zettelchen wären, auf deren einem die Hölle und auf deren anderem das Paradies aufgeschrieben wären, und wenn dann die Reihe an dich käme, welchen Fleiß würdest du dir wohl geben, um jenes zu erraten, wo es heißt: „das Paradies.“ O wie zittern jene Armseligen, welche verurteilt sind, um das Leben zu spielen.
O Gott! wie zittern sie, wenn sie die Hand ausstrecken, die Würfel zu werfen, von deren Los ihr Leben oder Tod abhängt! Welcher Schrecken wird es sein, wenn du dich diesem letzten Augenblicke nahe finden wirst, wann du sagen wirst: Von diesem Augenblicke, dem ich nahe bin, hängt mein ewiges Leben oder mein ewiger Tod ab! Jetzt kommt es darauf an, ob ich für immer glücklich oder für immer in Verzweiflung sein werde! Der heilige Bernardinus von Siena erzählt von einem Fürsten, der, als er starb, erschrocken sagte: Sieh, ich habe so viele Länder und Paläste auf dieser Welt, allein wenn ich diese Nacht sterbe, weiß ich nicht, welche Stube mir zuteil werden wird.
Bruder, wenn du glaubst, daß man sterben muß, daß es eine Ewigkeit gibt und daß man nur ein einziges Mal sterben wird, so daß, wenn man sich einmal verfehlt, man sich sodann für immer ohne Hoffnung der Rettung verfehlt: wie solltest du dich nicht entschließen, von diesem Augenblicke, da du dies liesest, angefangen, so viel als du kannst, dich eines guten Todes zu versichern? Es zitterte der heilige Andreas Avellinus und sagte: Wer weiß, was für ein Schicksal ich in dem andern Leben haben werde? Wer weiß, ob ich werde selig oder verdammt werden? Auch ein heiliger Ludovicus Bertrand zitterte so, daß er des Nachts nicht einschlafen konnte, ob dem Gedanken, den er immer aussprach: Und wer weiß, ob du nicht verdammt werden wirst! - Und du, der du so viel sündigtest, bebest nicht? Hilf sogleich, bei Zeiten, dem Übel ab; mache den Vorsatz, dich Gott wirklich zu widmen, und beginne wenigstens von dieser Zeit an ein Leben, welches dich im Tode nicht betrübt, sondern tröstet. Ergib dich dem Gebete, gebrauche oft die Sakramente, verlaß die gefährlichen Gelegenheiten, und wenn nötig, auch die Welt. Versichere dein ewiges Heil und wisse, daß man zur Versicherung des ewigen Heils nicht genug sicher gehen kann.
Anmutungen und Bitten
O mein teurer Heiland! wie sehr bin ich dir verbunden! Und wie konntest du einem Undankbaren, einem Verräter, wie ich gegen dich war, so viele Gnaden erweisen? Du gabst mir das Leben, und schon da du mich erschufest, sahst du die Unbill, welche ich dir antun würde. Du erlöstest mich, indem du für mich starbst, und sahst schon damals die Undankbarkeit, womit ich mich gegen dich benehmen würde. Als ich kaum auf die Welt gekommen war, kehrte ich dir den Rücken, und dadurch war ich tot, war ein faulender Leichnam, du aber hast mir durch deine Gnade das Leben wieder gegeben. Ich war verblendet und du hast mich erleuchtet. Ich hatte dich verloren und du ließest dich von mir finden. Ich war dein Feind und du hast mich zu deinem Freunde gemacht. O Gott der Barmherzigkeit! laß mich die Pflichten erkennen, die ich gegen dich habe, und laß mich jene dir zugefügten Beleidigungen bereuen. Ach! räche dich an mir, indem du mir großen Schmerz über meine Sünden gibst; aber bestrafe mich nicht durch Entziehung deiner Gnade und Liebe. O ewiger Vater! ich erschrecke und habe mehr Abscheu vor den dir zugefügten Unbilden, als vor jedem Übel. Erbarme dich um der Liebe Jesu Christi willen. Schaue deinen am Kreuze gestorbenen Sohn an. Sein Blut komme über mich. Es fließe dies göttliche Blut, um meine Sünden zu waschen. O König meines Herzens! „Zukomme dein Reich.“ Ich bin entschlossen, jede Neigung, die nicht auf dich gerichtet ist, zu verwerfen. Über alles liebe ich dich. Komme und herrsche du allein in meiner Seele; mache, daß ich dich liebe, und daß ich nichts anderes liebe, als dich. Ich verlange, dir so viel als möglich zu gefallen, und dich in meinem übrigen Leben vollkommen zu befriedigen. Segne, o mein Vater, dies Verlangen und gib mir die Gnade, mich mit dir immer vereint zu erhalten. Alle meine Neigungen weihe ich dir; sie sollen von nun an - ich will es - niemandem andern zugehören, als dir, meinem Schatze, meiner Ruhe, meiner Hoffnung, meinem Alles; und ich hoffe, alles von dir zu erlangen durch die Verdienste deines Sohnes. - Maria, meine Königin und Mutter! komme mir mit deiner Fürbitte zu Hilfe. Mutter Gottes, bitte für mich.
Gewißheit des Todes
„Dem Menschen ist bestimmt, einmal zu sterben.“ (Hebr 9,27)
1. Punkt
Das Todesurteil ist für alle Menschen geschrieben. Du bist ein Mensch, du mußt sterben. Unser übriges Wohl und Übel, sagte der heilige Augustin, ist ungewiß; nur der Tod ist gewiß. Es ist ungewiß, ob das Kind, welches geboren wird, arm oder reich werden, ob es gute oder schlechte Gesundheit haben werde; alles ist ungewiß: gewiß ist aber, daß es sterben wird. Jeder Vornehme, jeder Herrscher wird vom Tode hinweggenommen werden. Und wenn der Tod kommt, gibt es keine Stärke, die ihm widerstehen könnte; man widersteht zwar dem Feuer, dem Wasser, dem Eisen, man leistet der Macht der Fürsten Widerstand, doch dem Tode kann man sich nicht widersetzen. „Man widersteht den Flammen, den Wogen, dem Eisen, den Königen - es kommt der Tod und wer widersteht ihm?“ Also der heilige Augustinus über den Ps. 12. Vinzentius Beauvais erzählt: ein König von Frankreich habe bei seinem Lebensende gesagt: Siehe, ungeachtet aller meiner Macht, kann ich nicht erhalten, daß der Tod nur eine Stunde länger mir zuwarte. Wenn einmal das Lebensende gekommen ist, läßt es sich keinen Augenblick verschieben. „Du hast sein Ziel gesetzt, welches nicht überschritten werden darf.“ (Job 14,5) Lebe demnach, mein lieber Leser, alle Jahre, die du noch hoffest, in Erwartung, daß ein Tag kommen werde und an diesem Tage eine Stunde, welche für dich die letzte sein wird. Für mich, der ich jetzt schreibe, für dich, der du dieses Büchlein liesest, ist schon der Tag und der Augenblick bestimmt, wo ich nicht mehr schreiben werde, und wo du nicht mehr lesen wirst. „Welcher Mensch, der da lebt, wird den Tod nicht sehen?“ (Ps 88,49) Das Urteil ist schon erfolgt. Es gab nie einen so törichten Menschen, der sich geschmeichelt hätte, niemals sterben zu dürfen. Was unseren Voreltern begegnet ist, wird auch uns begegnen. Siehe, von so vielen - als im Anfange des vergangenen Jahrhunderts in unserm Vaterlande lebten - ist kein einziger mehr am Leben. Auch die Fürsten, die Beherrscher der Welt, kamen in ein anderes Land; von ihnen blieb nichts übrig, als ein prächtiges Grab von Marmor mit einer schönen Inschrift, welche uns heute zur Lehre dient, daß von den Großen der Welt nichts übrig bleibt, als eine Handvoll zwischen Steinen verborgenen Staubes. Der heilige Bernardus fragt: „Sage mir, wo sind die Liebhaber der Welt?“ und er antwortet: „Nichts blieb von ihnen, als Asche und Würmer.“ - Wir müssen daher nicht für jenes Glück Sorge tragen, das ein Ende nimmt, sondern für jenes, das ewig sein wird; denn ewig werden unsere Seelen sein. Was würde es euch nützen, glücklich zu sein (insofern es für eine Seele, die ohne Gott ist, eine Glückseligkeit geben kann), wenn ihr für die ganze Ewigkeit würdet unglücklich werden? Ihr habt dies Haus zu eurer vollen Zufriedenheit aufgebaut; bedenket aber, daß ihr es bald werdet verlassen, und in einer Grube werdet verwesen müssen. Ihr habt jene Würde erlangt, die euch über andere erhebt; allein es wird der Tod kommen, der euch dem geringsten Bauern der Welt gleich machen wird.
Anmutungen und Bitten
O ich armseliger Mensch, der ich so viele Jahre nur daran dachte, dich, o Gott meiner Seele, zu beleidigen! Siehe, diese Jahre sind schon vorüber, der Tod ist mir vielleicht nahe, und was finde ich anderes, als Pein und Gewissensbisse? O hätte ich dir, meinem Herrn, immer gedient! Wie töricht war ich! Ich lebte auf dieser Welt schon viele Jahre, und anstatt mir für das andere Leben Verdienste zu erwerben, habe ich mich mit Schulden vor deiner göttlichen Gerechtigkeit beladen. Mein lieber Erlöser, gib mir jetzt Licht und Kraft, die Schulden abzutragen. Der Tod ist vielleicht nicht fern von mir. Ich will mich auf diesen wichtigen, über mein ewiges Glück oder Unglück entscheidenden Augenblick vorbereiten. Ich danke dir, daß du mir bisher zugewartet hast. Und da du mir die Zeit lassest, das verübte Böse gut zu machen, so siehe auf mich, mein Gott, sage mir! was ich für dich tun soll. Willst du, daß ich die dir zugefügten Beleidigungen bereue ? Ich bereue sie und habe von ganzer Seele daran Mißfallen. Verlangst du, daß ich diese Tage und Jahre, die mir noch übrig sind, in Liebe zu dir zubringe? Ja, ich will es tun. O Gott! Auch vorher habe ich öfters beschlossen, dies zu tun; allein meine Versprechen werden zu Verrätereien! Nein, mein Jesu, ich will nicht mehr undankbar sein für so viele Gnaden, die du mir erwiesen hast! Wenn ich nicht einmal jetzt das Leben ändere, wie werde ich im Tode Verzeihung und den Himmel hoffen dürfen? Siehe, ich mache nun den festen Entschluß, mich in der Tat deinem Dienste zu widmen. Du aber gib mir Stärke, verlasse mich nicht. Du hast mich nicht verlassen, als ich dich beleidigte, daher hoffe ich desto mehr auf deine Hilfe, da ich mir jetzt vornehme, dir zu gefallen, alles zu verlassen. Genehmige also, daß ich dich, o unendliche Liebe würdiger Gott! liebe. Nimm auf den Verräter, der jetzt mit Reue deine Füße umfaßt, dich liebt und um Barmherzigkeit bittet. Ich liebe dich, o mein Jesu! ich liebe dich von ganzem Herzen, ich liebe dich mehr, als mich selbst. „Siehe, ich bin dein. „ Schalte mit mir und allem, was mein ist, nach deinem Belieben. Gib mir die Beharrlichkeit im Gehorsam gegen dich, gib mir deine Liebe und tue dann mit mir, was du willst. — Maria, meine Mutter, meine Hoffnung und Zuflucht, dir empfehle ich mich, dir übergebe ich meine Seele, bitte Jesum für mich!
4. Betrachtung
Gewißheit des Todes
2. Punkt
Es ist bestimmt, - es ist also gewiß, daß wir alle zum Tode verurteilt sind. „Alle werden wir geboren - sagt der heilige Cyprianus - mit dem Strange um den Hals, und so viele Schritte wir machen, umso näher kommen wir dem Tode.“ Mein Bruder, so wie du einst in das Taufbuch eingeschrieben wurdest, ebenso wirst du einst ins Totenbuch eingeschrieben werden. So wie du jetzt deine Voreltern nennest, mein Vater, mein Oheim, mein Bruder seligen Andenkens, so werden die Nachkömmlinge auch von dir reden. So wie du öfters für andere die Sterbeglocke läuten hörtest, so werden sie auch die anderen für dich ertönen hören. - Allein was würdest du sagen, wenn du einen zum Tode Verurteilten auf den Richtplatz gehen, ihn scherzen, lachen, ringsumher schauen, mit den Gedanken an Schauspiele, Bälle und Possen beschäftigt sehen würdest? Und du, gehst du nicht jetzt schon dem Tode zu, an was denkest denn du? Schaue also in diesen Gräbern diese deine Freunde und Verwandte an, denen schon Gerechtigkeit widerfahren ist. Welcher Schrecken befällt die zum Tode Verurteilten, wenn sie ihre Kameraden schon am Galgen hängen und tot sehen! Schaue also diese Leichname an, deren jeder zu dir sagt: „Mir gestern und dir heute.“ (Eccl 38,23) Ebendasselbe sagen auch die Abbildungen eurer verstorbenen Anverwandten, ihre Erinnerungsbücher, die von ihnen hinterlassenen Häuser, Betten und Kleider. Wenn man also weiß, daß man sterben muß, und daß uns nach dem Tode eine freudenreiche oder peinvolle Ewigkeit zuteil werde; wenn man bedenkt, daß es von jenem Augenblicke abhängt, ob man ewig glücklich oder ewig unglücklich werde - wie groß ist dann die Torheit, wenn man nicht daran denkt, Richtigkeit zu treffen, und alle Mittel zu ergreifen, eines guten Todes zu sterben? Wir bedauern jene, die plötzlich sterben und die man zum Tode nicht vorbereitet findet, und wir, warum sorgen denn wir nicht dafür, daß wir bereitet seien, indem uns Gleiches widerfahren kann? Doch früher oder später, erwartet oder unerwartet, wir mögen daran denken oder nicht, werden wir sterben müssen; und mit jeder Stunde, mit jedem Augenblicke rücken wir unserem Ende näher, unwissend, welche die letzte Krankheit sein werde, die uns aus der Welt verstoßen wird. Zu jedem Zeitalter werden die Häuser, Plätze und Städte mit neuen Menschen besetzt und die vorigen hat man bereits ins Grab verstoßen. So wie für diese die Lebenstage geendet haben, ebenso wird die Zeit kommen, wo weder ich, noch ihr, noch von allen, die wir da leben, auf dieser Erde jemand leben wird. „Es werden Tage gestaltet und niemand in ihnen.“ (Ps 138,16) Zu jener Zeit werden wir alle in der Ewigkeit sein, welche für uns entweder ein ewiger Tag der Wonne, oder eine ewige Nacht der Qualen sein wird. Da gibt es keinen Mittelweg; ja es ist gewiß und zuverlässig, daß uns das eine oder das andere Los treffen wird.
Anmutungen und Bitten
Mein geliebter Erlöser, ich würde es nicht wagen, vor Dir zu erscheinen, wenn ich dich nicht an jenem Kreuze hängend, zerfleischt, verhöhnt und für mich gestorben sähe. Groß war mein Undank, doch größer ist deine Barmherzigkeit. Groß waren meine Sünden, doch größer sind deine Verdienste. Deine Wunden, dein Blut, dein Tod sind meine Hoffnung. Ich verdiente die Hölle vom Augenblick meiner ersten Sünde an; darauf wiederholte ich so oft die Beleidigungen wider Dich, und du hast mich nicht nur beim Leben erhalten, sondern mich mit so großer Barmherzigkeit und mit so vieler Liebe gerufen, mir Verzeihung und Frieden angeboten. Wie soll ich jetzt fürchten, daß du mich von dir weisest, da ich dich nun liebe und nichts als deine Gnade verlange ? Ja, ich liebe dich mit meinem ganzen Herzen, o mein gütiger Herr! und wünsche nur, dich zu lieben. Ich liebe dich und bereue, dich verachtet zu haben, nicht 'so sehr der Hölle wegen, die ich verdiente, sondern vielmehr, weil ich dich, meinen Gott, der du mich so lieb hattest, beleidigte. Wohlan mein Jesu! öffne mir den Schoß deiner Güte! häufe Barmherzigkeit über Barmherzigkeit. Mache, daß ich dir nicht mehr undankbar werde und verändere mein Herz ganz und gar. Gib, daß mein Herz, das einst deine Liebe gar nicht achtete und sie gegen die elenden Freuden dieser Welt vertauschte, jetzt ganz dein sei, und in beständiger Liebesbrunst für dich entbrenne. Ich hoffe, für immer in den Himmel zu kommen, um dich zu lieben; dort werde ich zwar nicht unter den Unschuldigen Platz nehmen können, es wird mich treffen, unter den Büßern zu sein; jedoch unter diesen will ich dich mehr als die Unschuldigen lieben. Zur Ehre deiner Barmherzigkeit soll das Paradies einen Sünder, der dich so oft beleidigte, von großer Liebe entflammt sehen. Ich nehme mir von heute an vor, ganz dein zu sein und an nichts zu denken, als dich zu lieben. Stehe du mir mit deinem Lichte und mit deiner Gnade bei; sie gebe mir Stärke, diesen meinen Wunsch zu erfüllen, den du mir durch deine Güte selbst eingibst. — O Maria! die du die Mutter der Beharrlichkeit bist, erflehe mir, daß ich diesem meinen Versprechen treu bleibe.
4. Betrachtung
Gewißheit des Todes
3. Punkt
Der Tod ist gewiß. - Aber, o Gott! daß dies die Christen wissen, glauben, sehen, und doch so viele des Todes uneingedenk so dahin leben, als müßten sie nie sterben! Gäbe es nach diesem Leben weder eine Hölle, noch einen Himmel, könnten wohl wenigere an das Ende denken, als sie jetzt daran denken? Und deswegen ist das Leben, das sie führen, so schlecht beschaffen! Mein Bruder, willst du gut leben, so trachte in diesen Tagen, die dir übrig sind, stets den Tod vor Augen zu haben. „O Tod! wie gut ist dein Urteil.“ (Eccl. 41,3) O wie wohl erkennt derjenige die Dinge und leitet seine Handlungen, der sie mit dem Andenken an den Tod beurteilt und ordnet! Das Andenken an den Tod macht die Neigung zu allen Dingen dieser Erde verschwinden. - „Man betrachte das Ende des Lebens, und nichts wird es auf der Welt geben, was zu lieben wert wäre“, sagt der heilige Laurentinus Justinianus (de ligno vitae, Cap. 5) „Alles, was in der Welt ist, das ist Begierlichkeit des Fleisches, Begierlichkeit der Augen und Hoffart des Lebens.“ (1. Joh 2,16) Alle Güter der Welt sind auf sinnliche Freuden, auf Habseligkeiten und Ehren gerichtet; der aber verachtet sie bald, welcher bedenkt, er werde in Kürze zu Asche, unter die Erde gebracht und den Würmern zu Speise werden! In der Tat, den Tod vor ihren Augen, verachteten die Heiligen alle Güter dieser Welt. Darum hatte der heilige Carolus Borromäus auf seinem Schreibtische einen Totenkopf vor sich, damit er ihn beständig sehen konnte. Der Kardinal Baronius hatte auf seinem Ringe die Inschrift: „Gedenke an den Tod“. Der ehrwürdige Pater Juvenalis Ancina, Bischof von Saluzzo, hatte auf einem Totenkopfe die Worte: „Wie du bist, war auch ich, und wie ich bin, wirst auch du sein“. - Ein heiliger Einsiedler antwortete, als man ihn bei seinem Tode fragte, warum er so fröhlich sei: „Ich hatte oft den Tod vor Augen und deswegen sehe ich nun - da er gekommen ist, nichts Neues“. Welche Torheit wäre es für einen Reisenden, wenn er auf der Reise in dem Lande, wo er durchreist, sich groß zu machen dächte, und nicht fürchten würde, in dem Lande, wo er sein Lebtag zu verbleiben hat, elend sein zu müssen! Und ist jener nicht närrisch, der im Sinne hat, sich auf dieser Welt glücklich zu machen, wo er nur wenige Tage zu leben hat und Gefahr läuft, in der anderen, wo er in Ewigkeit bleiben muß, unglücklich zu werden? Was man von jemand andern geborgt hat, zu dem hat man wenig Neigung, indem man bedenkt, daß man es zurückgeben müsse. Die Güter dieser Erde haben wir alle auf Borg, und eine Torheit ist es, ihnen Zuneigung zu schenken, indem man sie bald verlassen muß. Der Tod wird uns von allen berauben: alle erworbenen Güter, alles Glück dieser Welt endet mit einer Öffnung des Mundes, mit einem Leichenbegängnisse, mit einem Begräbnis ! Das von dir erbaute Haus wirst du bald andern überlassen müssen; das Grab wird bis zum Tage des Gerichtes die Wohnung deines Körpers sein und von da aus wirst du dann entweder in den Himmel oder in die Hölle hinübergehen, wohin deine Seele wird vorangegangen sein.
Anmutungen und Bitten
Beim Tode wird also für mich alles ein Ende haben? Nichts anderes, o mein Gott! werde ich alsdann finden, als das Wenige, was ich dir zu Liebe getan habe. Und was zögere ich ? Warte ich, bis der Tod kommt und mich so armselig in einen Wust von Sünden versenkt finden wird, so wie ich jetzt bin? Müßte ich jetzt sterben, so würde ich wohl sehr unruhig und mit meinem zugebrachten Leben höchst unzufrieden sterben. Nein, mein Jesus! ich will nicht so unzufrieden sterben. Ich danke dir, daß du mir Zeit gibst, meine Sünden zu beweinen, und dich zu lieben. In diesem Augenblicke will ich anfangen. Es reuet mich über alles, dich, o höchstes Gut! beleidigt zu haben, und ich liebe dich mehr als alles, mehr als mein Leben. Ich gebe mich dir ganz hin, mein Jesu; von nun an umarme und drücke ich dich an mein Herz, und übergebe dir von jetzt an meine ganze Seele. „ In deine Hände empfehle ich meinen Geist. „ Ich will es nicht verschieben, sie dir erst dann zu geben, wenn ihr mit dem Worte: „ Fahre hin „ die Abreise von dieser Welt wird angekündet werden. Ich will es nicht auf jene Stunde hinausziehen, dich um Rettung zu bitten. Jesu, sei mir Jesus! Mein Heiland, rette mich jetzt, indem du mir verzeihest und mir die Gnade deiner heiligen Liebe gibst. Wer weiß, ob diese Betrachtung, die ich heute gelesen habe, nicht die letzte Stimme sei, womit du mir zurufest, und die letzte Barmherzigkeit, die du an mir übest? Strecke deine Hand aus, meine Liebe, und ziehe aus dem Kote meiner Lauheit mich heraus. Gib mir Eifer, mache, daß ich in allem, was du von mir verlangst, mit großer Liebe dir gehorche. Ewiger Vater! gib mir um der Liebe Jesu Christi willen die heilige Beharrlichkeit und die Gnade, dich zu lieben und dich in dem mir noch übrigen Leben recht sehr lieb zu haben. — O Maria, Mutter der Barmherzigkeit! erlange mir um der Liebe willen, die du zu deinem Sohne trägst, zwei Gnaden: die Beharrlichkeit und die Liebe.
Ungewißheit der Stunde des Todes
„Seid bereit; denn des Menschen Sohn
wird zu einer Stunde kommen, wo ihr es nicht meinet.“
(Lukas 12,40)
1. Punkt
Es ist gewiß, daß wir alle sterben müssen; die Zeit aber ist ungewiß. Nichts ist so gewiß, als der Tod - sagt Idiota - aber nichts so ungewiß, als die Stunde des Todes. Mein Bruder, schon ist das Jahr, der Monat, der Tag, die Stunde und der Augenblick bestimmt, an dem wir, ich und du, diese Welt verlassen, und in die Ewigkeit zu gehen haben: doch diese Zeit wissen wir nicht. Damit wir stets darauf bereit wären, sagt uns Jesus Christus bald: der Tod werde wie ein Dieb zur Nachtszeit und verborgen kommen; „Er wird gleich einem Diebe in der Nacht kommen“ (1 Thess 5, 2) - bald sagt er: wir sollen wachen; denn wenn wir's am wenigsten uns einbilden, werde er kommen, uns zu richten: „Zu einer Stunde, wo ihr's nicht meinet, wird des Menschen Sohn kommen“. Der heilige Gregorius sagt: Gott lasse uns zu unserem Besten die Todesstunde nicht wissen, damit wir auf den Tod stets vorbereitet gefunden würden. Denn da der Tod zu jeder Zeit und an jedem Orte uns das Leben nehmen kann, so müssen wir, sagt der heilige Bernardus, wenn wir gut sterben und selig werden wollen, immer auf ihn warten: „Der Tod wartet allenthalben auf dich und du sollst immer auf ihn warten“. Jedermann weiß, daß er sterben muß; doch wähnen leider viele den Tod so fern, daß sie ihn aus dem Gesichte verlieren. Auch Leute vom höchsten Alter, und die kränklichsten Personen schmeicheln sich noch immer, drei oder vier Jahre zu leben. Wie viele aber, entgegne ich, wissen wir, welche auch in unseren Tagen jähen Todes dahinstarben, sitzend, gehend oder in ihrem Bette schlafend? Gewiß ist es, daß keiner von jenen es glaubte, daß er so unversehens, und an jenem Tage sterben würde, an dem er starb. Von so vielen, sage ich ferners, als heuer in ihrem Bette gestorben, und ins andere Leben übergegangen sind, bildete es sich keiner ein, in diesem Jahre zu sterben, und seine Tage zu beschließen. Wenige Todesfälle gibt es, welche nicht unerwartet erfolgen.
Will dich, mein Christ, der böse Feind zur Sünde verleiten, indem er sagt: morgen werdest du sie beichten, so entgegne ihm: Und weiß ich wohl, ob nicht morgen der letzte Tag meines Lebens sei? Wenn diese Stunde, dieser Augenblick, wo ich Gott den Rücken kehren würde, die letzte für mich wäre, wie erginge es mir dann auf ewig? Wie vielen armen Sündern ist es widerfahren, daß sie während des Genusses irgend einer vergifteten Speise vom Tode ergriffen und in die Hölle gestürzt wurden! „Wie die Fische mit der Angel, also werden die Menschen zur Zeit des Unglücks damit verstrickt.“ (Eccl 9,12) Die Zeit des Unglückes ist eigentlich diejenige, wo der Sünder Gott wirklich beleidiget. Der böse Feind sagt: dies Unglück werde dir nicht zustoßen; du aber entgegne ihm: und stößt es mir zu, was wird dann mit mir in alle Ewigkeit geschehen?
Anmutungen und Bitten
Herr! der Ort, an dem ich gegenwärtig sein sollte, sollte wohl nicht dieser sein, wo ich mich jetzt befinde, sondern die Hölle, die ich durch meine so vielen Sünden mir verdient habe. „ Die Hölle ist mein Haus. „ Doch der heilige Petrus belehrt mich: „Er (der Herr) trägt Geduld um euretwillen, weil er nicht will, daß jemand verloren gehe, sondern, daß sich alle zur Buße begeben „. (2 Petr 3,9) Also hast du viel Geduld mit mir gehabt, und meiner geharret, weil du mich nicht verloren gehen, sondern zur Buße zurückkehren sehen willst. Ja, mein Gott! zu dir kehre ich zurück, ich werfe mich dir zu Füßen, und bitte dich um Verzeihung. Erbarme dich meiner, o Gott, nach deiner großen Barmherzigkeit! Herr, um mir zu vergeben, bedarfst du einer äußerst großen Barmherzigkeit, denn mit offenen Augen habe ich dich beleidigt. Auch andere Sünder beleidigten dich; doch sie hatten nicht das Licht, das du mir gabst. Dessenungeachtet befiehlst du auch mir, daß ich meine Sünden bereuen und von dir Verzeihung hoffen soll. Ja, mein Erlöser! von ganzem, Herzen schmerzt es mich, dich beleidiget zu haben, und ich hoffe durch die Verdienste deines Leidens die Vergebung. Du, mein Jesu, wolltest, obschon unschuldig - als ein des Todes Schuldiger für mich an einem Kreuze sterben und alles Blut vergießen, um meine Sünden abzuwaschen. O Blut des Unschuldigen, wasche die Schulden eines Büßenden! O, ewiger Vater, verzeihe mir um der Liebe Jesu Christi willen! Höre seine Bitten jetzt, da er, dich für mich bittend, meinen Fürsprecher macht! Allein die Verzeihung genügt nicht, o unendlicher Liebe würdiger Gott! ich verlange auch die Gnade, dich zu lieben. Ich liebe dich, o höchstes Gut! und opfere dir von heute an meinen Leib, meine Seele, meinen Willen, meine Freiheit auf. Ich will von heute an nicht nur die schweren, sondern auch die geringen Beleidigungen gegen dich vermeiden. Allen bösen Gelegenheiten will ich fliehen. „Führe uns nicht in Versuchung!“ Befreie mich um der Liebe Christi willen von jenen Gelegenheiten, wo ich dich beleidigen würde. „Sondern erlöse uns von dem Übel. „ Erlöse mich von der Sünde, und dann züchtige mich, wie du willst. Ich nehme alle Krankheiten, die Schmerzen und Verluste an, die du über mich verhängen wirst, wenn ich nur nicht deine Gnade und deine Liebe verliere. „Bittet, und ihr werdet erhalten.“ Du versprichst zu geben, so viel man von dir verlangen wird; ich bitte dich um diese zwei Gaben: um die heilige Beharrlichkeit, und um die Gnade, dich zu lieben. - O Maria, Mutter der Barmherzigkeit! bitte für mich; auf dich vertraue ich.
5. Betrachtung
Ungewißheit der Stunde des Todes
2. Punkt
Der Herr will uns nicht verloren sehen und unterläßt daher nicht, uns mit Androhen der Züchtigung zur Änderung des Lebens zu ermahnen: „Wenn ihr euch nicht bekehret, so wird er sein Schwert schwingen“. (Ps. 7,13) Schauet, sagt er in einer andern Stelle, wie viele - weil sie das schlechte Leben nicht aufgeben wollten - der Tod überfiel, während sie es am mindesten sich einbildeten und ruhig dahin lebten, sicher, daß sie noch viele Jahre zu leben hätten! „Indem sie nur von Frieden und Sicherheit reden werden, wird sie unversehens das Verderben überfallen.“ (1 Thess 5,3) Anderswo sagt er: „Wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr alle auf gleiche Weise zu Grunde gehen“. Wozu so viele Ankündigungen der Züchtigung, ehevor sie über uns verhängt werden, als nur deswegen, weil er will, daß wir uns bessern und so dem üblen Tode entgehen; Wer da sagt: Gib acht! ist nicht Willens, dich umzubringen; sagt der heilige Augustinus: „Jener will dich nicht töten, der dir zuruft: Sei auf der Hut.“ Es ist also notwendig, daß man die Rechnungen berichtige, ehe der Tag der Rechenschaft anbricht. Mein Christ, wenn du heute vor der Nacht sterben müßtest und es sich um dein ewiges Leben zu entscheiden hätte, was sagst du? Fändest du die Rechnungen in Richtigkeit? Oder wie viel würdest zu zahlen, um von Gott noch eine Frist von einem Jahre, von einem Monate oder wenigstens von einem Tage zu erhalten? Und warum bringst du nicht jetzt, da Gott diese Frist dir gibt, dein Gewissen in Ordnung? Kann etwa dieser Tag nicht der Letzte für dich sein? Verziehe nicht, dich zu dem Herrn zu bekehren, verschiebe es nicht von einem Tage zum andern; denn sein Zorn wird plötzlich kommen und zur Zeit der Rache dich zu Grund richten“. (Eccl 5,9) Um dich zu retten, mußt du, mein Bruder, die Sünden lassen. Wenn du sie also einmal verlassen mußt, warum verlassest du sie nicht jetzt? „Wenn es doch einmal sein muß, warum nicht bald?“ also der heilige Augustinus. Wartest du vielleicht, bis der Tod kommt? Allein, die Zeit des Todes ist für Hartnäckige nicht eine Zeit der Verzeihung, sondern der Rache. „Er wird dich zur Zeit der Rache zu Grunde richten.“ Schuldet dir jemand eine große Summe, so versicherst du dich alsogleich, indem du dir eine Schuldverschreibung geben lassest und sagst: Wer weiß, was geschehen kann? und warum brauchst du nicht gleiche Vorsicht für deine Seele, an welcher doch weit mehr gelegen ist, als an jeder Summe? Warum sagst du nicht eben dasselbe: wer weiß, was geschehen kann? Durch den Verlust jener Summe kämest du nicht um alles, und wenn schon durch deren Verlust dein ganzes Erbteil dahin ist, so bleibt dir doch die Hoffnung, es wieder zu erwerben. Verlierst du aber im Tode deine Seele, dann hast du wahrlich alles verloren und es wird für dich keine Hoffnung mehr sein, sie wieder zu erhalten. Du bist so fleißig in Aufzeichnung der Güter, die du besitzest, aus Furcht, sie möchten, falls dich ein unerwarteter Todesfall überraschen sollte, verloren gehen: und erfolgt dieser unversehene Todesfall an dir und befindest du dich in der Ungnade Gottes - wie wird es dann mit deiner Seele in alle Ewigkeit stehen?
Anmutungen und Bitten
Ach, mein Erlöser! du gabst für mich all dein Blut; dein Leben gabst du hin, um meine Seele zu retten und ich habe dieselbe so oft in der Hoffnung auf deine Barmherzigkeit verloren! Also machte ich so oft von deiner Barmherzigkeit Gebrauch, und wozu ? Um dich noch mehr zu beleidigen. Eben deswegen verdiente ich, daß du mich sogleich sterben und in die Hölle fallen ließest. Kurz, ich war mit dir im Wettstreit, du mit Übung der Barmherzigkeit gegen mich und ich mit Beleidigungen gegen dich; du suchtest mir nachzugehen, ich suchte dich zu fliehen: du wolltest mir Zeit zur Rettung geben, ich wollte mich derer bedienen, um Unbilden auf Unbilden zu häufen. Herr! laß mich das Unrecht erkennen, das ich dir zufügte und die Pflicht, die mir obliegt, dich zu lieben. Ach, mein Jesus! wie konnte ich dir denn so sehr gefallen, daß du mir nachgegangen bist, als ich dich hinwegstieß? Wie konntest du dem so viele Gnaden erweisen, der dir so viele Beleidigungen zufügte? Aus allen diesen ersehe ich, wie sehr du wünschest, mich nicht verloren zu sehen. Ich bereue es von ganzem Herzen, dich, o unendliche Güte! beleidiget zu haben. Ach, nimm dies undankbare Schäflein auf, das mit Reue zu deinen Füßen zurückkehrt, nimm es auf und halte es fest auf deinen Schultern, damit es dir nicht wieder entweiche. Nein, nicht ferner will ich dir entfliehen; lieben will ich dich, dein zu sein verlange ich und ich bin mit allen Leiden zufrieden, wenn ich nur sehe, daß ich dein bin. Und welch größeres Leiden könnte über mich kommen, als ohne deine Gnade und von dir getrennt zu leben, der du mich erschaffen hast und für mich gestorben bist? O verfluchte Sünden, was habt ihr getan! Ihr seid schuld, daß ich meinen Heiland beleidigte, der so sehr mich geliebt hat. Ach mein Jesu! gleichwie du für mich gestorben bist, ebenso soll auch ich für dich sterben: du aus Liebe, ich aus Schmerz dich verachtet zu haben. Ich nehme den Tod an, wie und wann es dir gefällt; allein bisher habe ich dich nicht geliebt oder ich liebte dich allzu wenig; so aber möchte ich nicht sterben. Ach, lasse mich noch einige Zeit leben, damit ich dich liebe, ehe ich sterbe; verändere mein Herz, verwunde es: entzünde es mit deiner Liebe, bewirke es durch jene Liebe, mit der du für mich gestoben bist. Ich liebe dich mit meiner ganzen Seele. Meine Seele lebt ganz für dich. Gib nicht zu, daß ich dich wieder verliere. - O heiligste Jungfrau Maria, meine Zuflucht und Mutter, sei meine Fürsprecherin!
5. Betrachtung
Ungewißheit der Stunde des Todes
3. Punkt
Seid bereit. - Der Herr sagt nicht, wir sollen dann erst uns vorbereiten, wenn der Tod schon vor der Tür ist: denn dann sollen wir schon bereitet sein. Wann der Tod kommt, dann wird es bei diesem Sturme und bei dieser Verwirrung fast unmöglich sein, ein verwirrtes Gewissen zurecht zu bringen. So spricht die Vernunft, so drohet Gott, der da sagt, daß er alsdann nicht kommen werde, zu verzeihen, sondern sich zu rächen wegen der Verachtung gegen seine Gnaden: Die Rache ist mein, ich will vergelten. (Röm 12, 19) Eine gerechte Bestrafung wird es, sagt der heilige Augustinus, für jenen sein: da er es konnte, wollte er sich nicht retten, so er dann, wenn er es wollen wird, nicht mehr im Stande sein. „Eine gerechte Strafe ist es, daß man jenem, der recht handeln konnte und nicht wollte, es nicht zuläßt zu vermögen, da er es will.“ (Lib. 3 de lib. arbitr.) Allein, es dürfte jemand sagen: Wer weiß es, vielleicht bekehre und rette ich mich alsdann? - Würdest du dich wohl in einen Brunnen stürzen und sagen: wer weiß es, es kann sein, daß ich, wenn ich mich hineinstürze, am Leben bleibe und nicht sterbe? O Gott, was soll das heißen? So wie die Sünde den Verstand verblendet, so bringt sie auch um die Vernunft. Geht es den Leib an, so sprechen die Leute wie Gelehrte; handelt es sich aber um die Seele, so reden sie wie Narren. Mein Bruder, wer weiß, ob nicht diese Wahrheit, die du ließest, die letzte Warnung ist, die Gott an dich ergehen läßt? Wohlan! wir wollen uns sogleich zum Tode vorbereiten, auf daß er uns nicht unversehens dahinraffe. Der Herr verbirgt uns den letzten Lebenstag, sagt der heilige Augustinus, damit wir an jedem Tage zu sterben bereit seien: „Der letzte Tag ist verborgen, damit man jeden Tag in acht nehme“. (Hom 3) Der heilige Paulus ermahnet uns, wir sollen stets darauf bedacht sein, uns zu retten, und uns nicht nur fürchten, sondern auch zittern: Wirket euer Heil mit Furcht und Zittern. (Phil 2,12) Es erzählt der heilige Antonius, ein König von Sizilien habe einen Untertan, um ihm die Furcht begreiflich zu machen, mit der er auf dem Throne säße, an seiner Tafel sitzen lassen, mit einem an einem Faden hängenden Schwerte über dessen Kopfe, so daß dieser, indem er so saß, kaum ein bißchen Speise nehmen konnte. Wir alle sind in gleicher Gefahr; denn alle Augenblicke kann das Todesschwert, von dem unser ewiges Heil abhängt, auf uns fallen. - Es handelt sich um eine Ewigkeit! Der Bäum mag gegen Mittag oder gegen Mitternacht fallen: wohin er fällt, da wird er bleiben. (Eccl. 11,3) Befinden wir uns im Augenblicke des Todes in der Gnade Gottes: o, wie fröhlich wird dann die Seele sein, wenn sie sagen kann: ich habe alles in Sicherheit; nun kann ich Gott nicht mehr verlieren, immer werde ich glücklich sein. Trifft aber der Tod die Seele im Stande der Sünde, o, wie verzweiflungsvoll ist dann ihre Sprache: „Also irrten wir! Also habe ich geirrt und für meinen Irrtum wird in alle Ewigkeit keine Abhilfe sein!“ - Dies befürchtend, sagte der ehrwürdige M. Avila, Spaniens Apostel, als man ihm den Tod ankündete: O hätte ich noch ein wenig Zeit, um mich zum Sterben zu bereiten! Ein Einsiedler, der nach einer vieljährigen Buße starb, ließ doch dem Abte Agathon sagen: Wie wird es mir ergehen? Wer weiß die Urteile Gottes? Der heilige Arsenius zitterte im Tode und, von seinen Schülern gefragt, warum er zittere, antwortete er: „Diese Furcht, meine Kinder, ist mir nicht neu: all meine Lebtage hatte ich sie“. Mehr als alle zitterte der heilige Job, indem er sagte: Was soll ich tun, wenn Gott zum Gerichte sich erhebt und wenn er Rechenschaft fordert, was soll ich ihm antworten?
Anmutungen und Bitten
Ach mein Gott! wo hatte ich jemals einen Freund, der mich mehr geliebt hätte als du? Und wen habe ich wohl mehr verachtet als dich ? O Blut, o Wunden Jesu! ihr seid meine Hoffnung. Ewiger Vater! Sieh nicht auf meine Sünden, schaue auf die Wundmale Jesu Christi, siehe deinen Sohn an, der aus Schmerz für mich stirbt, und dich um Verzeihung für mich bittet. Es reuet mich, o mein Schöpfer! dich beleidiget zu haben, es schmerzt mich über alles Übel. Du hast mich erschaffen, auf daß ich dich liebte; ich aber lebte, als hättest du mich erschaffen, um dich zu beleidigen. Um der Liebe Jesu Christi willen verzeihe, und gib mir die Gnade, dich zu lieben. Vorher widersetzte ich mich deinem Willen, jetzt will ich nicht mehr widerstehen: was du mir befiehlst, will ich tun. Du gebietest mir, die dir angetanen Beschimpfungen zu verfluchen: ich verfluche sie mit ganzem Herzen. Du heißest mich den Entschluß fassen, tausendmal lieber das Leben als deine Gnade zu verlieren; du gibst mir das Gebot, dich von ganzem Herzen zu lieben: ja ich liebe dich von meinem ganzen Herzen, und will nichts, als dich lieben: du sollst von heute an mein einziger Geliebte, meine einzige Liebe sein. Von dir verlange und hoffe ich die heilige Beharrlichkeit. Um der Liebe Jesu Christi willen mache, daß ich dir getreu sei, und daß ich mit dem heiligen Bonaventura stets sage: „Einer ist mein Geliebter, Einer meine Liebe!“ Nein, ich will, daß mein Leben nicht mehr dazu diene, dich zu beleidigen; ich will, daß es mir nur dazu diene, die dir zugefügten Beleidigungen zu beweinen und dich immer zu lieben. — Maria, meine Mutter, du bittest für alle, die sich dir anempfehlen, o bitte Jesum auch für mich!
Tod des Sünders
„Wenn die Bedrängnis über sie kommt,
werden sie den Frieden suchen und ihn nicht finden:
dann wird Schrecken über Schrecken kommen.“
(Ez 7,25)
1. Punkt
Jetzt schlagen die Sünder die Erinnerung und den Gedanken an den Tod sich aus dem Sinne und suchen so Frieden zu finden, obwohl sie ihn, solange sie in der Sünde leben, nicht finden. - Sind sie aber in Todesängsten und ganz nahe daran, in die Ewigkeit zu gehen, kommt Bedrängnis über sie: so werden sie auch den Frieden suchen und nicht finden, und alsdann können sie der Pein ihres bösen Gewissens nicht entgehen. Ruhe werden sie suchen; doch welche Ruhe kann eine Seele finden, welche sich mit Schulden belastet findet, die sie zernagen werden, wie ebensoviele Ottern! Welche Ruhe, wenn sie bedenken, daß sie über wenige Augenblicke vor Jesus Christus erscheinen müssen, dessen Gebote und Freundschaft sie bisher verachteten? Dann wird Schrecken über Schrecken kommen. Die schon erhaltene Ankündigung des Todes; der Gedanke, von allem in der Welt Abschied nehmen zu müssen; die Gewissensbisse; die verlorene Zeit; die Kürze der Zeit; die Strenge des göttlichen Gerichtes; die unglückliche auf den Sünder wartende Ewigkeit: dies alles wird einen fürchterlichen Sturm erregen, das Mißtrauen vermehren, und so wird der Sterbende verwirrt und hoffnungslos ins andere Leben schreiten. Abraham hoffte mit großem Verdienste gegen alle menschliche Hoffnung auf Gott, indem er dem göttlichen Versprechen glaubte: er hat wider alle Hoffnung gehofft und geglaubt. (Röm 4,18) Allein die Sünder hoffen zu ihrer großen Strafe und fälschlich zu ihrem Verderben nicht nur gegen die Hoffnung, sondern auch gegen den Glauben; denn sie verachten auch die Drohungen, welche Gott den Hartnäckigen macht. Sie haben Furcht vor dem Tode, doch fürchten sie sich nicht, ein schlechtes Leben zu führen. Wer aber gibt ihnen die Versicherung, daß sie nicht vom Blitze getroffen, durch Gift oder Blutsturz plötzlich dahin sterben? Und hätten sie auch Zeit zur Besserung, wer versichert sie, daß sie sich wahrhaft bekehren werden? Der heilige Augustinus hatte zwölf Jahre zu kämpfen, um seine bösen Gewohnheiten zu überwinden: wie wird nun ein Sterbender, welcher immer beschmutzten Gewissens war, in Mitte seiner Schmerzen, bei den Betäubungen des Kopfes und der Verwirrung des Todes so leicht sich wahrhaft bekehren? Ich sage „wahrhaft“; denn zu jener Zeit genügt es nicht, es nur zu sagen und zu versprechen, sondern man muß es sagen und versprechen mit dem Herzen. O Gott! von welchen Schrecken wird dazumal der arme Kranke, der um sein Gewissen sorglos war, ergriffen und verwirrt werden, wenn er sich von den Sünden und von Furcht vor dem Gerichte, der Hölle und Ewigkeit darnieder gedrückt sieht! In welche Verwirrung werden ihn diese Gedanken bringen, wenn er den Verstand verlieren, verfinsterten Sinnes von den Schmerzen des schon nahen Todes angefallen werden wird! Er wird beichten, er wird versprechen, er wird weinen, er wird zu Gott um Barmherzigkeit flehen, ohne sich recht bewußt zu sein. Und während dieses Sturmes von Verwirrung, von Gewissensbissen, Angst und Schrecken wird er in das ewige Leben übergehen: Es wird ein Aufruhr unter den Völkern entstehen, und sie werden durchdringen. (Job 34,20) Mit Recht sagt ein Schriftsteller: Das Weinen und Versprechen des sterbenden Sünders ist geradeso, wie das Weinen und Versprechen eines solchen, der sich von seinem Feinde angegriffen sieht, welcher ihm den Dolch an die Brust setzt, um ihn ums Leben zu bringen.
Anmutungen und Bitten
O Wunden Jesu, ihr seid meine Hoffnung! Ich würde an der Verzeihung meiner Sünden und an meinem ewigen Heile verzweifeln, wenn ich nicht auf euch schauen würde, ihr Quellen der Barmherzigkeit und Gnade, welche Gott dazu vermochten, all sein Blut zu vergießen, um meine Seele von so vielen gemachten Schulden zu waschen. Ich liebe euch demnach, o heilige Wunden! und vertraue auf euch. Ich verfluche tausendmal und vermaledeie jene unerlaubten Vergnügen, wegen welcher ich meinen Erlöser beleidiget und auf elende Weise seine Freundschaft verloren habe. Indem ich also auf dich hinsehe, will ich all meine Hoffnung und meine Zuneigung dir zuwenden. Ach mein Erlöser! gib nicht zu, daß ich ferners dich beleidige und verdammt werde! O Gott! welche Qual wäre in der Hölle für mich der Anblick deines Blutes, deiner so großen Barmherzigkeit, die du gegen mich übtest! Ich liebe dich und verlange dich immerdar zu lieben. Gib mir die heilige Beharrlichkeit. Reiß mein Herz los von jeder Liebe, die nicht zu dir gerichtet ist, und begründe in mir ein aufrichtiges Verlangen und einen wahren Entschluß, von nun an nur dich, mein höchstes Gut zu lieben. - O Maria, meine Mutter, ziehe mich zu Gott und mache, daß ich, ehevor ich sterbe, ganz sein Eigentum werde.
6. Betrachtung
Tod des Sünders
2. Punkt
Nicht bloß eine, sondern mehrere und viele Ängsten wird der sterbende Sünder haben. Einerseits werden ihn die bösen Geister quälen. Beim Tode bieten diese fürchterlichen Feinde alle Gewalt auf, um die Seele zu Grunde zu richten, da sie im Begriffe steht, aus diesem Leben zu scheiden. - Sie wissen es, daß ihnen wenig Zeit übrig bleibt, um sie zu gewinnen, und daß sie, wenn sie selbe jetzt verlieren, sie für immer verlieren. Der Teufel kommt zu euch mit einem großen Zorne herauf, weil er weiß, daß er wenig Zeit hat. (Offb 12,12) Und nicht bloß ein einziger Teufel wird er sein, der dann versuchen wird, sondern unzählige, die den Sterbenden umgeben werden, damit er zu Grunde gehe. Ihre Häuser werden voll Drachen sein. (Jes 13,21) Der eine wird zu ihm sagen: Fürchte dich nicht, du wirst gesund werden. Der andere wird sagen: Wie, du warst so viele Jahre hindurch taub gegen die Stimme Gottes, und jetzt soll er deiner sich erbarmen? Ein dritter wird sagen: Wie kannst du jetzt machen, daß jener Schaden, den du andern zufügtest, der gute Namen, um den du manchen brachtest, wieder gutgemacht werde?
Andererseits wird man den Sterbenden von seinen Sünden umgeben sehen. „Der ungerechte Mann wird vom Unheil zu seinem Untergange überfallen werden. (Ps 139,12) Seine Sünden werden ihn, sagt der heilige Bernardus, wie ebensoviele Häscher ergreifen, festhalten und zu ihm sagen: Wir sind deine Werke, wir werden dich nicht verlassen. Wir sind dein Anteil, wir wollen dich nicht verlassen, wir werden dich ins andere Leben geleiten und uns mit dir dem ewigen Richter vorstellen. Der Sterbende wird sich zwar von diesen Feinden losmachen wollen; um sich aber davon loszumachen, wäre vonnöten, sie zu hassen, und sich vom Herzen zu Gott zu bekehren; allein der Verstand ist verfinstert, das Herz verhärtet: (Eccl 3,27) Das Herz, sagt der heilige Bernardus, welches zu Lebzeiten hartnäckig war, wird sich anstrengen, um aus dem Stande der Verwirrung zu kommen; allein es wird nicht davon loswerden, und von seiner Bosheit unterdrückt wird es im nämlichen Zustande das Leben beschließen. Weil der Sünder bisher die Sünde liebte, liebte er zugleich die Gefahr seiner Verdammung; billigerweise also wird es der Herr zugeben, daß er in jener Gefahr umkomme, in der er bis zum Tode leben wollte. Der heilige Augustinus sagt: wen die Sünde verläßt, ehe er sie verläßt, der wird sie schwerlich verabscheuen, wie sich's gebührt; denn damals wird das, was er tun wird, gezwungen geschehen. „Wer von der Sünde verlassen wird, bevor er sie verläßt, verachtet sie nicht freiwillig, sondern nur notgedrungen.“
Elend ist also der Sünder, welcher hartnäckig ist und dem göttlichen Zurufen widersteht. Sein Herz wird wie ein Stein hart werden und so fest wie der Amboss eines Schmiedes sein. (Job 41, 15) Er, der Undankbare - wird, anstatt sich auf die Stimme Gottes hin zu ergeben und zu erweichen, desto verhärteter, so wie der Amboss durch die Schläge des Hammers härter wird. Zur Strafe dafür wird er auch im Tode so sein, wenn er schon im Begriffe steht, in die Ewigkeit überzugehen. Ein hartes Herz wird er am letzten Tage haben. Die Sünder, sagt der Herr, haben aus Liebe zu den Geschöpfen mir den Rücken zugekehrt; sie haben mir den Rücken und nicht das Angesicht zugekehrt und sie werden zur Zeit ihrer Trübseligkeit sagen: Stehe auf und rette uns. - Wo sind deine Götter, die du dir gemacht hast? Lasse sie aufstehen und dich retten. (Jer 2,27) Die Elenden werden sich im Tode zu Gott wenden und Gott wird zu ihnen sagen: Kommt ihr jetzt zu mir? Rufet die Geschöpfe nun zu Hilfe, denn diese waren eure Götter. Also wird der Herr sprechen, denn sie werden bei ihm Zuflucht nehmen, aber ohne rechten Ernst sich zu bekehren. Der heilige Hieronymus sagt, er halte es fast für gewiß und er habe es aus Erfahrung gelernt, daß nie einer ein gutes Ende haben wird, der bis zum Ende ein schlechtes Leben führte: „Das halte ich dafür, das lernte ich durch vielfältige Erfahrung, daß jener kein gutes Ende hat, der einen schlechten Lebenswandel führte“. (In ep. Eus. ad Dam.)
Anmutungen und Bitten
Mein geliebter Heiland! hilf mir, verlasse mich nicht. Ich sehe meine Seele von Sünden ganz verwundet; die Leidenschaften, die bösen Gewohnheiten drücken mich zu Boden; ich werfe mich dir zu Füßen, habe Erbarmen mit mir. Auf dich, o Herr! habe ich gehofft, ich werde ewig nicht zu Schanden werden. Lasse meine Seele nicht zu Grunde gehen, die auf dich vertraut. „ Übergib nicht die auf dich vertrauende Seele den Bestien!“ Es reuet mich, dich beleidigt zu haben. Ich habe böse gehandelt. Ich bekenne es; ich will mich bessern, mag es kosten, was es wolle; wenn du aber mit deiner Gnade mir nicht zu Hilfe kommst, bin ich verloren. Nimm auf, o Jesu! diesen Anführer, der dich so beschimpft hat. Bedenke, daß ich dir Blut und Leben kostete. Nimm mich also um der Verdienste deines Leidens und Sterbens willen in deine Arme auf und gib mir die heilige Beharrlichkeit. Ich war verloren, du hast mich gerufen, siehe, ich will nicht mehr widerstehen; dir weihe ich mich; binde mich mit den Banden deiner Liebe und laß nicht zu, daß ich dich neuerdings durch Verlust deiner Gnade verliere. Mein Jesu! gib es nicht zu. - Maria, meine Königin! gestatte dies nicht; erlange mir den Tod und lieber tausend Tode, als daß ich die Gnade deines Sohnes wieder verlieren sollte.
6. Betrachtung
Tod des Sünders
3. Punkt
O wichtige Sache! Gott bedroht die Sünder so oft mit einem bösen Tode. Alsdann werden sie mich anrufen; ich werde sie aber nicht erhören. (Spr 1,19) Wird Gott sein Geschrei erhören, wenn Angst über ihn kommt? (Job 27,6) Ich will zu eurem Untergange lachen und eurer spotten. (Das Lachen Gottes heißt so viel, als sich nicht erbarmen wollen. S. Greg.) Mein ist die Rache und ich will vergelten zu seiner Zeit, auf daß ihr Fuß wanke. (Dtn 32,35)
Und in so vielen anderen Stellen droht er ihnen - und die Sünder leben so ruhig und sicher dahin, als hätte ihnen Gott für die Sterbezeit die Verzeihung und den Himmel ganz gewiß versprochen! Es ist wahr, in was immer für einer Stunde der Sünder sich bekehrt, hat ihm Gott Vergebung verheißen; allein er sagte nicht, daß sich der Sünder im Tode bekehren würde, er beteuerte vielmehr öfters, wer in der Sünde lebt, werde in der Sünde sterben. - Ihr werdet in eurer Sünde sterben. (Joh 8,21) Sterben werdet ihr in euren Sünden. (Joh 8,24) Er sagte, wer ihn erst im Tode suchen wird, werde ihn nicht finden. Ihr werdet mich suchen und nicht finden. (Joh. 7, 34) Daher muß man Gott aufsuchen, wenn man ihn auffinden kann: Suchet den Herrn, da man ihn finden kann. (Jes 55,6) Jawohl; denn es wird eine Zeit geben, wo man ihn nicht wird finden können. Arme Sünder! arme Blinde! die ihr es auf die Sterbestunde verschiebet, euch zu bekehren, wo nicht mehr Zeit sein wird zur Bekehrung! Oleaster sagt: Nie lernten die Gottlosen Gutes tun, außer wenn es nicht mehr Zeit ist, Gutes zu tun. Alle will Gott retten; doch die Hartnäckigen straft er!
Wenn irgend ein Elender, der in der Sünde sich befindet, vom Schlagflusse getroffen, der Sinne beraubt würde, welches Mitleiden würde er in allen rege machen, da sie ihn ohne Sakramente und ohne Zeichen von Reue sterben sehen! Und wie froh wäre dann jeder, wenn jener wieder zu sich kommen, um die Lossprechung bitten und Akte der Reue machen würde! Ist der aber nicht töricht, welcher, obwohl er Zeit hat es zu tun, immer im Stande der Sünde verbleibt! Oder wird wohl der, welcher im Sündigen fortfährt ungeachtet der Todesgefahr, im Tode sich wirklich ändern? Ist es nicht furchtbar, jemand jählings sterben zu sehen? und begeben sich nicht dennoch so viele freiwillig in die Gefahr eines solchen Todes, eines Todes in der Sünde!
Ein Gewicht und eine Waage sind des Herrn Gerichte. (Spr 16,11) Wir berechnen nicht die Gnaden, die der Herr uns erweist; der Herr aber führt Rechnung darüber und wiegt sie, und wenn er sie bis auf eine gewisse Zeit gering geschätzt sieht, so überläßt er den Sünder seinen Sünden und läßt ihn so sterben. O wie armselig ist jener, der die Buße bis auf den Tod verschiebt! „Die Buße, die von einem Kranken verlangt wird, ist krank!“ sagt der heilige Augustinus. (Sermo 57, de temp.) Der heilige Hieronymus sagt:
„Von hunderttausend Sündern, die bis zum Tode in der Sünde verbleiben, wird kaum Einer selig werden; von Hunderttausenden, deren Leben schlecht war, verdient kaum ein einziger von Gott die Verzeihung“. (S Hieronymus in Ep. Eus. de morte ejus.)
Der heilige Vincentius Ferrerius sagt (Sermo 1, de Nat. Virg.): „Ein größeres Wunder ist es, wenn solche, die einen schlechten Lebenswandel führen, gut sterben, als wenn man Tote erwecken würde. Welchen Schmerz, welche Reue wird jener im Tode über die Sünde empfinden, der bis dahin die Sünde geliebt hat?“ Bellarmin erzählt, daß er einst zu einem Sterbenden kam, um ihm beizustehen, und da er ihn zu einem Akte der Reue ermahnte, so habe ihm jener geantwortet, er wüßte nicht einmal, was Reue wäre. Bellarmin suchte es ihm zu erklären; allein der Kranke sagte: „Pater, ich verstehe Sie nicht, solche Sachen begreife ich nicht“. Und so starb er mit offenbaren Zeichen seiner Verdammung, wie Bellarmin schriftlich hinterließ. „Ganz billig wird der Sünder damit bestraft - sagt der heilige Augustinus - daß er sterbend sich selbst vergesse, da er lebend auf Gott vergessen hat.“ (Sermo 10, de sanct.) Irret nicht, Gott läßt seiner nicht spotten. Denn was der Mensch säen wird, das wird er auch ernten; wer im Fleische säet, der wird von dem Fleische das Verderben ernten, ermahnt uns daher der Apostel. (Gal 6,7) Das hieße Gott verspotten: In Verachtung seiner Gebote leben und dann Lohn und ewige Herrlichkeit von ihm ernten wollen. Gott läßt seiner nicht spotten! Was man in diesem Leben säet, erntet man im andern. Wer verbotene Fleischeslust säet, den trifft nichts anderes, als Verderben, Elend und ewiger Tod.
Mein Christ, was man für andere sagt, sagt man auch für dich. Sage mir, wenn du nun auf dem Punkte wärest, wo die Ärzte alle Hoffnung für dich bereits schon aufgegeben hätten; wenn du der Sinne beraubt und schon in der Todesangst wärest: wie sehr würdest du dann Gott bitten, er möchte dir noch einen Monat, noch eine Woche Zeit lassen, um dein Gewissen in Ordnung zu bringen! Und Gott gibt dir jetzt diese Frist; danke ihm und mache sogleich das begangene Böse gut, ergreife alle Mittel, um dann im Stande der Gnade zu sein, wann der Tod kommt; denn alsdann wird keine Zeit zur Abhilfe mehr sein.
Anmutungen und Bitten
Ach mein Gott! wer hätte wohl so viel Geduld mit mir gehabt, als du gehabt hast? Wäre deine Güte nicht unendlich, so würde ich an der Verzeihung verzweifeln. Doch ich habe es mit einem Gott zu tun, der darum gestorben ist, um mir zu verzeihen und mich selig zu machen. Du befiehlst mir, daß ich hoffe, und ich will hoffen. Wenn mich meine Sünden schrecken und verdammen, so geben mir deine Verdienste und deine Verheißungen neuen Mut. Du sichertest dem, der zu dir wiederkehrt, das Leben deiner Gnade zu: Bekehret euch und lebet. (Ez 18,52) Du versprachst den zu umarmen, der zu dir sich wendet. Bekehret euch zu mir, so will ich mich zu euch kehren. (Zach 1,7) Du sagtest, du könntest den nicht verschmähen, der sich verdemütigt und reuig ist. Gott! du wirst ein zerknirschtes und gedemütigtes Herz nicht verachten. (Ps 50)
Siehe mich, o Herr! ich kehre zu dir zurück, zu dir wende ich mich; ich bekenne, tausendmal die Hölle zu verdienen und bereue es, dich beleidigt zu haben. Ich verspreche dir, dich nicht mehr beleidigen und dich immer lieben zu wollen. Ach, laß mich für so viele Güte nicht mehr undankbar sein! Ewiger Vater! um der Verdienste Jesu Christi willen, der da starb, um dir zu gehorchen, mache, daß ich bis zum Tode deinem Willen gehorsam sei. Ich liebe dich, o höchstes Gut! und aus Liebe, die ich zu dir fasse, will ich in allem dir Gehorsam leisten. Gib mir die heilige Beharrlichkeit; schenke mir deine Liebe, und nichts anderes verlange ich mehr. - Maria, meine Mutter, bitte für mich!
Gefühle eines Sterbenden, der sorglos und wenig auf den Tod bedacht war.
„Bestelle dein Haus,
denn du wirst sterben, und nicht leben.“
(Isaias 38,1)
1. Punkt
Stelle dir vor, du wärest bei einem Kranken, der wenige Stunden mehr lebt. O armer Kranker! Schaue, wie er von Schmerzen, Ohnmächten, Beklemmungen der Brust, Atemlosigkeit, von kaltem Schweiße beschwert, und außer Sinnen ist, daß er wenig fühlen, empfinden, hören und reden kann. Doch die größte von seinen Armseligkeiten ist, daß er, obgleich dem Tode schon nahe, anstatt auf die Seele und auf die Vorbereitung zur Rechenschaft für die Ewigkeit zu denken, nur auf Ärzte und auf Mittel zur Wiedergenesung oder auf Befreiung der ihn tötenden Schmerzen bedacht ist. „Nichts genügt ihm, als auf sich zu denken,“ sagt der heilige Laurentius Justinianus in der Rede über Sterbende dieser Art. Wenigstens sollten ihn die Verwandten, die Freunde von der gefährlichen Lage in Kenntnis setzen, in der er sich befindet: doch nein, unter allen seinen Anverwandten und Freunden hat kein einziger den Mut, ihm den Tod anzukünden, und an den Empfang der heiligen Sakramente ihn zu erinnern; jeder weigert sich, es ihm zu sagen, um ihm nur keinen Verdruß zu machen. - O mein Gott! schon von jetzt an danke ich dir, daß du mir im Tode von meinen lieben Kongregations-Mitbrüdern wirst Beistand leisten lassen, denen dazumal an nichts anderem, als an meinem ewigen Heile gelegen sein wird, und die mir alle zu einem guten Tode verhelfen werden. Indessen, wenn ihm auch der Tod nicht angekündet wird, so sieht der Kranke doch seine Familie in Unruhe, er sieht, wie die Ärzte in ihrer Versammlung sich widerlegen, wie die Arzneimittel vermehrt, wie oft solche, und was für starke angewendet werden.
Der arme Kranke kommt in Verwirrung und Schrecken, bei den Anfällen der Furcht, der Gewissensbisse und des Mißtrauens, und sagt bei sich selbst: Ach! wer weiß, ob nicht schon das Ende meiner Tage angerückt ist? Was wird nun der Kranke dann erst für ein Gefühl haben, wenn er die Todesnachricht empfängt: Bestelle dein Haus, denn du wirst sterben und nicht leben! Welchen Kummer wird er haben, wenn er sagen hört: Herr, ihre Krankheit ist tödlich, sie müssen die heiligen Sakramente empfangen, mit Gott eins werden, und von der Welt Abschied nehmen. Von der Welt Abschied nehmen? Von diesem Hause, von diesem Landgute, von diesen Verwandten, Freunden, Gesellschaften, Spielen, Belustigungen? Ja, von allem! Schon ist der Notar gekommen und schreibt die Verlassenschaftsakte: Ich hinterlasse ..., ich hinterlasse ... Und was trägt man mit sich? Nichts anderes als einen elenden Lumpen, der in kurzem im Grabe mit vermodern wird.
O welche Schwermut und Verwirrung werden dem Sterbenden die Tränen der Hausleute und das Stillschweigen der Freunde verursachen, die in seiner Gegenwart schweigen und sich nicht zu sprechen getrauen! Noch größere Pein aber werden ihm seine Gewissensbisse machen, die er in diesem Sturme fühlen wird, wegen des bisher geführten ausschweifenden Lebenswandels, nachdem er so viele göttliche Stimmen und Ermahnungen, so viele Räte von den geistlichen Vätern erhalten, und so viele Vorsätze gemacht, aber entweder nie ausgeführt oder nachher wieder außer Acht gelassen hatte. O ich armer Mensch! wird er sodann sagen: ich erhielt von Gott so viel Kenntnis, so viel Zeit, mein Gewissen zu ordnen und tat es nicht, und siehe, jetzt bin ich schon daran zu sterben! Was hätte es mir wohl gekostet, jene Gelegenheit zu fliehen, von jener Freundschaft mich zu trennen, oft zu beichten? Und hätte es auch sehr viel gekostet, so hätte ich dennoch alles tun sollen, um meine Seele, an der alles gelegen war, zu retten. O hätte ich diesen dazumal gefaßten guten Entschluß ausgeführt! hätte ich das damals Begonnene fortgesetzt! wie zufrieden würde ich jetzt darüber sein! Allein ich tat es nicht und jetzt ist nicht mehr Zeit dazu. - Die Gefühle der Sterbenden, die bei Lebzeiten das Gewissen vernachlässigten, sind jenen der Verdammten ähnlich, die in der Hölle ihre Sünden, als Ursache ihrer Qual, aber ohne Nutzen und ohne Hoffnung bereuen.
Anmutungen und Bitten
Herr, welche Gefühle des Schmerzes würde ich haben, wenn mir in diesem Augenblicke die Nachricht von meinem ganz nahen Tode gebracht würde ? Ich danke dir, daß du mir dies Licht und diese Zeit gibst, in mich zu gehen. Nein, mein Gott! ich will dir nicht mehr entfliehen. Genug, daß du mir nachgegangen bist. Billigerweise soll ich jetzt fürchten, daß du mich verlassest, wenn ich widerstehe und mich dir nicht ergebe. Du gabst mir ein Herz, damit ich dich liebe, und ich machte so schlechten Gebrauch davon! Ich liebte die Geschöpfe und nicht dich, meinen Schöpfer und Erlöser, der du das Leben für mich hingabst! Anstatt dich zu lieben, habe ich dich so oft beleidigt, verachtet, dir den Rücken gekehrt! Ich wußte schon, daß ich dir durch jene Sünde eine große Beleidigung zufügen würde, und dennoch beging ich sie! Mein Jesus, ich bereue es; mir ist es von ganzem Herzen leid, ich will das Leben ändern. Ich verzichte auf alle Freuden der Welt, um dich zu lieben, um dir, o Gott meiner Seele, Freude zu machen. Du gabst mir große Beweise deiner Liebe; auch ich möchte dir, ehe ich sterbe, ein Zeichen meiner Liebe geben. Von nun an nehme ich alle Krankheiten, Kreuze, Verachtungen und Beleidigungen an, die mir die Menschen antun werden; gib mir Stärke, sie friedsam zu ertragen, ich will alle um deiner Liebe willen erdulden. Ich liebe dich, unendliche Güte, ich liebe dich über alle Güter. Gib mir mehr Liebe und Beharrlichkeit. - Maria, meine Hoffnung, bitte Jesum für mich!
7. Betrachtung
Gefühle eines Sterbenden, der sorglos und wenig auf den Tod bedacht war.
2. Punkt
O, wie klar lassen sich im Tode die Glaubenswahrheiten erkennen! Doch nur zur größeren Pein für jenen Sterbenden, der schlecht gelebt hat, besonders wenn es eine Gott geweihte Person war, welche mehr Gelegenheit, Zeit, Beispiel, Einsprechungen gehabt hatte, ihm zu dienen. O Gott, welchen Schmerz wird eine solche Person haben, wenn sie zu sich sagen muß: Ich ermahnte andere und dann betrug ich mich schlechter, als sie! Ich habe die Welt verlassen und lebte dann dem Vergnügen, den Eitelkeiten und Liebeleien der Welt zugetan. Welche Gewissensbisse wird ihr der Gedanke machen, daß mit den Erleuchtungen, die sie von Gott erhalten hat, sogar ein Heide heilig geworden wäre! Wie bitter wird die Erinnerung sein, an anderen die Übungen der Frömmigkeit als Geistesschwachheiten verachtet und gewisse weltliche Grundsätze von eigener Hochschätzung oder von Eigenliebe gelobt zu haben, z. B. zu nichts Beschwerlichem sich zu bequemen und jede Belustigung, die sich nur darbietet, sich zu erlauben! Der Wunsch der Sünder wird zu nichte werden. (Ps 111,10) Wie sehr wäre im Tode die Zeit erwünscht, die man jetzt vergeudet! Der heilige Gregorius erzählt in seinen Zwiegesprächen: Es gab einen gewissen Chrysantius, der ein reicher Mann, allein von schlechten Sitten war, und da er dem Tode ganz nahe war, schrie er den Teufeln, welche ihm sichtbar erschienen, um ihn zu ergreifen, so zu: „Lasset mir Zeit, lasset mir nur bis morgen Zeit“. Und sie antworteten ihm: „O, du Tor, jetzt verlangst du Zeit? Du hattest so viele, und verwendetest sie zum Sinnlichen und jetzt verlangst du Zeit? Jetzt ist keine Zeit mehr.“ Der Elende schrie immerfort und bat um Hilfe. Es befand sich alldort einer von seinen Söhnen als Mönch, mit Namen Maximus, der Sterbende sagte zum Sohne: „Mein Sohn, hilf mir, mein Maximus! hilf mir!“ und indessen warf er sich mit einem wie Feuer glühenden Gesichte wütend von einer Seite des Bettes auf die andere, und während er sich so hin- und herwarf und wie ein Verzweifelter schrie, gab er unglücklich seinen Geist auf.
Leider lieben diese Toren im Leben ihre Torheit, im Tode aber gehen ihnen dann die Augen auf, und da bekennen sie, töricht gewesen zu sein! Dann nützt es ihnen zu nichts mehr, als zur Vergrößerung des Mißtrauens, dem verübten Bösen abhelfen zu können, und indem sie so sterben, hinterlassen sie eine große Ungewißheit über ihr heilige Auch du, mein Bruder, der du diesen Punkt liesest, sagst, wie ich mir denke: „So ist es.“ Wenn es aber dem also ist, so wäre deine Torheit und dein Unglück noch weit größer, wenn du - indem du diese Wahrheiten schon im Leben erkennest - nicht bei Zeiten abhelfen würdest. Eben das, was du gelesen hast, wäre für dich im Tode ein Schwert des Schmerzes. Auf also, da du noch Zeit hast, einem so fürchterlichen Tode zu entgehen, hilf schnell ab; verschiebe es nicht auf jene Augenblicke, wo nicht mehr Zeit sein wird zu helfen. Verschiebe es nicht auf den nächsten Monat, auf die nächste Woche. Wer weiß, ob diese Erkenntnis, die Gott aus Barmherzigkeit dir leuchten läßt, nicht das letzte Licht, der letzte Ruf für dich ist? O, wie töricht ist es, an den Tod nicht denken wollen, da er doch gewiß ist, und da von ihm die Ewigkeit abhängt; allein eine noch größere Torheit ist es, daran zu denken und auf den Tod sich nicht vorzubereiten. Mache jetzt jene Betrachtungen und Vorsätze, die du alsdann machen würdest; jetzt zwar noch mit Nutzen, dann aber mit großer Ungewißheit deines Heiles. Als sich ein Edelmann am Hofe Karl V beurlaubte, um Gott allein zu dienen, fragte ihn der Kaiser, warum er den Hof verlasse: „Es ist vonnöten, antwortete er, daß zwischen dem ausschweifenden Leben und zwischen dem Tode ein Zeitraum von Buße sei.“
Anmutungen und Bitten
Nein, mein Gott, ich will deine Barmherzigkeit nicht mehr mißbrauchen. Ich danke dir für das Licht, das du mir jetzt gibst, und verspreche dir, mein Leben zu ändern. Ich sehe schon ein, daß du mich, so wie ich bin, nicht mehr dulden kannst. Und sollte ich warten, bis du mich in die Hölle wirfst, oder mich einem ausgelassenen Leben überlassest, welches für mich eine weit größere Strafe wäre, als selbst der Tod? Siehe, ich werfe mich dir zu Füßen, nimm mich zu Gnaden auf. Ich verdiene es nicht; doch du sagtest: Wann immer der Gottlose sich von seiner Gottlosigkeit bekehren will, soll ihm die Ungerechtigkeit nicht schaden. (Ez 33,12) Wenn ich also bisher dich, mein Jesu, als die unendliche Güte beleidigte, so bereue ich es jetzt mit ganzem Herzen und hoffe von dir Verzeihung. Ich will mit dem heiligen Anselmus sagen: Ach gib nicht zu, daß meine Seele ihrer Sünden wegen zu Grunde gehe, denn du hast sie ja mit Deinem Blute erlöst. Schaue nicht auf meine Undankbarkeit, sondern auf die Liebe, die dich dazu vermochte, für mich zu sterben. Wenn ich deine Gnade verlor, so verlorst du ja nicht die Macht mir sie wieder zu geben. Erbarme dich also meiner, o mein lieber Erlöser! Verzeihe und gib mir die Gnade, dich zu lieben; denn ich verspreche dir, von nun an niemand andern, als dich zu lieben. Unter so vielen Geschöpfen erwähltest du mich, daß ich dich liebe: ich erwähle dich, o höchstes Gut! um dich über alle anderen Güter zu lieben. Du gehst mir mit deinem Kreuze voran: ich will nicht ermangeln, dir mit jenem Kreuze nachzufolgen, das du mir zu tragen geben wirst. Alle Leiden und Mühseligkeiten, die von dir kommen werden, nehme ich an. Wenn du mich nur nicht deiner Gnade beraubst, so bin ich wohl zufrieden. - Maria, meine Hoffnung, erlange mir von Gott die Beharrlichkeit und die Gnade ihn zu lieben; um nichts anderes mehr bitte ich dich.
7. Betrachtung
Gefühle eines Sterbenden, der sorglos und wenig auf den Tod bedacht war.
3. Punkt
Dem Sterbenden, der in seinem Leben um sein Seelenheil sorglos war, wird alles, was ihm vorkommt, verdrießlich sein. Zum Mißmute gereichen ihm die genossenen Unterhaltungen, die gehabte Ehrsucht und Pracht; Unwillen werden ihm die Freunde verursachen, die ihn zu besuchen kommen, nebst allem, an was sie ihn erinnern werden; ein Dorn in seinem Auge werden ihm die geistlichen Väter sein, die wechselweise ihm beistehen werden; zum Anstoße werden ihm die heiligen Sakramente der Beicht, der Kommunion und letzten Ölung, die er empfangen muß; zum Ärgernis wird ihm das Bildnis des Gekreuzigten sein, das man neben ihm hinstellen wird, indem er an diesem Bilde deutlich erkennen wird, wie schlecht er jenem Gott entsprochen hat, der um seiner Rettung willen gestorben ist. - O, welcher Tor war ich! wird dann der arme Kranke sagen. Mit so vieler Erkenntnis und Gelegenheit, die mir Gott gab, hätte ich heilig werden, ein in der Gnade Gottes glückliches Leben führen können; und nun finde ich, so alt ich bin - nichts als Pein, Mißtrauen, Furcht, Gewissensbisse und eine Rechenschaft, die ich bald vor Gott ablegen muß. Und schwerlich werde ich selig werden. - Und dann wird er dies sagen? Wenn die Lampe schon zum Auslöschen ist und das Schauspiel dieser Welt sich endet, und schon hat er die zwei Ewigkeiten vor Augen, die glückliche und die unglückliche, und bald wird er zum letzten Mal den Mund öffnen, und von diesem Augenblicke dann hängt es ab, ob er für immer selig, oder für immer, so lange Gott - Gott sein wird, in Verzweiflung sein werde. Wie vieles würde er geben, wenn er noch ein Jahr, ein Monat oder wenigstens eine Woche lang bei gesundem Verstande leben könnte. Denn da er im Tode bei jener Betäubung des Kopfes, bei jener Engbrüstigkeit und Atemlosigkeit nichts tun kann, und weder zum Nachdenken, noch zur Übung eines guten Aktes fähig ist, so befindet er sich gleichsam in einer finsteren Grube von Verwirrung, wo er nichts begreift als jenen großen Sturz, der ihm bevorsteht, und wogegen er sich hilflos sieht. Daher möchte er einen Aufschub haben, allein es wird zu ihm gesagt werden: Reise alsogleich ab, bringe in dieser kurzen Zwischenzeit alles bestmöglichst in Richtigkeit, und reise ab; weißt du nicht, daß der Tod nicht wartet und auf keinen Rücksicht nimmt? O, welchen Schrecken wird ihm dieser Gedanke und diese Worte machen! Heute früh lebe ich, heute abend bin ich vielleicht tot! Heute bin ich in diesem Zimmer, morgen werde ich in einer Grube sein! Und wo wird meine Seele sich befinden? Welcher Schrecken, wenn man die Sterbekerze zubereiten sehen wird, wenn man den kalten Todesschweiß wird erscheinen sehen, wenn man zu den Verwandten wird sagen hören, sie sollen aus dem Zimmer gehen und nicht mehr hereinkommen! Welcher Schrecken endlich, wenn man nun die Kerze anzünden wird, weil der Tod bereits vor der Tür ist! O Kerze, o Sterbekerze, wie viele Wahrheiten wirst du alsdann entdecken! O wie wirst du die Dinge ganz anders sehen lassen, als sie jetzt erscheinen! Wie wirst du zu erkennen geben, daß die Güter dieser Welt Eitelkeit, Torheit und Täuschungen sind! Was wird es aber nützen, diese Wahrheiten zu verstehen, wenn die Zeit der Hilfe vorbei sein wird?
Anmutungen und Bitten
Ach mein Gott! du willst nicht meinen Tod, sondern daß ich mich bekehre und lebe. Ich danke dir, daß du bisher meiner harrtest, und danke dir für die Erleuchtung, die du mir gibst. Ich erkenne den Fehler, den ich beging, indem ich deine Freundschaft so niedrigen, elenden Gütern nachsetzte, wegen welcher ich dich verachtete. Es reuet und schmerzet mich von ganzem Herzen, daß ich dir ein so großes Unrecht antat. Ach, lasse dies in meinem mir übrigen Leben nicht zu, stehe mit deinem Lichte und mit deiner Gnade mir bei, damit ich das zur Besserung meines Lebens Nötige erkenne und tue. Was wird es mir nützen, diese Wahrheiten zu begreifen, wenn die Zeit, mir helfen zu können, mir dann wird benommen werden ? Übergib die auf dich vertrauenden Seelen nicht den Bestien. Wenn der Teufel mich versuchen wird, dich wieder zu beleidigen, ach, dann bitte ich dich, mein Jesu, um der Verdienste deines Leidens willen, strecke deine Hand aus und rette mich, daß ich nicht in die Sünde falle und nicht neuerdings ein Sklave der Feinde werde. Mache, daß ich alsdann mich zu dir wende und nicht aufhöre, mich dir anzuempfehlen, solange die Versuchung währet. Dein Blut ist meine Hoffnung und deine Güte ist meine Liebe. Ich liebe dich, mein Gott, unendlicher Liebe würdig. Mache, daß ich dich recht liebe. Laß mich erkennen, wovon ich mich losreißen soll, um dein zu sein, denn ich will dein sein! Du aber gib mir die Gnade dazu. O Königin des Himmels, o Mutter Gottes! bitte für mich armen Sünder, lasse mich in den Versuchungen nie aufhören, zu Jesu und zu dir zu stehen, die ihr jeden vor dem Falle bewahret, der zu euch sich wendet.
Tod der Gerechten
„Kostbar ist vor dem Angesicht des Herrn
der Tod seiner Heiligen.“
(Ps 115, 15)
1. Punkt
Den Sinnen nach betrachtet ist der Tod schreckbar und fürchterlich; doch dem Glauben nach ist er tröstlich und wünschenswert. Furchtbar erscheint er den Sündern, liebenswürdig aber und kostbar zeigt er sich den Heiligen. „Kostbar“, sagt der heilige Bernardus, „weil das Ende der Mühsale, die Vollendung des Sieges, die Tür des Lebens“. (Trans. Malach.) „Das Ende der Drangsale.“ Jawohl ist der Tod das Ende der Mühseligkeiten und Trübsale. Der vom Weibe geborene Mensch lebt kurze Zeit und ist voll Elend. (Job 14,1) Siehe, wie unser Leben beschaffen ist: kurz ist es und voll von Elend, Krankheiten, Furcht und Leiden. Was suchen die Weltkinder, die ein langes Leben wünschen, wohl anderes, sagt Seneka, als eine lange Pein? „Durch den Wunsch der Lebens-Verlängerung verlangt man gleichsam die Verlängerung der Pein.“ (Ep 10,1) Was heißt das Leben fortsetzen anders, als fortfahren zu leiden, sagt der heilige Augustinus. „Was heißt lange leben anders, als lange gepeinigt werden?“ (Serm. 17 de verbo Dom.) Und so ist es; nach der Lehre des heiligen Ambrosius ist uns das Leben nicht gegeben um zu ruhen, sondern damit wir uns bemühen und durch die Bemühungen das ewige Leben uns verdienen. „Dies Leben ist dem Menschen nicht zur Muße, sondern zur Arbeit verliehen.“ (Serm. 43) Mit Recht sagt daher Tertullianus, daß Gott einem durch Abkürzung des Lebens die Pein abkürze: „Gott nimmt eine lange Qual weg, wenn er ein kurzes Leben verleiht“. Obwohl also der Tod den Menschen zur Strafe für die Sünde gegeben ist, so sind die Armseligkeiten dieses Lebens dennoch so groß, daß der Tod, wie der heilige Ambrosius sagt, uns zur Erleichterung, nicht zur Strafe gegeben zu sein scheint, somit der Tod eine Hilfe, nicht eine Strafe zu sein scheint. Gott nennt jene selig, die in seiner Gnade sterben; denn es enden ihre Arbeiten und sie gehen zur Ruhe. Selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben, von nun an, spricht der Geist, sollen sie von ihren Arbeiten ruhen. (Offb 14, 13) Die Peinen, welche die Sünder im Tode bestürzen, beängstigen die Gerechten nicht: Die Seelen der Gerechten sind in der Hand Gottes und die Pein des Todes wird sie nicht berühren. (Weish 31) Die Heiligen betrübten sich nicht ob jenem: „Reise ab“, welches die Weltkinder so sehr erschreckt. Die Heiligen werden nicht traurig, wenn sie die Güter dieser Welt verlassen müssen; denn sie haben ja ihr Herz davon losgerissen. Immer gingen sie mit diesen Worten einher: Gott ist in Ewigkeit der Gott meines Herzens und mein Anteil! O, ihr Seligen, schrieb der Apostel seinen Jüngern, die ihr Jesu Christi wegen eurer Güter beraubt wurdet! Ihr habt den Raub eurer Güter mit Freuden ertragen, wohl wissend, daß ihr ein besseres und bleibendes Gut habet. (Hebr 10)
Sie betrüben sich nicht, daß sie die Ehren verlassen müssen; denn sie verachteten sie vielmehr und hielten sie für das, was sie sind, für Rauch und Eitelkeit; sie schätzten nur die Ehre Gott zu lieben und von Gott geliebt zu werden. Sie betrüben sich nicht, indem sie die Verwandten verlassen müssen: denn sie liebten solche in Gott; sterbend überlassen und empfehlen sie solche jenem himmlischen Vater an, der dieselben mehr liebt, als sie, und in der Hoffnung, selig zu werden, denken sie, ihnen besser helfen zu können vom Himmel aus, als auf dieser Welt. Kurz, die im Leben immer sagten: „Mein Gott und mein Alles!“ wiederholen es im Tode mit desto größerem Troste und umso zärtlicher.
Wer in der Liebe zu Gott stirbt, beunruhigt sich nicht wegen der Schmerzen, die der Tod mit sich bringt, sondern sie sind ihm vielmehr lieb, indem er denkt, sein Leben sei am Ende und es bleibe ihm keine Zeit mehr übrig, für Gott zu leiden und andere Beweise seiner Liebe ihm zu geben; daher opfert er mit Liebe und in Freuden diese letzten Überreste seines Lebens ihm auf und tröstet sich, indem er das Opfer seines Todes mit jenem Opfer vereint, welches Jesus Christus einst am Kreuze seinem ewigen Vater dargebracht. Und so stirbt er glücklich mit den Worten: Im Frieden will ich entschlafen und ruhen. O, welcher Friede, mit Ergebenheit und in den Armen Jesu Christi ruhend, zu sterben, der bis in den Tod uns liebte und eines bitteren Todes sterben wollte, um einen süßen und fröhlichen Tod uns zu erlangen!
Anmutungen und Bitten
O, mein geliebter Jesus! der du am Kalvarienberge eines so bitteren Todes sterben wolltest, um mir einen sanften Tod zu erhalten, wann werde ich dich sehen? Das erste Mal, da ich dich zu sehen bekommen werde, werde ich dich eben da sehen als Richter, wo ich sterben werde. Was werde ich alsdann sagen? was wirst du zu mir sagen? Ich will es nicht verschieben, erst dann an dich zu denken, ich will jetzt schon daran denken. Ich werde zu dir sagen: Mein lieber Erlöser, du bist es also, der für mich gestorben ist! Es war eine Zeit, wo ich dich beleidigte und dir undankbar war, und nicht Verzeihung verdiente, doch nachher, von deiner Gnade unterstützt, ging ich in mich und beweinte in meinen übrigen Lebenstagen meine Sünden, - und du hast mir verziehen. Verzeihe mir neuerdings, da ich jetzt vor deinen Füßen liege und erteile mir selbst die Lossprechung von allen meinen Schulden. Ich verdiente es nicht mehr, dich zu lieben, weil ich deine Liebe verachtet habe; doch du hast in deiner Barmherzigkeit mein Herz an dich gezogen, welches, wenn es gleich nicht nach deinem Verdienste dich liebte, dich doch über alles liebte, indem es alles verließ, um dir zu gefallen. Was sagst du nun zu mir? Ich sehe ein, daß der Himmel und der Besitz deiner in deinem Reiche für mich ein allzu großes Gut ist; allein ich getraue mich nicht entfernt von dir zu leben, umso mehr jetzt, da du mir dein liebenswürdiges und schönes Antlitz zu erkennen gabst. Ich bitte dich daher um den Himmel; nicht um mich mehr zu erfreuen, sondern um dich besser zu lieben. Schicke mich ins Fegefeuer, sofern es dir gefällt. Nein, ich Unreiner will nicht in jenes Vaterland der Reinheit kommen und unter jenen reinen Seelen mich so beschmutzt und befleckt sehen, wie ich es jetzt bin! Schicke mich hin zu meiner Reinigung, doch verstoß mich nicht auf immer von deinem Angesichte; genug, wenn du mich dann - nach deinem Belieben - einst ins Paradies berufen wirst, damit ich in Ewigkeit deinen Erbarmungen Lob singe. Wohlan, mein geliebter Richter! erhebe deine Hand und segne mich und sage zu mir, daß ich dein sei, und daß du immer mein seiest und sein werdest. Stets werde ich dich lieben; immer wirst du mich lieben. Siehe, nun gehe ich weit von dir; ins Feuer gehe ich; aber ich gehe gern, weil ich hingehe, um dich, meinen Erlöser, meinen Gott, mein Alles zu lieben. So gehe ich gern, aber wisse, daß in jener Zeit, wo ich so fern von dir sein werde, meine Entfernung von dir meine allergrößte Qual sein wird. Ich gehe, o Herr, und werde alle Augenblicke zählen, bis du mich abberufest. Erbarme dich über eine Seele, die dich aus ganzem Herzen liebt und sich seufzend nach dir sehnt, um dich besser lieben zu können.
Also hoffe ich, mein Jesus, mit dir alsdann sprechen zu können. Daher bitte ich dich um die Gnade, so zu leben, daß ich sodann zu dir das sagen kann, was ich jetzt gedacht habe. Gib mir die heilige Beharrlichkeit; gib mir deine Liebe und komme mir zu Hilfe. - O Mutter Gottes, Maria! bitte Jesum für mich.
8. Betrachtung
Tod der Gerechten
2. Punkt
Gott wird alle Tränen von ihren Augen abtrocknen und der Tod wird nicht mehr sein. (Offb 21,4) Also wird der Herr seinen Dienern im Tode alle Tränen abtrocknen, die sie in diesem Leben weinten, wo sie in Mühseligkeiten, Furcht, Gefahren und Kämpfen gegen die Hölle lebten. Und das wird es sein, was eine Seele, die Gott liebte, bei Ankündigung des Todes am meisten trösten wird, wenn sie bedenkt, daß sie von so vielen in diesem Leben vorkommenden Gefahren, Gott zu beleidigen, von so vielen Gewissensängsten und von so vielen Versuchungen des bösen Geistes befreit werden wird. Das gegenwärtige Leben ist ein beständiger Krieg mit der Hölle; da sind wir in fortwährender Gefahr, die Seele und Gott zu verlieren. Der heilige Ambrosius sagt: wir wandeln auf dieser Erde zwischen Fallstricken; wir gehen immer zwischen den Schlingen der Feinde, welche uns im Leben der Gnade nachstellen. Diese Gefahr war es, wegen welcher der heilige Petrus von Alcantara, dem Tode nahe, also sprach: „Weiche Bruder (es war jener ein Ordenspriester, den es traf, ihm beizustehen), entferne dich, denn noch bin ich am Leben und in Gefahr, verdammt zu werden“. Eben dieser Gefahr wegen freute sich die heilige Theresia, so oft sie die Uhr schlagen hörte; denn sie war froh, wieder eine Stunde des Kampfes überstanden zu haben; daher sagte sie: „In jedem Augenblicke des Lebens kann ich sündigen und Gott verlieren“. Daher kommt es, daß sich die Heiligen bei der Nachricht des Todes alle erfreuen, da sie bedenken, daß die Kämpfe und Gefahren nun bald aufhören und sie nahe daran sind, des glücklichen Loses, Gott nicht mehr verlieren zu können, versichert zu sein.
In dem Leben der Altväter wird erzählt, daß ein Altvater in Scythien im Sterben gelacht habe, während die anderen weinten. Befragt, warum er denn lache, antwortete er: „Und ihr, warum weinet ihr denn, da ihr doch sehet, daß ich zur Ruhe gehe? Von der Arbeit gehe ich in die Ruhe, und ihr weinet!“ Ebenso sagte die heilige Katharina von Siena beim Sterben: „Erfreuet euch mit mir, da ich dieses Land des Jammers verlasse und in den Ort des Friedens eingehe“. „Wenn jemand,“ sagt der heilige Cyprianus, „in einem Hause wohnen würde, wo die Mauern abfallen, wo der Oberboden und das Dach bebt, so daß alles dem Einsturz droht: wie sehr müßte er wünschen, aus diesem herausgehen zu dürfen!“ In diesem Leben drohet der Seele alles den Sturz: die Welt, die Hölle, die Leidenschaften, die aufrührerischen Sinne - Alles zieht uns zur Sünde und zum ewigen Tode. Wer wird mich befreien von diesem Leibe des Todes? rief der Apostel aus. (Röm 7,24) O, welche Freude wird die Seele empfinden, wenn sie sagen hört: „Komme vom Libanon, meine Braut, komme von dem Lager der Löwen!“ (Hld 4,8) Komm, meine Braut, aus dem Orte der Tränen und aus den Höhlen der Löwen hervor, welche dich zu verschlingen und um meine göttliche Gnade zu bringen suchen. Daher sagte der heilige Paulus aus Sehnsucht nach dem Tode, Jesus Christus sei sein einziges Leben, und hielt deshalb seinen Tod für den größten Gewinn, den er machen könnte, indem er durch den Tod jenes Leben erlangen würde, das kein Ende hat: Christus ist mein Leben und Sterben ist mein Gewinn. (Phil 1,21)
Es ist eine große Gunstbezeugung, die Gott einer Seele, welche in seiner Gnade ist, erweist, wenn er sie von der Welt hinwegnimmt, wo sie sich verändern und seine Freundschaft verlieren kann: Er ist hingenommen worden, damit sein Verstand durch die Bosheit nicht verkehret würde. (Weish 4,7) Glücklich der, welcher in diesem Leben mit Gott vereint lebt. So wie aber der Schiffer nicht sicher zu nennen ist, bevor er in dem Hafen eingelaufen und dem Sturme entgangen ist, ebenso kann man jene Seele nicht vollends glücklich heißen, welche noch nicht in der Gnade Gottes aus dem Leben getreten. „Preise den Seefahrer dann erst glücklich, wenn er den Hafen erreicht hat“, sagt der heilige Ambrosius. Wenn nun der Seefahrer so fröhlich ist, welcher nach so vielen Gefahren sich nahe daran befindet, in den Hafen einzulaufen, um wie viel mehr wird jener sich erfreuen, der nahe daran ist, des ewigen Heiles versichert zu werden? - Ferner kann man in diesem Leben irgend einen, wenigstens geringen Fehler nicht leben: denn siebenmal fällt der Gerechte. (Spr 24,16) Wer aus diesem Leben scheidet, hört auf, Gott zu beleidigen. „Was ist der Tod anders“, sprach der heilige Ambrosius, „als das Begräbnis der Laster?“ (De bono, mortis. C. 4) Das ist es auch, was den Gottliebenden den Tod sehr erwünscht macht. Mit allem diesem tröstete sich beim Sterben der ehrwürdige Vincentius Caraffa, indem er sagte: „Da ich nun zu leben aufhöre, so höre ich auf, Gott zu beleidigen.“ Und der erwähnte heilige Ambrosius sagte: „Warum wünschen wir dieses Leben, indem man doch, je länger man darin ist, mit desto größerer Sündenlast beladen wird?“ Wer in der Gnade Gottes stirbt, wird außer Stande gesetzt, Gott zu beleidigen oder beleidigen zu können. „Der Tote kann nicht sündigen“, sagte der nämliche Heilige. Daher lobt der Herr die Verstorbenen mehr, als was immer für einen lebenden Menschen und sei es auch ein Heiliger: Er hat die Toten mehr als die Lebendigen gelobt. (Eccl. 4,2.) Ein frommer Mann befahl in seinem Tode, daß, wer ihm die Todesnachricht brächte, zu ihm sagen sollte: „Freue dich; denn es ist die Zeit gekommen, wo du Gott nicht mehr beleidigen wirst“.
Anmutungen und Bitten
In deine Hände empfehle ich meinen Geist! Du hast mich erlöst, o Herr, Gott der Wahrheit. Ach mein lieblicher Erlöser, wie stände es um mich, wenn du mich hättest sterben lassen, als ich fern von dir war? Ich wäre schon in der Hölle, wo ich dich nicht mehr lieben könnte. Ich danke dir, daß du mich nicht verließest und mir so viele Gnaden erwiesest, um mein Herz zu gewinnen. Es reuet mich, dich beleidigt zu haben. Ich liebe dich über alles. Ach, lasse mich, ich bitte dich, das Böse immer erkennen, das ich tat, indem ich dich verachtete, und die Liebe, welche deine unendliche Güte verdient. Ich liebe dich und wünsche, wenn es dir gefällt, sogleich zu sterben, um von der Gefahr, deine Gnade wieder zu verlieren und dich in Ewigkeit nicht zu lieben, befreit und davor sicher zu werden. Ach, gib mir in den Jahren, die mir noch übrigen, die Kraft, etwas für dich, o mein geliebter Jesus ! zu tun, ehevor ich sterbe. Gib mir Stärke gegen die Versuchungen und Leidenschaften, besonders gegen die Leidenschaft, die mich in der Vergangenheit am meisten verleitet hat, dich zu beleidigen. Gib mir Geduld in Krankheiten und in den Unbilden, die man mir antun wird. Ich verzeihe nun dir zu Liebe jedem, der mich verachtete, und bitte dich, jene Gnade ihm zu erweisen, die er verlangt. Gib mir Stärke, auch in Vermeidung läßlicher Sünden fleißiger zu sein, denn ich bekenne, daß ich sie bisher wenig verabscheute. Mein Heiland, hilf mir! Ich hoffe alles von deinen Verdiensten; auch vertraue ich ganz auf deine Fürbitte, o Maria, meine Mutter und meine Hoffnung!
8. Betrachtung
Tod der Gerechten
3. Punkt
Der Tod ist nicht nur das Ende der Mühsale, sondern auch die Türe des Lebens, „das Ende der Mühsale, die Türe des Lebens“, wie der heilige Bernardus sagt. Notwendigerweise muß man durch diese Türe gehen, wenn man hingehen will, Gott zu schauen: Dies ist die Pforte des Herrn, die Gerechten werden hineingehen. (Ps 117,20) Der heilige Hieronymus wendete sich mit der Bitte an den Tod: „Tue mir auf, mein Bruder Tod! Mein Bruder, wenn du mir die Pforte nicht eröffnest, kann ich nicht hineingehen und mich des Herrn erfreuen“. Als der heilige Carolus Borromäus in seinem Hause ein Gemälde sah, wo ein Totengerippe mit einer Sichel in der Hand gezeichnet war, berief er den Maler und befahl, er sollte diese Sichel überstreichen und einen goldenen Schlüssel darauf malen, denn dadurch wollte er stets die Sehnsucht nach dem Tode in sich entzünden, weil der Tod es ist, der den Himmel uns zu eröffnen hat, um Gott zu sehen.
Der heilige Johannes Chrysostomus sagt: „Wenn der König für einen die Wohnung in seiner Residenz bereitet, inzwischen aber ihn verbindlich gemacht hätte, in einer Hütte sich aufzuhalten, wie sehr müßte dieser wünschen, aus seiner Hütte in die Residenz zu kommen?“ In diesem Leben ist die Seele, so lange sie im Leibe ist, wie in einem Kerker, um von da in die Burg des Himmels zu kommen. Daher betete David: Führe meine Seele aus dem Kerker. (Ps 141,8) Und der heilige Greis Simeon wußte - da er das Jesuskindlein auf den Armen hatte - keine andere Gnade von ihm zu begehren, als den Tod, um von dem Gefängnisse des gegenwärtigen Lebens befreit zu werden: Nun entlasse, o Herr, deinen Diener. Der heilige Ambrosius sagt: „Gleichsam notgedrungen habe er verlangt, entlassen zu werden.“ Die nämliche Gnade begehrte der Apostel, indem er sagte: Ich wünsche aufgelöst zu werden und bei Christus zu sein. (Phil 1,23)
Welche Freude hatte Pharaos Mundschenk, als er von Joseph vernahm, er werde bald aus dem Gefängnis und wieder in des Königs Dienst kommen. Sollte nun eine Seele, die Gott liebt, sich nicht erfreuen, wenn sie hört, bald werde sie aus dem Kerker dieser Erde und zum Genusse Gottes kommen? In diesem Leben wandeln wir als Wanderer vom Herrn entfernt. (2 Kor 5,6) So lange wir mit dem Körper vereint sind, befinden wir uns fern vom Angesichte Gottes, wie in einem von unserer Heimat weit entlegenen Lande; und deshalb sagt der heilige Bruno, man soll unser Absterben nicht Tod nennen, sondern Leben. Man soll nicht sagen „der Tod“, sondern „des Lebens Anfang“. Deswegen nennt man den Tod der Heiligen ihren Geburtstag; und mit Recht, denn in ihrem Tode werden sie zu jenem Leben geboren, das kein Ende mehr haben wird. „Die Gerechten haben keinen Tod, sondern einen Übergang“, sagt der heilige Athanasius. Für die Gerechten ist der Tod nichts anderes als ein Übergang ins ewige Leben. O liebenswürdiger Tod, sagte der heilige Augustinus, wer sollte dich nicht wünschen, da du das Ende der Arbeiten, das Ende der Mühe, der Anfang der ewigen Ruhe bist! O wünschenswerter Tod, du Ende der Übel, du Ende der Arbeit, du Anbeginn der Ruhe! Mit Sehnsucht bat daher der Heilige: „Eja, Herr, ich will sterben, um dich zu sehen“.
Mit Recht, sagt der heilige Cyprianus, muß den Tod befürchten der Sünder, der von seinem zeitlichen Tode zum ewigen übergehen wird: „Der mag das Sterben wohl fürchten, welcher von diesem Tode zum zweiten Tode übergehen wird“; nicht aber, wer in der Gnade Gottes ist und vom Tode zum Leben überzugehen hofft. In der Lebensbeschreibung des heiligen Johannes, des Almosengebers, wird erzählt, ein reicher Mann habe dem Heiligen seinen einzigen Sohn anempfohlen und ihm viel Almosen gegeben, damit er demselben ein langes Leben von Gott erflehe; allein der Sohn starb kurze Zeit darauf. Als sich der Vater über den Tod des Sohnes jammernd beklagte, sandte ihm Gott einen Engel, der zu ihm sprach: „Du verlangtest für deinen Sohn ein langes Leben; wisse, daß er dies schon auf ewig im Himmel besitzt.“ Das ist die Gnade, die Jesus Christus uns erlangte, wie uns durch Oseas verheißen wurde: O Tod! Ich werde dein Tod sein! (Os 13,41) Jesus bewirkte durch sein Sterben für uns, daß unser Tod zum Leben würde. Als der Märtyrer Pionius zum Richtplatze geführt und von jenen, die ihn führten gefragt wurde, wie er so freudig zum Tode gehen könnte, antwortete der Heilige: „Ihr seid irrig daran: ich gehe nicht zum Tode, sondern zum Leben.“ (Ap. Eus. lib. 4. cap. 14) So wurde auch der heilige Jüngling Symphorius von seiner Mutter ermuntert, indem sie bei seinem Martertod ihm ganz nahe stehend sprach: „Mein Sohn, das Leben wird dir nicht genommen, sondern nur in ein besseres umgeändert.“
Anmutungen und Bitten
O Gott meiner Seele! ich entehrte dich vorher, indem ich dir den Rücken kehrte; doch dein Sohn ersetzt deine Ehre, indem er dir am Kreuze sein Leben aufopferte. Um der Ehre willen also, welche dein geliebter Sohn dir gab, verzeihe mir die Unbilden, die ich dir antat. Es reuet mich, o höchstes Gut! dich beleidigt zu haben, und ich verspreche dir, von heute an niemand andern als dich zu lieben. Meine Rettung hoffe ich von dir. Wenn ich gegenwärtig etwas Gutes habe, so ist es ganz und gar deine Gnade; ich erkenne, daß alles von dir ist. Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Wenn ich vorher dich beleidigte, hoffe ich dich zu ehren, wenn ich dann in Ewigkeit deine Barmherzigkeit preisen werde. Ich fühle in mir ein heftiges Verlangen, dich zu lieben. Dieses gibst du mir: ich danke dir dafür, meine Liebe. Ach, fahre fort, mir zu helfen, wie du angefangen hast; ich hoffe von heute an dein zu sein, und zwar ganz dein. Ich leiste auf alle Vergnügungen der Welt Verzicht. Und welch größeres Vergnügen kann ich wohl haben, als dir, meinem so liebenswürdigen Herrn, der so sehr mich liebte, Freude zu machen? O Liebe! nur dich, o Gott, o Liebe, o Liebe, suche ich! und hoffe dich immer zu suchen, o Liebe, o Liebe, bis ich in deiner Liebe sterbend ins Reich der Liebe gelange, wo ich, ohne es mehr verlangen zu müssen, der Liebe voll sein werde, ohne je einen Augenblick aufzuhören, dich dort in Ewigkeit und aus allen meinen Kräften zu lieben. - Maria, meine Mutter, die du deinen Gott so sehr liebst, mache, daß ich dich in diesem Leben recht lieb habe, um dich im andern Leben immerfort recht sehr lieben zu können.
Der Friede eines sterbenden Gerechten
„Die Seelen der Gerechten sind in Gottes Hand,
und die Pein des Todes wird sie nicht berühren.
Vor den Augen der Toren scheinen sie zu sterben;
- sie sind aber im Frieden.“
(Weish3,lu.f.f.)
1. Punkt
Die Seelen der Gerechten sind in Gottes Hand. Wenn Gott die Seelen der Gerechten in seiner Hand hat, wer wird sie ihm je entreißen können? Es ist wahr, die Hölle unterläßt nicht, auch die Heiligen in ihrem Tode zu versuchen und zu bestürmen; doch Gott ermangelt nicht, ihnen beizustehen und seinen Dienern, je größer die Gefahr ist, desto größere Hilfe zu leisten. Je größer die Gefahr, desto größer die Hilfe; denn „Gott ist ein Helfer in der Not“, sagt der heilige Ambrosius. (ad Jos. c.5) Als der Diener des Elisäus die Stadt von Feinden umgeben sah, erschrak er; der Heilige aber machte ihm Mut, indem er sagte: „Fürchte dich nicht, denn bei uns sind mehr, als bei ihnen.“ (4 Reg. 6,16) und hierauf zeigte er ihm ein von Gott zur Verteidigung gesandtes Heer von Engeln. Der böse Geist wird wohl kommen, um zu versuchen; allein es wird auch der Schutzengel kommen, um den Sterbenden zu stärken; es werden die heiligen Fürsprecher, der heilige Michael kommen, der von Gott dazu bestimmt ist, seine treuen Diener im letzten Streite mit der Hölle zu verteidigen; die göttliche Mutter wird kommen, um die Feinde zu verjagen, indem sie die ihr Ergebenen unter ihren Schutzmantel nimmt: Es wird vor allen anderen Jesus Christus kommen, um vor den Versuchungen sein unschuldiges oder bußfertiges Lämmlein zu beschützen, für dessen Rettung er das Leben gab; Zutrauen und Stärke wird er ihm geben, deren es in einem solchen Kampfe bedarf; und daher wird es ganz mutig sagen: Der Herr ist mein Helfer geworden. (Ps 29,11) Der Herr ist mein Licht und mein Leben: wen soll ich fürchten? (Ps 26,1) Es liegt Gott, sagt Origenes, mehr an unserer Rettung, als dem bösem Geiste an unserm Verderben; denn Gott liebt uns weit mehr, als der Teufel uns haßt: er ist mehr besorgt, daß er uns in Sicherheit bringe, als der Teufel trachtet, uns in die Verdammnis zu stürzen.
Gott ist getreu, sagt der Apostel; er läßt uns nicht über unsere Kräfte versuchet werden: Der getreue Gott wird nicht zugeben, daß ihr über eure Kräfte versucht werdet. (1 Kor 10,13)
Ihr werdet aber sagen: viele Heilige starben mit großer Furcht um ihr heilige Ich antworte: Klein ist die Zahl der Beispiele, die man von solchen liest, die ein gutes Leben führten, und alsdann mit großer Furcht starben. Vincentius Belluacensis sagt, Gott lasse dies bei einigen zu, um sie im Tode von manchen ihrer Fehler zu reinigen: „Die Gerechten werden, wenn sie hart sterben, dadurch in dieser Welt gereinigt“. Übrigens liest man von allen Dienern Gottes, daß sie lächelnden Mundes starben. Jedermann hat im Tode Furcht vor dem göttlichen Gerichte; während aber die Sünder von der Furcht zur Verzweiflung übergehen, schreiten die Heiligen von der Furcht zum Vertrauen. Als der heilige Bernardus krank war, wurde er, nach Erzählung des heiligen Antonius, von Mißtrauen versucht; allein der Gedanke an die Verdienste Jesu Christi vertrieb alle Furcht, und er wiederholte oft: „Deine Wunden meine Verdienste!“ Es fürchtete sich der heilige Hilarion; fröhlich aber sagte er alsdann: „Gehe heraus, mein Seele, was fürchtest du? Bei siebzig Jahren dientest du Christo, und du scheuest den Tod?“ Er wollte sagen: Was fürchtest du, meine Seele, da du einem Gott dientest, der treu ist, und jenen nicht verlassen kann, der im Leben treu war? P. Josephus Scamacca aus der Gesellschaft Jesu, erwiderte auf die Frage, ob er mit Vertrauen sterbe: „Wie? diente ich etwa dem Mohamed, daß ich nun von der Güte meines Gottes nicht hoffen dürfte, daß er mich retten wolle?
Falls im Tode der Gedanke uns peinigen sollte, Gott einst beleidigt zu haben, so sollen wir wissen, daß Gott beteuerte, sich nicht mehr an die Sünden der Büßenden erinnern zu wollen: Wenn der Ungerechte Buße tun wird, werde ich aller seiner Ungerechtigkeiten nicht mehr gedenken. (Ez 18) Wie aber, wird jemand sagen, können wir versichert sein, daß uns Gott verziehen habe? Diese Frage stellt auch der heilige Basilius: Wie kann denn jemand für gewiß überzeugt sein, daß ihm Gott seine Sünden verziehen habe?“ Und er antwortet: Wenn er nämlich sagen kann, ich habe die Ungerechtigkeit gehaßt und verabscheut.“ (In Reg. inter. 12) Wer die Sünde haßt, kann sicher sein, Gott habe ihm verziehen. Das menschliche Herz kann nicht sein, ohne zu lieben: Entweder liebt es die Geschöpfe oder es liebt Gott; liebt es die Geschöpfe nicht, so liebt es folglich Gott. Und wer liebt Gott? Der seine Gebote beobachtet: Wer meine Gebote hat und sie hält, der liebt mich. (Joh 14,21) Wer also in Beobachtung der Gebote stirbt, der stirbt in der Liebe zu Gott, und wer Gott liebt, fürchtet sich nicht: Die Liebe verscheucht die Furcht. (1 Joh 4,18)
Anmutungen und Bitten
Ach mein Jesu! an welchem Tage werde ich sagen können: mein Gott! ich kann dich nicht mehr verlieren? Wann werde ich dich von Angesicht zu Angesicht sehen, und versichert sein, dich in alle Ewigkeit aus allen meinen Kräften zu lieben? Ach mein höchstes Gut! meine einzige Liebe! so lange ich lebe, werde ich in Gefahr sein, dich zu beleidigen, deine schöne Gnade zu verlieren. Es gab eine unglückliche Zeit, wo ich dich nicht liebte, und die Liebe verachtete: jetzt reuet es mich aus ganzer Seele, und ich hoffe, daß du mir bereits verziehen hast, und jetzt liebe ich dich mit meinem ganzen Herzen und wünsche so viel als möglich zu tun, um dich zu lieben und dir zu gefallen. Ich bin aber noch in Gefahr, dir meine Liebe zu versagen und dir neuerdings den Rücken zu kehren. Ach mein Jesu, mein Leben! laß es nicht zu. Wenn mir je dies größte Unglück widerfahren sollte, so laß mich in diesem Augenblicke des härtesten dir beliebigen Todes sterben; ich bin damit zufrieden und bitte dich darum. Ewiger Vater! überlaß mich um der Liebe Jesu Christi willen diesem großen Unglücke nicht. Züchtige mich, wie du willst, ich verdiene es und nehme es an; befreie mich aber von der Strafe, mich deiner Gnade und Liebe beraubt zu sehen. Mein Jesu, empfiehl mich deinem Vater! Maria, meine Liebe, empfiehl mich deinem Sohne! erlange mir die Beharrlichkeit in deiner Freundschaft und die Gnade, ihn zu lieben, und dann tue er mit mir, was er nur will.
9. Betrachtung
Der Friede eines sterbenden Gerechten
2. Punkt
Die Seelen der Gerechten sind in Gottes Hand und die Pein des Todes wird sie nicht berühren. Vor den Augen der Toren schienen sie zu sterben - sie sind aber im Frieden. (Weish 3) Den Augen der Toren kommt es vor, die Diener Gottes sterben so betrübt und ungern, wie die Weltkinder: Sie wissen aber nicht, daß Gott seine Kinder im Tode zu erfreuen vermöge und auch in den Todesschmerzen sie eine große Wonne genießen lassen könne, als einen Vorgeschmack des Paradieses, das er ihnen bald geben will. So wie jene, die in der Sünde sterben, als gewisse Vorzeichen der Hölle, das, was wir oben beschrieben haben, zu fürchten anfangen - Gewissensbisse, Schrecken und Verzweiflung: Ebenso beginnen im Gegenteile die Heiligen mit den Übungen der Liebe, die sie da öfters zu Gott machen mit dem Verlangen und der Hoffnung, ihn bald zu besitzen, und fangen an, schon vor ihrem Tode jenen Frieden zu genießen, dessen sie sich dann im Himmel vollends erfreuen werden. Der Tod ist den Heiligen keine Strafe, sondern Belohnung: Wann er seinen Geliebten den Schlaf geben wird, eine Erbschaft des Herrn. (Ps 126,2) Den Tod desjenigen, der Gott liebt, nennt man nicht Tod, sondern Schlaf; so daß er mit Recht wird sagen können: „Ich will im Frieden in ihm schlafen und ruhen“. (Ps 4,9)
P. Suarez starb mit so großer Ruhe, daß er sterbend sagte: ich hätte nicht gedacht, daß das Sterben so angenehm wäre. Der Kardinal Baronius wurde vom Arzte gewarnt, nicht so viel an den Tod zu denken. „Warum?“ antwortete er. „Fürchte ich ihn etwa? Ich fürchte ihn nicht, sondern ich liebe ihn“. Als der russische Kardinal, wie Santer erzählt, hinging, für den Glauben zu sterben, so legte er die besten Kleider an, die er hatte, indem er sagte, er gehe zur Hochzeit. Da er sonach den Richtplatz sah, warf er seinen Stab weg und sprach: Gehet, meine Füße, wir sind nicht mehr weit vom Paradiese; wohlan, meine Füße, gehet schnell! der Himmel ist nicht mehr fern von uns. Und vor dem Sterben stimmte er das „Gott, dich loben wir!“ zur Danksagung an, daß ihn Gott für den Glauben als Märtyrer sterben ließ, und hierauf legte er ganz fröhlich das Haupt unter das Beil. Der heilige Franziskus von Assisi sang bei seinem Tode und forderte auch die anderen zum Singen auf. Vater, sagte der Laienbruder Elias zu ihm, wenn man stirbt, muß man weinen und nicht singen. Aber, antwortete der Heilige, ich kann nicht anders als singen, indem ich sehe, daß ich in kurzem hingehen werde, um Gott zu genießen. Eine junge Nonne aus dem Orden der heiligen Theresia sprach zu den anderen Nonnen, die weinend bei ihrem Sterbelager herumstanden, also: „O Gott! Warum weinet ihr denn? Ich gehe ja meinen Jesus Christus besuchen; erfreuet euch mit mir, wenn ihr mich liebet“. (Dising. Parol. 1, §16)
P. Granada erzählt, ein Jäger habe einen aussätzigen Einsiedler getroffen, der dem Tode nahe war und sang. „Wie kannst du denn in diesem Zustande singen?“ fragte dieser. „Bruder, antwortete der Einsiedler, zwischen mir und Gott ist nichts als die Mauer dieses meines Leibes; nun sehe ich sie zerfallen und den Kerker einstürzen, ich gehe nun hin, Gott zu sehen und deswegen freue ich mich und singe“. Diese Sehnsucht nach Gott machte, daß der heilige Märtyrer Ignatius sagte, wenn die wilden Tiere nicht gekommen wären, ihn ums Leben zu bringen, so hätte er sie gereizt, daß sie ihn ergreifen sollten: „Ich werde Gewalt brauchen, damit ich verzehrt werde“. Die heilige Katharina von Siena konnte es nicht leiden, daß einige den Tod für ein Unglück hielten und sagte: „O, geliebter Tod, wie ungern sieht man dich! Und warum kommst du nicht zu mir, da ich Tag und Nacht dich rufe?“ (Vita cap. 70) Und die heilige Theresia wünschte den Tod so sehr, daß sie es für ihren Tod hielt, daß sie noch nicht sterben könne und mit solchem Gefühle verfaßte sie jenes berühmte Lied: „Ich sterbe, weil ich nicht sterbe“. Also sehen die Heiligen den Tod an.
Anmutungen und Bitten
Ach, mein Gott, mein höchstes Gut! wenn ich dich in der Vergangenheit nicht liebte, so kehre ich mich doch jetzt ganz, zu dir. Ich gebe allen Geschöpfen den Abschied und will nur dich, meinen liebenswürdigsten Herrn lieben. Sage mir, was du von mir willst, daß ich tue: ich will es tun. Ich habe dich nun genug beleidigt. Mein übriges Leben will ich zubringen, um dir Freude zu machen. Gib mir Stärke, damit ich durch meine Liebe die bisherige Undankbarkeit ersetze. Ich verdiente schon viele Jahre im höllischen Feuer zu brennen; du aber bist mir so nachgegangen, daß du mich schon gewonnen hast; mache nun, daß ich vom Feuer deiner heiligen Liebe entbrenne. Ich liebe dich, unendliche Güte! Du willst der Einzige sein, den ich liebe, du hast das Recht dazu, denn du liebtest mich mehr als alle, und dich allein will ich lieben; ich will so viel als möglich tun, um dir wohlzugefallen. Tue mit mir, was dir gefällt. Es genügt mir, daß ich dich liebe und daß du mich liebest. — Maria, meine Mutter! hilf mir, bitte. Jesum für mich.
9. Betrachtung
Der Friede eines sterbenden Gerechten
3. Punkt
Wie kann der das Sterben fürchten, welcher nach seinem Tode zu einem Könige im Himmel gekrönt werden hofft? „Laßt uns nicht fürchten, getötet zu werden, sprach der heilige Cyprianus, da die Krone uns gebührt, wann wir tot sind“. Wie kann jener das Sterben fürchten, der da weiß, daß, wenn er in Gottes Gnade stirbt, sein Leib unsterblich werde? Dieses Sterbliche muss die Unsterblichkeit anziehen. (1 Kor 15,53) Wer Gott liebt und sich nach ihm sehnt, hält das Leben für eine Pein und den Tod für eine Freude. „Wer geduldig lebt, stirbt fröhlich“, sagt der heilige Augustinus. Und der heilige Thomas von Villanova: „Wenn der Tod den Menschen im Schlafe trifft, kommt er wie ein Dieb, er beraubt ihn, bringt ihn um und wirft ihn in den Abgrund der Hölle; trifft er ihn aber wachend an, so begrüßt er ihn als ein Gesandter Gottes und sagt zu ihm: „Der Herr beruft dich zur Hochzeit; komme, ich will dahin dich führen, wonach du dich sehntest“.
O, mit welcher Fröhlichkeit erwartet den Tod jener, der sich in Gottes Gnade befindet, der Jesum Christum bald zu sehen und die Worte zu vernehmen hofft: Wohlan, du guter und getreuer Knecht! Weil du in wenigem getreu gewesen bist, so will ich dich über vieles setzen. (Mt 25,21) O, wie werden alsdann die Bußübungen und Gebete, die Losreißung von den irdischen Gütern und alles, was man für Gott getan hat, uns trösten! Saget dem Gerechten, er werde das Gut, die Frucht seiner Erfindungen geniessen. (Ps 31,2) Alsdann wird, wer Gott geliebt hat, die Frucht aller seiner heiligen Werke verkosten. Daher hat P. Hippolytus Durazzo der Gesellschaft Jesu niemals geweint, wenn einer seiner Ordenspriester mit Vorzeichen der Seligkeit starb, er war vielmehr ganz fröhlich. Wie ungereimt aber wäre es, sagte der heilige Johannes Chrysostomos, an ein ewiges Paradies zu glauben und den zu bedauern, der dahin geht: „Den Himmel bekennen und über die, welche von hier dorthin gehen, trauern?“ (Joan. Chrys. ad viduam.) Welchen besonderen Trost wird es alsdann gewähren, wenn man sich an die Verehrung der göttlichen Mutter erinnert, die man gegen sie trug, an die Rosenkränze, an jene Besuchungen, an jenes Fasten am Sonnabende, an die oftmaligen Besuche in ihrer Kongregation! Man nennt Maria „die getreue Jungfrau“. O, wie treu ist sie, ihre treuen Diener im Tode zu trösten! Ein Verehrer der heiligsten Jungfrau sagte sterbend zu P. Binetti: Vater, sie können es nicht glauben, wie tröstlich im Tode der Gedanke sei, der göttlichen Mutter gedient zu haben. O mein Vater, wüßten sie nur, welchen Trost ich empfinde, daß ich dieser meiner Mutter gedient habe! Ich bin nicht im Stande zu erklären, welche Freude jenem, der Jesum Christum liebte, der im heiligsten Sakramente ihn oft besucht und in der heiligen Kommunion öfters empfangen hat, alsdann zuteil wird, wenn er in der heiligen Wegzehrung seinen Herrn in das Zimmer treten sieht, der da kommt, um ihn auf der Reise ins andere Leben zu begleiten! O glücklich der, welcher alsdann mit dem heiligen Philippus Nerius wird sagen können: „Sehet da meine Liebe, sehet meine Liebe! gebt mir meine Liebe!“
Pater La Colombiere hielt es für moralisch unmöglich, daß jemand, der Gott im Leben treu war, eines bösen Todes sterben sollte. Und vor ihm sagte der heilige Augustinus: „Wer gut gelebt hat, kann nicht schlecht sterben“. Wer zum Sterben bereit ist, fürchtet keinen Tod und selbst den jähen nicht. Wenn auch der Gerechte vom Tode übereilt wird, so wird er doch in der Erquickung sein. (Weish 4,7) Und da wir nicht anders zum Besitze Gottes gelangen, als durch den Tod, so ermahnt uns der heilige Johannes Chrysostomos: „Wir wollen Gott aufopfern, was wir zurückgeben müssen“. Und wir sollen wissen, daß, wer Gott seinen Tod aufopfert, den vollkommensten Akt der Liebe übe, den er gegen Gott üben kann; denn nimmt man mit gutem Willen den Tod an, wo es Gott gefällig ist, zu welcher Zeit oder auf was immer für eine Art es Gott will, so wird man den heiligen Märtyrern gleich. Wer Gott liebt, muß den Tod wünschen und darnach seufzen, denn der Tod vereint uns auf ewig mit Gott und bewahrt uns vor der Gefahr, ihn zu verlieren. Es ist eine Zeichen von geringer Liebe zu Gott, wenn man nicht wünscht, ihn bald zu sehen, indem man zugleich gesichert ist, ihn nicht mehr verlieren zu können. Wir wollen ihn in diesem Leben so viel lieben, als wir können. Nur zu diesem Ende soll das Leben uns dienen, um in der Liebe zuzunehmen. Das Maß unserer Liebe, in welchem der Tod uns antrifft, wird dasselbe Maß sein, mit dem wir Gott in der seligen Ewigkeit lieben werden.
Anmutungen und Bitten
Binde mich, mein Jesu, an dich so fest, daß ich mich nicht mehr von dir trennen kann. Laß mich ganz dein werden, ehe ich sterbe, damit ich dich, o mein Erlöser! versöhnt sehe, wenn ich dich zum ersten Male erblicken werde. Du suchtest mich, als ich vor dir floh; ach verstoß mich nicht, da ich dich jetzt suche. Verzeihe mir alle Beleidigungen, die ich dir zufügte. Von nun an will ich nur bedacht sein, dir zu dienen und dich zu lieben. Du verpflichtetest mich allzusehr. Du weigertest dich nicht, Blut und Leben aus Liebe zu mir zu opfern. Ich möchte mich also ganz für dich, mein Jesu! dargeben, da du dich für mich ganz hingabst. O Gott meiner Seele! ich will dich in diesem Leben recht lieb haben, um dich im andern recht sehr zu lieben. Ewiger Vater, ach, ziehe mein Herz ganz an dich, reiße es von den irdischen Neigungen los, verwunde, entzünde es mit deiner heiligen Liebe. Erhöre mich um der Verdienste Jesu Christi willen. Gib mir die heilige Beharrlichkeit, und die Gnade daß ich diese immer verlange. - Maria, meine Mutter, hilf! und erlange mir diese Gnade, deinen Sohn immer um die heilige Beharrlichkeit zu bitten.
Mittel, sich zum Tode vorzubereiten
„Bedenke deine letzten Dinge,
so wirst du in Ewigkeit nicht sündigen.“
(Eccl 7,40)
1. Punkt
Jedermann bekennt, daß man sterben müsse und nur einmal sterbe und daß nichts von so wichtigen Folgen sei als dies; denn vom Augenblicke des Todes hängt es ab, ob man in Ewigkeit glücklich oder in Verzweiflung sein werde. Jeder weiß, daß von einem guten Leben ein guter, von einem schlechten Leben aber ein böser Tod abhänge. Und wie kommt es denn, daß der größte Teil der Christen dennoch so lebt, als hätte man nie zu sterben oder als wäre an einem guten oder üblen Tode wenig gelegen? Man lebt schlecht, weil man nicht an den Tod denkt: Bedenke deine letzten Dinge, und du wirst in Ewigkeit nicht sündigen. Wir müssen uns überzeugen, daß die Sterbezeit zur Berichtigung unserer Rechenschaft nicht geeignet sei, um das große Geschäft des ewigen Heils zu sichern. Die klugen Kinder der Welt ergreifen zur gehörigen Zeit in den irdischen Geschäften alle Maßregeln, um zu jenem Gewinne, zu jenem Amte, zu jener Verehelichung zu gelangen, und in Betreff der Gesundheit des Körpers verschieben sie die Anwendung der nötigen Mittel nicht im mindesten. Was würdest du von einem solchen sagen, der zu einem Zweikampfe oder zur Prüfung für einen Lehrstuhl gehen soll und erst dann lernen wollte, wenn die Zeit schon da ist? Wäre jener Hauptmann nicht töricht, welcher die Herbeischaffung von Lebensmitteln und Waffen bis zur Belagerung verschöbe? Wäre jener Steuermann nicht töricht, der es unterließe, auf die Zeit des Sturmes mit Ankern, Ankertauen sich zu versehen? Eben so töricht ist der Christ, der es bis zur Ankunft des Todes verschiebt, das Gewissen in Ordnung zu bringen: Wann sie plötzlich ein Elend überfällt und der Untergang wie Ungewitter hereinbricht, dann werden sie mich anrufen, ich werde sie aber nicht erhören... Sie werden also die Frucht ihres Wandels essen. (Spr 1,27) usf. Die Sterbezeit ist die Zeit des Sturmes, der Verwirrung. Alsdann werden die Sünder Gott zu Hilfe rufen, aber bloß aus Furcht vor der Hölle, der sie aber sich nahe sehen ohne wahre Bekehrung, und deswegen erhört sie Gott nicht. Und deshalb werden sie alsdann nur die Früchte ihres schlechten Lebens verkosten: Was der Mensch gesäet haben wird, eben das wird er auch ernten. Es genügt nicht, die heiligen Sakramente zu empfangen: man muß sterben mit einem Hasse gegen die Sünde und mit einer Liebe zu Gott, die über alles geht. Wie wird aber jener die verbotenen Gelüste hassen, der bis zum Tode sie geliebt? Wie wird der Gott über alles lieben, der bis auf jenen Augenblick die Geschöpfe mehr liebte als Gott?
Der Herr nannte jene Jungfrauen töricht; und sie waren es, weil sie die Lampen erst richten wollten, da der Bräutigam schon vor der Türe war. Alle fürchten den jähen Tod, weil es dann nicht Zeit ist, die Rechnungen zu berichtigen. Jeder bekennt, daß die Heiligen wahrhaft weise waren, indem sie zum Tode sich bereiteten, ehe der Tod kam. Und was tun wir? Wollen wir es wagen, uns zu einem guten Tode vorzubereiten, wenn der Tod schon vor der Türe ist? Wir müssen also jetzt schon dasjenige tun, was wir im Tode wünschen werden, getan zu haben. O wie bitter wird dann die Erinnerung sein an die verlorene Zeit und besonders an die schlecht zugebrachte! Die Zeit ist von Gott gegeben, um Verdienste zu sammeln; allein die Zeit, welche vergangen ist, kommt nicht wieder. Welche Angst wird man dann haben, wenn es heißt: Jetzt wirst du nicht mehr haushalten können. Es ist nicht mehr Zeit Buße zu tun, die heiligen Sakramente zu empfangen, Predigten zu hören, Jesum Christum in den Kirchen zu besuchen, zu beten: was geschehen ist, das ist geschehen. Es wäre dann vonnöten ein gesunderer Verstand, eine ruhigere Zeit, um eine Beicht abzulegen, wie sie sein soll, um über verschiedene wichtige zweifelhafte Punkte nachzudenken und so das Gewissen zu beruhigen; allein es wird nicht mehr Zeit sein.
Anmutungen und Bitten
Ach mein Gott! Wäre ich in den dir bewußten Nächten gestorben, wo wäre ich gegenwärtig? Ich danke dir, daß du mir zuwartetest und danke dir für alle jene Augenblicke, wo ich hätte in der Hölle sein müssen, seit jenem Augenblicke, wo ich dich zuerst beleidigte. Ach, gib mir Licht und lasse mich das große Unrecht erkennen, das ich dir antat, indem ich freiwillig deine Gnade verlor, die du mir erlangtest, indem du für mich am Kreuze dein Leben opfertest! Ach, mein Jesus! vergib mir, es reuet mich von ganzem Herzen über alles, dich unendliche Güte, verachtet zu haben! Ich hoffe, du hast mir schon verziehen. Ach, hilf mir, o mein Heiland! daß ich dich nicht mehr verliere! Ach, mein Herr! wenn ich dich nach so vieler Erkenntnis und so vielen erhaltenen Gnaden wieder beleidigte, würde ich nicht absichtlich die Hölle mir zuziehen? Ach, laß es um der Verdienste deines aus Liebe für mich vergossenen Blutes willen nicht zu. Gib mir die heilige Beharrlichkeit, schenke mir deine Liebe. Ich liebe dich, o höchstes Gut, und ich will nicht mehr ablassen, dich bis zum Tode zu lieben. Mein Gott, erbarme dich meiner um der Liebe Jesu Christi willen! - Habe auch du Erbarmen mit mir, o Maria! meine Hoffnung! empfiehl mich Gott an; deine Anempfehlungen werden von jenem Herrn, der dich liebt, nicht abgewiesen.
10. Betrachtung
Mittel, sich zum Tode vorzubereiten
2. Punkt
Auf also, mein Bruder! denn es ist gewiß, daß du sterben mußt; wirf dich dem Gekreuzigten zu Füßen, danke ihm für die Zeit, die er dir aus seiner Barmherzigkeit gibt, um dein Gewissen ordnen zu können, und dann überschaue alle Verirrungen deines bisherigen Wandels, besonders jene deiner Jugendjahre. Blicke auf die göttlichen Gebote, untersuche die dir obliegenden Pflichten, die Gesellschaften, die du besuchest, und schreibe deine Fehler auf und leg eine allgemeine Beicht von deinem ganzen Leben ab, wenn du es noch nicht getan hast. O wie nützlich ist die allgemeine Beicht, um das Leben eines Christen gut zu ordnen! Denke, es ist eine Rechenschaft für die Ewigkeit und, verrichte sie daher, als wärest du jetzt im Begriffe, sie vor Jesus Christus, deinem Richter, abzulegen. Vertreibe aus deinem Herzen jede böse Neigung, jeden Groll; benimm dir jetzt jeden Zweifel hinsichtlich eines fremden Gutes, einer Ehrabschneidung, gegebener Ärgernisse; und nimm dir vor, die Gelegenheiten, wo du Gott verlieren kannst, zu vermeiden. Bedenke, daß das, was dir jetzt schon schwer scheint, dann im Tode dir unmöglich vorkommen werde. Entschließe dich endlich - was das Allerwichtigste ist - die Mittel anzuwenden, um in der Gnade Gottes dich zu erhalten. Diese Mittel sind: tägliches Meßhören, Betrachtung der ewigen Wahrheiten, oftmaliges Beichten und Kommunizieren, wenigstens alle acht Tage, der tägliche Besuch des heiligsten Sakraments und der göttlichen Mutter, geistliche Lesung nebst Fasten am Sonnabende. Vor allem nimm dir vor, dich öfters Gott und der seligsten Jungfrau anzuempfehlen und die heiligen Namen Jesu und Maria oft und besonders zur Zeit der Versuchung anzurufen. Das sind die Mittel, die dir einen guten Tod und die ewige Seligkeit erlangen können.
Wenn du dies tust, wird es für dich ein großes Zeichen der Gnadenwahl sein. Und in Betreff der Vergangenheit vertraue auf das Blut Jesu Christi, der dir diese Erkenntnis gibt, indem er will, daß du selig werdest und habe Vertrauen auf die Fürbitte Mariä, welche dir diesen Unterricht erlangt. O wie wird dir bei einer solchen Prüfung deines Lebenswandels und bei deinem Vertrauen auf Jesus und Maria von Gott geholfen werden: welche Stärke wird deine Seele erlangen! Wohlan also, mein Leser, ergib dich ganz und gar Gott, der dich ruft, und fange an, jenen Frieden zu genießen, dessen du bisher aus deiner eigenen Schuld beraubt warst. Und welch größeren Frieden kann eine Seele wohl fühlen, als wenn sie sich abends beim Schlafengehen sagen kann: Sollte diese Nacht der Tod kommen, so hoffe ich in der Gnade Gottes zu sterben! Welcher Trost ist es, das Gekrache des Donners zu hören, die Erde beben zu sehen und dabei mit Ergebenheit dem Tode entgegenzuharren, wenn ihn Gott über mich verhängt!
Anmutungen und Bitten
Ach, mein Herr, wie undankbar bin ich dir für das Licht, das du mir gibst. Ich verließ dich so oft und kehrte dir den Rücken; doch du verließest mich nicht. Hättest du mich verlassen, so wäre ich blind geblieben, wie ich 's vorher sein wollte; ich wäre in meiner Sünde hartnäckig verharrt und hätte weder den Willen, sie zu verlassen, noch den Willen, dich zu lieben. Jetzt fühle ich großen Schmerz, dich beleidigt zu haben und großes Verlangen, in deiner Gnade zu sein; ich habe Abscheu vor jenen verfluchten Freuden, wegen welcher ich deine Gnade verlor. Alles dies sind Gnaden, die von dir kommen und mich hoffen lassen, daß du mir verzeihen und mich selig machen wollest. Da du mich also ungeachtet so vieler Sünden nicht verlassen hast und mich selig haben willst, nun, so ergebe ich mich dir ganz. Es reuet mich über alles Übel, dich beleidiget zu haben, und ich nehme mir vor, lieber tausendmal das Leben als deine Gnade zu verlieren. Ich liebe dich, mein höchstes Gut, ich liebe dich, mein Jesus, der du für mich gestorben bist, und hoffe, um deines Blutes willen, daß du dich nicht mehr werdest von mir trennen lassen. Nein, mein Jesus! ich will dich nicht mehr verlieren. Ich will dich immer lieben, so lange ich lebe; ich will dich lieben, wenn ich sterbe; ich will dich lieben in alle Ewigkeit. Erhalte also und vermehre in mir immer die Liebe zu dir; ich bitte dich darum um deiner Verdienste willen. - Maria, meine Hoffnung, bitte Jesum für mich.
10. Betrachtung
Mittel, sich zum Tode vorzubereiten
3. Punkt
Ferner müssen wir dafür sorgen, zu jeder Stunde so beschaffen zu sein, wie wir es im Tode zu sein wünschen: Selig die Toten, die im Herrn sterben. (Offb 14) Der heilige Ambrosius sagt: Jene sterben gut, welche zur Zeit des Todes der Welt schon abgestorben, das heißt, von solchen Gütern losgerissen sind, von welchen sie loszureißen, der Tod Gewalt hat. Daher müssen wir es geduldig tragen, wenn wir um unsere Habe kommen, wenn wir von Verwandten und allen Dingen dieser Welt getrennt werden. Wenn wir dies im Leben nicht freiwillig tun, werden wir es im Tode tun müssen, und zwar alsdann mit höchstem Schmerz und mit Gefahr des ewigen Heiles. Hier bemerkt nebstdem der heilige Augustinus, daß es, um ruhig zu sterben, sehr nützlich sei, bei Lebzeiten die zeitlichen Angelegenheiten zu berichtigen, indem man zu dieser Zeit schon über die Güter, welche man zu verlassen hat, verfüge, um sich im Tode nur damit beschäftigen zu können, wodurch man sich näher an Gott anschließt. Alsdann ist es gut, nur von Gott und vom Himmel zu reden. Diese letzten Augenblicke sind allzu kostbar, als daß man sie mit Gedanken an das Irdische zubringen sollte. Im Tode wird die Krone der Auserwählten vervollkommnet; denn zu dieser Zeit sammelt man vielleicht am meisten Verdienste, wenn man diese Schmerzen und diese Todesart mit Ergebung und Liebe annimmt.
Wer aber diese guten Gesinnungen bei Lebzeiten nicht hegte, wird im Tode sie nicht haben können. Deswegen haben einige andächtige Personen zu ihrem großen Nutzen die Gewohnheit, monatlich die letzte Willenserklärung nebst den christlichen Tugendakten zu erneuern, nachdem sie gebeichtet und kommuniziert haben, indem sie sich vorstellen, als wären sie schon im Sterbebette und nahe daran, aus diesem Leben zu scheiden. (In unserem Büchlein von der Besuchung des heiligsten Sakramentes - welches unter unseren geistlichen Werken sich befindet - ist diese Übung der Akte, die man in wenig Zeit lesen kann, weil sie kurz ist, zu finden.)
Was man im Leben nicht tut, ist im Tode schwer zu tun. Die Schwester Katharina vom heiligen Albertus, diese große Dienerin Gottes aus dem Orden der heiligen Theresia, seufzte, als sie starb und sagte: „Meine Schwestern! ich seufze nicht aus Furcht vor dem Tode, denn ich erwarte ihn schon seit 25 Jahren; ich seufze, indem ich so viele betrogen sehe, die das Leben in Sünden zubringen und den Friedensschluß mit Gott auf den Tod verschieben, während ich kaum „mein Jesu!“ sagen kann“.
Prüfe dich also, mein Bruder, ob dein Herz an irgend etwas Irdischem - an einer Person, an einer Ehre, an jenen Geldern, an jener Gesellschaft, an jenen Belustigungen hänge, und denke, daß du nicht ewig da sein werdest. Du wirst sie einst und vielleicht bald verlassen müssen. Und darum willst du dein Herz daran hängen und dich der Gefahr, unruhig zu sterben, aussetzen? Opfere von nun an alles Gott auf, bereit, dessen beraubt zu werden, wenn es ihm gefällig ist. Willst du ergeben sterben, so mußt du dich schon jetzt in alle vorkommenden Widerwärtigkeiten ergeben, die dir begegnen können und mache dich von den Neigungen zu den irdischen Dingen los. Halte den Augenblick des Todes dir vor Augen, und du wirst alles verachten: „Wer immer bedenkt, daß er sterben werde, verachtet alles mit Leichtigkeit“, sagte der heilige Hieronymus.
Hast du deinen Lebensstand noch nicht erwählt, so wähle dir jenen, den du im Tode gewählt zu haben wünschest, und der dir im Tode mehr Zufriedenheit verschaffen wird. Hast du ihn aber schon gewählt, so tue, was du dann in deinem Stande getan zu haben wünschen würdest. Handle so, als wäre jeder Tag der letzte deines Lebens und verrichte jedes Werk, das du vorhast, jedes Gebet, jede Beicht, jede Kommunion so, als wäre es deine letzte Handlung. Stelle dir von Stunde zu Stunde vor, als wärest du sterbend, im Bette liegend und als hörtest du dir zurufen: „Reise ab von dieser Welt“. O wie nützlich wird dir dieser Gedanke sein, um gut zu wandeln und dich von der Welt zu trennen! Selig ist der Knecht, den sein Herr bei seiner Ankunft also finden wird. (Mt 24,46) Wer des Todes zu jeder Stunde gewärtig ist, wird gut sterben, wenn dieser auch unversehens käme.
Anmutungen und Bitten
Jeder Christ soll in jenem Augenblicke, wo man ihm die Nachricht von seinem Tode bringen wird, so zu sprechen bereit sein: Wenige Stunden bleiben mir also noch übrig, o mein Gott! in diesen will ich dich so viel, als ich es in diesem Leben vermag, lieben, um dich im anderen desto mehr zu lieben. Gar wenig habe ich dir anzubieten: Ich opfere dir diese Schmerzen und das Opfer meines Lebens in Vereinigung jenes Opfers, das Jesus Christus am Kreuze dir für mich dargebracht. Herr, die Schmerzen, die ich leide, sind wenig und gering gegen jene, die ich verdiente; ich nehme sie an, wie sie sind, zum Zeichen der Liebe, die ich zu dir habe. Ich unterwerfe mich allen Strafen, die du in diesem und im anderen Leben über mich verhängen willst, wenn ich dich nur in Ewigkeit lieben kann; strafe mich, so viel dir gefällig ist, doch beraube mich nicht deiner Liebe. Ich erkenne, daß ich es nicht mehr verdiente, dich zu lieben, weil ich deine Liebe so oft verachtet habe; allein du kannst ja eine reuevolle Seele nicht verstoßen. Es reuet mich, dich, o höchstes Gut, beleidigt zu haben. Ich liebe dich von ganzem Herzen und vertraue ganz auf dich. Dein Tod, o mein Erlöser, ist meine Hoffnung! In deine verwundeten Hände empfehle ich meine Seele! In Deine Hände empfehle ich meinen Geist; du hast mich erlöst, o Herr! Gott der Wahrheit. O mein Jesu! du gabst dein Blut hin, um mich zu retten; lasse nicht zu, daß ich jemals von dir getrennt werde. Ich liebe dich, o ewiger Gott; und hoffe dich in Ewigkeit zu lieben. - Maria, meine Mutter, hilf mir in diesem wichtigen Augenblicke. Schon jetzt übergebe ich dir meinen Geist; sage zu deinem Sohne, er möchte meiner sich erbarmen. Dir empfehle ich mich, o bewahre mich vor der Hölle!
Wert der Zeit
„Mein Sohn, wende die Zeit wohl an „ (Eccl 4,23)
1. Punkt
Mein Sohn, sagt der heilige Geist, sei bedacht, die Zeit wohl anzuwenden, da sie das kostbarste und größte Geschenk ist, welches Gott einem Menschen, der da lebt, geben kann. Auch die Heiden erkannten es, wie kostbar die Zeit sei. Seneca sagt, der Wert der Zeit lasse sich nicht schätzen: „Die Zeit ist unschätzbar“. Noch höher schätzten die Heiligen die Zeit. Der heilige Bernardinus von Siena sagte, ein Augenblick Zeit gelte so viel, als Gott wert ist: denn in jedem Augenblicke könne man durch einen Akt der Reue oder der Liebe die göttliche Gnade und die ewige Herrlichkeit sich erlangen. „In geringer Zeit kann der Mensch die Gnade und Herrlichkeit gewinnen. Die Zeit ist ebensoviel wert als Gott; denn in der gut zugebrachten Zeit wird Gott erworben.“ (S. Bern. Ser. Fer. IV. post Dom. 1. Quad. Cap 4)
Die Zeit ist ein Schatz, den man nur in diesem Leben findet; im anderen findet man ihn nicht, weder in der Hölle noch im Himmel. In der Hölle sagen die Verdammten weinend: O gäbe es noch eine Stunde! Um jeden Preis würden sie eine Stunde Zeit bezahlen, in der sie ihrem Unglücke abhelfen könnten; allein diese Stunde werden sie nie bekommen. Im Himmel weinet man zwar nicht: doch, könnten die Seligen weinen, so würden sie es nur darum tun, daß sie in diesem Leben die Zeit verloren haben, in der sie eine noch größere Herrlichkeit hätten erlangen können; und diese Zeit können sie nicht mehr haben. Eine Benediktiner-Nonne erschien nach ihrem Tode in ihrer Verklärung einer Person und sagte zur selben, sie wäre vollkommen zufrieden; wenn sie aber etwas wünschen könnte, so wäre es das, wieder ins Leben zu kommen und da zu leiden, um dadurch eine noch größere Herrlichkeit sich zu verdienen; und sie wäre, sprach sie, froh, wenn sie ihre schmerzhafte Krankheit, die sie im Tode hatte, bis zum letzten Gerichtstage hätte ausstehen müssen, um jene Glorie sich zu erwerben, die für das Verdienst eines einzigen Ave Maria erlangt wird.
Und du, mein Bruder, wozu wendest du die Zeit an? Warum verschiebst du immer auf morgen, was du heute tun kannst? Bedenke, daß die vergangene Zeit nicht mehr dein sei; die künftige ist nicht in deiner Macht; nur die gegenwärtige hast du, um gut zu handeln. „Was tust du, Elender, dir auf die Zukunft zugute, warnt der heilige Bernardus, als hätte der Vater dir die Zeiten in die Gewalt gegeben?“ (Serm. de part. etc) Und der heilige Augustinus sagt: „Hast du über einen Tag Gewalt, da du sie nicht einmal über eine Stunde hast? Wie kannst du dir den morgigen Tag versprechen, da du nicht einmal weißt, ob du noch eine Stunde leben werdest?“ Bist du also heute nicht zum Tode bereit, so befürchte, schließt die heilige Theresia, übel zu sterben.
Anmutungen und Bitten
O mein Gott! Ich danke dir für die Zeit, die du mir gibst, um die Unordnungen des vergangenen Lebens gut zu machen. Wenn ich in diesem Augenblicke sterben müßte, so wäre es einer meiner größten Schmerzen, an die verlorene Zeit zu denken. Ach, mein Herr! du gabst mir die Zeit, um dich zu lieben, und ich brachte sie in Beleidigungen gegen dich zu. Vom ersten Augenblicke an, in dem ich dir den Rücken kehrte, hätte ich verdient, von dir in die Hölle verstoßen zu werden; doch du riefest mich zur Buße und vergabst mir. Ich versprach dir, dich nicht mehr zu beleidigen; allein wie oft beschimpfte ich dich aufs Neue, und du - hast mir neuerdings verziehen! Deine Barmherzigkeit werde in Ewigkeit gepriesen. Wäre sie nicht unendlich, wie hätte sie mich so lange ertragen können? Wer hätte mit mir eine so große Geduld haben können, wie du gegen mich hattest? O wie schmerzt es mich, einen so guten Gott beleidigt zu haben! Mein teurer Heiland! die Geduld, die du mit mir hattest, sollte allein schon mich zur Liebe gegen dich entzünden. Ach, laß nicht zu, daß ich deiner Liebe, die du zu mir trugst, wieder undankbar sei. Mache mich von allem los und feßle mich an deine Liebe. Nein, mein Gott! ich will die Zeit nicht mehr verschwenden, die du mir gönnest, um das verübte Böse gut zu machen: ich will sie ganz in deinem Dienste und in Liebe zu dir zubringen. Gib mir die heilige Beharrlichkeit. Ich liebe dich, o unendliche Güte und hoffe, dich in Ewigkeit zu lieben. — Ich danke dir, o Maria! du erflehtest mir diese Lebensfrist; stehe mir jetzt bei und mache, daß ich sie ganz in Liebe zu deinem Sohne, meinem Erlöser, und zu dir, meiner Königin und Mutter, zubringe.
11. Betrachtung
Wert der Zeit
2. Punkt
Es gibt nichts so Kostbares als die Zeit; aber nichts in der Welt schätzen die Menschen so wenig und nichts achtet man so gering als die Zeit. Das ist es, was der heilige Bernardus beweint: „Nichts ist von so hohem Werte als die Zeit, und doch wird nichts so gering geschätzt“. (Serm. ad Schol.) Und dann spricht er weiter: „Es vergehen die Tage des Heiles, und niemand bedenkt, daß der Tag für ihn verloren gehe und nie mehr zurückkommen werde“. Du wirst sehen, wie dieser Spieler die Zeit Tag und Nacht mit Spielen vergeudet. Fragst du ihn: Was tust du? so antwortet er: „Ich vertreibe mir die Zeit“. Diesen da, der immer herumschweift, wirst du ganze Stunden lang mitten auf der Straße stehen, die Vorübergehenden begaffen, garstiges oder unnützes Gespräch führen sehen, und fragst du ihn: Was tust du? so antwortet er: „Ich vertreibe mir die Zeit“. Arme Blinde, die so viele Tage verlieren! Tage, die nicht wieder kommen!
O du geringgeschätzte Zeit! du wirst zur Zeit des Todes von den Weltkindern am allermeisten gewünscht werden. Dann werden sie noch ein Jahr, noch einen Monat, noch einen Tag wünschen, aber nicht mehr bekommen; sie werden die Worte hören müssen: Es wird keine Zeit mehr sein. Wie viel würde dann jeder von diesen für eine Woche, für einen Tag geben, um sein Gewissen besser zu ordnen! Auch um die Zeit von einer Stunde, sagt der heilige Laurentius Justinianus, würde dieser alle seine Güter hingeben: „Vermögen, Ehren, Vergnügungen würde er für eine kleine Stunde hingeben.“ (De vita sol. Cap. 10) Allein diese Stunde wird ihm nicht mehr gegeben werden. Der ihm beistehende Priester wird zu ihm sagen: sogleich, geschwind scheide von dieser Welt, es ist nicht mehr Zeit: „Fahre hin, christliche Seele, von dieser Welt.“ - Deswegen ermahnt uns der Prophet, wir sollen Gottes eingedenk sein, und bevor das Licht vergeht, seine Gnade zu erhalten suchen: Sei deines Schöpfers eingedenk, ehe die Sonne und das Licht verfinstert werden. (Eccl 12,1) Wie bitter ist es für einen Wanderer, wenn er, nachdem es schon Nacht geworden, erst bemerkt, daß er den Weg verfehlt habe, und daß es nicht mehr an der Zeit sei, zu helfen. Diese Bitterkeit wird jener im Tode haben, der viele Jahre in der Welt lebte, aber die Zeit nicht für Gott verwendete: Es kommt die Nacht, wo niemand arbeiten kann. (Jer 9, 4) Alsdann wird für ihn der Tod die Nachtzeit sein: Er hat die Zeit wider mich aufgerufen. (Thren 1,15) Das Gewissen wird ihn dann erinnern, wie viele Zeit er hatte, und wie er sie zum Schaden seiner Seele verwendete; wie viele Aufforderungen, wie viele Gnaden er von Gott erhielt, um heilig zu werden, und - er wollte sie nicht benützen; und so wird er nun den Weg, etwas Gutes zu tun, verschlossen finden. Und darum wird er weinen und sagen: O wie töricht war ich! O verlorene Zeit! o verlorenes Leben! o verlorene Jahre, in denen ich hätte heilig werden können! aber - es geschah nicht, und jetzt ist nicht mehr Zeit dazu. Was wird aber dies Weinen und Seufzen alsdann nützen, wenn dieses Schauspiel endet, die Lampe zu erlöschen beginnt, und der Sterbende diesem wichtigen Augenblicke, wovon die Ewigkeit abhängt, schon ganz nahe ist?
Anmutungen und Bitten
Ach mein Jesus! du gabst dein ganzes Leben hin, um meine Seele selig zu machen, es gab keinen Augenblick in deinem Leben, wo du dich nicht für mich dem ewigen Vater opfertest, um mir die Verzeihung und das ewige Heil zu erlangen, und ich - war so viele Jahre auf der Welt, und wie viele brachte ich für dich zu? Ach! alles, dessen ich mich erinnere, getan zu haben, macht meinem Gewissen Vorwürfe: des Bösen war viel, des Guten wenig; und dies wenige war ganz voll von Unvollkommenheiten, Trägheit, Eigenliebe und Zerstreuungen. Ach mein Erlöser! leider war alles so beschaffen, denn alles, was du für mich tatest, vergaß ich. Du dachtest stets an mich, und ich war deiner uneingedenk; du gingst mir nach, als ich vor dir floh, und riefest mir so oftmals zu, ich sollte dich lieben. Siehe mein Jesu, ich will nicht länger widerstehen. Wie lange sollte ich noch warten? etwa bis du mich ganz verlassest? Es reuet mich, o höchstes Gut! mich durch die Sünden von dir getrennt zu haben. Ich liebe dich, unendliche Güte, unendlicher Liebe würdig! Ach laß mich diese Zeit nicht mehr verlieren, die du mir aus Barmherzigkeit schenkest. Ach mein geliebter Heiland! erinnere mich immer an die Liebe, die du zu mir trugst, und an die Schmerzen, die du für mich littest. Laß mich alles vergessen, damit ich in dem mir übrigen Leben nur daran denke, dich zu lieben, und dir wohlgefällig zu sein. Ich liebe dich, mein Jesu, meine Liebe, mein Alles! Ich verspreche dir, so oft ich daran denke, Akte der Liebe zu dir zu machen. Gib mir die heilige Beharrlichkeit. Ich vertraue gänzlich auf die Verdienste deines Blutes — und auf deine Fürbitte, o meine liebe Mutter Maria! verlaß ich mich!
11. Betrachtung
Wert der Zeit
3. Punkt
Wandelt, so lange ihr Licht habt. (Joh 12,35) Wir müssen jetzt im Leben auf dem Wege des Herrn wandeln, da wir das Licht haben, denn im Tode verschwindet es. Alsdann ist nicht Zeit sich vorzubereiten, sondern bereitet zu sein. Seid bereit. Im Tode kann man nichts tun; was dann geschehen ist, ist geschehen. O Gott! wenn einem angekündet würde, daß er sich bald um sein Leben und um sein ganzes Hab und Gut zu entscheiden habe, wie würde er sich eiligst nach einem guten Rechtsfreund umsehen, um seine Schiedsrichter von seinen Gründen zu verständigen, und wie würde er eilen, die Mittel ausfindig zu machen, wodurch er ihre Gunst gewänne? Und was tun wir? Wir wissen gewiß, daß bald, ja es kann zu jeder Stunde geschehen, es sich um das wichtigste Geschäft, das wir haben, nämlich um unser ewiges Heil handeln wird, und wir verlieren die Zeit! Da wird jemand sagen: Aber ich bin jung; später werde ich mich Gott schon ergeben. Allein wisset, antworte ich, daß der Herr den Feigenbaum verfluchte, den er ohne Frucht fand, obwohl noch nicht die Zeit der Früchte da war, wie das Evangelium bemerkt: Denn es war noch nicht die Zeit der Feigen. (Mk 11,13) Dadurch wollte Jesus Christus sagen, daß der Mensch zu jeder Zeit auch in der Jugend, die Frucht guter Werke tragen solle, sonst werde er verflucht werden, und in Zukunft keine Früchte mehr tragen: Nun soll von dir in Ewigkeit niemand mehr eine Frucht genießen. So sagte der Erlöser zu diesem Baume; und so verflucht er den, der von ihm gerufen wird und ihm widersteht. Ach, welch eine wichtige Sache! Der böse Geist hält die Dauer unseres Lebens für eine kurze Zeit, und verliert daher keinen Augenblick, um uns zu versuchen: Der Teufel kommt zu euch mit einem großen Zorne herauf, weil er weiß, daß er wenig Zeit mehr habe. (Offb 12,12) Somit verliert der Feind keine Zeit, um uns zu Grunde zu richten, und wir - vergeuden die Zeit, da wir uns retten sollten!
Ein anderer wird sagen: Aber, was tue ich denn Böses! O Gott! ist das nichts Böses, wenn man die Zeit mit Spielen und unnützen Gesellschaften vertreibt, welche der Seele nichts nützen? Gab uns etwa Gott die Zeit, um sie zu verlieren? Nein, sagte der heilige Geist: Lass keinen Teil des guten Tages ungenützt. (Eccl 4) Jene Arbeiter, von denen der heilige Markus spricht, die nichts Übles taten, sondern nur die Zeit verloren, wurden vom Herrn des Weinbergs getadelt. Was steht ihr hier den ganzen Tag müßig? (Mt 20) Am Gerichtstage wird Jesus Christus für jedes unnütze Wort von uns Rechenschaft fordern. Jede Zeit, die nicht für Gott zugebracht wird, ist verlorene Zeit: „Jene Zeit, wo du nicht an Gott dachtest, halte für verloren“. (S. Bern. Coli. 1,8) Deswegen ermahnt uns der Herr: Was deine Hand zu tun vermag, tue hurtig, denn im Grabe, dem du zueilst, wird weder Arbeit, noch Zeit sein. (Eccl 9,10) Die ehrwürdige Johanna von der allerheiligsten Dreifaltigkeit, eine Laienschwester aus dem Orden der heiligen Theresia, sagte: im Leben der Heiligen gäbe es kein „morgen“. Das „morgen“ ist im Leben der Sünder üblich, welche immer sagen: später, später, und so machen sie es bis zum Tode. Siehe, jetzt ist die Gnadenzeit. (2 Kor 6,2) Wenn ihr heute seine Stimme höret, so verhärtet eure Herzen nicht. (Ps 94,8) Gott ruft dich, auf daß du Gutes tuest, tue es heute, denn morgen ist vielleicht nicht mehr Zeit oder Gott ruft dich nicht mehr.
Und hast du die vergangene Zeit zu deinem Unglücke in Beleidigungen Gottes zugebracht, so suche es in dem dir übrigen Leben zu beweinen, wozu der König Ezechias sich entschloß: Ich will vor dir alle meine Jahre in Bitterkeit meiner Seele überdenken. (Ps 39,15) Gott gibt dir das Leben, damit du nun die verlorene Zeit ersetzest. Erkaufet die Zeit, denn die Tage sind böse. (Eph 5,16) Der heilige Anselmus legt dies so aus: Die Zeit wirst du erkaufen, wenn du das tun wirst, was du zu tun unterlassen hast. Vom heiligen Paulus sagte der heilige Hieronymus, daß er obschon der letzte unter den Aposteln, dennoch den Verdiensten nach der erste war, in Rücksicht auf das, was er hernach tat, als er berufen worden. „Paulus, der letzte der Ordnung, der erste den Verdiensten nach, weil er mehr, als alle gearbeitet.“ Bedenken wir, wenn es sich auch um nichts anders handelte, so können wir doch alle Augenblicke etwas Größeres erwerben, als die irdischen Güter sind. Wenn du dir so viele irdische Sachen erwerben könntest, soweit du in einem Tage herumzugehen, oder so viel Geld, als du an einem Tage zu zählen vermöchtest, wie würdest du eilen? Und wirklich kannst du in jedem Augenblicke ewige Schätze erwerben, und doch willst du die Zeit vertreiben? Was du tun kannst, tue heute; sage nicht, du könnest es morgen tun; denn der heutige Tag wird für dich verloren sein, und nicht mehr kommen. Wenn andere Gespräche führten von der Welt, wandte sich der heilige Franziskus von Borgia mit heiligen Anmutungen zu Gott, so daß er, wenn man ihn um seine Meinung fragte, nichts zu antworten wußte; hierüber getadelt, sagte er dann: „Ich will mich lieber einen Menschen ohne Bildung nennen lassen als Zeitverlust leiden“.
Anmutungen und Bitten
Nein, mein Gott, nimmermehr will ich diese Zeit verlieren, die du mir aus Barmherzigkeit schenkst. Ich sollte nun in der Hölle sein und fruchtlos weinen. Ich danke dir, daß du mich am Leben erhalten hast; ich will also in den Tagen, die mir übrig bleiben, nur für dich leben. Wenn ich jetzt in der Hölle wäre, würde ich weinen, allein aus Verzweiflung und ohne Nutzen. Ich will die Beleidigungen, die ich dir antat, beweinen; und da ich weine, bin ich gewiß, daß du mir verzeihest, indem der Prophet mich dessen versichert: Wenn du weinst, wirst du hinfort nicht mehr weinen, der Barmherzige wird sich deiner erbarmen. (Jes 30,19) Wäre ich in der Hölle, so könnte ich dich nicht mehr lieben: nun aber liebe ich dich und hoffe, dich immer zu lieben. Wäre ich in der Hölle, so könnte ich dich nicht mehr um Gnaden bitten; aber jetzt höre ich dich sagen: Bittet, und ihr werdet empfangen. Da ich also noch in der Zeit bin, dich um Gnaden zu bitten, so bitte ich um zwei Gnaden, o Gott meiner Seele! schenke mir die Beharrlichkeit in deiner Gnade und gib mir deine Liebe, und dann tue mit mir, was du willst. Mache, daß ich mich in allen Augenblicken meines noch übrigen Lebens, dir mein Jesu, anempfehle und sage: Herr, hilf mir! erbarme dich meiner! Mache, daß ich dich nicht mehr beleidige, daß ich dich liebe! — O heiligste Jungfrau Maria, meine Mutter, erlange mir die Gnade, mich Gott immer anzuempfehlen und ihn um die Beharrlichkeit und um seine heilige Liebe zu bitten.
Wichtigkeit des Heiles
„Wir bitten euch aber, Brüder, daß ihr euer Geschäft verrichtet.“
(1 Thess 4,10,11)
1. Punkt
Das Geschäft des ewigen Heiles ist für euch gewiß das aller-wichtigste Geschäft, aber eben dieses wird von den Christen am meisten vernachlässigt. Man spart keinen Fleiß, man verliert keine Zeit, um jene Ehrenstelle zu erlangen, um diesen Rechtsstreit zu gewinnen, um jene Ehe zu schließen; wie oft beratet man sich, wieviele Maßregeln ergreift man? Man ißt nicht, man schläft nicht! Und das ewige Heil zu sichern, was tut man? wie lebt man? Man tut nichts, man tut vielmehr alles, um zu Grunde zu gehen; und der größte Teil der Christen lebt, als wären der Tod, das Gericht, die Hölle, der Himmel und die Ewigkeit keine Glaubenswahrheiten, sondern von den Dichtern erfundene Fabeln. Welchen Verdruß hat man, wenn ein Rechtsstreit, eine Ernte schlecht ausfällt. Und welchen Fleiß gibt man sich nicht, einen gehabten Schaden gutzumachen? Wenn ein Pferd, ein Hund verloren gegangen ist, wie bemüht man sich nicht, sie wieder zu finden? Verliert man aber die Gnade Gottes - so schläft man, man scherzt und lacht. O eine sehr bedenkliche Sache! Jeder schämt sich, in den weltlichen Geschäften nachlässig genannt zu werden; und so viele schämen sich nicht, das Geschäft der Ewigkeit zu vernachlässigen, an dem doch alles gelegen ist! Sie nennen die Heiligen weise, weil sie nur bedacht waren, selig zu werden, und doch denken sie lieber auf alle Dinge dieser Welt, als auf ihre Seele! „Ihr aber, meine Brüder, sagt der heilige Paulus, habt nur auf euer großes Geschäft, auf euer ewiges Wohl euer Augenmerk, welches euer wichtigstes ist: wir bitten euch, daß ihr euer Geschäft verrichtet.“ Halten wir uns also überzeugt, daß das ewige Heil für uns das wichtigste, das einzige Geschäft, welches, wenn es einmal fehlgeschlagen, zugleich unersetzlich ist.
Es ist das wichtigste Geschäft. Und mit Recht; denn es ist ein Geschäft von den größten Folgen, indem es sich um die Seele handelt; und ist diese verloren, so ist alles verloren. Die Seele müssen wir höher schätzen, als alle Güter der Welt. „Die Seele ist kostbarer, als die ganze Welt,“ sagt der heilige Johannes Chrysostomus. Um dies zu verstehen, genügt zu wissen, daß Gott sogar seinen Sohn in den Tod dahin gab, um unsere Seelen zu retten: Also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn hingab. (Joh 3,16) Und das ewige Wort weigerte sich nicht, mit seinem eigenen Blute sie zu erkaufen: Denn ihr seid um einen hohen Preis erkauft worden (1 Kor 6, 20), so daß es, sagt ein heiliger Vater, das Ansehen hat, als gelte der Mensch ebensoviel als Gott: „Die Erlösung der Menschen ist ein so kostbares Geschenk, daß der Mensch an Wert Gott gleichzukommen scheint“. Daher sagte Jesus Christus: Was für ein Lösegeld wird der Mensch für seine Seele geben? (Mt 16,26). Wenn also die Seele so hoch im Werte ist, um welches Gut der Welt wird sie der Mensch, so er sie verloren, wieder einlösen?
Der Heilige Philippus Nerius hatte wohl Recht, daß er den, der auf Rettung seiner Seele nicht bedacht ist, einen Toren nannte. Wenn es auf der Welt sterbliche Menschen, und unsterbliche gäbe, und wenn die sterblichen sehen würden, daß die unsterblichen sich nur mit irdischen Dingen, mit Erwerbung von Ehren, Gütern und Unterhaltungen der Welt beschäftigen, so würden sie sicherlich zu ihnen sprechen: O wie töricht seid ihr! Ihr könnt ewige Güter erlangen, und denkt an diese elenden und vergänglichen Dinge! - und werdet durch diese im anderen Leben zu ewigen Qualen verdammt. Laßt an diese irdischen Güter nur uns Unglückliche denken, für die mit dem Tode alles enden wird. Doch nein! sind wir nicht alle unsterblich? und wie kommt es doch, daß so viele der elenden Freuden dieser Welt wegen ihre Seele verlieren? Wie kommt es, sagt Salvianus, daß die Christen an ein Gericht, an eine Hölle, an eine Ewigkeit glauben, und doch leben, ohne sie zu fürchten? „Was ist die Ursache, daß der Christ, obwohl er an eine Zukunft glaubt, die Zukunft doch nicht fürchtet?“
Anmutungen und Bitten
Ach mein Gott! wie brachte ich so viele Jahre zu, die du mir gabst, damit ich für mein ewiges Wohl sorgte? Du, mein Erlöser, kauftest meine Seele mit deinem Blute, und übergabst sie dann mir, damit ich bedacht wäre, sie zu retten. Allein, ich war nur darauf bedacht, sie zu Grunde zu richten, und dich zu beleidigen, der du mich so sehr liebtest. Ich danke dir, daß du mir noch Zeit lassest, meinen großen Verlust zu ersetzen. Ich verlor meine Seele, und deine schöne Gnade. Herr! es schmerzt mich, es ist mir von ganzem Herzen leid. Ach verzeihe mir! ich nehme mir von nun an vor, lieber alles, auch das Leben eher zu verlieren, als deine Freundschaft. Ich liebe dich über alles, und bin entschlossen, dich immer zu lieben, o höchstes unendlicher Liebe würdiges Gut! Hilf mir, mein Jesus! damit dieser mein Entschluß nicht meinen früheren Vorsätzen gleich sei, welche lauter Treulosigkeit waren. Laß mich sterben, ehe ich dich neuerdings beleidige, und zu lieben unterlasse. — O Maria, meine Hoffnung! mache mich selig durch Erlangung der heiligen Beharrlichkeit.
12. Betrachtung
Wichtigkeit des Heiles
2. Punkt
Das Geschäft des ewigen Heils ist nicht nur das wichtigste, sondern es ist das einzige, das wir in diesem Leben haben: Nur Eines ist notwendig. Der heilige Bernardus beweint die Torheit der Christen, welche das Tändeln der Kinder Tändelei, und ihre eigenen weltlichen Angelegenheiten Geschäfte nennen: „Die Spiele der Kinder nennt man Tändelei, die Spiele aber der Erwachsenen heißt man Geschäfte.“ Diese Torheiten der Erwachsenen sind die größten Torheiten. Und was hilft es, sagt der Herr, wenn man die ganze Welt gewinnt und die Seele verliert? Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, an seiner Seele aber Schaden leidet? (Mt 16,26) Wirst du selig, mein Bruder, so liegt nichts daran, ob du auf dieser Erde arm, betrübt und verachtet warst; erlangst du die Seligkeit, so wirst du nicht mehr Schmerzen leiden, und in alle Ewigkeit glücklich sein. Wenn du aber sie verfehlst und verdammt wirst - was wird es dir in der Hölle nützen, alle Unterhaltungen der Welt mitgemacht zu haben, reich, und in Ansehen gewesen zu sein? Mit dem Verluste der Seele, verliert man Unterhaltungen, Ehren, Reichtümer, ja man verliert alles.
Was wirst du Jesu Christo am Tage der Rechenschaft antworten? Wenn ein König einen seiner Gesandten absenden würde, um in einer Stadt ein großes Geschäft zu verrichten, und wenn dieser, statt auf das ihm anvertraute Geschäft Bedacht zu nehmen, nur an Bälle, Schauspiele und Festlichkeiten dächte, und dadurch das Geschäft übel ausfallen würde, welche Rechenschaft würde er bei seiner Rückkunft dem Könige zu geben haben? Aber, o Gott, was für eine weit größere Rechenschaft wird dem Herrn beim Gerichte jener geben, der nicht auf die Welt kam, um sich zu unterhalten, um reicher zu werden, um Ehren zu erlangen, sondern um seine Seele zu retten, wenn dieser dessenungeachtet auf alles andere, nur nicht auf seine Seele seine Aufmerksamkeit gerichtet hätte? Den Weltkindern gleich denkt man nur an die Gegenwart, nicht an die Zukunft. Der heilige Philippus Nerius sagte einst zu einem talentvollen jungen Menschen zu Rom, Franciscus Zazzera mit Namen, welcher der Welt ergeben war, also: Mein Sohn, du wirst ein großes Glück machen, du wirst ein guter Rechtsfreund werden, dann wirst du Prälat werden, sodann vielleicht auch Kardinal. Und wer weiß, etwa auch Papst. Und hernach? Und hernach?
Gehe, sagte er am Ende zu ihm, überdenke diese letzten Worte. Franciscus ging nach Hause, und da er diese zwei Worte“ „und hernach? und hernach“ erwog, verließ er seine weltlichen Gesinnungen, und auch die Welt, und trat in die Gesellschaft des heiligen Philippus, wo er nur auf Gott sein Augenmerk zu richten begann.
Unser einziges Geschäft ist es, weil wir nur eine Seele haben. Benedictus XII wurde von einem Fürsten um eine Gnade gebeten, die er ohne Sünde nicht zugestehen konnte; da antwortete der Papst dem Gesandten: Sagen sie ihrem Fürsten: „Hätte ich zwei Seelen, so könnte ich eine für ihn verlieren, und die andere für mich behalten; da ich aber nur eine einzige habe, so kann und will ich sie nicht verlieren“. Der heilige Franciscus Xaverius sagte: auf der Welt gebe es ein einziges Gut, und ein einziges Übel; das einzige Gut ist die Erlangung der Seligkeit; das einzige Übel ist die Verdammnis. Dies sagte auch die heilige Theresia zu ihren Klosterfrauen, indem sie sprach: Schwestern, eine Seele, eine Ewigkeit! Sie wollte damit sagen: Ist diese einzige Seele verloren, so ist alles verloren: eine Ewigkeit; ist die Seele einmal verloren, so ist sie für immer verloren. Daher bat David: „Um eines bat ich den Herrn, dies will ich begehren, daß ich in dem Hause des Herrn wohnen könne“. (Ps 26,4) Herr, um eines bitte ich dich, und um nichts anderes: bewahre meine Seele!
Mit Furcht und Zittern wirket euer heilige (Phil 2,12) Wer sich nicht fürchtet und zittert zu Grunde zu gehen, wird nicht selig werden. Um selig zu werden, muß man sich also bemühen und Gewalt antun: Das Himmelreich leidet Gewalt, und die Gewalt brauchen, reißen es an sich. (Mt 11,12) Die Seligkeit zu erlangen ist notwendig, daß im Tode unser Leben jenem Jesu Christi gleichförmig sei: Er hat sie vorher bestimmt, daß sie dem Bilde seines Sohnes ähnlich werden sollen. (Röm 8,29) Und daher müssen wir uns bemühen, indem wir einerseits die Gelegenheit fliehen, und andererseits die zur Erlangung des ewigen Heiles nötigen Mittel anwenden. „Den Weichlichen wird das Reich nicht gegeben werden, sagt der heilige Bernardus, sondern jenen, die im Dienste Gottes sich gehörig befleißen.“ Alle möchten ohne Unbequemlichkeit selig werden. O wichtige Sache! sagt der heilige Augustinus: der böse Feind bemüht sich so sehr, und schläft nicht, um uns zu Grunde zu richten, und du bist so sorglos, während es sich um dein ewiges Wohl oder Übel handelt! „Der Feind wacht, und du schläfst!“
Anmutungen und Bitten
Ach, mein Gott! ich danke dir, daß du mich jetzt zu deinen Füßen, und nicht in der Hölle sein lassest, die ich so oft verdiente. Doch, was würde mir das Leben nützen, das du mir erhältst, wenn ich deiner Gnade beraubt fortleben würde? Ach, daß dies doch nicht geschehe! Ich kehrte dir den Rücken, ich verlor dich, o mein höchstes Gut! Es reuet mich von ganzem Herzen; wäre ich doch tausend Mal eher gestorben! Ich verlor dich; doch dein Prophet läßt mich hören, daß du ganz gut bist, und dich gerne finden lassest von einer Seele, die dich sucht: Gott ist der Herr einer Seele, die ihn sucht. (Thren 3,25) Wenn ich vorher vor dir geflohen bin, o König meines Herzens! so suche ich dich jetzt, und suche nichts anderes als dich. Ich liebe dich von ganzem Herzen. Nimm mich an; verschmähe es nicht, von einem Herzen geliebt zu werden, das dich einst verachtete. Lehre mich deinen Willen tun. Lehre mich, was ich zu tun habe, um dir zu gefallen, ich will ja alles befolgen. Ach mein Jesus! rette diese meine Seele, wegen welcher du Blut und Leben gabst; und mein Heiland, verschaffe mir die Gnade, dich in diesem und im anderen Leben immer zu lieben. So hoffe ich von deinen Verdiensten. — Und so hoffe ich auch von deiner Fürbitte, o Maria!
12. Betrachtung
Wichtigkeit des Heiles
3. Punkt
Ein wichtiges Geschäft, ein einziges Geschäft, ein Geschäft, das, einmal verunglückt, niemals wieder gutgemacht werden kann. Gewiß, es ist der allergrößte Fehler, das Geschäft des ewigen Heiles zu verfehlen. Es gibt keinen Fehler, der so groß ist, als die Vernachlässigung des ewigen Heiles. Gegen alle übrigen Fehler gibt es ein Mittel. Verliert jemand etwas, so kann er es wieder auf einem anderen Wege erhalten; kommt einer um eine Stelle, so kann es ein Mittel geben, sie wieder zu behaupten; sogar wenn jemand das Leben verlöre, so ist, wenn er nur selig wird, für alles geholfen. Kein Mittel aber gibt es mehr für den, welcher verdammt wird. Nur einmal stirbt man, ist die Seele einmal verloren, so ist sie für immer verloren: „Einmal verloren, ewig verloren“. Es bleibt nichts übrig, als mit den anderen elenden Toren in der Hölle ewig zu weinen, wo die größte Qual, welche sie leiden, diese ist, daß sie denken, die Zeit, ihrem Elende zu steuern, ist nun vorbei: Die Ernte ist vorbei, und wir sind nicht errettet worden. (Jer 8,20) Fraget jene Weisen der Welt, die jetzt in diesem feurigen Abgrunde sind, fraget sie, welche Gesinnungen sie jetzt haben und ob sie froh seien, auf dieser Welt ihr Glück gemacht zu haben, da sie jetzt zu jenem ewigen Gefängnisse verdammt sind. Höret, wie sie weinen und klagen: „Also waren wir irrig daran!“ Was nützt ihnen die Erkenntnis des begangenen Fehlers jetzt, da gegen ihre ewige Verdammnis kein Mittel mehr ist? Welchen Verdruß hätte einer auf dieser Welt gehabt, wenn er seinen Palast, gegen dessen Einsturz er mit geringen Unkosten hätte helfen können, zusammengefallen gefunden und seine Nachlässigkeit erst dann bedacht hätte, wo keine Hilfe mehr möglich war?
Dies ist die größte Pein der Verdammten, indem sie bedenken, daß sie aus ihrer Schuld ihre Seele verloren und verdammt worden sind. O Israel, du hast dich selbst zu Grunde gerichtet, deine Hilfe aber steht bei mir allein (Os 13,9) Die heilige Theresia sagte, wenn jemand aus eigener Schuld ein Kleid, einen Ring, ja auch eine Kleinigkeit verliert, so hat er keine Ruhe; da ißt und schläft er nicht. O Gott! welchen Schmerz wird der Verdammte haben, wenn er in die Hölle eintreten wird, wenn er sich schon in diesem Gefängnisse eingeschlossen befinden, an sein Unglück denken und sehen wird, daß es in alle Ewigkeit kein Mittel mehr für ihn gebe! Also wird er sagen: Ich habe die Seele, den Himmel und Gott verloren! Alles habe ich für immer verloren! Und warum? Aus meiner eigenen Schuld.
Es dürfte aber irgend einer sagen: Wenn ich diese Sünde begehe, warum soll ich denn verdammt werden? Vielleicht werde ich doch selig? Ich aber erwidere: Vielleicht wirst du doch verdammt. Ich sage sogar, du wirst viel gewisser verdammt, indem die Schrift den hartnäckigen Verrätern mit der Verdammung droht, wie du in dieser Hinsicht einer bist: Wehe euch, ihr abtrünnigen Kinder, spricht der Herr. (Jes 30,1) Wehe ihnen, daß sie von mir abgewichen sind. (Os 7,13) Setztest du durch diese Sünde, die du begehest, dein ewiges Heil nicht wenigstens in Gefahr und Ungewißheit? Und darf man dies Geschäft der Gefahr preisgeben? Es ist nicht um ein Haus, um ein Landgut, um eine Stelle zu tun, sagt der heilige Johannes Chrysostomus, es handelt sich um den Sturz in eine qualvolle Ewigkeit, um den Verlust eines ewigen Paradieses: „Um unsterbliche Qualen, um den Verlust des himmlischen Reiches!“ Und du willst dies Geschäft, das dein allerwichtigstes ist, einem „vielleicht“ preisgeben?
Du sagst: „Wer weiß?“ Vielleicht werde ich nicht verdammt werden; ich hoffe, Gott werde mir hernach schon verzeihen. Allein unterdessen? Unterdessen verdammst du dich schon selbst zur Hölle. Sage mir, würdest du dich in einen Brunnen stürzen und sagen: Wer weiß? Vielleicht werde ich dem Tode entkommen? Nein. Und wie kannst du dann dein ewiges Heil auf eine so schwache Hoffnung, auf ein „wer weiß?“ gründen? O wie viele wurden durch diese unselige Hoffnung verdammt! Weißt du nicht, daß die Hoffnung der hartnäckigen Sünder keine Hoffnung, sondern Betrug und Vermessenheit ist, und Gott nicht zur Barmherzigkeit, sondern nur zu größerem Unwillen anregt? Wenn du jetzt schon sagst, du vermagst nicht der Versuchung und deiner herrschenden Leidenschaft zu widerstehen: wie wirst du dann Widerstand leisten, wenn die Kräfte deiner Seele durch Begehung der Sünde sich nicht verstärkt, sondern geschwächt haben werden? Denn einesteils wird alsdann die Seele mehr verblendet und durch ihre Bosheit verstockter werden, und anderenteils wird der göttliche Beistand fehlen. Oder hoffest du etwa, Gott müsse dir sein Licht und seine Gnaden vermehren, nachdem du deine Sünden vermehrt haben wirst?
Anmutungen und Bitten
Ach mein Jesu! erinnere dich immer an den Tod, den du für mich gelitten, und gib mir Vertrauen. Ich fürchte, der böse Geist werde mich beim Anblick so vieler gegen dich begangener Treulosigkeiten zur Verzweiflung bringen. Wie oftmals versprach ich dir, dich nicht mehr beleidigen zu wollen, wenn ich das Licht sah, das du mir gabst, und dann kehrte ich dir wieder den Rücken mit der Hoffnung der Verzeihung? Warum hast du mich also nicht gestraft, da ich dir so viele Unbilden antat? Weil du mehr barmherzig gegen mich warst, darum tat ich auch mehr Beschimpfungen dir an! Mein Erlöser, gib mir einen großen Schmerz über meine Sünden, ehe ich von dieser Welt scheide. Ich bereue es, o höchstes Gut! dich beleidigt zu haben. Ich verspreche dir, von nun an lieber tausend Mal zu sterben, als dich wieder zu verlassen. Laß mich aber indessen hören, was du zu Magdalena sagtest: „Es werden dir deine Sünden vergeben,“ und laß mich zugleich einen großen Schmerz über meine Schulden fühlen, ehe es mit mir zum Sterben kommt; denn sonst befürchte ich, daß mein Tod unruhig und unglücklich ausfallen dürfte. Sei mir nicht zum Schrecken, der du in der Zeit der Trübsale meine Zuversicht bist. (Ter 17,17) In diesem Augenblicke sei mir, o mein gekreuzigter Jesus, nicht zum Schrecken. Würde ich sterben, ehe ich meine Sünden beweint, und dich geliebt habe, alsdann würden mir deine Wunden und dein Blut vielmehr Schrecken als Vertrauen einflößen. Ich bitte dich also nicht um irdische Freuden und Güter für mein übriges Leben, sondern um Reueschmerz und Liebe bitte ich dich. Erhöre mich, mein lieber Erlöser, um der Liebe willen, mit der du auf dem Berg Kaivaria für mich dein Leben geopfert hast. — Maria, meine Mutter, erlange mir diese Gnade nebst der heiligen Beharrlichkeit bis in den Tod.
Eitelkeit der Welt
„Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt,
an seiner Seele aber Schaden leidet?“
(Mt 16,26)
1. Punkt
Ein alter Weltweiser mit Namen Aristippus, reiste einmal zur See, litt Schiffbruch und verlor sein ganzes Hab und Gut. Da er aber ans Land gekommen und seiner Wissenschaft wegen sehr berühmt war, so wurde er von den dortigen Bewohnern mit allem versehen, was er verloren hatte. Daher schrieb er hernach seinen Landsleuten, sie sollten auf sein Beispiel hinschauen, und nur mit jenen Gütern sich versehen, die man nicht einmal durch den Schiffbruch verliert. Eben dies lassen uns unsere Verwandten und Freunde - die in der Ewigkeit sind - von jenseits her sagen: wir sollen während unseres Lebens darauf bedacht sein, nur mit jenen Gütern uns zu versehen, die selbst der Tod nicht entreißt. Der Sterbetag wird der Tag des Verderbens genannt: „Nahe ist der Tag des Verderbens“. (Dtn 32,35) Der Tag des Verderbens; denn an diesem Tage wird man um die Güter dieser Welt, um die Ehren, um alle Vergnügungen kommen. Deshalb sagte der heilige Ambrosius: Wir können sie nicht unsere Güter nennen, da wir sie nicht mit uns in die andere Welt bringen können, denn nur die Tugenden geleiten uns ins andere Leben „Nicht unser ist, was wir nicht mit uns nehmen können, die Tugend allein begleitet uns.“
Was hilft es also, sagt Jesus Christus, die ganze Welt gewinnen, wenn wir im Tode durch den Verlust der Seele alles verlieren werden? Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt? O wie viele junge Leute vermochte dieser wichtige Grundsatz, sich in Klöster zu begeben; wie viele Einsiedler trieb er an, in Wüsten zu leben; wie viele Blutzeugen ermutigte er, für Jesus Christus das Leben hinzugeben! Mit diesem Grundsatze gewann der heilige Ignatius von Loyola viele Seelen für Gott, und unter diesen besonders die schöne Seele des heiligen Franciscus Xaverius, der zu Paris mit irdischen Gedanken umging; „Bedenke Franciscus, also sprach einst der Heilige zu ihm, bedenke! die Welt ist treulos, sie macht Verheißungen und hält nicht Wort. Und sollte auch die Welt, was sie dir verspricht, halten, so könnte sie dennoch niemals dein Herz befriedigen. Setzen wir jedoch den Fall, sie würde es befriedigen: wie lange würde diese deine Glückseligkeit dauern? Kann es von längerer Dauer sein, als dein Leben? Und was wirst du am Ende davon in die Ewigkeit bringen? Gibt es dort etwa einen Reichen, der sich eine Summe Geldes oder einen Bedienten mitgenommen hat? Ist dort ein König, der ehrenhalber nur einen Faden von Purpur mitgetragen hat?“ Auf diese Worte hin verließ Franciscus die Welt, folgte dem heiligen Ignatius nach, und wurde heilig. Eitelkeit über Eitelkeit! also nannte Salomon alle Güter dieser Welt, nachdem er sich von allen möglichen Vergnügungen, die es auf dieser Welt gibt, nicht ein einziges versagt hatte, wie er selbst bekannte: „Und ich habe meinen Augen alles, was sie nur verlangten, gegönnt“ (Eccl 2,10) Es sagte die Schwester Margaretha von S. Anna, eine unbeschuhte Karmeliterin, Tochter des Kaisers Rudolph II.: „Was helfen die Königreiche in der Sterbestunde?“ O wichtige Sache! Es zittern die Heiligen bei dem Gedanken an den, ihr ewiges Heil entscheidenden Augenblick. Es zitterte Paulus Segneri und fragte ganz erschrocken seinen Beichtvater „Was sagen sie Pater? werde ich wohl selig werden?“ Es zitterte der heilige Andreas Avellinus, und unter Schluchzen und Seufzern sprach er: „Wer weiß, ob ich selig werde?“ Von diesem Gedanken war auch der heilige Ludovicus Bertrandus so ergriffen, daß er nachts vor Schrecken vom Bette aufsprang und jammerte: „Wer weiß, ob ich nicht verdammt werde?“ Und die Sünder? - sie leben in ihrer Verdammnis dahin, und schlafen und scherzen und lachen!
Anmutungen und Bitten
Ach Jesu! mein Erlöser! ich danke dir, daß du mich meine Torheit und meine Bosheit erkennen lassest, da ich dir den Rücken kehrte, der du für mich Blut und Lehen gabst. Nein, so verdientest du nicht von mir behandelt zu werden, wie ich dich behandelte. Siehe, wenn jetzt der Tod mich träfe, was würde ich in mir anderes finden, als Sünden und Gewissensbisse, woran ich voll Unruhe sterben müßte? Ich bekenne es, mein Erlöser, ich sündigte, weil ich dich, o höchstes Gut! wegen elender Freuden dieser Welt verlassen habe; ich bereue es vom ganzen Herzen. Ach um jenes Schmerzes willen, der dich am Kreuze tötete, gib mir einen solchen Schmerz über meine Sünden, daß ich im ganzen mir übrigen Leben die dir zugefügten Beleidigungen beweine. Mein Jesus, ach mein Jesus! verzeihe mir! ich verspreche, dich nicht mehr zu beleidigen, sondern immer zu lieben. Ich bin zwar deiner Liebe nicht wert, weil ich sie vorher so verachtete; doch du sagtest ja, du liebst den, der dich liebt: „Ich liebe, die mich lieben.“ (Spr 8) Ich liebe dich also, liebe auch du mich! Ich will mich nicht mehr in deiner Ungnade sehen. Ich entsage allen Herrlichkeiten und Genüssen dieser Welt, wenn nur du mich lieb hast. Mein Gott! erhöre mich um der Liebe Jesu Christi willen. Er bittet dich, daß du mich nicht von deinem Herzen verstoßest. Ich opfere mich dir ganz und gar; ich bringe dir mein Leben, meine Vergnügungen, meine Sinne, meinen Leib, meinen Willen und meine Freiheit zum Opfer dar. Nimm mich an; verschmähe mich nicht, wie ich es verdiente, weil ich so oft deine Freundschaft verschmäht habe: Verstoß mich nicht von deinem Angesichte! — Heiligste Jungfrau Maria, meine Mutter, bitte Jesum für mich, auf deine Fürsprache vertraue ich ganz!
13. Betrachtung
Eitelkeit der Welt
2. Punkt
Er hatte eine falsche Waage in seiner Hand (Os 12) Man muß die Güter auf der Waage Gottes abwägen, nicht aber auf jener falschen Waage dieser Welt. Die Güter der Welt sind allzu elend, um die Seele zu befriedigen, und nehmen bald ein Ende. Meine Tage sind schneller, als ein Läufer gewesen, sie sind vorübergegangen, wie ein Schiff, welches Äpfel führt (Job 9,25) Die Tage unseres Lebens vergehen und fliehen dahin, und was bleibt von den Freuden dieser Welt übrig? „Sie sind vorübergegangen, wie ein Schiff.“ Die Schiffe lassen keine Spur zurück, wo sie vorübersegelten: „Wie ein Schiff, das auf einem ungestümen Wasser daherfährt, dessen Lauf keine Spur hinter sich läßt, wenn es vorbei ist“ (Weish 5,10) Fragen wir so viele, so viele Gelehrte, Fürsten und Kaiser, die jetzt in der Ewigkeit sind, was sie von ihrer Pracht, Ergötzungen und Herrlichkeiten nun finden? Alle antworten: Nichts, nichts! O Mensch, sagt der heilige Augustinus: „Du hast acht auf das, was jemand hier besitzt: gib auf das acht, was er mitnimmt.“ (Serm. 13. de adv. Dom) Du achtest nur auf die Güter, die dieser Große besaß, sagt der Heilige, beobachte aber, was er jetzt, da er stirbt, mit sich nimmt: einen faulenden Leichnam und einen Fetzen Kleides, das mit ihm vermodern muß. Von den Großen der Welt, die da sterben, hört man kaum eine kleine Zeit lang reden, und dann verliert sich auch die Erinnerung an sie. Mit einem Geräusche ist ihr Andenken untergegangen (Ps 9,6) Und kommen dann die Elenden in die Hölle, was tun sie, was sagen sie dort? Sie weinen und sagen: Was nützte uns der Stolz, oder die Großsprecherei ob dem Reichtum? Dies alles ist verschwunden, gleich einem Schatten. (Weish 5,8) Was nützten uns unsere Pracht und Reichtümer, da nun alles wie ein Schatten vergangen und uns nichts als Qual, Weinen und ewige Verzweiflung übrig geblieben ist?
Die Kinder dieser Welt sind klüger, als die Kinder des Lichtes. (Lk 16,8) O wichtige Sache! Wie klug sind nicht die Weltkinder in irdischen Dingen! - Welche Mühe geben sie sich, um jene Ehrenstelle, um dies oder jenes zu gewinnen? Wie sorgfältig ist man, um die Gesundheit des Leibes zu erhalten? Man wählt die sichersten Mittel, den besten Arzt, die besten Arzneien, die beste Luft. Um die Seele aber sind wir unbekümmert! Und doch ist es gewiß, daß die Gesundheit, die Ehrenstellen, Hab und Gut einst vergehen werden; allein die Seele, die Ewigkeit vergeht nie! Betrachten wir, wie vieles doch die Menschen für dies oder jenes ausstehen, was sie sündhafterweise lieben, sagt der heilige Augustinus. Was steht jener Rachgierige nicht aus, jener Dieb, jener Wüstling, damit sein böses Vorhaben gelinge? Für ihre Seelen aber wollen sie nichts leiden? O Gott, daß die Weltkinder erst beim Lichte der Sterbekerze, daß sie erst zu dieser Zeit der Wahrheit ihre Torheiten einsehen und gestehen! Jeder sagt alsdann: O, hätte ich doch alles verlassen und mich nur geheiliget! Papst Leo XI. sagte bei seinem Tode: „Besser wäre es, ich wäre ein Pförtner meines Klosters gewesen, als ein Papst!“ Auch Honorius III., ebenfalls ein Papst, sagte auf dem Totenbette: „Besser wäre es gewesen, wenn ich in der Küche meines Klosters bei Schüsselwaschen geblieben wäre.“ Als Philipp II., König von Spanien, starb, rief er seinen Sohn zu sich, warf das königliche Kleid von sich, entblößte seine von Würmern zernagte Brust und sprach, sich zu demselben wendend: „Prinz, sieh wie man stirbt und wie die Herrlichkeiten der Welt ein Ende nehmen.“ Hierauf schrie er aus: O wäre ich doch ein Laienbruder und nicht ein Monarch gewesen! Zugleich ließ er sich einen Strick mit einem hölzernen Kruzifixbilde um den Hals binden und indem er über seine Sachen des Todes wegen verfügte, sprach er zu seinem Sohne: Es war mein Wille, daß du bei diesem Auftritte zugegen wärest, damit du sähest, wie die Welt am Ende auch die Monarchen behandelt. Ihr Tod ist also wie jener der ärmsten Leute der Welt. Kurz, nur der hat bei Gott einen besseren Platz zu erwarten, der besser lebt.“ Eben dieser Sohn, Philipp III., welcher als ein junger Mann von 43 Jahren starb, sagte: „Meine Untertanen, bei meiner Leichenrede sprechet von nichts anderem, als von diesem Schauspiele, das ihr sehet; sprechet, daß es im Tode zu nichts nütze, König zu sein, als um desto größere Pein zu fühlen.“ Und dann schrie er: „O wäre ich nur kein König gewesen und hätte ich in einer Einöde Gott gedient! Denn jetzt würde ich mit größerem Vertrauen hingehen, um mich vor sein Gericht zu stellen, und befände mich nicht in so großer Gefahr, verdammt zu werden.“ Wozu aber helfen solche Wünsche beim Sterben, als dazu, um die Pein und Verzweiflung desjenigen zu vergrößern, der im Leben Gott nicht liebte? Daher sagte die heilige Theresia: „Auf das, was mit dem Leben endet, soll man sich nicht verlassen; das wahre ist: so leben, daß man den Tod nicht fürchtet.“ Wollen wir also sehen, was die Güter dieser Welt seien, so betrachten wir sie an dem Totenbette, und alsdann sagen wir: diese Ehren, diese Schätze, diese Einkünfte werden einst ein Ende haben; wir müssen daher bedacht sein, selig und nur an jenen Gütern reich zu werden, die mit uns kommen und in alle Ewigkeit uns befriedigen werden.
Anmutungen und Bitten
Ach, mein Erlöser! du littest mir zu Liebe so viele Schmerzen und Unbilden; ich aber liebte die Vergnügen und Eitelkeiten dieser Welt so sehr, daß ich deine Gnade mit Füßen trat! Und obwohl ich dich verachtet, so unterließest du dennoch nicht, mir nachzugehen; ich kann also nicht fürchten, daß du, o mein Jesu, mich jetzt verstoßen werdest, da ich dich suche und von ganzem Herzen liebe, da es mich mehr reuet, dich beleidigt zu haben, als wenn ich was immer für ein anderes Unglück erlitten hätte. O Gott meiner Seele! Von nun an will ich dir keine einzige, ja nicht die geringste Beleidigung mehr zufügen; laß mich erkennen, was eine Beleidigung gegen dich wäre; ich will es um ein Gut der Welt mehr tun; und laß mich wissen, was ich zu tun habe, um dir zu gefallen, ich bin ja dazu bereit. Ich will dich wahrhaft lieben. Ich nehme, o Herr, alle Schmerzen und alle Kreuze an, die mir von deinen Händen zukommen werden; gib mir die dazu nötige Ergebung. „Hier brenne, hier schneide. „ Züchtige mich in diesem Leben, damit ich im anderen in Ewigkeit dich lieben könne. - Maria, meine Mutter! dir empfehle ich mich, höre nur nicht auf, Jesum für mich zu bitten.
13. Betrachtung
Eitelkeit der Welt
3. Punkt
Die Zeit ist kurz ... die sich dieser Welt gebrauchen, sollen derselben sich bedienen, als gebrauchten sie sich derselben nicht; denn die Gestalt dieser Welt vergeht. (1 Kor 7,29 und 31) Was ist unser Leben anderes, als ein Schauspiel, das aufhört und bald zu Ende geht? Denn die Gestalt dieser Welt vergeht. „Die Welt ist wie ein Schauplatz,“ sagt Cornelius a Lapide, „ein Geschlecht tritt ab, ein anderes tritt auf. Wer den König spielt, nimmt nicht den Purpur mit sich fort. Sage mir du, o Haus oder du Hof, wie viele Herren hattest du? Wenn das Schauspiel vorbei ist, so ist jener, der die Rolle des Königs spielte, nicht mehr König; der Herr ist nicht mehr Herr. Jetzt besitzest du dieses Landgut, diesen Palast; allein es wird der Tod kommen und es werden andere darüber Herren werden.
Eine böse Stunde bringt alle Wollust in Vergessenheit. (Eccl 11,29) Die traurige Todesstunde macht alle Herrlichkeit, allen Adel und Prunk dieser Welt vergessen und enden. Kasimir, König von Polen, war einst mit den Großen seines Reiches zu Tafel und während er eine Schale an den Mund setzte, um zu trinken, starb er; und das Schauspiel war für ihn zu Ende. Celsus wurde, nachdem er sieben Tage lang der erste Befehlshaber war, getötet und das Schauspiel war für ihn vorüber. Ladislaus, König von Böhmen, erwartete als ein Jüngling von achtzehn Jahren seine Braut, die Tochter des Königs von Frankreich, und man bereitete große Festlichkeiten, und siehe, an einem Morgen überfiel ihn ein so großer Schmerz, daß er starb. Man sandte daher Eilboten ab, um seine Braut hiervon zu verständigen, damit sie wieder nach Frankreich zurückkehre, indem für Ladislaus das Schauspiel zu Ende wäre. Dieser Gedanke an die Eitelkeit der Welt machte Franciscus Borgias heilig; denn, wie schon oben gesagt wurde, faßte er beim Anblick der inmitten aller Herrlichkeit und in der Blüte ihrer Jahre verstorbenen Kaiserin Isabella den Entschluß, sich ganz Gott zu weihen, und sagte: So also enden die Herrlichkeiten und Kronen dieser Welt? Ich will daher von heute an keinem Herrn mehr dienen, den mir der Tod entreißen kann.
Wir wollen Sorge tragen, so zu leben, daß man im Tode nicht jene Worte zu uns spräche, wie zu jenem Toren im Evangelium: Du Tor, diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern, und was du bereitet hast, wessen wird es sein? (Lk 12,28) Daher schließt der heilige Lukas: „Also ist es mit einem, der sich Schätze sammelt, und nicht reich ist in Gott“. Ferner heißt es: Suchet euch nicht mit Gütern der Welt, sondern mit göttlichen, mit Tugenden und Verdiensten zu bereichern; denn dies sind Güter, die mit euch ewig im Himmel sein werden: Sammelt euch Schätze im Himmel, da weder Rost noch Motten sie verderben. (Mt 6,20) Laßt uns demnach bedacht sein, den großen Schatz der göttlichen Liebe zu erwerben. „Was hat der Reiche, wenn er die Liebe nicht hat? Was fehlt dem Armen, wenn er die Liebe nicht hat?“ sagt der heilige Augustinus. Wenn einer alle Reichtümer hat, und wenn er Gott nicht hat, so ist er der Ärmste auf der Welt. Der Arme aber, welcher Gott hat, hat alles. Und wer hat Gott? Der ihn liebt. Wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott, und Gott in ihm. (Joh 4,16)
Anmutungen und Bitten
Ach mein Gott! ich will nicht, daß der böse Feind noch ferner über meine Seele herrsche: du allein sollst darüber Herr sein, und sie regieren. Alles will ich verlassen, um deine Gnade zu erlangen. Diese schätze ich höher als tausend Kronen und tausend Reiche. Und wen soll ich wohl lieben, als dich unendlich Liebenswürdigen, dich o unendliches Gut, unendliche Schönheit, Güte und Liebe? Ich habe dich vormals verlassen der Geschöpfe wegen: dies ist und wird für mich immer ein Schmerz sein, der mir das Herz durchbohren wird, weil ich dich beleidigte, während du mich doch so sehr liebtest. Da aber du, mein Gott, durch so viele Gnaden mich verbunden hast, so getraue ich mich nicht mehr, deiner Gnade mich beraubt zu sehen. Meine Liebe! nimm mir meinen ganzen Willen, und all mein Hab und Gut und tue mit mir, was dir gefällig ist. Wenn ich vorhin durch Widerwärtigkeiten die Geduld verlor, so bitte ich dich um Verzeihung. Ich will nicht mehr klagen über deine Anordnungen, o mein Herr! ich weiß, daß sie alle heilsam, und alle zu meinem Besten gereichen. Tue mein Gott, was du willst; ich verspreche dir, mich bei allen deinen Anordnungen glücklich zu preisen und dir dafür zu danken. Mache, daß ich dich liebe; um nichts anderes bitte ich dich mehr. Was gehen mich die Güter, die Ehren, die Welt an? Gott, Gott, Gott allein will ich! — Selig du, o Maria! da du auf der Welt nichts liebtest als Gott! Rette mich, damit ich dir wenigstens in diesem mir noch übrigen Leben nachfolge. Auf dich setze ich all mein Vertrauen.
Das gegenwärtige Leben ist eine Reise in die Ewigkeit.
„Der Mensch wird in das Haus seiner Ewigkeit gehen.“ (Eccl 12,5)
1. Punkt
Aus dem Umstande, daß auf dieser Welt so viele, die einen schlechten Wandel führen, im Schoße des Glückes, so viele Gerechte hingegen in Trübsalen leben, erkannten schon die Heiden bloß durch den natürlichen Verstand jene Wahrheit, daß es ein anderes Leben geben müsse, weil es einen Gott gibt, der gerecht ist, und daß daher im anderen Leben die Bösen bestraft und die Guten belohnt werden müßten. Was nun die Heiden, durch das Licht des Verstandes erleuchtet, gesagt haben, das bekennen wir Christen durch den Glauben: Hier haben wir keine bleibende Stätte, sondern wir suchen eine künftige. (Hebr 14,14) Diese Welt ist noch nicht unser Vaterland; sie ist für uns ein Übergangsort, von dem wir in kurzem in das Haus der Ewigkeit übergehen müssen: „Der Mensch wird in das Haus seiner Ewigkeit gehen.“ Das Haus also, worin du, mein Leser, wohnest, ist nicht dein Haus; es ist nur eine Herberge, von der du bald, und wann du es am wenigsten vermutest, wirst fortziehen müssen. Wisse also, daß, sobald deine Sterbezeit herangerückt sein wird, deine Lieben dich zuerst wegschaffen werden. Und was wird dein eigentliches Haus sein? Eine Grube wird das Haus deines Körpers sein bis zum Gerichtstage, deine Seele aber wird in das Haus der Ewigkeit, entweder in das Paradies oder in die Hölle eingehen. Daher warnet dich der heilige Augustinus mit den Worten: „Ein Fremdling bist du, du gehst vorüber und siehst Verschiedenes“. Töricht wäre jener Wanderer, welcher in dem Lande, wo er durchreiset, sein ganzes Erbteil hingeben wollte, um dort ein Landgut oder ein Haus sich anzukaufen, das er schon in wenigen Tagen verlassen müßte. Bedenke also, sagte der Heilige, daß du in dieser Welt auf der Durchreise bist; laß dich von dem, was du siehest, nicht anziehen; blicke es an und gehe vorbei und verschaffe dir eine gute Wohnung dort, wo du auf immer wirst zu bleiben haben.
Heil dir, wenn du selig wirst! O, was ist es doch Schönes um den Himmel! Die reichsten Hofburgen der Weltbeherrscher sind verächtliche Ställe im Vergleiche mit der Stadt des Paradieses, die man allein „eine Stadt von vollkommener Schönheit“ nennen kann. (Ez 23,3) Dort wirst du nichts mehr zu wünschen haben, denn du wirst in der Gesellschaft der Heiligen, der göttlichen Mutter und Jesu Christi dich befinden, ohne je etwas Übles zu befürchten: kurz du wirst in einem Meere von Vergnügen, in beständiger Freude leben, die da immerfort dich umgeben wird: Ewige Freude wird sie umschweben (Jes 33,3) Und diese Freude wird so groß sein, daß sie während der ganzen Ewigkeit in jedem Augenblicke neu erscheinen wird. Wehe dir aber, wenn du verdammt wirst! Du wirst verbannt werden in ein Meer von Feuer und Qualen, verzweifeln, verlassen von allen und ohne Gott! Und wie lange? Wird nach Verlauf von hunderttausend Jahren deine Pein etwa ihr Ende erreicht haben? Was für ein Ende? Hundert und tausend Millionen von Jahren und Jahrhunderten werden vergehen, und deine Hölle wird immer erst im Anfangen sein. Was sind tausend Jahre gegen die Ewigkeit? Weniger als ein Tag, der vorübergeht? Tausend Jahre sind vor deinen Augen wie der gestrige Tag, der vorübergegangen ist. (Ps 89,4) Willst du wissen, in was für ein Haus du in der Ewigkeit kommen werdest? Es wird jenes sein, das du dir verdienest und durch deine Werke selbst erwählest.
Anmutungen und Bitten
Sieh also, o Herr, das Haus, das ich mir durch mein Leben verdiente! Ach, leider ist es die Hölle, wo ich vom Augenblicke der ersten Sünde an von dir hätte sollen verlassen werden, ohne Hoffnung, dich wieder lieben zu können. Gepriesen sei deine Barmherzigkeit in Ewigkeit, die meiner harrte und mir Zeit läßt, dem verübten Übel abzuhelfen. Gebenedeit sei das Blut Jesu Christi, welches diese Barmherzigkeit mir erlangte. Es schmerzt mich mehr als jedes Unglück, daß ich dich beleidiget habe, nicht so sehr, weil ich die Hölle verdient, als vielmehr darum, weil ich deine unendliche Güte beschimpft habe. Nein, nimmermehr, o mein Gott, nimmermehr! Lieber will ich sterben, als ferner dich beleidigen. Wäre ich jetzt in der Hölle, so wäre ich außer Stande, dich, o mein höchstes Gut, noch zu lieben und du dürftest mich nicht mehr lieben. Ich liebe dich und will von dir geliebt werden; ich verdiene es zwar keineswegs, aber Jesus Christus verdient es, der sich dir am Kreuze opferte, damit du mir verzeihen und mich lieben könntest. Ewiger Vater, gib mir also aus Liebe zu deinem Sohne die Gnade, dich immer zu lieben, und zwar recht sehr. Ich liebe dich, mein Vater, der du deinen Sohn für mich hingabst. Ich liebe dich, o Sohn Gottes, der du für mich gestorben bist. - Ich liebe dich, o Mutter Jesu, die du mir durch deine Fürbitte Zeit zur Buße erlangtest. Erflehe mir nun, o Maria, Reue über meine Sünden, Liebe zu Gott und die heilige Beharrlichkeit.
14. Betrachtung
Das gegenwärtige Leben ist eine Reise in die Ewigkeit.
2. Punkt
Wenn der Baum gegen Mittag oder Mitternacht fällt - wo er hinfällt, da wird er bleiben. (Eccl 11,3) Wo im Tode der Baum deines Lebens hinfallen wird, da hat er in Ewigkeit zu bleiben. Einen Mittelweg gibt es nicht - entweder im Himmel ewig als König oder ein Gefangener in der Hölle. Immer glücklich in einem Meere von Wonne oder immer verzweiflungsvoll in einem Abgrunde von Qualen. Als der heilige Johannes Chrysostomus seine Betrachtung über den reichen Prasser anstellte, welchen man in dieser Welt glücklich schätzte, weil er reich war, der aber alsdann in die Hölle verbannt wurde - und dann über den Lazarus, welchen man in seiner Armut für elend hielt und den der Schoß Abrahams aufnahm, rief er aus: O unglückliches Glück, das du den Reichen auf ewig unglücklich machtest! O glückliche Unglückseligkeit, die du den Armen zur ewigen Glückseligkeit führtest!
Was nützt es, sich zu ängstigen, wie es mancher tut, indem er sagt: wer weiß, ob ich zur Verdammnis oder zur Seligkeit vorherbestimmt bin? Wohin fällt der Baum, wenn man ihn umhaut? Er fällt dorthin, wohin er sich neigt, Wohin neigst du dich, mein Bruder? Was für einen Wandel führest du? Sorge dafür, daß du zur Mittagsseite dich neigest; erhalte dich in der Gnade Gottes, fliehe die Sünde, und so wirst du auserwählt und selig werden. Und um die Sünde zu fliehen, mußt du immer jenen wichtigen Gedanken an die Ewigkeit vor Augen haben, welchen der heilige Augustinus mit Recht den großen Gedanken nannte. Dieser Gedanke vermochte so viele junge Leute, die Welt zu verlassen, in Einöden zu leben, um nur auf ihre Seele bedacht zu sein, und so haben sie sich derselben versichert. Da sie nun ledig sind, werden sie in Ewigkeit dessen froh sein.
Eine Frau, die fern von Gott lebte, wurde von P. M. Avila bekehrt, indem er zu ihr nur diese paar Worte sagte: Frau, bedenken sie diese zwei Worte: Immer und nimmer. P. Paul Segneri konnte einst, weil ihm immer der Gedanke an die Ewigkeit einfiel, durch mehrere Nächte nicht einschlafen, und von da an ergab er sich einem strengeren Leben. P. Drexelius erzählt, ein Bischof habe durch diesen Gedanken an die Ewigkeit ein heiliges Leben geführt, indem er immer bei sich selbst dachte: Jeden Augenblick stehe ich vor der Türe der Ewigkeit. Ein gewisser Mönch verschloß sich in eine Grube, und tat darin nichts anderes, als rufen: O Ewigkeit, o Ewigkeit! Wer an die Ewigkeit glaubt, und nicht heilig wird, sollte, sagte der nämliche P. Avila, in das Narrenhaus gesperrt werden.
Anmutungen und Bitten
Ach mein Gott! habe Erbarmen mit mir; ich wußte wohl, daß ich mich durch Sündigen zu einer qualvollen Ewigkeit selbst verdammen würde, und ich willigte trotz dieser Strafe ein, deinem Willen zu widersprechen und warum? Eines elenden Vergnügens wegen! Ach mein Herr! verzeihe mir, ich bereue es von ganzem Herzen. Ich will mich deinem heiligen Willen nicht mehr widersetzen. Wehe mir, wenn du mich zur Zeit meines schlechten Wandels hättest sterben lassen! Nun müßte ich auf ewig in der Hölle sein, um deinen Willen zu hassen. Jetzt aber liebe ich ihn und will ihn ewig lieben. „Lehre mich deinen Willen tun“, unterrichte mich, und verleihe mir Stärke, von heute an das zu tun, was dir wohlgefällig ist. Nicht ferner will ich dir widerstehen, o unendliche Güte! Nur um diese Gnade bitte ich dich: „Dein Wille geschehe wie im Himmel, also auch auf Erden!“ Laß mich deinen Willen vollkommen erfüllen, Und außerdem verlange ich nichts von dir. Was willst du denn anders, mein Gott! als mein Wohl und mein Heil? Ach ewiger Vater! erhöre mich, um der Liebe Jesu Christi willen, der mich lehrte, immerzu beten, in seinem Namen bitte ich dich: „Dein Wille geschehe, dein Wille geschehe, dein Wille geschehe!“ O Heil mir, wenn ich das übrige Leben in Erfüllung deines Willens zubringe und beschließe! — Maria! glückselig bist du, weil du Gottes Willen stets vollkommen befolgtest; erflehe mir durch deine Verdienste, daß auch ich dies wenigstens in dem Überreste meiner Tage zu Stande bringe.
14. Betrachtung
Das gegenwärtige Leben ist eine Reise in die Ewigkeit.
3. Punkt
„Der Mensch wird in das Haus seiner Ewigkeit gehen.“ „Er wird gehen“, sagt der Prophet, „um anzuzeigen, daß jeder in jenes Haus gehe, in das er gehen will; er wird nicht getragen werden, sondern er wird aus freiem Willen dorthin gehen.“ Gewiß ist es, daß Gott alle selig haben will; allein er will uns zum Selig werden nicht zwingen. „Vor dem Menschen liegt Leben und Tod.“ Jedem aus uns hält er Leben und Tod vor: was wir wählen werden, wird uns zuteil. Was ihm gefällt, wird man ihm geben. (Eccl 15,19)
Auch Jeremias sagt: der Herr habe uns zwei Wege zum Gehen gegeben, von denen der eine zum Paradiese, der andere zur Hölle führt. Ich lege vor euch den Weg des Lebens und den Weg des Todes. (Jer 21,8) Uns steht die Wahl zu. Wer aber den Weg der Hölle wandeln will, wie wird dieser je zum Paradiese gelangen können? O wichtige Sache! Alle Sünder wollen selig werden, und doch verdammen sie sich von selbst zur Hölle, indem sie sagen: Ich hoffe selig zu werden. „Wer aber,“ sagt der heilige Augustinus, „ist wohl so töricht, daß er Gift nehmen wollte, in der Hoffnung wieder zu genesen?“ Niemand will sich eine Krankheit zuziehen, mit der Hoffnung der Genesung. Und doch ziehen so viele Christen, so viele Toren den Tod sich zu, indem sie sündigen, und sagen: Hernach werde ich schon auf Hilfe bedacht sein. O welcher Trugschluß, wodurch so viele in die Hölle sich stürzten! -
Laßt uns nicht so töricht sein wie diese, bedenken wir, es handle sich um eine Ewigkeit. Wie sehr bemühen sich die Menschen, um sich ein bequemes, schönes und in gesunder Luft befindliches Haus zu bauen, in dem sie ihr ganzes Leben hindurch zu wohnen gedenken? Und warum sind sie dann so unbekümmert, wenn es sich um jenes handelt, in das sie auf ewig kommen werden? „Bei dem Geschäfte, für das wir streiten, handelt es sich um eine Ewigkeit,“ sagt der heilige Eucharius. Es handelt sich nicht um eine größere oder kleinere Bequemlichkeit, um eine größere oder kleinere Schönheit; es kommt darauf an, ob man in einem Orte voll der Wonne unter den Freunden Gottes, oder aber in einem Abgrunde voll der Qualen unter der schändlichen Brut so vieler Lasterhaften, Ketzer und Götzendiener zu bleiben habe. Und auf wie lange? Nicht auf zwanzig oder vierzig Jahre, sondern die ganze Ewigkeit. O wie wichtig ist diese Angelegenheit! Nicht von kleinem Gewichte ist dies Geschäft, welches wichtiger ist als alles. Als Thomas Morus von Heinrich VIII. zum Tode verurteilt wurde und als sein Weib Louise zu ihm kam, ihn zu bereden, daß er in Heinrichs Willen sich füge, sprach er zu ihr: „Sage mir, Louise, wie du siehst, so bin ich alt: wie viele Jahre könnte ich etwa noch leben?“ „Du könntest wohl noch zwanzig Jahre leben!“ antwortete sie. -
„Du machst eine törichte Geschäftsführerin,“ erwiderte alsdann Thomas; „wegen zwanzig Lebensjahren willst du, daß ich eine ganze glückliche Ewigkeit verlieren und zu einer qualvollen Ewigkeit mich verdammen sollte! O Gott, gib mir Licht!“ Wäre die Sache der Ewigkeit etwas Zweifelhaftes, beruhte sie auch nur auf einer wahrscheinlichen Meinung, so müßten wir dennoch allen Fleiß anwenden auf einen guten Lebenswandel, um uns nicht der Gefahr preiszugeben, etwa unglücklich zu werden, falls diese Meinung sich erwahren sollte; doch nein, diese Sache ist nicht zweifelhaft, sondern ausgemacht; keine bloße Meinung ist es, sondern eine Glaubenswahrheit: „Der Mensch wird in das Haus seiner Ewigkeit gehen.“ Leider ist der Mangel an Glauben die Ursache so vieler Sünden und der Verdammung einer Menge Christen, sagte die heilige Theresia. Beleben wir also fortwährend unseren Glauben, indem wir sprechen: „Ich glaube an ein ewiges Leben.“ Ich glaube, daß es nach diesem Leben ein anderes Leben gibt, das kein Ende nimmt; und diesen Gedanken immer vor Augen, wollen wir auch die Mittel zur Versicherung unseres ewigen Heiles ergreifen. Wir wollen die heiligen Sakramente oft empfangen; wir wollen täglich an das ewige Leben denken und es ernst erwägen; wir wollen die bösen Gelegenheiten mit Vorsicht fliehen. Und müßten wir auch die Welt verlassen, nun, so verlassen wir sie, denn es gibt ja keine zu große Vorsicht, um uns in Hinsicht jenes so wichtigen Punktes des ewigen Heiles zu versichern. „Die Sicherheit kann da nicht zu groß sein, wo die Ewigkeit gefährdet wird!“ schreibt der heilige Bernardus.
Anmutungen und Bitten
Es gibt also, o mein Gott! keinen Mittelweg; entweder werde ich immer glücklich oder immer unglücklich sein; entweder in einem Meere von Wonne oder aber in einem Meere von Qualen; entweder fortwährend bei dir im Paradies oder beständig entfernt von dir in der Hölle. Diese Hölle verdiente ich mir - ich weiß es gewiß - so oft schon; ich bin aber auch versichert, daß du dem Reuigen verzeihest und den von der Hölle befreiest, der auf dich seine Hoffnung setzt. Du gibst mir die Versicherung: Er wird mich anrufen, ich werde ihn entreißen und verherrlichen. (Ps 90) Verzeihe mir also, o Herr! jetzt, ich bitte dich, verzeihe mir und befreie mich von der Hölle. Ich bereue es, o höchstes Gut! über alles, dich beleidiget zu haben. Nimm mich nun wieder in deine Gnade auf und gib mir deine heilige Liebe. Wäre ich jetzt in der Hölle, so könnte ich dich nicht mehr lieben; immer müßte ich dich hassen. Ach mein Gott! was tatest du mir etwa Übles, daß ich dich hassen sollte? Du liebtest mich ja bis zum Tode. Du bist einer unendlichen Liebe würdig. O Herr! lasse mich nicht mehr von dir getrennt werden. Ich liebe dich und will dich immer lieben. „ Wer wird mich von der Liebe Christi trennen?“ Ach, mein Jesu! nur die Sünde kann mich von dir trennen. Ach, laß dies nicht zu. Lasse mich lieber sterben. Gib nicht zu, daß ich von dir getrennt werde. - Maria, meine Königin und Mutter, hilf mir durch deine Fürbitte, erhalte mir, daß ich eher sterbe, ja tausendmal lieber sterbe, als daß ich von der Liebe deines Sohnes mich trenne.
Bosheit der Todsünde
„Ich habe Kinder auferzogen und erhöht,
sie aber haben mich verachtet.“
(Jes 1,2)
1. Punkt
Was tut jener, der eine Todsünde begeht? Er beschimpft Gott, entehrt und erzürnt ihn. Fürs erste ist die Todsünde eine Unbild, die man Gott antut. „Die Bosheit einer Unbild mißt man,“ wie der heilige Thomas sagt, „nach der Person, welche sie empfängt, und nach jener, welche sie zufügt.“ Eine Unbild, die man einem Bauern antut, ist etwas Böses; ein größeres Vergehen ist es aber, wenn sie an einem Vornehmen geschieht; am größten ist das Verbrechen dann, wenn es gegen einen Monarchen ausgeübt wird. Wer ist Gott? „Er ist der König aller Könige.“ Er ist der Herr der Herren, und ein König der Könige. (Offb 17,14) Gott ist eine unendliche Majestät, gegen welche verglichen, sämtliche Fürsten der Erde und sämtliche Heilige und Engel des Himmels weniger sind, als ein Sandkörnchen: Wie ein Tröpflein am Eimer, wie ein Stäublein. (Jes 40,15) Der Prophet Oseas sagt sogar, im Vergleiche mit der Größe Gottes seien alle Geschöpfe so äußerst geringfügig, als wären sie nicht einmal da: Alle Völker sind vor ihm, als wären sie nichts. (Os 5) Dies ist Gott: und was ist der Mensch? „Ein Sack voll Würmer, eine Speise der Würmer“, antwortet der heilige Bernardus. Ein Sack von Würmern und eine Speise der Würmer, die ihn bald verzehren werden. Elend, armselig, blind und nackt. (Offb 3,17) Ein elender Wurm ist der Mensch, indem er nichts vermag; blind, da er nichts sehen kann, und nackt, weil er nichts hat. Und dieser elende Wurm will einem Gott Unbilden antun? „Ein so geringes Stäubchen wagt es, eine so furchtbare Majestät zum Zorne zu reizen?“ spricht ebenfalls der heilige Bernardus. Recht hat also der englische Lehrer, da er sagt, die Sünde des Menschen habe eine fast unendliche Bosheit an sich. „Die Sünde hat eine gewisse Unendlichkeit von Bosheit, vermöge der Unendlichkeit der göttlichen Majestät.“ (p.3, q.2, Cap. 2 ad 2) Der heilige Augustinus nennet die Sünde sogar ein unendliches Übel, so zwar, daß, wenn sich sämtliche Menschen und alle Engel anbieten, den Tod zu leiden, ja sogar sich zu vernichten, sie nicht einmal für eine einzige Sünde Genugtuung leisten könnten. Gott bestraft die Todsünde durch die großen Höllenpeinen; so sehr er sie aber bestraft, so straft er sie doch nie ganz nach Verdienst - sagen alle Theologen - das heißt, er bestraft sie immer weniger, als sie an sich verdiente. Und welche Strafe vermag wohl die Strafwürdigkeit eines Wurmes zu erreichen, der es mit seinem Herrn aufnehmen will. Gott ist Herr über alles; denn alles hat er erschaffen: Alles liegt in deiner Gewalt, denn alles hast du erschaffen. (Est 23,6) Und in der Tat: alle Geschöpfe gehorchen Gott, Winde und Meere gehorchen ihm. (Mt 8,27) Feuer, Hagel, Schnee, Eis .... vollziehen sein Wort. Was tut aber der Mensch, wenn er sündiget? Herr, sagt er zu Gott, ich will dir nicht dienen: Du hast mein Joch zerbrochen und gesprochen: Ich will nicht untertänig sein. (Jer 2,20) Der Herr befiehlt ihm: räche dich nicht, und der Mensch gibt zur Antwort: ich aber will Rache nehmen; nimm anderen das Ihrige nicht: ich aber will dessen habhaft werden; entziehe dir diesen schändlichen Genuß: ich aber will mir ihn nicht versagen. Der Sünder spricht zu Gott, wie Pharao zu Moses, als ihm Moses den Befehl Gottes brachte, er sollte sein Volk in Freiheit ziehen lassen: Wer ist der Herr, daß ich seine Stimme hören soll? ... Ich kenne den Herrn nicht. (Ex 5,2) Das nämliche sagt der Sünder: Herr, ich kenne dich nicht; ich will tun, was mir gefällt. Kurz, er wirft alle Ehrfurcht vor seinem Angesichte weg, und kehrt ihm den Rücken; denn die Todsünde besteht eigentlich darin, daß man sich von Gott wegwendet, ihm gleichsam den Rücken zukehrt: „eine Abwendung von dem unabänderlichen Gute“. (S. Thom. part. 1, q. 24, art. 4) Hierüber führt der Herr selbst Klage: Du hast mich verlassen, spricht der Herr, und bist zurückgewichen. (Jer 15,6) Du warst der Undankbare, sagt der Herr, der mich verlassen hat, ich hatte dich nie verlassen; du bist zurückgewichen, du kehrtest mir den Rücken. Gott erklärte sich für einen geschwornen Feind der Sünde; daher kann er nicht umhin, den zu hassen, der sie begeht. Gott aber hasst den Gottlosen, und seine Gottlosigkeit. (Weish 14,9) Und der Mensch erkühnt sich, wenn er sündiget, für einen Feind Gottes sich zu erklären, und nimmt es mit Gott auf: Wider den Allmächtigen hat er sich empört. (Joh 15,25) Was würdest du wohl sagen, wenn du sähest, daß es eine Ameise mit einem gerüsteten Krieger aufnehmen wollte? Gott ist jener Mächtige, der mit einem Winke den Himmel und die Erde aus Nichts erschaffen hat: Aus Nichts hat Gott dieses alles erschaffen, (2 Makk 7,28) und wenn er will, vermag er mit einem anderen Winke das Ganze zunichte zu machen: Er kann in einem Augenblicke die ganze Welt vertilgen (2 Makk 8,18) Willigt nun der Sünder in die Sünde ein, so streckt er die Hand gegen Gott aus: Er streckte seine Hand wider Gott aus; lief mit emporgehobenem Nacken gegen ihn an, und bewaffnete sich mit feistem Genicke. Er erhebt das Genick: das ist der Stolz, und läuft hin, um Gott zu beschimpfen, und rüstet sich mit einem fetten Kopf voll Unwissenheit (die Feistigkeit ist das Sinnbild der Unwissenheit), und frevelnd spricht er: Was habe ich denn getan? Was ist denn die Sünde, die ich beging, für ein so großes Übel? Gott ist ja barmherzig, er verzeiht ja den Sündern. - Welche Unbild! Welche Vermessenheit! Welche Blindheit!
Anmutungen und Bitten
Siehe, o mein Gott! vor deinen Füßen den aufrührerischen, tollkühnen Menschen, der so oft die Vermessenheit hatte, die Ehrfurcht vor deinen Augen zu verlieren, und dir den Rücken zu kehren; siehe, jetzt bittet er dich um Barmherzigkeit. Du sagtest: Rufe zu mir, und ich will dich erhören, (Job 33,3) Eine Hölle ist wohl wenig für mich, ich erkenne es; doch wisse, daß es mich mehr reut, dich, o unendliche Barmherzigkeit! beleidiget zu haben, als wenn ich alle meine Güter und mein Leben verloren hätte. Ach mein Herr! vergib mir, und lasse nicht zu, daß ich dich wieder beleidige. Du harrtest meiner, damit ich in Ewigkeit deine Barmherzigkeit preisen und dich lieben könne. Ja, schon jetzt preise und liebe ich dich, und im Vertrauen auf die Verdienste Jesu Christi hoffe ich, daß ich von deiner Liebe nicht mehr geschieden werde. Deine Liebe bewahrte mich vor der Hölle; sie möge mich auch künftighin vor der Sünde bewahren. Ich danke dir, mein Herr, für dieses Licht, und für das Verlangen, was du mir gibst, dich immer zu lieben. Ach nimm von mir ganz Besitz, von Seele und Leib, von meinen Fähigkeiten, von meinem Willen, von meiner Freiheit. „Dein bin ich, rette mich.“ Mein einziges Gut bist du, du allein Liebenswürdiger! sei auch meine einzige Liebe! Gib mir Eifer in der Liebe zu dir. Ich beleidigte dich über alles Maß; daher kann ich dich nicht genug lieben; ich will dich lieben aus allen meinen Kräften zum Ersatz für die dir zugefügten Unbilden. Von dir, der du allmächtig bist, hoffe ich die nötige Kraft dich zu lieben. — Und auch von deinen Bitten hoffe ich es, o Maria! indem diese bei Gott alles vermögen.
15. Betrachtung
Bosheit der Todsünde
2. Punkt
Der Sünder fügt Gott nicht nur Unbilden zu, sondern er entehrt ihn auch: Durch des Gebotes Übertretung entehrst du Gott. (Röm 2,23) Und fürwahr; denn er entsagt seiner Gnade und tritt eines elenden Genusses wegen Gottes Freundschaft mit Füßen. Verlöre der Mensch die göttliche Freundschaft um des Königreiches willen oder gewänne er auch die ganze Welt, so würde er doch etwas sehr Böses tun: denn Gottes Freundschaft ist ja mehr wert als eine Welt, ja mehr als tausend Welten. Und weswegen beleidiget man Gott? Warum hat der Gottlose seinen Gott zum Zorne gereizt? (Ps 10) Um eines Stückchen Landes willen, oder wegen einer Befriedigung des Zornes, eines viehischen Genusses, einer eitlen Ehre wegen, oder aus Laune. Sie entheiligten mich um einer Handvoll Gerste und um ein Stückchen Brot. (Ez 13,19) Wenn der Sünder überlegt, ob er in die Sünde willigen solle oder nicht, wenn er sozusagen die Waage zur Hand nimmt und schaut, was das Übergewicht habe, ob die Gnade Gottes oder jene Befriedigung, jene Eitelkeit, jener Genuß; alsdann erklärt er in Bezug auf sich, daß jene Befriedigung, jener Genuß ihm mehr gelte, als die göttliche Gnade. Siehe o Mensch, so wird Gott von dem Sünder entehrt! David sagte in Betrachtung der Erhabenheit und Majestät Gottes: Herr, wer ist dir gleich? (Ps 34,10) Gott hingegen, wenn er sich von den Sündern mit einer elenden Lust verglichen und ihr nachgesetzt sieht, spricht also zu ihnen: Wem habt ihr mich nachgebildet und verglichen? (Jes 40,25) „War also,“ sagt der Herr, „diese niedrige Lust mehr wert, als meine Gnade?“ Du hast mir den Rücken gekehrt. (Reg 23,55) Du hättest diese Sünde nicht begangen, hättest du deshalb deine Hand oder zehn Dukaten und vielleicht viel weniger verlieren müssen. Ist also, sagt Salvianus, Gott so geringfügig vor deinen Augen, daß er einer Aufwallung, einer elenden Lust nachgesetzt zu werden verdient? „Nichts von allen war dir so gering, als Gott allein.“ Wenn der Sünder durch irgend eine Lust Gott beleidiget, so macht er diese Lust zu seinem Gott; denn er macht sie zu seinem letzten Ziele. Der heilige Hieronymus sagt: „Wenn jemand das verehrt, was er verlangt, so ist dieses sein Gott.“ Ein Laster im Herzen ist ein Götze auf dem Altare. Daher sagt der heilige Thomas: Liebst du die Wollüste, so heißen die Wollüste dein Gott. Und der heilige Cyprianus: Was immer der Mensch Gott vorzieht, das macht er zu seinem Gott. Als Jeroboam gegen Gott sich empörte, suchte er auch das Volk dahin zu bringen, Götzendienst zu treiben, und stellte ihm seine Götzen mit den Worten vor: Siehe da deine Götter, o Israel! (1 Kön 12, 28) So macht es auch der Teufel, er stellt dem Sünder jene Sinnenlust vor Augen und sagt: Was willst du mit Gott machen? Dies ist dein Gott, dieser Genuß, diese Aufwallung; nimm hin und laß Gott fahren. Und der Sünder macht es eben so, wenn er einwilliget; er betet diese Lust in seinem Herzen gleichsam an. Das Laster im Herzen ist ein Götze auf dem Altare.
Wenn der Sünder Gott entehrt, sollte er ihn wenigstens nicht in seiner Gegenwart entehren; er beschimpft und entehrt ihn aber vor seinem Angesichte, denn Gott ist allenthalben zugegen: Himmel und Erde erfülle ich. (Jer 23,24) Dies weiß der Sünder gar wohl, und dennoch nimmt er keinen Anstand, Gott vor seinen Augen zum Zorne zu reizen: Zum Zorne fordern sie mich auf vor meinem Angesichte.
Anmutungen und Bitten
Du also, o mein Gott! bist ein unendliches Gut, und ich vertauschte dich oftmals um einen elenden Genuß, der, kaum verkostet, wieder verschwunden ist. Du aber, wenn schon von mir verachtet, bietest mir Verzeihung an, wenn ich sie verlange; du versprichst mir, mich in deine Gnade wieder aufzunehmen, wenn ich es bereue, dich beleidiget zu haben. Ja, mein Herr, es reuet mich von ganzem Herzen, daß ich dich beschimpfte, ich hasse meine Sünde über alles Übel. Siehe, ich komme nun wieder zu dir zurück, und wie ich hoffe, nimmst du mich auf und umarmst mich als dein Kind. Ich danke dir, o unendliche Güte! Komm mir aber zu Hilfe und gib nicht zu, daß ich dich wieder von mir treibe. Die Hölle wird nicht unterlassen, mich zu versuchen; doch du bist ja mächtiger als die Hölle. Ich weiß, daß ich von dir nicht mehr scheiden werde, wenn ich mich dir immer anempfehlen werde. Und dies ist die Gnade, die du mir erweisen mußt, daß ich mich nämlich dir immer anempfehle und dich mit diesen Worten bitte, mit denen ich jetzt zu dir rufe: Herr, stehe mir bei, gib mir Licht, gib mir Kraft, gib mir Beharrlichkeit, gib mir das Paradies! Vor allem aber verleihe mir deine Liebe, die das wahre Paradies der Seelen ist. Ich liebe dich, o unendliche Güte! und will dich lieben. Erhöre mich um der Liebe Jesu Christi willen. — Maria, du bist die Zuflucht der Sünder, komme einem Sünder zu Hilfe, der deinen Gott lieben will.
15. Betrachtung
Bosheit der Todsünde
3. Punkt
Der Sünder beschimpft und entehrt Gott - und betrübt ihn dadurch aufs höchste. Nichts schmerzt so sehr und kränkt das Gefühl so empfindlich, als wenn man sieht, daß eine Person, die man liebt, die erwiesenen Wohltaten mit Undank lohnt. Mit wem nimmt es der Sünder auf? Er beschimpft einen Gott, der ihn erschaffen hat und so sehr geliebt hat, daß er sogar Blut und Leben aus Liebe zu ihm hingegeben hat; und er vertreibt ihn aus seinem Herzen durch Begehung einer Todsünde. In eine Seele, die Gott liebt, komm Gott, um sie zu lieben. Wer mich liebt, den wird mein Vater lieben. Wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen. (Joh 14,23) Bedenke die Worte: Wir werden wohnen. Gott kommt in die Seele, um dort für immer zu wohnen, so daß er sie nie verläßt, wenn nicht die Seele ihn vertreibt. „Er verläßt nicht, außer wenn er verlassen wird,“ wie der Kirchenrat von Trient sagt. Doch, Herr! du weißt gar wohl, daß dieser Undankbare dich bald vertreiben werde; warum entfernst du dich nicht jetzt schon? Warum willst du denn warten, bis er dich wirklich verstößt? Verlasse ihn, weiche von ihm, bevor er diese so große Unbill dir antut. Nein, sagt Gott, ich will nicht von ihm weichen, bis er nicht selbst mich vertreibt.
Wann also die Seele in die Sünde williget, so sagt sie zu Gott: Herr, weg von mir. Diese (Gottlosen) sprachen zu Gott: Weiche von uns. (Job 21,14) Mit dem Munde zwar sagt man es nicht, wohl aber durch die Tat, sagt der heilige Gregorius. Der Sünder weiß allerdings, daß Gott mit der Sünde nicht wohnen könne; er sieht es ein, daß, wenn er sündiget, Gott weichen müsse; daher sagt er zu ihm: Da du bei meiner Sünde nicht bleiben kannst und du sodann hinweggehest, so soll es denn also geschehen. Und indem er Gott aus seiner Seele vertreibt, so macht er, daß der böse Geist unmittelbar hineinkomme, um von ihr Besitz zu nehmen. Durch eben diese Tür, wo Gott herausgeht, tritt der Feind hinein: Darauf geht er hin und nimmt sieben andere Geister mit sich, welche ärger sind denn er; und wann sie hineingekommen, wohnen sie allda. (Mt 12,45)
Wenn man ein Kind tauft, so sagt man zum bösen Geiste: „Gehe von ihm heraus, du unreiner Geist, und räume dem heiligen Geiste den Platz.“ Und fürwahr; denn durch den Empfang der Gnade wird diese Seele ein Tempel Gottes. Wisst ihr nicht, daß ihr Tempel Gottes seid? (1 Kor 3,16) Willigt aber der Mensch in die Sünde ein, so bewirkt er gerade das Gegenteil; er sagt zu Gott, der in seiner Seele thront: Gehe von mir heraus, Herr, und räume dem Teufel den Platz. Dasselbe klagte der Herr der heiligen Brigitta, indem er sagte, daß er von dem Sünder gleich einem Könige von seinem eigenen Throne verstoßen würde: „Ich bin wie ein König, den man aus seinem Reiche verstoßen hat; und an meiner Stelle wurde der ärgste Bösewicht erwählet.“
Wie sehr würde es dich schmerzen, wenn dir eine grobe Beleidigung von einem solchen angetan würde, dem du schon viele Wohltaten spendetest? Diesen Schmerz hast du deinem Gott verursacht, der sogar sein Leben für dich gab. Der Herr ruft den Himmel und die Erde zu Zeugen an, gleichsam als sollten sie ihn bedauern wegen der Undankbarkeit, welche die Sünder ihm bezeugen: Höret, ihr Himmel, und du Erde vernimm es mit Ohren: Ich habe Kinder auferzogen und erhöhet, sie aber haben mich verachtet (Jes 1,2) Kurz, die Sünder betrüben durch ihre Sünden das Herz Gottes: Sie aber reizten ihn zum Zorne und betrübten seinen Geist (Jes 63,10) Gott ist zwar keines Schmerzes empfänglich; wäre er aber dessen empfänglich, so wäre eine Todsünde hinreichend, ihn durch die Betrübnis darüber zu töten, wie P. Medina (de Poenit) sagt. Die Todsünde würde, wäre es anders möglich, Gott zerstören, denn sie würde in Gott eine unendliche Traurigkeit verursachen; daher tötet, wie der heilige Bernardus sagt, die Sünde an und für sich Gott. Begeht also der Sünder eine Todsünde, so gibt er Gott, sozusagen, Gift, er tut seinerseits alles, um ihm das Leben zu nehmen. Der Sünder hat den Herrn erbittert. (Hebr 10,4) Er tritt nach dem Ausspruch des heiligen Paulus den Sohn Gottes zu Boden: Da er den Sohn Gottes mit Füßen getreten hat (Hebr 10, 20), indem er alles das verachtet, was Jesus Christus, um die Sünde von der Welt zu tilgen, getan und gelitten hat.
Anmutungen und Bitten
Also, o mein Erlöser! so oft ich gesündiget habe, verstieß ich dich aus meiner Seele und bemühte mich, dir das Leben zu nehmen, so du je wieder sterben könntest? Nun merke ich, um was du mich fragst: „ Was habe ich dir getan oder womit habe ich dich betrübt? Antworte mir. Was tat ich dir Übles? Sage mir, welches Leid verursachte ich dir denn, daß du so oft mich beleidigtest? „ Herr! du gabst mir das Dasein und bist für mich gestorben: dies ist das Üble, das du mir tatest. Was soll ich also antworten? Ich sage dir, daß ich tausend Höllen verdiene; du hast wohl Ursache, mich dahin zu verstoßen. Doch erinnere dich an jene Liebe, wegen der du für mich am Kreuze gestorben bist; sei jenes aus Liebe zu mir vergossenen Blutes eingedenk und habe Erbarmen mit mir. Doch ich weiß wohl, du willst nicht, daß ich verzweifle; du läßt mich vielmehr wissen, daß du vor der Türe meines Herzens stehest, aus deni ich dich hinwegtrieb, und daß du mittelst deiner Einsprechungen anklopfest, um Einlaß zu finden: Ich stehe an der Tür und klopfe. Und du sagst zu mir, ich solle dir die Türe öffnen: Tu mir auf, meine Schwester. Ja, mein Jesu, ich will die Sünde aus meinem Herzen hinwegschaffen; es reuet mich von ganzem Herzen und ich liebe dich über alles! Komme in mein Herz, mein Geliebter, die Tür ist schon offen; komme nur und gehe ja nicht mehr von mir hinweg. Umfange mich mit deiner Liebe und gestatte nicht, daß ich von dir mich losmache. Nein, mein Gott, wir wollen uns nicht mehr trennen; ich umarme dich und drücke dich an mein Herz; gib mir die heilige Beharrlichkeit. Ach, gib nicht zu, daß ich von dir getrennt werde! — Maria, meine Mutter! Komme mir stets zu Hilfe, bitte Jesum für mich, erflehe mir, daß ich seine Gnade nicht mehr verliere.
Gottes Barmherzigkeit
„Die Barmherzigkeit aber übersteigt das Gericht.“
(Jak 2,13)
1. Punkt
Die Güte erstreckt sich ihrer Natur nach weit umher, das heißt, sie teilt ihre Güte auch anderen gerne mit. Nun hat Gott, da er von Natur aus die unendliche Güte ist, als ein „Gott, dessen Natur Güte ist“ (heiliger Leo), das höchste Verlangen, seine Glückseligkeit uns mitzuteilen; und daher ist er nicht geneigt zu strafen, sondern allen Barmherzigkeit angedeihen zu lassen. Das Züchtigen, sagt Isaias, ist der Liebe Gottes etwas Fremdes: Er wird zürnen, daß er sein Werk tue, sein befremdendes Werk, daß er sein Werk tue, sein ungewöhnliches Werk. (Jes 28,21) Und, wenn auch der Herr in diesem Leben straft, so straft er nur, um in dem anderen Leben zu schonen. O Gott! du bist zornig geworden, und hast dich unser erbarmet. (Ps 59,3) Er zeigt sich erzürnt, damit wir in uns gehen, und die Sünden verfluchen: Du hast deinem Volke Ernst gezeigt, ... du hast uns mit dem Weine der Trübsal getränket. (Jes 5) Und wenn er uns schon eine Geißel schickt, so tut er es, weil er uns liebt, um vor der ewigen Strafe uns zu bewahren: Du hast denen, die dich fürchten, ein Zeichen gegeben, auf daß sie vor den Bogen flöhen und deine Geliebten erlöst würden. (Jes 6) Und wer kann wohl die Barmherzigkeit zur Genüge anstaunen und loben, mit welcher Gott die Sünder erwartet, sie ruft und sie aufnimmt, wenn sie zu ihm wiederkehren? Und vor allem, mit welch großer Geduld wartet er nicht auf unsere Buße? Mein Bruder! da du Gott beleidigtest, hätte er dich können sterben lassen; und Gott harrte deiner und, anstatt dich zu bestrafen, tat er dir Gutes, erhielt dir das Leben und sorgte für dich. Er tat, als sähe er nicht deine Sünden, damit du dich eines Besseren besinnen solltest: Du übersiehst die Sünden der Menschen wegen der Buße. (Weish 11,24) Aber wie? Herr, du kannst nicht eine einzige Sünde sehen und doch siehst du deren so viele, und schweigest? du kannst das Böse nicht sehen,
Warum siehst du denn den Übeltätern zu und schweigest? (Hab 1,11) Du siehst diesen Wüstling, diesen Rachsüchtigen, diesen Gotteslästerer, dessen Beleidigungen gegen dich von Tag zu Tag sich mehren, und du bestrafest ihn nicht? Warum so viele Geduld? Darum wartet der Herr, daß er euer sich erbarme. (Jes 30,18) Gott wartet auf den Sünder, daß er sich bessere, und auf daß er ihm dann verzeihen und ihn selig machen könne.
Der heilige Thomas sagt: alle Geschöpfe, das Feuer, die Erde, die Luft, das Wasser möchten, vermöge ihres natürlichen Triebes, die Sünde bestrafen, um die ihrem Schöpfer geschehenen Unbilden zu rächen. „Jedes Geschöpf, das dir, o Schöpfer! dient, erglühet vor Zorn gegen die Ungerechten.“ Gott aber hält sie durch seine Barmherzigkeit davon ab. Doch du, o Herr! wartest auf diese Gottlosen, damit sie in sich gehen. Siehst du aber nicht, daß die Undankbaren deiner Barmherzigkeit sich nur bedienen, um dich noch mehr zu beleidigen? Du bist diesem Volke gnädig gewesen, o Herr! bist du aber geehrt worden? (Jes 26,15) Und wozu so große Geduld? Weil Gott nicht des Sünders Tod, sondern dessen Bekehrung und Rettung will: Ich will nicht den Tod des Sünders, sondern daß er sich bekehre, und lebe. (Ez 33,11) O große Geduld eines Gottes! Der heilige Augustinus sagt sogar: Gott würde, wäre er nicht Gott, die Gerechtigkeit außer acht lassen, hinsichtlich seiner übergroßen Geduld gegen die Sünder. „Gott, mein Gott! du wärest - wenn du mir erlaubst, so zu sprechen - du wärest ungerecht, wenn du nicht Gott wärest.“ Auf jenen warten, der sich der Geduld bloß dazu bedient, um desto übermütiger zu werden, scheint eine Ungerechtigkeit wider die göttliche Ehre zu sein. „Wir sündigen, sagt der Heilige weiter, wir hängen der Sünde an.“ Einige schließen mit der Sünde Frieden, schlafen in der Sünde monate- und jahrelang: „Wir freuen uns ob der Sünde“. Ja, andere kommen so weit, daß sie sich sogar ihrer Lastertaten rühmen, und du bleibst gütig? „Wir reizen dich zum Zorne, und du forderst uns zur Barmherzigkeit auf. Es scheint, wir seien mit Gott eine Wette eingegangen: wir suchen ihn zu reizen, daß er uns züchtige; er aber bietet uns Verzeihung an.“
Anmutungen und Bitten
Ach mein Herr! ich sehe wohl ein, daß ich das Unglück verdiente, bereits in der Hölle zu sein. Die Hölle ist mein Haus. Doch deiner Barmherzigkeit wegen befinde ich mich jetzt nicht in der Hölle, sondern hier zu deinen Füßen, und höre dein Gebot an mich ergehen, ich solle dich lieben: Liebe den Herrn, deinen Gott! und höre dich sagen, du wollest mir verzeihen, sofern ich die dir zugefügten Unbilden bereue. Ja, mein Gott! da du willst; daß auch ein Elender wie ich, der ich gegen deine Majestät mich empörte, dich liebe - nun, so liebe ich dich von ganzem Herzen, und darum schmerzt es mich, daß ich dich beschimpft habe, weit mehr, als jedes Unglück, das mir hätte widerfahren können. Ach, erleuchte mich, o unendliche Güte! laß mich das dir zugefügte Unrecht erkennen! Nein, ich will deiner Stimme nicht ferner mich widersetzen. Nimmermehr will ich einen Gott beleidigen, der mich so sehr liebte, und so oft, und mit so großer Liebe mir vergab. Ach, hätte ich dich, o mein Jesus, doch nie beleidiget! Verzeihe mir, und mache, daß ich von heute an forthin niemand mehr liebe, als dich; daß ich nur für dich lebe, der du für mich gestorben ist; daß ich aus Liebe zu dir leide, da du aus Liebe zu mir vieles ausgestanden hast. Du hast mich von Ewigkeit her geliebt; gib, daß mein Herz in Ewigkeit von Liebe zu dir erglühe. O mein Erlöser! von deinen Verdiensten hoffe ich alles, — und setze auch auf dich, o Maria! mein Vertrauen; ich hoffe, du werdest durch deine Fürbitte erwirken, daß ich selig werde.
16. Betrachtung
Gottes Barmherzigkeit
2. Punkt
Betrachte ferner, mit wie großer Barmherzigkeit Gott den Sünder zur Buße rufe. Als Adam vom Herrn abtrünnig geworden und sich hierauf vor seinem Angesichte verborgen, siehe: da ging Gott umher, um den verlorenen Adam aufzusuchen und ruft gleichsam weinend: Adam, wo bist du? (Gen 3,10) „Dies sind, nach Erklärung des P. Pereirus, die Worte eines Vaters, der seinen verlornen Sohn aufsucht.“ Eben dasselbe tat Gott so oft auch mit dir, mein Bruder! - Du flohest Gott, und Gott suchte dich auf, bald durch Einsprechungen, bald durch Gewissensbisse, bald durch Predigten, bald durch Trübsale, bald durch den Tod deiner Freunde. Es scheint, Jesus Christus rede von dir, da er spricht: Ich habe mich müde geschrien, mein Schlund ist heiser geworden. (Ps 68,4) Mein Sohn, ich habe fast die Stimme verloren, indem ich dir in einem fort zugerufen habe. „Merket, o Sünder! sagt die heilige Theresia, daß jener Herr euch nun zurufe, der einst euch richten wird.“
Mein Christ! wie oft spieltest du den Tauben gegen Gott, da er dir mit mächtiger Stimme zurief. Du hättest verdient, daß er nicht mehr rufe. Doch der Herr hörte nicht auf, dir zu rufen; denn Frieden wollte er mit dir schließen und dich retten. O Gott! Wer war es, der da gerufen hat? Ein Gott unendlicher Majestät! Und du! Was warst du wohl anderes, als ein elender Wurm? Und warum hat er dir gerufen? Aus keiner anderen Ursache, als um das Leben der Gnade dir wiederzugeben, das du bereits verloren hattest. Bekehret euch und lebet. (Ez 18,30) Um die göttliche Gnade erlangen zu können, wäre es der Mühe nicht zu viel, wenn jemand deshalb sein Leben lang in einer Wüste leben würde; doch Gott bot dir seine Gnade an, damit du in einem Augenblick durch einen Akt der Reue sie erhaltest, wenn du nur wolltest; du aber schlugst sie aus! - Und dennoch hat Gott dich nicht verlassen; er ging dir beinahe weinend nach und sagte „Mein Sohn: warum willst du doch verdammt werden? Warum wollt ihr sterben, ihr vom Hause Israel? (Ez 18,31)
Begeht der Mensch eine Todsünde, so zwingt er Gott, aus seiner Seele zu weichen. Diese (Gottlosen) sprachen zu Gott: Weiche von uns. (Job 21,14) Was tut aber Gott? Er begibt sich zur Tür dieses undankbaren Herzens: Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe. (Offb 30,2) Und er scheint die Seele zu bitten, sie möchte doch den Eintritt ihm erlauben: Mache mir auf! meine Schwester. (Hld 5,3) Und er bittet so lange, daß er müde wird: Ich bin vom Bitten müde geworden. (Jer 15,9) „Ja, sagt der heilige Dionysius Areopagita, Gott geht den Sündern nach, wie ein verschmähter Liebender, indem er sie bittet, sie möchten sich doch nicht zu Grunde richten: „Gott geht auch jenen, die von ihm sich abgewendet haben, wie ein Liebender auf dem Fuße nach und bittet sie dringend, sie möchten sich doch nicht unglücklich machen. Und gerade dies deutete der heilige Paulus an, indem er seinen Jüngern schrieb: Wir bitten euch an Christi statt, versöhnet euch mit Gott. (2 Kor 5, 20) Schön ist die Bemerkung, die der heilige Johannes Chrysostomus macht, indem er diese Stelle so auslegt: „Christus selbst bittet euch. Um was aber bittet er? Ihr möchtet euch mit Gott versöhnen: denn nicht er handelt feindlich, sondern ihr.“ Der Heilige will sagen: der Sünder brauche sich keine Mühe zu geben, um Gott zum Friedensschlusse mit ihm zu bewegen; sondern er selbst dürfe sich nur entschließen, mit Gott Frieden schließen zu wollen; indem nicht Gott, wohl aber der Sünder den Frieden scheut.
Ach! daß doch dieser gute Herr täglich so vielen Sündern nachgeht und zu ihnen sagt: ihr Undankbare! fliehet doch nicht vor mir; sagt mir: warum fliehet ihr denn? ich will ja euer Bestes und wünsche nichts, als euch glücklich zu machen. Warum wollt ihr euch denn ins Unglück stürzen? Wozu aber so große Geduld, o mein Gott! und so viele Liebe gegen diese Aufrührer? Was hoffest du denn Gutes? Es macht dir ja gar wenig Ehre, wenn du für diese elenden Würmer, die vor dir fliehen, so leidenschaftlich dich eingenommen zeigst. Was ist wohl der Mensch, daß du ihn so hoch achtest und dein Herz ihm wendest? (Job 7,17)
Anmutungen und Bitten
Siehe mein Herr! vor deinen Füßen den Undankbaren, der um Barmherzigkeit dich anflehet: „ Vater, verzeihe.“ Vater nenne ich dich, denn du willst ja, daß ich also dich nenne. „Mein Vater, vergib mir.“ Keineswegs verdiene ich von dir bemitleidet zu werden; denn je gütiger du gegen mich warst, desto undankbarer war ich gegen dich. Ach, um jener Güte willen, die dich, mein Gott! zurückhielt, mich zu verlassen, da ich dich floh, um dieser Güte willen nimm mich nun auf, da ich wieder zu dir zurückkehre! Verleihe mir doch, mein Jesu! einen recht großen Schmerz über die dir zugefügten Beleidigungen und gib mir den Friedenskuß. Die Unbilden, die ich dir antat, schmerzen mich über alles Übel, ich verfluche sie, ich verabscheue sie; und vereinige dieses mein Verabscheuen mit jenem, welches du, mein Erlöser, im Garten von Gethsemane davor hattest. Ach, verzeihe mir, um des Blutes willen, das du im Garten für mich vergossen hast. Ich verspreche dir und bin fest entschlossen, nicht mehr von deiner Seite zu weichen und aus meinen Herzen jede Neigung zu verbannen, die nicht nach dir zielet. Mein Jesu, meine Liebe! über alles liebe ich dich und stets will ich dich lieben, und nur dich will ich lieben; du aber verleihe mir Kraft, es zu tun; mache mich ganz dein. - O Maria, meine Hoffnung, du bist die Mutter der Barmherzigkeit; o bitte Gott für mich und habe Mitleid mit mir.
16. Betrachtung
Gottes Barmherzigkeit
3. Punkt
Die Fürsten dieser Welt berücksichtigen die aufrührerischen Untertanen selbst dann nicht, wann sie um Verzeihung bitten: doch nicht also handelt Gott mit uns: Er wendet sein Angesicht nicht von euch, wenn ihr euch zu ihm wendet. (2 Par 3,9) Nimmermehr kann Gott von jenem sein Angesicht abwenden, der wieder zu seinen Füßen kommt, nein, er ladet selbst ihn ein und verspricht ihn aufzunehmen, sobald er kommt: Kehre wieder um zu mir, und ich werde dich aufnehmen. (Jer 3,11) Wendet euch zu mir und ich werde mich zu euch wenden. (Zach 1,3) O, welche Liebe und Zärtlichkeit, mit welcher Gott einen Sünder aufnimmt, der zu Ihm zurückkehrt! Eben dies wollte uns Jesus Christus zu verstehen geben, durch das Gleichnis von dem Schafe, welches der Hirt, nachdem er es wieder gefunden, auf seine Schultern nimmt. Mit Freude legt er es auf seine Achseln (Lk 15) und ruft seine Freunde, damit sie seine Freude teilen: Erfreuet euch mit mir, denn ich habe mein Schaf, welches ich verloren habe, wieder gefunden. Und Freude wird dann, fügt der heilige Lukas bei, im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut. Ganz vorzüglich bezeichnete dies aber der Erlöser durch das Gleichnis vom verschwenderischen Sohne, wenn er sagt: Er sei jener Vater, welcher seinem verlornen Sohne, sobald er ihn zurückkommen sieht, entgegen eilt, und ihn, ehevor dieser zu Worte kommt, umarmt und küßt und während der Umarmung aus Zärtlichkeit ob der Freude, die er hat, gleichsam außer sich gerät: Er lief ihm zu, fiel ihm um den Hals, und küsste ihn. (Lk 15, 20)
Der Herr sagt sogar: Er wolle, wenn anders der Sünder reumütig ist, auch seiner Sünden vergessen, als hätte ihn dieser gar nie beleidiget: Wenn der Ungerechte Buße tut, soll er leben: aller seiner Ungerechtigkeiten werde ich nicht gedenken. (Ez 28,21) Ja noch mehr: Kommet und klaget über mich, spricht der Herr: denn wenn eure Sünden so rot wären wie Scharlach, so sollen sie doch weiß werden wie Schnee. (Jes 1,18) Als wollte er sagen: Kommet Sünder, kommet und klaget über mich, wenn ich euch nicht verzeihe, so ergreift mich und behandelt mich wie einen Treulosen. Doch nein, Gott kann ein Herz nicht verschmähen, das sich demütiget und reuig ist: Ein zerknirschtes und gedemütigtes Herz wirst du, o Gott! nicht verachten. (Ps 50)
Ja, Gott setzt gleichsam seinen Ruhm darein, daß er gegen die Sünder Barmherzigkeit übe und ihnen verzeihe. Er wird erhöhet werden, wann er euch verschont. (Jes 30,18) Und wann vergibt er? Alsogleich: Wenn du weinst, wirst du nicht weinen, denn mitleidig wird er deiner sich erbarmen. (Jes 20,19) Der Sünder, sagt der Prophet, bedarf nicht vieler Tränen; bei der ersten Träne wird der Herr zum Mitleiden gegen dich beweget werden. Bei dem Laute deines Weines, sobald er dich hört, wird er dir antworten. (Ibid.) Gott macht es mit uns nicht so, wie wir mit ihm. Gott ruft uns und wir machen die Gehörlosen; Gott aber nicht: Sobald er dich hört, wird er dir antworten; sobald du Reue hast und um Verzeihung ihn bittest, erhört dich Gott und verzeiht dir auf der Stelle.
Anmutungen und Bitten
O mein Gott, gegen wen habe ich mich bisher empört? Gegen dich, der du so gütig bist, der du mich erschaffen hast und für mich gestorben bist. Und du hast mich trotz, meiner vielen Treulosigkeiten dennoch ertragen? Ach! wenn ich nur jene Güte betrachte, die du mit mir hattest, so sollte dies allein mich dazu vermögen, immer in Liebe zu dir entflammt zu leben. Und wer hätte wohl so viel Langmut bei den vielen zugefügten Unbilden, wie du gegen mich gehabt hast? Wehe mir, wenn von nun an ich neuerdings dich beleidigte und verdammt würde! Diese Beweise von Barmherzigkeit, die du mir gabst, wären, o Gott! eine qualvollere Hölle, als die Hölle selbst es ist. Nein, mein Erlöser! laß nicht zu, daß ich dir aufs neue den Rücken kehre. Laß mich lieber sterben. Ich sehe es ein, daß ich gegen deine Barmherzigkeit zu viel gesündiget habe, als daß du mich länger ertragen solltest. Ich bereue es, o höchstes Gut, dich beleidiget zu haben. Ich liebe dich von ganzem Herzen, und bin entschlossen, das ganze mir übrige Leben dir zu widmen. Erhöre mich, o ewiger Vater! um der Verdienste Jesu Christi willen; gib mir die heilige Beharrlichkeit, und deine Liebe! Erhöre mich, mein Jesu! um des Blutes willen, das du für mich vergossen hast. „ Wir bitten dich also, komme deinen Dienern zu Hilfe, welche du durch dein kostbares Blut erlöset hast.“ — O Maria, meine Mutter! wirf einen Blick auf mich herab, „wende deine barmherzigen Augen zu uns“, und ziehe mich ganz zu Gott.
Mißbrauch der göttlichen Barmherzigkeit
„Weißt du nicht, daß Gottes Güte zur Buße dich anleitet?“
(Röm 2,4)
1. Punkt
In dem Gleichnisse von dem Unkraute liest man beim heiligen Matthäus im 13. Hauptstücke: daß einst, als in einem Felde das Unkraut mit dem Weizen aufwuchs, die Knechte hingehen wollten, es auszureißen: Willst du, daß wir hingehen und es sammeln? Der Herr aber antwortete: Nein, laßt es nur wachsen, und dann kann man es sammeln und in das Feuer werfen. Zur Zeit der Ernte werde ich zu den Schnittern sagen: sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Büschlein zum Verbrennen. Aus diesem Gleichnisse leuchtet einerseits die Geduld hervor, welche der Herr mit den Sündern hat, andererseits aber die Strenge, mit der er gegen die Hartnäckigen verfährt. Der heilige Augustinus sagt, auf zweierlei Art täusche der böse Feind die Menschen: Durch Verzweiflung und durch Hoffnung. Nachdem die Sünde verübt worden ist, sucht er den Sünder in Verzweiflung zu bringen durch den Schrecken ob der göttlichen Gerechtigkeit, vor der Sünde aber ermutigt er ihn durch die Hoffnung auf die göttliche Barmherzigkeit. Daher ermahnt der Heilige jeden, das Gegenteil zu tun: „Nach der Sünde hoffe auf die Barmherzigkeit, vor der Sünde fürchte die Gerechtigkeit“. Und so ist es; denn wer sich der Barmherzigkeit Gottes bedient, um ihn zu beleidigen, der verdient keine Erbarmen. Die Barmherzigkeit hat statt bei dem, der Gott fürchtet, nicht aber bei dem, der sie dazu mißbraucht, um ihn nicht zu fürchten. Wer gegen die Gerechtigkeit sich verfehlt, sagt der Abulenser, kann bei der Barmherzigkeit Hilfe suchen; wer aber auch gegen die Barmherzigkeit sündiget, wohin soll der sich wenden?
Schwerlich findet man einen, der so toll wäre, daß er wirklich verdammt werden möchte. Die Sünder wollen sündigen, ohne die Hoffnung auf Rettung zu verlieren. Sie sündigen und sagen: „Gott ist ja barmherzig, ich will diese Sünde begehen, und dann werde ich sie schon beichten. Gott ist ja gut, ich will jetzt tun, was mir beliebt.“ Siehe, wie die Sünder reden, schreibt der heilige Augustinus. (Tract. 33 in Jo.) Aber, o Gott! ist das nicht eben jene Sprache, die so viele führten, die jetzt verdammt sind?
Sage nicht, spricht der Herr, groß sind Gottes Erbarmungen; so viele Sünden ich auch begehen werde, so werden sie mir durch einen Akt des Schmerzes verziehen werden: Und sage ja nicht: Gottes Barmherzigkeit ist groß, er wird sich der Menge meiner Sünden erbarmen. (Eccl 5,6) Sage dies ja nicht, denn: Sein Zorn ist ebenso schnell als seine Barmherzigkeit und sein Zorn sieht auf die Sünder. (Ibid.) Gottes Barmherzigkeit hat keine Grenzen; doch die Werke dieser Barmherzigkeit, welches die Erbarmungen sind, haben ihre Grenze. Barmherzig zwar ist Gott, aber auch gerecht: „Ich bin gerecht und barmherzig, sagte einst der Herr zur heiligen Brigitta, die Sünder halten mich nur für barmherzig.“ Die Sünder, schreibt der heilige Basilius, wollen Gott nur zur Hälfte ansehen. „Gut ist der Herr, allein auch gerecht; wir wollen Gott nicht bloß zur Hälfte betrachten.“ - Jenen zu dulden, der sich der Barmherzigkeit Gottes bedient, um ihn desto mehr zu beleidigen, wäre - sagt P. M. Avila - keine Barmherzigkeit, sondern ein Eingriff gegen die Gerechtigkeit. Die Barmherzigkeit ist dem Gottesfürchtigen, nicht aber jenem verheißen, welcher sie mißbraucht: Und seine Barmherzigkeit erstreckt sich über jene, welche ihn fürchten, sang die göttliche Mutter. Den Hartnäckigen wird mit der Gerechtigkeit gedrohet; und so wie Gott - dies sind die Worte des heiligen Augustinus - in seinen Verheißungen nicht lügt, ebensowenig lügt er in seinen Drohungen: „Der da im Verheißen wahrhaft ist, der ist auch wahrhaft im Drohen.“
Sei wohl auf der Hut, sagt der Heilige Johannes Chrysostomus, wann der böse Geist - und nicht Gott - Barmherzigkeit dir verspricht, damit du sündigest: „Sei behutsam, traue niemals jenem Hunde, welcher Gottes Barmherzigkeit dir verheißt.“ (Hom. 50 ad Pop. Antioch.) Wehe dem, fügt der heilige Augustinus bei, der da hofft, um sündigen zu können. „Er hofft, auf daß er sündige, wehe der verkehrten Hoffnung!“ (In Ps 144) O, wie viele lauschte und richtete diese eitle Hoffnung zu Grunde, seufzte der Heilige. „Unzählbar viele gibt es, die dieser eitle Schatten von Hoffnung getäuscht hat.“ Wehe dem, der Gottes Barmherzigkeit mißbraucht, um ihn zu beschimpfen! Der heilige Bernardus sagt: Luzifer sei deswegen so schnell von Gott bestraft worden, weil er sich mit der Hoffnung empörte, er würde gar nicht bestraft werden. Der König Manasses war ein Sünder; er bekehrte sich, und Gott vergab ihm. Da sein Sohn Amon sah, daß sein Vater so leicht Verzeihung erhalten habe, ergab er sich dem schlechten Leben mit der Hoffnung auf Vergebung; allein für Amon gab es keine Barmherzigkeit. Der heilige Johannes Chrysostomus sagt demnach: Judas sei zu Grunde gegangen, weil er im Vertrauen auf die Güte Jesu Christi sündigte: „Er verließ sich auf die Sanftmut seines Meisters.“ Kurz, obwohl Gott erträgt, so erträgt der doch nicht immer. Würde Gott immer ertragen, so würde niemand verdammt werden; es ist aber zum allgemeinen Grundsatz angenommen, daß der größte Teil der Christen, wenn man von Erwachsenen spricht, verdammt werde. Weit ist die Pforte und breit ist der Weg, der zum Verderben führt, und viele gehen darauf. (Mt 7,13)
Wer Gott mit der Hoffnung auf Verzeihung beleidiget, „der ist ein Spötter und nicht ein Büßer“, sagt der heilige Augustinus. Der heilige Paulus hingegen sagt: Gott lasse sich nicht spotten: Gott läßt seiner nicht spotten. (Gal 6,7) Es hieße Gott verspotten, wenn man nach Belieben fortfahren würde, ihn zu beleidigen, und dennoch dann in den Himmel eingehen wollte. Denn was der Mensch säet, das wird er auch ernten. (Ibid 8) Wer Sünden säet, hat keinen Grund, etwas anderes zu hoffen als Strafe und Hölle. Das Netz, womit der böse Feind fast alle Christen, die verdammt werden, in die Hölle mit fortzieht, ist jener Trug, mit dem er zu ihnen sagt: „Sündiget nur, ohne euch zu scheuen; denn ihr werdet ungeachtet aller Sünden, doch selig werden.“ Allein Gott verflucht den, der in der Hoffnung auf Verzeihung sündiget. Verflucht der Mensch, welcher in der Hoffnung sündiget. Die Hoffnung des Sünders ist, sofern sie mit Reue verbunden ist, Gott angenehm; die Hoffnung der Hartnäckigen aber ist Gott ein Greuel: Und ihre Hoffnung verabscheuet er. (Job 11,20) eine solche Hoffnung reizt Gott zur Strafe, sowie jener Diener den Herrn zum Zorne reizen würde, der ihn darum beleidigte, weil der Herr so gut ist.
Anmutungen und Bitten
Ach mein Gott! Siehe, ich war einer von diesen; denn ich beleidigte dich, weil du gegen mich so gut warst. Ach, Herr! warte auf mich, verlaß mich noch nicht; denn ich hoffe mit deiner Gnade dich nicht mehr so zu reizen, daß du mich verlassen müßtest. Es reuet mich, o unendliche Güte! daß ich dich beleidigte und deine Geduld so oft mißbrauchte. Ich danke dir, daß du meiner bisher harrtest. Von nun an will ich dir nicht mehr untreu werden, wie ich es bisher war. Du warst mit mir bisher so geduldig, damit du mich einst als einen Liebhaber deiner Güte sähest. Siehe, dieser Tag ist bereits da, wie ich hoffe. Ich liebe dich über alles und schätze deine Gnade höher, als alle Reiche der Welt; lieber will ich tausend Mal das Leben, als deine Gnade verlieren. Mein Gott, gib mir um der Liebe Jesu Christi willen nebst deiner Liebe die heilige Beharrlichkeit bis zum Tode. Laß mich nicht mehr gegen dich treulos werden und erlaube, daß ich dich liebe. — Maria, du bist meine Hoffnung; erhalte mir diese Beharrlichkeit und ich bitte um nichts anders mehr.
17. Betrachtung
Mißbrauch der göttlichen Barmherzigkeit
2. Punkt
Gott hat mir, wird mancher sagen, ja schon in der Vergangenheit so viele Barmherzigkeit erwiesen, sonach hoffe ich, er werde sie mir wohl auch in Zukunft angedeihen lassen. Ich aber erwidere: Du willst ihn also neuerdings beleidigen, eben weil er dir so viel Barmherzigkeit erwiesen hat? Schätzest du - spricht der heilige Paulus zu dir - die Güte und Geduld Gottes so gering? Weißt du nicht, daß dich der Herr bis jetzt nicht deswegen erduldete, damit du fortfahrest ihn zu beleidigen, sondern auf daß du das vollbrachte Böse beweintest? Verachtest du die Reichtümer seiner Güte, Geduld und Langmut? Weißt du nicht, daß Gottes Güte zur Buße dich anleitet? (Röm 2,4) Wann du bei deinem falschen Vertrauen auf die göttliche Barmherzigkeit, deinem bösen Wandel kein Ende machen willst, so wird ihm der Herr selbst ein Ende machen. Wenn ihr euch nicht bekehret, so hat er seinen Bogen schon gespannt. (Ps 7) Mein ist die Rache; ich will vergelten zu seiner Zeit. (Dtn 32,35) Gott wartet; wenn aber die Zeit der Rache anbricht, so zögert er nicht mehr und - züchtiget.
Darum wartet der Herr, daß er euer sich erbarme. (Jes 30,18) Der Herr wartet auf den Sünder, damit er sich bessere; sieht er aber, daß dieser der Zeit, die er ihm zur Beweinung der Sünden gegeben, zur Vermehrung derselben sich bediene, dann ruft er sogar die Zeit wider ihn auf, um ihn zu strafen. Er hat die Zeit wider mich aufgerufen. (1 Thren 25) „Selbst die Zeit kommt zum Gerichte.“ Also der heilige Gregorius. Sogar die Zeit, sogar die erwiesenen Erbarmungen werden dazu dienen, um desto strenger ihn zu züchtigen und um so schneller ihn zu verlassen. Wir wollten Babylon heilen, es ist aber nicht geheilt worden, so wollen wir es nun verlassen. (Jer 51,9) Und wie verläßt Gott den Sünder? Entweder schickt er den Tod über ihn und läßt ihn in der Sünde sterben, oder er beraubt ihn der Fülle seiner Gnaden und läßt ihm die hinlängliche Gnade, womit der Sünder gleichwohl selig werden könnte, aber nicht selig wird. Der verblendete Sinn, das verhärtete Herz, die böse Gewohnheit werden seine Rettung sittlich unmöglich machen, und so wird er, wenn nicht ganz und gar, wenigstens moralisch genommen, verlassen werden: Seinen Zaun will ich hinwegnehmen und er soll zum Raube werden (Jes 5,5)
O, welche Strafe? Was ist das für ein Zeichen, wenn der Herr den Zaun hinwegnimmt und in den Weinberg was immer für Leute und Tiere hineingehen läßt? Es ist ein Zeichen, daß er ihn verlassen hat. Also macht es Gott, wenn er eine Seele verläßt. Er benimmt ihr den Zaun der Furcht, der Gewissensbisse und läßt sie in der Finsternis, und dann kommen in die Seele alle Ungeheuer von Lastern: Du ließest es finster werden, und es ward Nacht; alle wilden Tiere werden da sich aufhalten. (Ps 103,20) Und der Sünder wird, wenn er in dieser Finsternis sich selbst überlassen ist, alles verachten: die Gnade Gottes, den Himmel, die Warnungen, selbst die Verbannung aus der Kirche; ja er wird sogar noch spotten über seine Verbannung. Wenn der Gottlose in den Abgrund der Sünden wird geraten sein, verachtet er es. (Spr 18,3)
Gott wird ihn in diesem Leben ungestraft lassen; allein durch diese Straflosigkeit wird er um so mehr gestraft werden. Wir werden des Ungerechten uns erbarmen und er wird dennoch nicht Gerechtigkeit lernen. (Jes 26,10) Der heilige Bernardus sagt über diesen Text: „Diese Barmherzigkeit will ich nicht, dieses Erbarmen übersteigt allen Zorn.“ (Serm. 42 in Cant.) O, welche Strafe ist es, wenn Gott den Sünder seiner Sünde überläßt und von ihm keine Rechenschaft mehr zu fordern scheint! Nach der Menge seines Zornes wird er nicht fragen (Ps 9) und wenn es scheint, als wäre Gott über ihn gar nicht erzürnt. Es wird mein Eifer von dir genommen werden; ich werde rufen und nicht mehr zürnen (Ez 16,42), und wenn er ihm auch auf dieser Welt alles nach Wunsch gehen läßt: Und ich überließ sie den Wünschen ihres Herzens. (Ps 80) Wehe den Sündern, die in diesem Leben Glück über Glück haben! Dies ist ein Zeichen, daß Gott auf sie warte, um sie im ewigen Leben zu Opfern seiner Gerechtigkeit zu machen. Warum ist der Gottlosen Weg beglückt? fragt Jeremias (12,2), und antwortet: Du versammelst sie wie eine Herde zum Schlachtopfer. Es gibt keine größere Strafe, als wenn Gott einen Sünder Sünden auf Sünden häufen läßt, wie David sich ausdrückt: Häufe Ungerechtigkeit auf Ungerechtigkeit; ... sie sollen aus dem Buche der Lebendigen ausgestrichen werden. (Ps 66) Belarmin sagt hierüber: „Es ist keine Strafe so groß, als diese, wobei Sünde durch Sünde bestraft wird.“ Für weniger unglücklich könnte man jenen halten, den der Herr nach seiner ersten Sünde sterben ließe; denn stirbt er später, so wird seine Hölle ebenso vielfach sein, als vielfältig seine Sünden waren.
Anmutungen und Bitten
Mein Gott! nun erkenne ich, daß ich es wohl verdient hätte, in meinem elenden Sündenzustande deiner Gnade und deines Lichtes beraubt zu werden; da ich aber das Licht sehe, das du mir jetzt gibst, und da ich höre, daß du mich zur Buße rufest, so ist es ein Zeichen, du habest mich noch nicht verlassen; und da du mich nicht verlassen hast, nun so vermehre, o Herr! deine Erbarmungen über meine Seele, vermehre das Licht, vermehre das Verlangen, dir zu dienen und dich zu lieben. Verändere mich, allmächtiger Gott! und mache aus einem Meineidigen und Empörer, wie ich einer war, mich zu einem großen Liebhaber deiner Güte, damit ich einst in den Himmel komme, um in Ewigkeit deiner Barmherzigkeit Lob zu singen. Du willst mir also verzeihen, und ich begehre von dir nichts anderes, als Verzeihung und deine Liebe. Ich bereue es, o unendliche Güte! dich gar so oft beleidiget zu haben. Ich liebe dich o höchstes Gut! weil du es mir befiehlst; ich liebe dich, weil du über alles liebenswürdig bist. Ach mein Erlöser! laß dich um der Verdienste deines Blutes willen, laß dich von einem Sünder lieben, den du so sehr geliebt und so viele Jahre lang mit solcher Geduld ertragen hast. Ich erwarte alles von deiner Barmherzigkeit. Von nun an hoffe ich, dich bis zum Tode immer und ewig zu lieben: Den Erbarmungen des Herrn werde ich in Ewigkeit Lob singen. Immerdar will ich, o mein Jesu! deine Barmherzigkeit loben und preisen. - Und stets werde ich auch deine Barmherzigkeit besingen, o Maria! da du mir so große Gnaden erlangt hast; alle verdanke ich deiner Fürsprache. Fahre fort, meine Mutter! mir beizustehen und die heilige Beharrlichkeit mir zu erbitten.
17. Betrachtung
Mißbrauch der göttlichen Barmherzigkeit
3. Punkt
In der Lebensbeschreibung von Ludovicus La-Nusa wird von zwei Freunden, die zu Palermo lebten, folgendes erzählt: Sie gingen einst spazieren und da der eine, welcher Cäsar hieß und ein Schauspieler war, den anderen in Gedanken vertieft sah, sprach er zu ihm: Was gilt es, du bist gewiß beichten gewesen und deswegen bist du so unruhig? Höre, fügte er bei, und wisse, was mir einst Pater La-Nusa sagte: „Gott werde mich noch zwölf Jahre leben lassen, und falls ich mich in dieser Zeit nicht bessern sollte, würde ich eines bösen Todes sterben. Ich durchreiste schon viele Länder der Welt, hatte so manche Krankheiten, und einmal war ich dem Tode ganz nahe; in diesem Monate aber, wo ich das zwölfte Jahr vollende, befinde ich mich besser, als je in meinem ganzen Leben.“ Hierauf bestellte er ihn auf den Sonnabend, um einem neuen von ihm verfaßten Schauspiele beizuwohnen. Aber was geschah? Am Sonnabende am 24. November 1668 wurde er, als er eben auf die Bühne treten wollte, vom Schlagflusse getroffen und starb plötzlich, indem er in den Armen einer Frau, die auch eine Schauspielerin war, den Geist aufgab; und hiermit war das Schauspiel zu Ende. - Nun laßt uns auf uns zurücksehen. Mein Bruder! versucht dich der böse Feind neuerdings zur Sünde, so steht es in deiner freien Wahl zu sündigen, wenn du verdammt werden willst; sage aber alsdann nicht, du wollest selig werden. Da du sündigen willst, so halte dich schon für verdammt und stelle dir dann vor, Gott schreibe dein Verdammungsurteil und spreche zu dir: Was sollte ich meinem Weinberge noch tun und was habe ich nicht schon getan? (Jes 5,4) Du Undankbarer! was sollte ich noch für dich tun, was ich nicht schon getan hätte? Willst du durchaus verdammt werden, und, so mag es geschehen: doch die Schuld liegt an dir.
Wo ist aber, wirst du einwenden, wo ist denn Gottes Barmherzigkeit? Ach du Elender erkennest du keine Barmherzigkeit Gottes darin, daß er trotz deiner Unzahl von Sünden dennoch so viele Jahre dich erduldet hat? Du solltest vielmehr mit gebeugtem Haupte stets ihm dafür danken und sagen: „Des Herrn Barmherzigkeit ist es, daß wir nicht schon verstoßen sind.“ (Thr 3)
Durch Begehung einer einzigen Todsünde verübtest du ein größeres Verbrechen, als wenn du den ersten Herrscher der Welt mit Füßen getreten hättest; du aber verübtest deren so viele, daß selbst dein leiblicher Bruder dich nicht ertragen hätte, wenn du ihm jene Unbilden angetan hättest, die du Gott zugefügt hast. Gott hat dich nicht nur ertragen, er hat auch oftmals dir zugerufen und Verzeihung dir angeboten. Was hätte ich noch tun sollen? Hätte er eine größere Barmherzigkeit dir erweisen können, wenn du ihm notwendig gewesen wärest oder wenn du eine große Gefälligkeit ihm erwiesen hättest, und selbst dann würden deine vielfältig wiederholten Beleidigungen machen, daß sich seine ganze Barmherzigkeit in Zorn und Züchtigung umändern müßte.
Hätte jener Feigenbaum, den der Herr ohne Frucht fand, auch nach dem zur Pflege zugestandenen Jahre keine Frucht getragen: wer hätte vom Herrn wohl hoffen können, daß er ihm noch Zeit geben und ihn nicht umhauen lassen würde? Höre also die Warnung des heiligen Augustinus: „O unfruchtbarer Baum! die Axt ist nur einstweilen beiseite gelegt; glaube ja nicht, als wärest du schon sicher; sonst wirst du umgehauen werden.“ Wie lange willst du zögern? Etwa, bis Gott dich wirklich in die Hölle stürzt? Wenn er dich aber in selbe stürzt, so weißt du schon, daß es für dich kein Rettungsmittel mehr geben werde. Der Herr schweigt; doch er schweigt nicht immer; wenn die Zeit der Rache kommt, schweigt er nicht mehr. Dies hast du getan und ich habe geschwiegen; du hast boshaft vermutet, ich wäre dir gleich; ich will dich aber strafen und es dir vor Augen stellen. (Ps 49,21) Er wird dir die Erbarmungen, welche er dir erwiesen hat, vorhalten, und diese sind es, die dich verurteilen und verdammen werden.
Anmutungen und Bitten
Ach mein Gott! wehe mir, wenn ich von jetzt an dir nicht die Treue hielte; wenn ich nach dem Lichte, das du mir jetzt gibst, neuerdings meineidig gegen dich würde! Dies Licht ist ein Beweis, daß du mir verzeihen wollest. Ich bereue, o Herr! alle dir zugefügten Unbilden, weil ich dadurch dich, o unendliche Güte! beleidigte. Von deinem Blute hoffe ich die Verzeihung, und zwar mit voller Zuversicht. Sollte ich dir aber wiederum den Rücken kehren, so sehe ich ein, daß ich mir die Hölle absichtlich verdiente. Und dies ist es, was mich zittern macht; ich kann, o Gott meiner Seele! neuerdings deine Gnade verlieren. Der Gedanke, daß ich dir so oft versprochen habe treu zu sein und dann auf neue von dir abtrünnig wurde, macht mich erzittern. Ach Herr! gib es nicht zu: überlaß mich nicht diesem großen Unglücke, mich neuerdings in Feindschaft gegen dich zu sehen. Verhäng über mich jede Strafe, nur diese nicht. Laß mich nur nicht von dir getrennt werden. Siehst du, daß ich dich wieder beleidigen würde, so laß mich eher sterben. Lieber will ich des peinvollsten Todes sterben, als daß ich das Unglück beweinen müßte, deiner Gnade noch ein Mal beraubt zu werden. Laß mich nicht von dir getrennt werden! Ich wiederhole es, mein Gott, mache, daß ich es dir stets wiederhole: Laß mich nicht von dir getrennt werden! Ich liebe dich, mein geliebter Erlöser, ich will nicht von dir scheiden; gib mir um deines Todes willen eine große Liebe, die mich so enge an dich schließe, daß ich mich nicht mehr losmachen kann. — O Maria, meine Mutter! würde ich Gott wieder beleidigen, so befürchte ich, auch von dir verlassen zu werden. Hilf mir also durch deine Bitten, erhalte mir die heilige Beharrlichkeit und Liebe zu Jesu Christo.
Von der Zahl der Sünden
„Weil das Urteil über die Bösen nicht alsobald gefällt wird,
so verüben die Menschenkinder Böses.“
(Eccl 8,ll)
1. Punkt
Würde der Herr jenen, der ihn beleidigt, sogleich bestrafen, so sähe er sich gewiß nicht so sehr verunehrt, wie es ihm jetzt geschieht; weil aber der Herr nicht alsogleich straft, sondern mit der Strafe zuwartet, deswegen bekommen die Sünder Mut, ihn um so mehr zu beleidigen. Man muß jedoch wissen, daß Gott zwar warte und gedulde, allein nicht immer wartet und duldet er. - Es ist ein Ausspruch vieler heiliger Väter: des heiligen Basilius, des heiligen Hieronymus, des heiligen Ambrosius, des heiligen Cyrillus Alexandrinus, des heiligen Johannes Chrysostomus, des heiligen Augustinus und anderer, daß Gott, sowie er für jeden Menschen die Zahl der Lebensjahre, das Maß der Gesundheit oder der Geistesgaben, die er ihm geben will, bestimmte - Alles bestimmtest du nach Maß, Ziel und Gewicht (Weish 21,21) - ebenso jedem die Zahl der Sünden, welche er ihm vergeben wolle, festgesetzt habe, nach deren Erfüllung er nicht mehr verzeiht. „Dies müssen wir hören - sagt der heilige Augustinus -, daß Gottes Geduld einen so lange ertrage, bis sie erschöpft und für den Sünder keine Verzeihung mehr stattfinde.“ (De vita Christi Cap. 9) Ebendasselbe sagt Eusebius von Cäsarea: „Gott wartet bis zu einer bestimmten Menge von Sünden und dann verläßt er den Sünder.“ (Lib. 8, Cap. 2) Und das nämliche sagen die anderen oben erwähnten heiligen Väter.
Die Aussprüche dieser Väter geschahen nicht etwa aufs Geratewohl, sondern sie sind auf die göttliche Schrift gegründet. An einer Stelle sagt der Herr, er bewahre die Amorrhiter deswegen noch vor dem Sturze, weil das Maß ihrer Schulden noch nicht erfüllt wäre: Die Ungerechtigkeiten der Amorrhiter sind noch nicht erfüllt. (Gen 15) An einer anderen Stelle heißt es: Ich will mich Israels ferner nicht erbarmen. (Jes 19) Wieder an einer anderen: Sie versuchten mich zehn Mal; nun sollen sie das Land nimmer sehen. (Num)
Anderswo sagt Job: Meine Übertretungen hast du wie in einem Säcklein versiegelt. (14,17) Die Sünder führen über ihre Sünden keine Rechnung, wohl aber Gott, um zu strafen, wenn die Saat reif ist, das heißt, sobald das Maß erfüllt ist. Setzet die Sichel an, denn die Ernte ist reif worden. (Joel 3,13) An einer anderen Stelle sagt Gott: Wegen der verziehenen Sünde sei nicht ohne Furcht und begehe nicht eine Sünde über die andere. (Eccl 5,5) Er will damit sagen: Sünder, du mußt auch jener Sünden wegen in Furcht sein, die ich dir verziehen habe; denn wenn du wieder eine begehest, so kann es geschehen, daß die neue Sünde samt den verziehenen das Maß voll mache, und dann wird für dich keine Barmherzigkeit mehr stattfinden. An einer anderen Stelle sagt die Schrift deutlicher: Der Herr wartet mit Geduld, daß er sie, wann der Tag des Gerichtes kommen und das Maß der Sünden erfüllt sein wird, strafe. (2 Makk 6,14) Gott wartet also bis auf den Tag, an dem das Maß der Sünden voll wird, und dann straft er.
Von dieser Strafe gibt es in der heiligen Schrift gar viele Beispiele. Hierher gehört besonders Saul, den Gott, als er ihm das letzte Mal ungehorsam war, derart verließ, daß ihm Samuel auf seine Bitte, er möchte beim Herrn für ihn bitten: Aber nun bitte ich dich, nimm meine Sünden hinweg und kehre mit mir zurück, daß ich den Herrn anbete! antwortete: Ich will nicht mit dir zurückkehren; weil du Gottes Wort verworfen hast, darum verwirft dich auch der Herr (1 Kön 15,25) Ein anderes Beispiel haben wir an Belschazzar, welcher bei der Tafel die heiligen Gefäße des Tempels entheiligte und alsdann eine Hand an die Wand schreiben sah: „Mane, Thekel, Phares.“ Es kam Daniel, legte ihm diese Worte aus und sagte unter anderem zu ihm: Du bist auf der Waage gewogen und zu leicht befunden worden. (Dan 5,27) Dadurch gab er ihm zu verstehen, daß das Gewicht seiner Sünden die Waage der göttlichen Gerechtigkeit schon überwogen habe; und in der nämlichen Nacht wurde er wirklich getötet. In derselben Nacht wurde Belschazzar, der Chaldäer König, umgebracht. Ach, wie vielen Armseligen, die viele Jahre in den Sünden dahinleben, geschieht nicht das nämliche! Ist die Zahl ihrer Sünden voll, so werden sie vom Tode ergriffen und in die Hölle gestürzt: Sie bringen ihre Tage im Wohlleben zu und in einem Augenblicke fahren sie zur Hölle. (Job 21,23) Einige wollen mittelst ihrer Forschung die Anzahl der Sterne, die Menge der Engel oder die Zahl der Lebensjahre, die jemand haben wird, entziffern; wer aber kann sich auf Erforschung der Sündenzahl verlegen, die einem Gott verzeihen will? Und deshalb muß man zittern. Wer weiß, mein Bruder, ob dir Gott die erste unanständige Freude, den ersten freiwilligen bösen Gedanken, die erste Sünde, die du dir erlauben wirst, wieder verzeihen werde?
Anmutungen und Bitten
Ach, mein Gott, wie sehr bin ich verbunden, dir zu danken! So viele sind wegen weniger Sünden, als ich begangen habe, jetzt schon in der Hölle, und es gibt keine Verzeihung, keine Hoffnung mehr für sie! Und ich bin noch am Leben, außerhalb der Hölle, und habe Hoffnung zur Vergebung und zum Himmel, wenn ich ernstes Verlangen darnach trage. Ja, mein Gott! ich verlange Verzeihung. Ich bereue über alles Übel, dich beleidigt zu haben, weil ich dich, unendliche Güte! entehrte. Ewiger Vater, schaue auf das Angesicht deines Gesalbten! schaue deinen am Kreuze für mich gestorbenen Sohn an, und um seiner Verdienste willen erbarme dich meiner! Ich verspreche dir, lieber sterben, als dich wieder beleidigen zu wollen. Mit Recht muß ich fürchten, es möchte nach den Sünden und den von dir erhaltenen Gnaden, mein Sündenmaß voll werden, wenn noch eine Sünde hinzukäme, und - ich würde der Verdammnis anheimfallen! Ach! hilf mir doch mit deiner Gnade. Von dir hoffe ich das Licht, und die Stärke, dir treu zu bleiben. Und siehst du etwa, daß ich neuerdings dich beleidigen sollte, so lasse mich jetzt in diesem Augenblicke sterben, da ich hoffe, in deiner Gnade zu sein. Dich, mein Gott, liebe ich über alles, und ich fürchte mehr als den Tod, wieder in deine Ungnade zu geraten; laß es doch um deiner Liebe willen nicht geschehen. - Maria, meine Mutter! hilf mir! um deiner Liebe willen erhalte mir die heilige Beharrlichkeit.
18. Betrachtung
Von der Zahl der Sünden
2. Punkt
Jener Sünder sagt: „Aber Gott ist barmherzig?“ Ich antworte: wer wird dies leugnen wollen? Gottes Barmherzigkeit ist unendlich; wie viele aber werden ungeachtet dieser Barmherzigkeit täglich verdammt. Ich kam, jene, die eines zerknirschten Herzens sind, gesund zu machen. (Jes 61,1) Gott heilt den, der einen guten Willen hat. Er vergibt die Sünden; doch den Willen zu sündigen, kann er nicht verzeihen. Der Sünder wird einwenden: „Aber ich bin jung? Du magst jung sein an Jahren.“ Jung bist du? Allein Gott zählt nicht die Jahre: die Sünden zählt er. Und dies Maß der Sünden ist nicht für alle gleich; einem vergibt Gott hundert, einem anderen tausend Sünden, wieder einen anderen wird er bei der zweiten Sünde in die Hölle verstoßen. Wie viele hat Gott schon bei der ersten Sünde verstoßen? Der heilige Gregorius erzählt, es sei ein Kind von fünf Jahren in die Hölle gestürzt worden, weil es eine Gotteslästerung aussprach. Die allerheiligste Jungfrau offenbarte jener Dienerin Gottes Benedicta von Florenz, es sei ein Mädchen von zwölf Jahren schon bei der ersten Sünde verdammt worden. Ein anderes achtjähriges Kind starb auch nach der ersten Sünde, und wurde verdammt. Es heißt im Evangelium des heiligen Matthäus (Kap. 21), daß der Herr den Feigenbaum, den er ohne Früchte fand, gleich das erstemal verfluchte: Auf dir soll keine Frucht mehr wachsen; und er verdorrte. Ein anderesmal sagte er: Über drei Laster von Damascus, nimmermehr aber wegen des vierten will ich ihm gnädig sein. Wie könnte aber jemand so verwegen sein, Gott zur Rede stellen zu wollen, warum er drei Sünden verzeihen wolle, die vierte aber nicht? Hierin müssen wir die göttlichen Urteile anbeten, und mit dem Apostel ausrufen: O, Tiefe der Reichtümer und der Erkenntnis Gottes. Wie unbegreiflich sind seine Gerichte, und wie unerforschlich seine Wege! (Röm 11,33) Der heilige Augustinus sagt: „Er weiß, wessen er schonen und wessen er nicht verschonen soll. Welchen Barmherzigkeit erwiesen wird, denen wird sie aus Gnaden erwiesen; welchen sie nicht zuteil wird, denen wird sie aus Gerechtigkeit nicht gewährt.“ (Lib. de Corrept, cap. 5)
Der Verstockte wird da entgegnen: „Ich habe Gott schon oft beleidiget, und Gott hat mir immer vergeben, nun so hoffe ich, er werde mir auch jetzt diese neue Sünde verzeihen.“ Ich hingegen frage dich: weil dich Gott bisher nicht züchtigte, muß es deswegen immer so bleiben? das Maß wird voll werden, und es erfolgt plötzlich die Strafe. Als Samson mit Dalila tändelte, hoffte er gleichwohl aus den Händen der Philister, wie vorher, sich zu befreien. Ich will hinausgehen, wie ich vormals getan habe, und mich losreißen. (Ri 16,20) Dies letztemal wurde er aber ergriffen und kam ums Leben. Sage ja nicht: ich sündigte; und was geschah mir Böses? Sage nicht, spricht der Herr, ich beging so viele Sünden, und niemals strafte mich Gott: Denn der Allerhöchste ist ein geduldiger Vergelter (Eccl 5,4), das heißt, er wird einst kommen und alles vergelten, und je größer die Barmherzigkeit war, desto strenger wird die Strafe sein. Chrysostomus versichert: es sei mehr zu befürchten, wenn Gott den Hartnäckigen duldet, als wenn er ihn sogleich straft. „Mehr ist zu fürchten, wenn er duldet, als wann er alsogleich straft.“ Daher straft Gott, wie der heilige Gregorius schreibt, diejenigen weit strenger, auf welche er mit Geduld wartet, wenn sie undankbar bleiben: „Je länger er wartet, desto strenger verurteilt er.“ Und oft sterben jene, setzt der Heilige bei, die lange Zeit geduldet worden sind, eines jähen Todes, ohne zur Bekehrung Zeit zu haben. „Oft werden solche, die lange erduldet wurden, vom Tode jählings dahingerafft, so daß es ihnen nicht einmal gegönnt ist, vor dem Tode zu weinen.“ Je größer das Licht war, das Gott dir gegeben hat, desto größer wird dann insbesondere deine Verblendung und Verstockung in der Sünde sein. Besser wäre es ihnen gewesen, sagte der heilige Petrus, sie hätten den Weg der Gerechtigkeit niemals erkannt, als daß sie nach der Erkenntnis neuerdings sich abwenden. (2 Petr 2,21) Und der heilige Paulus erklärte es für moralisch unmöglich, daß eine erleuchtete Seele, wenn sie sündiget, sich wieder bekehre. Denn unmöglich ist es, daß jene, welche einmal sind erleuchtet worden, die himmlische Gabe versucht haben, und gefallen sind, zur Buße wieder erneuert werden (Hebr 6,4,6)
Schrecklich ist, was der Herr über jene sagt, die für seinen Ruf taub sind: Weil ich rief und ihr euch geweigert hattet, so will ich auch zu eurem Untergange lachen und eurer spotten. (Spr 1,24) Man bemerke die zwei Worte: Ich auch; sie bedeuten: daß, so wie jener Sünder Gott verspottete, indem er beichtete, Besserung versprach, und immer treulos gegen ihn war, ebenso der Herr ihn in seinem Tode verspotten werde. Ferner spricht der weise Mann: Gleichwie der Hund das wieder auffrisst, was er gespieen hat, ebenso geht der Narr wieder seiner Torheit nach. (Spr 16, 1) Diese Stelle erklärt Dionysius der Karthäuser, und sagt: so wie ein Hund Abscheu und Ekel verursacht, der das frißt, was er ausgeworfen hat, ebenso wird man von Gott verabscheuet, wenn man die Sünden wieder begeht, welche man in der Beicht verfluchte: „So wie es abscheulich und ekelhaft ist, die durch das Speien von sich gegebenen Speisen wieder zu sich zu nehmen, ebenso abscheulich ist es auch, die getilgten Sünden wieder zu begehen.“
Anmutungen und Bitten
Siehe mich, mein Gott! vor deinen Füßen. Ich bin jenes ekelerregende Tier, da ich so oft jene verbotenen Früchte wieder genoß, welche ich ehedem verabscheute. Ich verdiene zwar keine Barmherzigkeit, o mein Erlöser! doch das Blut, das du für mich vergossen hast, ermutiget und verpflichtet mich, darauf zu hoffen. Wie oft habe ich dich beleidiget, und von dir Verzeihung erhalten! Ich gab dir die Versicherung, dich nicht mehr zu beleidigen, und kehrte alsdann wieder zu meinem Auswurfe zurück, und du - vergabst mir abermals! Wie lange säume ich noch? Etwa bis du mich wirklich zur Hölle hinab stoßest? Oder überläßt du mich der Sünde. Wahrlich eine größere Strafe wäre dieses für mich als selbst die Hölle. Nein, mein Gott! ich will mich bessern; und um dir treu zu sein, will ich mein ganzes Vertrauen auf dich setzen; ich will, wenn ich angefochten werde, allsogleich und immerzu dir fliehen. Vorhin baute ich auf meine Verheißungen und Vorsätze und unterließ es in Versuchungen mich dir anzuempfehlen: und dies war mein Unglück. Nein, du sollst von heute an meine Hoffnung und meine Stärke sein; auf diese Weise werde ich alles zustande bringen. Alles vermag ich in dem, der mich stärkt. Gib mir demnach, o mein Jesus! um deiner Verdienste willen, die Gnade, mich dir stets anzuempfehlen und in meinen Nöten immer dich um Hilfe anzuflehen. Ich liebe dich, o höchstes, über alles liebenswürdiges Gut! und nur dich will ich lieben; du aber mußt mir dazu verhelfen. — Und auch du, o Maria, meine Mutter! mußt durch deine Vermittlung mir Hilfe leisten: behalte mich unter deinem Schutze und mache, daß ich in meinen Anfechtungen immer dich anrufe. Dein Name wird meine Verteidigung sein.
18. Betrachtung
Von der Zahl der Sünden
3. Punkt
Mein Sohn, hast du gesündiget? Nun so sündige nicht wieder, sondern bitte, daß die vorigen Sünden dir vergeben werden. (Eccl 21,1) Siehe, mein Christ, was dein guter Herr dich lehrt, weil er dich selig haben will: Mein Sohn, beleidige mich nicht neuerdings, sondern sei von heute an darauf bedacht, mich um Vergebung der begangenen Sünden zu bitten. - Mein Bruder, je mehr du Gott beleidigtest, desto mehr mußt du fürchten, ihn wieder zu beleidigen; denn die neue Sünde, die du begehest, dürfte die Waage der göttlichen Gerechtigkeit überwiegen und da würdest du verdammt werden. Ich behaupte eben nicht, daß nach einer abermaligen Sünde für dich keine Verzeihung mehr statthaben werde, denn dies weiß ich nicht; indessen könnte dies, sage ich, dir dennoch widerfahren. Wirst du also versucht, so sprich: wer weiß, ob Gott mir noch verzeihen, ob ich nicht verdammt werden würde? Sage mir, mein Lieber: würdest du wohl eine Speise nehmen, wenn es wahrscheinlich wäre, daß Gift darin sei. Und wenn du Gründe hättest, daß auf diesem Wege deine Feinde seien, um dir das Leben zu nehmen, würdest du wohl diesen Weg nehmen, um so mehr, wenn du noch einen andern sichern Weg hast? Und welche Wahrscheinlichkeit, und viel weniger, welche Sicherheit kannst du dir versprechen, daß du nach abermaliger Sünde eine wahre Reue fassen und nicht etwa wieder zum Ausgespienen zurückkehren werdest? oder daß nicht Gott bei Begehung der Sünde dich plötzlich sterben lassen oder nach derselben dich gänzlich verlassen werde?
Ach Gott! Bedenke doch, mein Bruder! Kaufst du ein Haus, so gibst du dir alle Mühe, um dich sicher zu stellen und dein Geld nicht hinauszuwerfen. Nimmst du eine Arznei, so suchst du gewissenhaft dich zu versichern, ob sie dir nicht etwa schaden könne. Setzest du über einen Strom, so suchst du vor dem Ertrinken dich zu verwahren. Aber einer elenden Befriedigung, einer tierischen Lust wegen, nimmst du keinen Anstand, dein ewiges Heil in Gefahr zu setzen und zu sagen: ich hoffe, ich werde es beichten. Ich frage dich aber, wann wirst du es beichten? Am Sonntage? Wer versichert dich, daß du bis zum Sonntage noch am Leben bleibest? Morgen? Wer verspricht dir den morgigen Tag? Der heilige Augustinus sagt: „Wie wirst du einen Tag in deiner Macht haben, da du über eine einzige Stunde nicht Gewalt hast?“ Wie kannst du dir versprechen, daß du morgen beichten werdest, da du nicht einmal weißt, ob du die nächste Stunde noch leben werdest? „Der dem Büßer Verzeihung versprach - sagt der Heilige weiter - versprach nicht den morgigen Tag dem Sünder; vielleicht wird er ihn geben, vielleicht auch wird er ihn nicht geben.“ Gott versicherte jenen, welcher Buße tut, der Verzeihung; dem aber, der ihn beleidiget, sicherte er den morgigen Tag nicht zu. Sündigest du jetzt, so wird dir Gott vielleicht Zeit zur Buße lassen, und vielleicht auch nicht; und läßt er sie dir nicht, wie wird es dann in der ganzen Ewigkeit mit dir stehen? Und doch verlierst du eines elenden Vergnügens wegen deine Seele und gibst sie der Gefahr preis, daß sie auf ewig verloren gehe. Würdest du um eines elenden Genusses wegen tausend Dukaten auf das Spiel setzen? Ich sage noch mehr: würdest du dieses kurzen Genusses wegen alles Vermögen, Habe und Gut, Freiheit und Leben fahren lassen? Nein! Und wie kannst du dann dieses armseligen Vergnügens wegen in einem Augenblicke deine Seele, Gott und Himmel ganz und gar verlieren wollen? Sage mir: ist das, was der Glaube lehrt, wahr oder falsch? ist es Wahrheit oder Lüge, daß es einen Himmel, eine Hölle, eine Ewigkeit gebe? Glaubst du, daß du, wenn der Tod in der Sünde dich wegrafft, für immer verloren sein werdest? Und welche Vermessenheit, welche Torheit ist es, indem du von selbst zu einer so qualvollen Ewigkeit dich verdammest, wenn du sagst: später hoffe ich dann schon abzuhelfen? Niemand will, in der Hoffnung zu genesen, sich krank machen, sagt der heilige Augustinus: niemand ist so töricht, Gift zu trinken und zu sagen; es ist möglich, daß ich dann durch Arzneien wieder gesund werde: - und du willst zu einem ewigen Tode dich verdammen, indem du sagst: es kann sein, daß ich hernach doch frei werde? O Torheit, wodurch so viele Seelen in die Hölle sich stürzten und noch stürzen! Höre die Drohung des Herrn: Du hattest Vertrauen auf deine Bosheit. Das Unglück wird über dich kommen und du wirst nicht wissen woher? (Jes 47,10,11) Du sündigtest mit Vermessenheit auf des Herrn Barmherzigkeit; unversehens wird die Geißel über dich kommen, ohne daß du weißt, woher.
Anmutungen und Bitten
Siehe, Herr, einen von jenen Toren, der so oft seine Seele und deine Gnade verloren hat in der Hoffnung, sie wieder zu erhalten. Hättest du in jenem Augenblicke oder in jenen Nächten mich sterben lassen, wo ich in Sünden war, wie stände es jetzt mit mir? Ich danke dir für deine Barmherzigkeit, daß du mir zugewartet hast und daß ich nun meine Torheit erkenne. Ich sehe, daß du mich selig machen willst, und ich will selig werden. Ich bereue, o unendliche Güte! daß ich dir so oft den Rücken kehrte; ich liebe dich von ganzem Herzen und hoffe auf die Verdienste deines Leidens, o mein Jesu! daß ich nicht mehr so töricht sein werde; verzeihe mir und nimm mich zu Gnaden auf, ich will dich nicht mehr verlassen. Auf dich, o Herr, habe ich gehofft, ich werde in Ewigkeit nicht zu Schanden werden. Ach nein, o mein Erlöser, ich hoffe nicht mehr das Unglück und die Schande zu erleben, mich in Zukunft deiner Gnade und Liebe wieder beraubt zu sehen. Gib mir die heilige Beharrlichkeit und mache, daß ich dich stets darum bitte, besonders wenn ich versucht werde, und daß ich deinen Namen und jenen deiner allerheiligsten Mutter zu Hilfe rufe mit den Worten: Mein Jesu, hilf mir! Heiligste Jungfrau Maria, hilf mir! - Ja, meine Königin, wenn ich zu dir fliehe, so werde ich nie überwunden werden. Und hält die Versuchung an, so erlange mir, daß ich dich unaufhörlich anrufe.
Welch ein großes Glück Gottes Gnade und welch großes Unglück Gottes Ungnade sei.
„Der Mensch kennt ihren Wert nicht“ (Job 28,13)
1. Punkt
Der Herr sagt: Wenn du das Kostbare von dem Schlechten sonderst, so wirst du wie mein Mund sein. (Jer 15,19) Wer das Kostbare vom Geringfügigen abzusondern versteht, wird Gott ähnlich, da er das Schlechte zu verwerfen und das Gute zu wählen weiß. Wir sehen nicht ein, welches Glück die Gnade und welches Unglück die Ungnade Gottes sei. Die Menschen kennen den Wert der göttlichen Gnade ganz und gar nicht: „Der Mensch kennt ihren Wert nicht“ und daher vertauscht man dieselbe um ein Nichts, um eine Eitelkeit, um eine Handvoll Erde, um eine viehische Lust. Sie ist aber ein unendlicher Schatz, welcher der Freundschaft Gottes uns würdig macht: Denn sie ist den Menschen ein unendlicher Schatz, und die ihn gebrauchen, werden der Freundschaft Gottes teilhaftig. (Weish 7,14) Daher ist eine in der Gnade Gottes befindliche Seele seine Freundin. Die Heiden, des Glaubenslichtes beraubt, hielten es für unmöglich, daß das Geschöpf mit Gott Freundschaft haben könne, und dem natürlichen Verstande nach sagten sie dies mit Recht, weil die Freundschaft, wie der heilige Hieronymus sagt, die Freunde gleich macht: „Die Freundschaft nimmt entweder solche, die schon gleich sind, auf, oder macht sie einander gleich.“ Gott aber kündete uns in mehreren Stellen an, daß wir durch seine Gnade seine Freunde werden, sofern wir seine Gebote halten: Meine Freunde seid ihr, wenn ihr tut, was ich euch gebiete. (Joh 15,14) Nicht mehr Knechte will ich hinfort euch nennen, sondern Freunde nenne ich euch. (Ebendaselbst 15,14) Daher ruft der heilige Gregorius aus: „O wunderbare Herablassung der göttlichen Güte! Wir verdienen nicht einmal Knechte genannt zu werden, und werden Freunde genannt!“ Wie selig würde man jenen schätzen, der das Glück hätte, seinen König zum Freunde zu haben! Dies wäre aber eine Frechheit von einem Untertan, wenn er auf des Fürsten Freundschaft Anspruch machen würde. Doch es ist eine Kühnheit, wenn eine Seele Gottes Freundin zu werden strebt. Der heilige Augustinus erzählt, da sich einst zwei Höflinge in einem Kloster von Einsiedlern befanden, habe einer das Leben des heiligen Abtes Antonius zu lesen angefangen: „Er las,“ schreibt der Heilige, „und sein Herz zog die Welt aus.“ Er las und durch das Lesen wurde er der weltlichen Neigungen los. Hierauf wandte er sich zu seinem Gefährten und sprach zu ihm: „Was suchen wir denn? Können wir wohl mehr hoffen, als Freunde des Kaisers zu werden? Und durch wie viele Gefahren kommt man in diese noch größere Gefahr? Und wie lange wird dies denn dauern? Freund, sagte er, wir sind Narren; was suchen wir? Können wir im Dienste des Kaisers mehr hoffen, als daß wir seine Freunde werden? Und wenn wir es wirklich so weit brächten, so würden wir unser ewiges Heil nur desto größeren Gefahren aussetzen. Aber nein, nimmermehr wird es uns gelingen, den Kaiser zum Freunde zu haben. Will ich aber, schloß er, Gottes Freund sein, so kann ich es sogleich werden.“
Wer also in Gottes Gnade ist, wird ein Freund Gottes. Ja noch mehr, er wird sein Kind: Sehet! Götter seid ihr, erhabene Kinder seid ihr alle. (Ps 3,6) Dies ist das große Glück, welches die göttliche Liebe durch Jesus Christus uns erlangte. Sehet, was für eine Liebe der Vater uns gegeben hat, daß wir Kinder Gottes genannt werden und es auch sind. (Joh 3,1) Ferner wird die in der Gnade Gottes befindliche Seele eine Braut Gottes: Ich will mich mit dir in dem Glauben vermählen. (Os 2,20) Und deswegen befahl der Vater des verschwenderischen Sohnes, als er wieder zu Gnaden ihn aufgenommen hatte, man sollte einen Ring ihm geben: Stecket ihm einen Ring an seine Hand. (Lk 15,22) Weiters wird sie ein Tempel des heiligen Geistes genannt. Die Schwester Maria d'Oignes sah aus einem Kinde, welches die Taufe empfing, den bösen Geist entweichen, den heiligen Geist aber mit einem von Engeln geflochtenen Kranz hineingehen.
Anmutungen und Bitten
Also, o mein Gott! war meine Seele, da sie mit deiner Gnade beglückt war, deine Freundin, deine Tochter, deine Braut und dein Tempel! Allein durch die Sünde wurde sie ganz verderbt; sie wurde deine Feindin und eine Leibeigene der Hölle. Ich danke dir aber, mein Gott! daß du mir noch Zeit gönnest, deine Gnade wieder zu erlangen. Es reuet mich mehr, als alles Übel, daß ich dich, unendliche Güte, beleidiget habe, und ich liebe dich über alles. Ach, nimm mich wieder in deine Freundschaft auf! Um deiner Liebe willen verachte mich nicht! Ich weiß wohl, daß ich verdiente, von dir verstoßen zu werden; allein Jesus Christus verdient es, daß du mich Reuigen neuerdings aufnimmst, um jenes Opfers willen, welches er auf Kalvaria mit sich selbst dir dargebracht hat. Zukomme uns dein Reich! Mein Vater! (so lehrte mich dein Sohn dich nennen) mein Vater, komme mit deiner Gnade, um in meinem Herzen zu herrschen, mache, daß es nur dir diene, nur für dich lebe, nur dich liebe. Und führe uns nicht in Versuchung. Ach, laß mich von den Feinden nicht so heftig versucht werden, daß sie mich überwinden! Sondern erlöse uns von dem Übel. Bewahre mich vor der Hölle, vorher aber befreie mich von der Sünde, denn diese allein ist es, die mich in die Hölle stürzen kann. — O Maria! bitte für mich; o mache mich von diesem so großen Übel frei, damit ich nicht in dem Stande der Sünde mich befinde, beraubt von der Gnade deines und meines Gottes!
19. Betrachtung
Welch ein großes Glück Gottes Gnade und welch großes Unglück Gottes Ungnade sei.
2. Punkt
Der heilige Thomas von Aquin sagt: Die Gabe der Gnade übertreffe jede Gabe, die ein Geschöpf erhalten kann, indem die Gnade sogar eine Mitteilung der Eigenschaften Gottes ist. „Die Gabe der Gnade übertrifft jede Fähigkeit einer erschaffenen Natur, da sie eine Mitteilung der göttlichen Natur ist.“ Und früher schon sagte es der heilige Petrus: Auf daß ihr dadurch teilhaftig werdet der göttlichen Natur. (1 Petr 1,4) Soviel verdiente Jesus Christus durch sein Leiden; er teilte die nämliche Herrlichkeit mit uns, die er von Gott erhalten hat! Und die Herrlichkeit, die du mir gabst, gab ich ihnen. (Joh 17,22) Kurz, wer in Gottes Gnade ist, wird eins mit Gott. Wer dem Herrn anhängt, ist mit ihm ein und derselbe Geist. (1 Kor 6,17) Und der Erlöser sagte, in eine Seele, die Gott liebt, komme die ganze Allerheiligste Dreifaltigkeit, um darin zu bleiben; Wer mich liebt, den wird mein Vater lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen. (Joh 14,33)
Eine mit Gottes Gnade begabte Seele ist vor Gottes Augen so schön, daß er selbst sie lobt: Wie schön bist du, meine Freundin! Wie schön! (Hld 4,1) Der Herr scheint von einer ihn liebenden Seele weder Augen noch Ohren abwenden zu können, sie kann verlangen, was sie nur immer will. Die Augen des Herrn sind auf die Gerechten und seine Ohren sind auf ihre Gebete gerichtet. (Ps 33,16) Die heilige Brigitta äußerte sich: sie könnte die Schönheit eines in der Gnade Gottes befindlichen Menschen nicht sehen, ohne vor Freuden zu sterben. Wenn die heilige Katharina von Siena eine Seele sah, die in Gottes Gnade sich befand, sagte sie, sie wollte gerne ihr Leben dahingehen, damit diese Seele eine so große Schönheit nicht verlöre; und deswegen küßte diese Heilige die Erde, welche die Priester betraten, indem sie erwog, daß durch deren Vermittlung die Seelen die Gnade Gottes wieder erlangen.
O, wie vielen Gewinn kann eine in der Gnade Gottes sich befindende Seele machen! In jedem Augenblicke kann sie eine ewige Herrlichkeit erwerben. Der heilige Thomas sagt: jeder Akt der Liebe, den eine Seele erweckt, verdiene ein besonderes Paradies: „Jeder Liebesakt verdient ein ewiges Leben.“ - Warum sollen wir noch die Großen der Erde beneiden? Sind wir in Gottes Gnade, so können wir eine bei weitem größere Herrlichkeit im Himmel uns fortwährend bereiten. Ein Laienbruder der Gesellschaft Jesu ist nach seinem Tode, wie P. Patrignani berichtet, erschienen und sagte: er wäre nun selig, wie auch Philippus II. König von Spanien; und beide erfreueten sich schon der Herrlichkeit, doch mit dem Unterschiede, daß um so geringer er auf der Welt gewesen wäre, im Vergleiche mit Philippus, um so größer wäre er jetzt im Himmel.
Ferner kann nur jener den Frieden kennen lernen, der ihn verkostet, und diesen genießt auf dieser Welt eine Seele, welche in der Gnade Gottes ist: Kostet und sehet, wie süß der Herr ist. (Ps 33) Die Worte des Herrn können nicht vergehen: Großen Frieden genießen die Liebhaber deines Gesetzes. (Ps 118,165) Die Ruhe eines solchen, der mit Gott vereint ist, übersteigt alles Vergnügen, das Sinn und Welt gewähren kann. Der Friede des Herrn ist über allen Begriff. (Phil 4,7)
Anmutungen und Bitten
O, mein Jesus! du bist jener gute Hirte, der sich töten ließ, um uns, deinen Schäflein, das Leben zu geben. Als ich vor dir floh, unterließest du nicht, mir nachzugehen und mich aufzusuchen: o, nimm mich nun auf, da ich dich suche und mit Reue zu deinen Füßen wiederkehre. Gib mir wieder deine Gnade, die ich elenderweise aus meiner Schuld verloren habe; ich bereue es von ganzem Herzen; vor Schmerz möchte ich sterben, indem ich bedenke, daß ich dir so oft den Rücken zugekehrt habe. Verzeihe mir doch um der Verdienste jenes bitteren Todes willen, den du am Kreuze für mich ausgestanden hast. Binde mich mit den süßen Banden deiner Liebe und laß mich dir nicht wieder entfliehen. Gib mir Stärke, mit Geduld alle Kreuze zu ertragen, die du mir zuschickest, indem ich die ewigen Höllenpeinen verdiente. Laß mich mit Liebe die Verachtungen umfangen, mit welchen mir die Menschen begegnen; denn ich verdiente, ewig unter den Füßen der bösen Geister zu liegen. Kurz, mache, daß ich allen deinen Einsprechungen Folge leiste und durch deine Liebe alle Menschenfurcht besiege. Ich bin entschlossen, von nun an nur für dich leben zu wollen; mögen die andern sagen, was sie wollen, ich will dir, o mein liebenswürdigster Gott! allein dienen. Nur dir verlange ich zu gefallen; verleihe mir aber deinen Beistand; denn ohne ihn vermag ich nichts. Ich liebe dich, mein Jesus, mit ganzem Herzen und vertraue auf dein Blut. - Maria, meine Hoffnung, hilf mir mittelst deiner Fürsprache! Ich rechne es mir zum großen Ruhme an, dein Diener zu sein; und du rühmest dich, eine Retterin jener Sünder zu sein, die zu dir sich wenden; nun denn, so hilf mir und mache mich selig.
19. Betrachtung
Welch ein großes Glück Gottes Gnade und welch großes Unglück Gottes Ungnade sei.
3. Punkt
Nun wollen wir das Unglück einer Seele betrachten, die in der Ungnade Gottes ist. Getrennt ist sie von ihrem höchsten Gute, welches Gott ist: Eure Sünden sonderten euch von eurem Gott. (Jes 59,2) Also gehört sie nicht mehr Gott an, und Gott nicht mehr ihr. Ihr seid nicht mehr mein Volk, und ich werde nicht mehr euer sein. (Os 1,9) Sie hört nicht nur auf, ihm anzugehören, sondern er haßt sie und verdammt sie zur Hölle. Der Herr haßt keines seiner Geschöpfe, auch die wilden Tiere, die Ottern, die Kröten nicht: Du liebst alles, was du machtest, und hassest nichts von dem, was du gemacht hast. (Weish 11,25) Doch die Sünder kann Gott nicht anders als hassen: Du hassest alle, die Ungerechtigkeit üben. (Ps 5,7) Fürwahr, es ist unmöglich, daß Gott die Sünde nicht hasse; denn sie steht ja seinem Willen ganz feindlich gegenüber, und da er deshalb die Sünde haßt, so muß er folglich auch den Sünder hassen, welcher mit der Sünde im Vereine ist: Du hassest den Ungerechten samt seiner Ungerechtigkeit. (Weish 14,9)
O Gott! wenn jemand einen Fürsten der Welt zum Feinde hat, kann er nimmer ruhig schlafen, indem er mit Recht alle Augenblicke das Todesurteil befürchtet. Und wer Gott zum Feinde hat, wie kann der Ruhe finden? Dem Zorne des Fürsten kann man entfliehen, indem man in einem Wald sich verbirgt oder in ein anderes Reich zieht; wer aber kann den Händen Gottes entkommen? Herr! sagte David, ich mag in den Himmel hinaufsteigen oder in der Hölle mich verbergen, wo ich immer hingehe, wird deine Hand mich erreichen: Steige ich in den Himmel hinauf, so bist du da, steige ich in die Hölle hinunter, so bist du dort ... denn deine Hand wird dorthin mich führen. (Ps 138,8,10)
O arme Sünder! Verdammt sind sie von Gott, verstoßen von den Engeln, verworfen von den Heiligen, verwünscht sind sie auch auf der Welt von allen Priestern und Ordensgeistlichen, welche bei dem Gottesdienste deren Verwerfung verkünden: Verflucht seien jene, die von deinen Wegen ablenken. Ferner beraubt uns die Ungnade Gottes aller Verdienste. Es mag ein Mensch so viele Verdienste haben als ein heiliger Paulus der Einsiedler; soviel als ein heiliger Franciscus Xaverius, der Gott zehn Millionen Seelen gewann; soviel als der heilige Apostel Paulus, der nach Behauptung des heilige Hieronymus mehr Verdienste gewann, als alle übrigen Apostel: so verliert er, wenn er nur eine einzige Todsünde begeht, dennoch alle seine Verdienste: Aller seiner Gerechtigkeit, die er übte, wird nicht gedacht werden. (Ez 18) Und dies ist das Unglück, welches die Ungnade Gottes in ihrem Gefolge hat: aus einem Kinde Gottes macht sie einen Leibeigenen Luzifers, aus einem geliebten Freunde einen höchst gehaßten Feind, aus einem Erben des Paradieses einen Verdammten der Hölle. Der heilige Franciscus Salesius sagte: Könnten die Engel weinen, so würden sie beim Anblicke des Elendes einer Seele, die eine Todsünde begeht und die göttliche Gnade verliert, aus Mitleid Tränen vergießen.
Höchst traurig aber ist es, daß die Engel, wenn sie könnten, weinen würden, daß der Sünder aber nicht weint. Der heilige Augustinus sagt: verliert jemand ein Tierchen, ein Schäflein, so ißt und schläft er nicht und weint; verliert er aber die Gnade Gottes, so ißt er und schläft und - weint nicht.
Anmutungen und Bitten
Dies ist die jämmerliche Lage, in der ich mich befinde. O mein Erlöser! um deiner Gnade mich würdig zu machen, brachtest du dreiunddreißig Jahre in Schweiß und Mühe zu, und ich achtete und verlor sie eines augenblicklichen schändlichen Genusses wegen wie nichts. Ich danke deiner Barmherzigkeit, die mir noch Zeit läßt, sie wieder zu erlangen, wenn ich nur will. Ja, ich will alles Mögliche tun, um sie wieder zu erhalten. Sage mir doch, was soll ich anfangen, von dir wieder Verzeihung zu erlangen? Du willst, daß ich es bereue. Ja, mein Jesu, ich bereue von ganzem Herzen, dich unendliche Güte beleidiget zu haben. Ich soll dich lieben. Ja, ich liebe dich über alles. Vorher machte ich von meinem Herzen schlechten Gebrauch, denn ich liebte die Geschöpfe und Eitelkeiten. Von heute an will ich nur dich lieben, meinen Gott, meinen Schatz, meine Hoffnung und meine Kraft. Ich will dich lieben, o Gott, meine Stärke! Deine Verdienste, deine Wunden, o mein Jesus! sollen meine Hoffnung und Stärke sein. Von dir hoffe ich Kraft, dir treu zu bleiben. Nimm mich also in deine Gnade auf, o mein Seligmacher! und gib nicht zu, daß ich mich wieder von dir trenne. Reiße mich los von den irdischen Neigungen und entflamme mein Herz mit deiner heiligen Liebe. „Zünde in ihm an das Feuer deiner Liebe.“ — Maria, meine Mutter, mache, daß ich brenne aus Liebe zu meinem Gott, so wie du immer von ihr entflammt warst.
Torheit des Sünders
„Die Weisheit dieser Welt ist vor Gott Torheit.“ (1 Kor 3,19)
1. Punkt
Der ehrwürdige P. Johannes von Avila sagte, die Welt sollte eigentlich nur zwei Kerker haben, einen für die Ungläubigen und den andern für jene, die gläubig sind und dennoch in der Sünde fern von Gott leben; und diese letzteren gehörten eigentlich ins Tollhaus. Das größte Unglück dieser Elenden besteht aber darin, daß sie sich weise und klug wähnen, während sie die törichtesten und dümmsten Leute der Welt sind. Und das Übel ist um so größer, da es dergleichen Menschen unzählbar viele gibt: Die Zahl der Toren ist unendlich. (Eccl 1,15) Diesen macht der Ehrgeiz zum Narren, jenen die Genußsucht, einen Dritten die elende Sucht nach irdischen Gütern. Und solche sind es gerade, die es wagen, die Heiligen - Toren zu nennen deshalb, weil diese die Güte dieser Erde verachten, um die Seligkeit zu erlangen, und das wahre Gut, welches Gott ist. Sie halten es für Torheit: die Verachtungen ertragen, die Unbilden verzeihen; für Unsinn: den sinnlichen Vergnügungen entsagen und seine Sinne abtöten; für Dummheit: auf die Ehren und Reichtümer dieser Welt Verzicht leisten, die Einsamkeit lieben, ein demütiges, zurückgezogenes, verborgenes Leben führen. Aber sie bedenken nicht, daß ihre Weisheit vom Herrn Torheit genannt werde: Die Weisheit dieser Welt ist vor Gott Torheit. (1 Kor 3,19)
Ach! einst werden sie diese Torheit wohl einsehen, aber wann? Da es kein Mittel zur Rettung mehr geben wird; dann werden sie voll Verzweiflung ausrufen: Wir Toren hielten ihr Leben für Unsinn, und ihr Ende ohne Ehre. (Weish 5) Ach wie unglücklich waren wir! Für Torheit hielten wir das Leben der Heiligen, jetzt aber sehen wir, daß wir töricht waren. Sehet, wie sie nun unter die Kinder Gottes sind gerechnet worden und ihren Anteil mit den Heiligen haben. (Ebend. 5) Also sind wir irre gegangen, weil wir vor dem göttlichen Lichte die Augen schließen wollten und das, was uns noch unglücklicher macht, ist, daß es für unsern Fehler kein Mittel gibt, noch geben wird, so lange Gott - Gott sein wird.
Wie töricht also ist es, eines schlechten Nutzens, einer elenden Eitelkeit, eines kurzen Vergnügens wegen Gottes Gnade verlieren! Was läßt sich nicht ein Untertan gefallen, seines Fürsten Gunst zu gewinnen? O Gott! und wegen einer elenden Lust das höchste Gut verlieren, welches Gott ist! - des Paradieses verlustig werden! - auch in diesem Leben um die Ruhe kommen, indem man der Sünde den Eintritt in die Seele gestattet, welche sie durch ihre Gewissensbisse immer peinigen wird! - und freiwillig zu einem ewigen jämmerlichen Zustande sich verurteilen! - welche Torheit! Würdest du wohl jenes verbotene Vergnügen dir erlauben, wenn du deshalb deine Hand zum Verbrennen darreichen oder dich auf ein Jahr in einem Kerker einschließen lassen müßtest? Begingest du wohl diese Sünde, wenn du nach derselben hundert Taler verlieren müßtest? Du glaubst und weißt es, daß du durch deine Sünden Gott und Seligkeit verlierest, dich zum ewigen Feuer verdammest, und - du sündigest dennoch?
Anmutungen und Bitten
O Gott meiner Seele! Wie stände es jetzt mit mir, hättest du mich nicht mit so großer Barmherzigkeit ertragen? In der Hölle wäre ich, im Orte jener Toren, wie ich einer war. Ich danke dir, Herr, und bitte dich, verlaß mich nicht in meiner Blindheit. Ich verdiente von deinem Lichte verlassen zu werden, ich sehe aber, deine Gnade hat mich noch nicht verlassen. Ich höre, daß sie mit Zärtlichkeit mir zuruft und mich auffordert, um Verzeihung dich zu bitten und große Dinge von dir zu erwarten, ungeachtet der großen Beleidigungen, die ich dir angetan habe. Ja, mein Erlöser, ich hoffe, daß du mich wieder zu deinem Kinde annehmen werdest. Ich bin es zwar nicht wert, so genannt zu werden, weil ich vor deinen Augen so häufig dir Unbilden zufügte: Vater, ich bin nicht würdig, dein Sohn genannt zu werden; vor dem Himmel und vor dir habe ich gesündiget. Ich höre aber, daß du den verirrten Schäfchen nachgehest und dich erfreuest, die verlorenen Sünder zu umarmen. Mein lieber Vater! ich bereue, dich beleidiget zu haben; ich werfe mich dir zu Füßen und umfange sie und gehe nicht hinweg, ehe du mir Verzeihung und den Segen gibst: Ich werde dich nicht entlassen, du segnest mich denn. Segne mich denn, o mein Vater! und dein Segen bringe mir die Gabe eines heftigen Schmerzes über meine Sünden und eine inbrünstige Liebe zu dir. Dich liebe ich, mein Vater, dich liebe ich mit einem ganzen ungeteilten Herzen. Laß mich ja nicht von dir weichen. Nimm mir alles hinweg, nur deiner Liebe beraube mich nicht. — O Maria! Ist Gott mein Vater, so bist du meine Mutter. Segne auch du mich. Ich bin leider nicht würdig, dein Kind zu sein; nimm mich auf zu deinem Diener, doch mache, daß ich ein Diener sei, der dich immer zärtlich liebt und auf deinen Schutz vertraut.
20. Betrachtung
Torheit des Sünders
2. Punkt
O wie töricht sind die Sünder! Sie wenden allen Fleiß an, sich weltliche Wissenschaften eigen zu machen oder Kunst, sich Güter zu erwerben für ein Leben, welches bald zu Ende gehen wird; um die Güter aber eines Lebens ohne Ende bekümmern sie sich nicht! Sie verlieren den Verstand dergestalt, daß sie nicht nur zu Toren werden, sondern sich sogar dem Vieh gleich machen; denn sie leben dahin wie die Tiere und bedenken nicht, was gut und was böse sei, sondern nur, was ihrem viehischen, sinnlichen Triebe entspricht. Sie erlauben sich ohne Scheu alles, was ihrem Fleisch für jeden Augenblick schmeichelt, ohne an den Verlust, den sie erleiden, und an jenes ewige Unglück zu denken, das sie sich dadurch zuziehen. Dies heißt nicht menschlich handeln, sondern viehisch. Der heilige Johannes Chrysostomus sagt: Einen Menschen nennen wir den, welcher das Bildnis des Menschen wohl verwahrt behält. Was ist aber dies für ein Bild? Es besteht darin, daß er vernünftig ist. Ein vernünftiger Mensch sein, heißt nach der Vernunft handeln, nicht aber nach seiner Sinnenlust. Gäbe Gott einem Tiere Vernunft und handelte dasselbe der Vernunft gemäß, so würde man sagen, es handle wie ein Mensch; und ebenso kann man mit Recht von einem Menschen, der gegen die Vernunft nur nach seiner Sinnlichkeit handelt, sagen, er betrage sich wie ein Tier.
O wären sie doch weise und möchten es verstehen und ihr Ende vorhersehen! (Dtn 32,29) Wer klug und vernunftgemäß handelt, sieht auf die Zukunft, nämlich auf das, was ihm am Ende seines Lebens bevorsteht: der Tod, das Gericht, die Hölle oder der Himmel. O wie viel weiser ist der Landmann, der zur Seligkeit gelangt, als ein Herrscher, welcher verdammt wird! Besser ist ein armer und weiser Knabe als ein alter und törichter König, welcher es nicht versteht, in die Zukunft zu blicken. (Eccl 4,13) O Gott! würde nicht jeder den für dumm halten, welcher um ein kleines Silberstück zu gewinnen, alle seine Güter auf das Spiel setzen würde? Und wer einer kurzen Sinneslust wegen seine Seele verliert und der Gefahr sich aussetzt, auf immer sie zu verlieren, der sollte nicht unsinnig genannt werden? Dies ist eben das Unglück so vieler Seelen, welche verdammt werden, daß sie nur auf die gegenwärtigen Güter und Übel denken, auf die künftigen Güter und Übel aber nicht Bedacht nehmen.
Gott setzte uns ganz sicher nicht auf die Welt, damit wir uns Reichtümer sammeln, Ehren erwerben oder unsere Sinne befriedigen, sondern damit wir das ewige Leben gewinnen: Zum Ziele habt ihr aber das ewige Leben. (Röm 6,22) Und an der Erreichung dieses Zieles soll uns alles gelegen sein: Nur eines ist notwendig. (Lk 10,42) Doch gerade dieses Ziel ist es, das die Sünder am wenigsten achten; sie denken nur an die Gegenwart, gehen dem Tode zu, kommen an das Tor der Ewigkeit und wissen nicht, wohin sie gehen. Was würdest du, sagt der heilige Augustinus, von einem Seefahrer sagen, welcher auf die Frage, wohin er segle, zur Antwort gäbe: Ich weiß es nicht! Jedermann würde sagen, der führt wohl sein Schiff dem Untergange zu. „Ein solcher - schließt dann der Heilige - ist jener, welcher außer dem Wege läuft.“ Solche sind jene Klugen der Welt, die es wohl verstehen, ihre Vorteile zu ziehen, sich zu unterhalten, Ehrenstellen zu erringen; aber auf die Rettung ihrer Seele verstehen sie sich gar nicht. Klug war der Prasser, da er sich bereicherte; allein er ist gestorben und in die Hölle begraben. Klug war Alexander der Große, indem er so viele Reiche eroberte; doch wenige Jahre darauf starb er und wurde ewig verdammt. Klug war Heinrich VIII., denn er wußte sich auf dem Throne zu behaupten, indem er von der Kirche abtrünnig wurde, zuletzt aber, da er die Seele verloren sah, gestand er: Alles haben wir verloren. - Welche Menge Elender weinen und heulen nun in der Hölle: Was hat die Hoffart uns genützt? Oder was für einen Vorteil hat das Prahlen mit unseren Reichtümern uns gebracht? Dies alles ist wie ein Schatten vorübergegangen (Weish 5,8,9) Sehet, sagen sie, für uns sind alle Güter der Welt wie Schattengebilde verschwunden und nichts bleibt uns übrig als Tränen und ewige Pein.
Vor dem Menschen liegt Leben und Tod, was er wählt, das wird man ihm geben. (Eccl 15,18) Mein Christ, in diesem Leben hast du das Leben und den Tod zur Auswahl, du magst dich nämlich der verbotenen Genüsse berauben, und dadurch das ewige Leben gewinnen oder sie annehmen und damit auch den ewigen Tod. Was sagst du dazu? was gefällt dir besser? Wähle wie ein Mensch und nicht wie ein Tier. Triff eine Wahl wie ein Christ, der Glauben hat und sage: Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, an seiner Seele aber Schaden leidet?
Anmutungen und Bitten
Ach, mein Gott! du gabst mir Vernunft, du gabst mir das Licht des Glaubens; ich aber handelte wie ein unvernünftiges Tier, denn ich verlor deine Gnade wegen der bösen Gelüste meiner Sinne, die mit Windesschnelle vergangen sind; und nun finde ich nichts anderes als Gewissensbisse und Schulden vor deiner göttlichen Gerechtigkeit: Gehe nicht ins Gericht mit deinem Diener. Ach Herr! richte mich nicht nach meinen Verdiensten, sondern behandle mich nach deiner Barmherzigkeit. Gib mir Licht, gib mir Schmerz über die dir zugefügten Beleidigungen und verzeihe mir: Ich habe mich verirrt wie ein Schaf, das verloren gegangen ist, suche deinen Knecht. Ich bin ein verlorenes Schäflein: Suchest du mich nicht, so gehe ich zu Grunde. Habe Mitleid mit mir um deines mir zu Liebe vergossenen Blutes willen. Ich bereue es, dich, o höchstes Gut! verlassen und freiwillig deiner Gnade entsagt zu haben. Sterben möchte ich aus Schmerz - Du aber gib mir größern Schmerz und laß mich in den Himmel kommen, um deinen Erbarmungen ewiges Lob zu singen. — O Maria, meine Mutter! du bist meine Zuflucht, bitte Jesum für mich, bitte ihn, daß er mir verzeihe und die heilige Beharrlichkeit gebe.
20. Betrachtung
Torheit des Sünders
3. Punkt
Wir sollen wissen, daß jene wahrhaft weise sind, welche die göttliche Gnade und das Paradies zu erlangen verstehen. Laßt uns daher stets den Herrn bitten, daß er uns die Wissenschaft der Heiligen verleihe, die er dem gibt, welcher ihn darum bittet. Er gab ihm die Wissenschaft der Heiligen. (Weish 10,10) O, wie ist es eine so schöne Wissenschaft, zu verstehen, Gott zu lieben und seine Seele zu retten! wissen, die Bahn des ewigen Heils und die Wege, wodurch man zu demselben gelangt, einzuschlagen! Die Wissenschaft, seine Seele zu retten, ist die allernotwendigste. Wüßten wir auch alles und verständen es nicht, uns zu retten, so würde uns alles nichts frommen, und wir wären auf immer unglücklich; dagegen werden wir stets glücklich sein, so wir Gott zu lieben wissen, sollten wir auch aller übrigen Dinge unkundig sein: „Selig, wer dich kennt, wenn er auch nichts anderes weiß“, sagte der heilige Augustinus. Eines Tages sprach der Laienbruder Egidius zum heiligen Bonaventura: „Wie glücklich sind Sie doch Pater Bonaventura, daß Sie so vieles wissen; aber ich armer Tropf weiß gar nichts. Ihnen ist es leicht, heiliger zu werden als ich.“ - „Höre, antwortete hierauf der Heilige: wenn ein altes, unwissendes Weiblein Gott mehr zu lieben weiß als ich, so wird sie einen höheren Grad von Heiligkeit erreichen als ich“. Hierauf fing Bruder Egidius an laut auszurufen: O, altes Weiblein höre, höre doch, du altes Weiblein: wenn du Gott mehr liebest, kannst du heiliger werden als unser P. Bonaventura!
„Ungelehrte stehen auf und reißen den Himmel an sich“, rief seufzend der heilige Augustinus aus. Wie viele Ungebildete gibt es, die nicht lesen können; sie können aber Gott lieben und werden selig! Und welche Menge von Gelehrten dieser Welt werden verdammt! Doch jene, nicht diese, sind wirklich weise. O, wie weise waren ein heiliger Pasqualis; ein heiliger Felix, aus dem Kapuzinerorden; ein heiliger Johannes von Gott, obwohl sie in den weltlichen Wissenschaften nicht bewandert waren! Welche tiefe Weisheit besaßen so viele, welche die Welt verließen oder in Klöster sich verschlossen oder in Einöden lebten, wie ein heiliger Benediktus; ein heiliger Franziskus von Assisi; ein heiliger Ludovikus von Toulouse, der sogar auf seine Ansprüche auf den Thron Verzicht leistete! Welch hohe Stufe von Weisheit besaßen nicht so viele Märtyrer, so viele zarte Jungfrauen, die einer Verbindung mit den Großen dieser Erde entsagten, um hinzugehen und für Jesus Christus zu sterben! und diese Wahrheit erkennen auch die Weltkinder und sagen wirklich von einem, der sich Gott gewidmet hat: „Glückselig ist er; denn er ist klug und rettete seine Seele!“ Kurz, jene, welche die Güter der Welt verlassen, um sich Gott zu weihen, nennt man enttäuschte Menschen. Wie soll man nun im Gegenteil jene nennen, welche Gott verlassen, der irdischen Güter willen? Fürwahr, betrogene Leute! Mein Bruder, zu welcher dieser beiden Menschenrassen willst du nun gehören? Damit du gut wählen möchtest, erteilt der heilige Johannes Chrysostomus dir den Rat, die Gottesäcker zu besuchen: „Gehen wir zu den Gräbern hin.“ Die Grabstätten sind in der Tat die besten Schulen, schöne Schulen sind die Grabstätten, um die Eitelkeit der irdischen Güter kennen zu lernen und die Wissenschaft der Heiligen zu erlernen! „Sage mir doch, fragt der heilige Chrysostomus, kannst du wohl dort unterscheiden, wer von jenen ein Fürst war, wer adelig, wer gelehrt? Ich, meines Teils, fährt der Heilige fort, bemerke da nichts als Fäulnis, Gebeine und Würmer. Alles ist eine Fabel, ein Schatten, ein Traum.“ Alle Dinge dieser Welt werden enden wie ein Schauspiel, und vergehen wie ein Schatten, ein Traum. Willst du aber, mein Christ, weise werden, so genügt es nicht, die Wichtigkeit deines Zieles zu erkennen, du mußt auch die Mittel anwenden, ihn zu erreichen. Selig und heilig möchten alle werden; warum aber gebrauchen sie dazu nicht die Mittel, warum werden sie nicht heilig, weshalb werden sie verdammt? - Man muß die Gelegenheiten fliehen, die heiligen Sakramente oft empfangen, beten und vor allem jene Grundsätze des Evangeliums sich tief ins Herz prägen: Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt? (Mt 15,26) Wer seine Seele liebt, der wird sie verlieren (Joh 12,25), das heißt, man muß auch sein Leben verlieren, um die Seele zu retten. Wer mir nachfolgen will, verleugne sich selbst. (Mt 16,24) Um Jesu Christi Nachfolger zu sein, muß man der Eigenliebe jene Befriedigungen, die sie verlangt, versagen. Das Leben hängt von Seinem Willen ab. (Ps 29,6) Unser Heil besteht in Erfüllung des göttlichen Willens. Diese und dergleichen Grundsätze muß man sich stets vor Augen halten.
Anmutungen und Bitten
O Vater der Erbarmungen! wende deinen mitleidigen Blick auf meine Armseligkeiten hernieder und erbarme dich meiner; gib mir Licht und laß meine bisherige Torheit mich einsehen, auf daß ich sie beweine, laß deine unendliche Güte mich erkennen, auf daß ich sie liebe. Mein Jesu! übergib die Seelen, die auf dich vertrauen, nicht den Bestien. Du gabst ja dein Blut dahin, um mich zu retten; laß mich nicht mehr zum Leibeigenen der bösen Geister werden, wie ich es bisher war. Ich bereue es, dich, o höchstes Gut! verlassen zu haben. Ich verwünsche alle jene Augenblicke, da ich in die Sünde einwilligte, und ich ergebe mich deinem heiligen Willen, der nur mein Bestes verlangt. Ewiger Vater, gib mir um der Verdienste Jesu Christi willen die Stärke, alles zu erfüllen, was dir gefällig ist. Laß mich lieber sterben als deinem Willen widerstreben. Hilf mir mit deiner Gnade, auf daß ich alle meine Liebe nur dir schenke und mich von allen meinen Gemütsneigungen losmache, die nicht nach dir gerichtet sind. Ich liebe dich, o Gott meiner Seele! ich liebe dich über alles und von dir hoffe ich mein ganzes Heil, die Verzeihung meiner Sünden, die Beharrlichkeit in deiner Liebe und den Himmel, um in Ewigkeit dich lieben zu können. — Maria! hüte für mich um diese Gnaden. Dein Sohn schlägt dir ja nichts ab. Meine Hoffnung! auf dich ist mein Vertrauen gegründet.
Unglückliches Leben des Sünders und glückliches Leben desjenigen, der Gott liebt.
„Für die Gottlosen ist kein Friede, spricht der Herr.“ (Jes 48,22)
„Die dein Gesetz lieben, haben großen Frieden.“ (Ps 118,126)
1. Punkt
Jeder Mensch, der in diesem Leben sich befindet, strebt nach Ruhe. Es strebt jener Handelsmann, jener Soldat, jener, der da mit einem Rechtsstreite beschäftigt ist, daß er durch diesen Gewinn, durch diese Stelle, durch diesen Rechtshandel sein Glück mache und somit Ruhe finde. O ihr armen Weltkinder, die ihr den Frieden suchet bei der Welt, welche ihn nicht geben kann! Gott allein kann uns den Frieden verschaffen: Gib deinen Dienern, bittet die heilige Kirche, jenen Frieden, den die Welt nicht geben kann. Nein, mit allen ihren Gütern vermag die Welt es nicht, das Herz des Menschen zufrieden zu stellen; denn nicht für diese Güter ist der Mensch erschaffen, sondern für Gott; und deshalb kann ausschließlich nur Gott ihn befriedigen. Die Tiere, die zur Sinneslust geschaffen sind, finden den Frieden in den Gütern der Erde. Gib einem Lasttier ein Büschlein Heu, gib einem Hunde ein Stück Fleisch und siehe, sie sind zufrieden und wünschen nichts mehreres. Die Seele aber, nur zur Liebe und zur Vereinigung mit Gott erschaffen, wird trotz aller erdenklichen sinnlichen Vergnügungen ihre Ruhe nie finden; nur Gott allein ist fähig, sie vollkommen zufrieden zu stellen.
Der Reiche, welcher (wie der heilige Lukas 12,19 erzählt) von seinen Feldern eine gute Ernte gewonnen hatte und sodann bei sich sagte: Meine Seele, du hast einen großen Vorrat an Gütern auf viele Jahre; ruhe nun, iss und trink - wurde ein Tor genannt. „Du Tor“, sagt mit Recht der heilige Basilius, „hast du vielleicht die Seele von einem Schweine oder von irgend einem Tiere, daß du deine Seele mit Essen und Trinken oder mit Sinneslust zu ersättigen meinest? Ruhe nun, iss und trink.“ Der Mensch kann, wenn er auch die Güter dieser Erde vollauf hätte, doch nicht satt werden: „Aufgeblasen zwar, doch nicht gesättiget kann er werden“, sagt der heilige Bernardus. Und der nämliche Heilige schreibt über jenes Evangelium: Siehe, wir haben alles verlassen ... Er habe mehrere Narren mit verschiedenen Torheiten gesehen. Er sagt, alle diese hätten großen Hunger gelitten, einige aber sättigen sich mit Erde - das Bild der Geizigen; andere mit Luft - das Bild der Ehrsüchtigen; die einen verschluckten an einem Ofen die Feuerfunken, die da aufsprühten - das Bild der Jähzornigen; die andern endlich tranken bei einem stinkenden See aus diesem faulen Wasser - das Bild der Wollüstigen. Der Heilige wendete sich hierauf zu ihnen und sprach: „O ihr Narren! wißt ihr nicht, daß diese Dinge euern Hunger eher vermehren als stillen?“ Und fürwahr; die Güter dieser Erde reizen vielmehr den Hunger, als daß sie ihn zu stillen vermöchten. Die irdischen Güter sind nur Scheingüter und können daher dem Menschen nicht Genüge leiste: Ihr habt gegessen und euch nicht ersättiget. (Hag 1,6) Je mehr daher der Geizige gewinnt, desto mehr sucht er zu erwerben. Der heilige Augustinus sagt: Eine größere Menge Geld stopft den Rachen des Geizes nicht, sondern reißt ihn um so weiter auf. Je mehr der Wüstling im Unflate sich wälzt, desto mehr bekommt er Ekel und Hunger zugleich, und wie können auch Kot und sinnlicher Unflat das Herz befriedigen? Ebenso ergeht es dem Ehrgeizigen, der mit Rauch sich sättigen will; denn der Ehrsüchtige sieht immer mehr auf das, was ihm fehlt, als auf das, was er hat. Alexander der Große vergoß nach der Eroberung so vieler Reiche Tränen, und warum? - weil er die Herrschaft über die andern noch nicht besaß. Könnten die Güter dieser Welt den Menschen befriedigen, so wären die reichen Leute oder die Herrscher vollkommen glücklich: doch die Erfahrung zeigt das Gegenteil. Salomon, der da bezeugt, daß er seinen Sinnen ganz und gar nichts versagt habe: Und alles, was meine Augen nur wünschten, habe ich ihnen gewährt (Eccl 2,10), sagt dessenungeachtet: Eitelkeit über Eitelkeit, und alles ist Eitelkeit. (Ibid. 1,2) Er will sagen: Alles, was auf der Welt ist, ist lauter Eitelkeit, lauter Lüge, lauter Torheit.
Anmutungen und Bitten
Ach mein Gott! was habe ich zum Lohne von jenen Beleidigungen, die ich vor dir verübte, als Pein, Bitterkeit und eine Schuldenlast für die Hölle? Doch ist mir diese Bitterkeit, die ich darob empfinde, nicht unlieb, ja sie tröstet mich vielmehr, denn sie ist ein Geschenk deiner Gnade und läßt mich einsehen, daß du mir verzeihen wollest, eben weil du sie in mir erweckest. Was mich schmerzt, besteht darin, daß ich dich, meinen Erlöser, erzürnte, der du mich so sehr liebtest. Ich hätte verdient, mein Herr, von dir verlassen zu werden; allein, statt mich zu verlassen, sehe ich, daß du Verzeihung mir anbietest, ja du bist sogar der erste, der um Frieden bittet. Ja, mein Jesus, ich will Frieden schließen, und ich sehne mich nach deiner Gnade mehr, als nach jedem anderen Gute. Es reuet mich, mein Jesu, dich beleidiget zu haben, ich möchte vor Schmerz hierüber sterben. Ach, verzeihe mir um jener Liebe willen, die du zu mir hattest, da du am Kreuze deinen Geist für mich aufgabst; nimm mich wieder in dein Herz auf und verändere mein Herz so, daß ich dir in der Folge ebenso viele Freude mache, als ich dir bisher Schmerz verursachte. Dir zu Liebe verzichte ich nun auf alle Vergnügen, welche die Welt mir geben könnte, und ich nehme mir vor, lieber das Leben als deine Gnade zu verlieren. Sage mir nur, was ich tun soll, um dir zu gefallen, denn ich will alles tun. Hinweg mit den Vergnügungen, mit den Ehrenstellen, mit den Reichtümern! Dich allein will ich lieben, mein Gott, mein Ruhm, mein Schatz, mein Leben, meine Liebe, mein Alles! O Herr! stehe mir mächtig bei, auf daß ich dir getreu bleibe. Gib mir die Gnade, dich zu lieben und dann tue mit mir, was du willst. - Maria, meine Mutter, und nach Jesu meine Hoffnung! nimm mich in deinen Schutz und mache mich ganz Gott ergeben.
21. Betrachtung
Unglückliches Leben des Sünders und glückliches Leben desjenigen, der Gott liebt.
2. Punkt
Allein Salomon sagt nicht nur, daß die Güter dieser Welt eitel seien und durchaus nicht befriedigen, sondern sie sind auch Leiden, die den Geist betrüben: Und siehe, alles ist Eitelkeit und Geistesplage. (Eccl 1,14) Wehe den Sündern! Sie bemühen sich, durch ihre Sünden sich glücklich zu machen, finden aber nur Bitterkeit und Gewissensbisse! Trübsal und Unglück ist auf ihren Pfaden, und den Weg des Friedens erkannten sie nicht (Ps 13,3) Frieden! welchen Frieden? Nein, sagt Gott: Für die Gottlosen ist kein Friede. (Jes 48,22) Fürs erste hat die Sünde zur Folge die Furcht vor der göttlichen Rache. Hat jemand einen Mächtigen zum Feinde, so ißt und schläft er nie ruhig. Und kann wohl jener, der Gott zum Feinde hat, Ruhe haben? Die da Böses üben, sind in Furcht und Sorgen. (Spr 10,29) O, wie zittert der, der in der Sünde ist, wenn er nur donnern hört. Jedes Laub, das sich bewegt, erschreckt ihn. Schreckenstöne erschallen immer in seinen Ohren. (Job 15,21) Er nimmt die Flucht, ohne zu sehen, wer ihn verfolge. Der Gottlose flieht, ohne daß jemand ihm nachsetzt. (Spr 28,1) Und wer verfolgt ihn? Seine eigene Sünde. Nachdem Kain den Abel getötet hatte, sprach er: Jeder also, der mich findet, wird mich töten. (Gen 4.14) Und obgleich der Herr ihn versicherte, daß niemand ihm zu Leibe gehen werde: „Keineswegs - also sagte der Herr zu ihm - soll dies geschehen“, so sagt doch die Schrift, daß Kain als Flüchtling in der Welt gewohnt habe; (ibid.) immer streifte er von einem Orte zum anderen herum. Wer war Kains Verfolger? Wer anders als seine Sünde?
Ferner folgt der Sünde der Vorwurf des Gewissens, und dieses ist jener tyrannische Wurm, der immerdar naget. Der elende Sünder geht ins Schauspiel, zum Freudenfest, auf den Spazierweg, aber das Gewissen sagt zu ihm: Du bist in Gottes Ungnade, wo gehst du hin? Die Gewissensbisse sind eine große Marter auch in diesem Leben, daß manche sogar, um davon los zu werden, sogar zu Selbstmördern wurden. Einer von diesen war Judas, der, wie man weiß, aus Verzweiflung sich selbst erhenkte. Man erzähl! Von einem anderen, der, nachdem er ein Kind ermordet hatte, sich in ein Kloster begab, um von seinen Gewissensbissen frei zu werden; allein da er auch im Kloster keine Ruhe finden konnte, überlieferte er sich selbst dem Richter, bekannte sein Verbrechen und ließ sich zum Tode verurteilen.
Was ist eine Seele, die ohne Gott ist? Der heilige Geist sagt es, sie ist ein sturmbewegtes Meer: Die Gottlosen aber sind wie das tobende Meer, das nicht ruhen kann. (Jes 27,20) Ich frage, wenn jemand zu einem Musikfeste, wo es Musik, Tanz und Erfrischungen gibt, gebracht, dort mit Fuß und Kopf abwärts gehangen würde, könnte er sich wohl freuen? So ist jener Mensch, welcher unter und über sich inmitten der Güter dieser Welt sich befindet, aber ohne Gott. Er wird zwar essen, trinken, tanzen, er wird dieses kostbare Kleid tragen, jene Ehren, jene Anstellung, jenen Besitz erlangen, aber dabei niemals die Ruhe genießen. Für die Gottlosen ist kein Friede. Den Frieden erhält man ausschließlich nur von Gott, und Gott gibt ihn seinen Freunden, nicht aber seinen Feinden.
Die Güter dieser Welt, sagt der heilige Vincentius Ferrerius, sind außerhalb des Herzens und nicht innerhalb desselben. Gewässer sind sie, die sich nicht dahin ergießen, wo Durst ist. Jener Sünder mag wohl ein schön gesticktes Kleid am Leibe, einen schönen Diamant am Finger tragen, mit seinem Talente prahlen; sein armes Herz aber wird voll Dornen und Galle sein; und daher wirst du ihn bei allen seinen Reichtümern, Ergötzungen und Belustigungen immer unruhig, bei vorfallenden Verdrießlichkeiten aber in Wut und Zorn entbrennen und einem tollen Hunde gleich finden. Wer Gott liebt, der ergibt sich bei Widerwärtigkeiten dem göttlichen Willen und findet Ruhe; wer aber dem Willen Gottes zuwider dahinlebt, vermag dies nicht und hat sohin kein Mittel, sich zu beruhigen. Dient der Elende dem Teufel, so dient er einem Wüterich, der mit Verdruß und Bitterkeit ihn bezahlt. Nimmermehr können die Worte Gottes vergehen, der da sagt: Weil du dem Herrn deinem Gott nicht mit Freuden gedient hast ... wirst du deinem Feinde dienen ... in Hunger und Durst, in Blöße und aller Not. (Dtn 28,47,48) Was hat nicht dieser Rachgierige noch zu ertragen, nachdem er sich schon gerächt hat, jener Wollüstling, nachdem er seinen Zweck schon erreicht hat, dieser Ehrsüchtige, jener Geizige! O wie viele würden große Heilige werden, wenn sie das für Gott erduldeten, was sie leiden, um in die Hölle sich zu stürzen.
Anmutungen und Bitten
O verlorenes Leben! Ach, mein Gott, hätte ich die Beschwerden, die ich ausstand, um dich zu beleidigen, für deinen Dienst auf mich genommen: wie viele Verdienste hätte ich nun für das Paradies. Ach, mein Herr! ach warum verließ ich dich und warum verlor ich deine Gnade? Einiger vergifteter und kurzer Genüsse wegen, die, da ich sie kaum verkostet hatte, mich verließen und mein Herz mit Dornen und Bitterkeiten erfüllten. O ihr, meine unglücklichen Sünden! ich verwünsche und verfluche euch tausend Mal; ich preise aber, o du mein mildester Herr! deine Barmherzigkeit, die mit so großer Geduld mich ertrug. Ich liebe dich, o mein Schöpfer und Erlöser! der du das Leben für mich gabst; und weil ich dich liebe, so bereue ich von ganzem Herzen, dich beleidiget zu haben. Mein Gott, mein Gott, o warum habe ich dich verloren? Wofür habe ich dich vertauscht? Jetzt sehe ich wohl ein, das Böse, das ich tat und fasse den ernstlichen Entschluß, lieber alles, auch das Leben zu verlieren, als deine Liebe. Gib mir Licht, o ewiger Vater! um Jesu Christi willen; laß mich erkennen, welch großes Gut du seiest und wie schlecht dagegen jene Güter seien, die der Teufel mir vorspiegelt, um zum Verluste deiner Gnade mich zu bewegen. Ich liebe dich, aber ich wünsche dich noch mehr zu lieben. Mache, daß du mein einziger Gedanke, mein einziges Verlangen, meine einzige Liebe seiest. Alles hoffe ich von deiner Güte durch die Verdienste deines Sohnes. — Maria, meine Mutter! ich bitte dich, erlange mir um der Liebe willen, die du zu Jesu Christo trägst, Licht und Stärke ihm zu dienen und ihn bis in den Tod zu lieben.
21. Betrachtung
Unglückliches Leben des Sünders und glückliches Leben desjenigen, der Gott liebt.
3. Punkt
Es sind also sämtliche Güter und Vergnügungen dieser Welt nicht fähig, das menschliche Herz zu befriedigen? Was ist denn aber im Stande, ihm Genüge zu leisten? Nur Gott: Erfreue dich im Herrn und er wird dir nach dem Verlangen deines Herzens geben. (Ps 36,4) Des Menschen Herz forscht immer nach einem Gute, wodurch es befriedigt werden könnte. Es genießt Reichtümer, Vergnügungen, Ehren und gibt sich nicht zufrieden; denn dies sind Güter, die ein Ende nehmen, das Menschenherz aber ist für ein endloses Gut geschaffen; findet es Gott, vereint es sich mit Gott, dann erst ist es zufrieden, nichts mehr wünscht es alsdann: Erfreue dich im Herrn und er wird dir nach dem Verlangen deines Herzens geben. Der heilige Augustinus fand solange keine Ruhe, als er in sinnlichen Vergnügungen dahinlebte. Als er sich aber Gott geschenkt hatte, bekannte er sonach und sprach zum Herrn: „Unser Herz ist unruhig, bis es Ruhe findet in dir.“ Mein Gott! sagte er, jetzt erst verstehe ich es, daß alles Eitelkeit und Geistesplage ist und daß du allein die echte Ruhe unserer Seelen bist: „Alles ist bitter; du allein bist die Ruhe.“ Daher schrieb er, durch eigene bittere Erfahrung belehrt: „Was suchst du Elender bei den Gütern dieser Erde? Suche ein Gut, das alle anderen Güter in sich schließt.“ Zur Zeit, als der König David in der Sünde lebte, ging er auf Jagden, in Lustgärten, zu Tafeln und allen königlichen Ergötzungen; allein sowohl die Tafeln als die Gärten und alle Geschöpfe, deren er sich erfreute, riefen ihm zu: David, du willst von uns befriediget werden? Nein, wir sind außer Stand, dich zu befriedigen: Wo ist dein Gott? Gehe nur, suche deinen Gott, denn er allein kann dich zufrieden stellen; und deshalb konnte David mitten unter allen seinen Ergötzlichkeiten nicht anders, als weinend klagen: Meine Tränen sind Tag und Nacht meine Speise geworden, weil man täglich zu mir saget: Wo ist dein Gott. (Ps 41,4)
O wie vollends kann hingegen Gott die Seelen befriedigen, welche ihn lieben! Nachdem der heilige Franziskus von Assisi Gott zu Liebe alles verlassen hatte, fand er - wenngleich barfuß und mit schlechten Lumpen angetan und halb tot vor Hunger und Frost - himmlische Wonne in den Worten: „mein Gott und mein Alles! Traf es sich, daß der heilige Franziskus von Borgia, nach seinem Eintritte ins Kloster, auf seinen Reisen auf Stroh liegen mußte, da war er dessen so froh, daß er vor Freude kaum einschlafen konnte. Wollte der heilige Philippus Nerius, nachdem er ebenfalls alles verlassen hatte, zur Ruhe sich begeben, so wurde er von Gott so vollauf getröstet, daß er fast klagend ausrief: „Ach, mein Jesus Christus, laß mich doch schlafen.“ Pater Karl von Lothringen, aus dem fürstlichen Hause Lothringen, ein Jesuit, fing manchmal in seiner armen Zelle vor Freude an zu tanzen. Der heilige Franciscus Xaverius schlug auf Indiens Feldern sich an die Brust und rief aus: „Es ist genug, o Herr! es ist genug. Herr, keine Tröstung mehr, mein Herz ist nicht im Stande, es auszuhalten.“ Die heilige Theresia sagte: Ein Tropfen himmlischen Trostes gewähre mehr Freude als alle Vergnügungen und Unterhaltungen der Welt. Und mit Recht; denn Gott kann sein gegebenes Wort: denjenigen, welche ihm zu Liebe die Güter der Welt verlassen, auch in diesem Leben hundertfachen Frieden und Freude zu geben, nicht brechen: Wer um meines Namens willen sein Haus oder seine Brüder verlässt, der wird es hundertfältig wieder bekommen und das ewige Leben besitzen. (Mt 19,29)
Was suchen wir noch länger? - Lasset uns also zu Jesu Christo hingehen, der uns mit dem Zurufe einladet: „Kommt zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.“ (Mt 11,28) Eine Seele, die Gott liebt, findet jenen Frieden, der alle Vergnügungen und Befriedigungen übertrifft, welche Sinn und Welt verschaffen kann! Der Friede Gottes, welcher allen Verstand übertrifft. (Phil 4,7) Es ist wahr: auch die Heiligen haben auf dieser Welt Leiden; denn diese Welt ist ein Ort der Verdienste, und ohne zu leiden kann man nicht Verdienste sammeln. Allein der heilige Bernardus sagt, die göttliche Liebe sei dem Honig vergleichbar, welcher die bittersten Sachen süß und lieblich macht. Wer Gott liebt, der liebt dessen Willen und ist daher auch bei Widerwärtigkeiten fröhlich, denn er weiß, daß er, durch willige Annahme derselben, Gott lieb und wohlgefällig werde. O Gott! die Sünder verachten das geistliche Leben, ohne es noch versucht zu haben. „Sie sehen das Kreuz, die Salbung aber sehen sie nicht“, sagt der heilige Bernardus; nur die Leiden, welche die Liebhaber Gottes ausstehen, und die Vergnügen, deren sie sich berauben, fassen sie ins Auge, die Freuden des Geistes aber, wodurch Gott seine Liebe ihnen bezeugt, diese beachten sie gar nicht. O möchten doch die Sünder den Frieden verkosten, den eine Seele genießt, die nichts als Gott will. Kostet und sehet, sagt David, daß der Herr süß ist. (Ps 33) Mein Bruder, fange nur einmal an, täglich zu betrachten, oft zu kommunizieren, vor dem heiligsten Sakramente dich aufzuhalten; beginne die Welt zu verlassen und mit Gott es zu halten und du wirst erfahren, daß der Herr in der kurzen Zeit, da du mit ihm dich unterhalten wirst, weit mehr dich erfreuen werde, als die Welt samt allen ihren Unterhaltungen dich vergnügte: Kostet und sehet. - Wer es nicht versucht, der kann es auch nicht begreifen, wie sehr Gott eine Seele, die ihn liebt, zu trösten wisse.
Anmutungen und Bitten
Mein lieber Erlöser, wie war ich doch vorher so blind, daß ich dich, o unendliches Gut, du Quelle alles Trostes! wegen so elenden und kurzen sinnlichen Vergnügen verlassen habe! Ich erstaune ob meiner Blindheit, noch mehr aber verwundere ich mich über deine Barmherzigkeit, die mit so großer Güte mich geduldet hat. Dank dir, daß du nun meine Torheit und die Pflicht, dich zu lieben, mir zu erkennen gibst. Ich liebe dich, mein Jesus, aus ganzer Seele und verlange, dich noch mehr zu lieben. Vermehre mein Verlangen und meine Liebe. Erfülle mich mit Liebe zu dir, o unendlich Liebenswürdiger! der du nicht mehr tun kannst, um von mir geliebt zu werden, und meine Liebe so sehr verlangst. Wenn du willst, kannst du mich rein machen. Ach, mein Erlöser, reinige mein Herz von unlauteren Gemütsneigungen, die mich hindern, dich zu lieben, wie ich es wünschte! Es liegt ja nicht in meiner Gewalt, zu bewirken, daß mein Herz für dich ganz entflammt werde, und nichts anderes als dich liebe. Deine Gnade muß es bewirken; denn diese vermag alles, was sie nur will. Reiße mich los von allem, vertreibe aus meiner Seele jede Neigung, die nicht auf dich abzielt, und mache mich ganz zu deinem Eigentume. Ich habe über alle dir zugefügten Beleidigungen größeres Leid, als über jedes Unglück und nehme mir vor, mein ganzes übriges Leben deiner heiligen Liebe zu widmen; allein du mußt bewirken, daß ich es vollbringe. Bewerkstellige es um des Blutes willen, das du für mich unter so vielen Schmerzen und mit so großer Liebe vergossen hast. Es diene zur Verherrlichung deiner Macht, wenn du bewirkst, daß ein Herz, welches einst von irdischen Gedanken voll war, jetzt aus Liebe zu dir, o unendliches Gut! eine lautere Flamme werde. — O Mutter der schönen Liebe, Maria! mache mich durch deine Fürbitte von Liebe zu Gott ganz glühend, wie du es immer warst.
Von der bösen Gewohnheit
„Wenn der Gottlose in den Abgrund
der Sünden gekommen sein wird, verachtet er es.“
(Spr 18,3)
1. Punkt
Einer der größten Nachteile, den Adams Sünde uns verursachte, ist die böse Neigung zum Sündigen. Dies preßte dem Apostel Tränen aus seinen Augen, indem er von der sinnlichen Begierde zu bösen Handlungen sich angetrieben sah, die er doch so sehr verabscheute. Ich empfinde in meinen Gliedern ein anderes Gesetz... das mich unter dem Gesetze der Sünde gefangen hält. (Röm 7,24) Und daher wird es uns, die wir mit dieser bösen Begierlichkeit behaftet sind, nebst den vielen Feinden, die uns zum Bösen reizen, so schwer, schuldlos in unser heiliges Vaterland zu gelangen. Diese unsere Gebrechlichkeit im Auge, frage ich dich nun: Was würdest du wohl von einem Reisenden sagen, der mit seinem halb zerbrochenen Schiffe das Meer durchfahren wollte bei einem großen Sturmgewitter, und der überdies dasselbe noch beladen würde mit einer Last, welche, wenn auch kein Sturm und das Schiff stark wäre, dennoch hinreichend wäre, es zu versenken? Was würdest du von dem Leben dieses Menschen schon im voraus sagen? Dasselbe kannst du mit Recht auch von einem Menschen sagen, der böse Gewohnheiten hat. Denn auch dieser durchsegelt das Meer dieses Lebens (diese stürmische See, wo so viele ihren Untergang finden) mit einem schwachen und zertrümmerten Fahrzeuge (welches unser Fleisch ist, mit dem wir vereint sind), und will selbes überdies noch mit seinen Gewohnheitssünden schwer beladen. Diese wird schwerlich sich retten; denn die böse Gewohnheit verblendet den Verstand, verhärtet das Herz, und dadurch geschieht es leicht, daß er bis zum Tode verstockt bleibt.
Fürs erste verblendet die böse Gewohnheit. Woher kommt es, daß die Heiligen Gott immer um Licht bitten, daß sie fürchten und zittern, auch die schlimmsten Sünder der Welt zu werden? Daher, weil sie wissen, daß, wenn sie nur einen Augenblick das Licht verlieren würden, sie jede Lastertat begehen könnten. Woher kommt es, daß so viele Christen hartnäckig in der Sünde leben wollten, bis sie endlich verdammt worden sind? Ihre Bosheit hat sie verblendet. (Weish 2,21) Die Sünde nahm ihnen das Licht, und so gingen sie zu Grunde. Jede Sünde hat die Verblendung zur Folge; und wie die Sünden sich mehren, so vermehrt sich die Verblendung. Gott ist unser Licht; je mehr also die Seele von ihm sich entfernt, desto mehr erblindet sie. Die Laster werden bis in seine Gebeine dringen. (Job 20,11) So wie in ein Geschirr voll Erde das Sonnenlicht nicht eindringen kann, ebensowenig kann das göttliche Licht ein lastervolles Herz erleuchten. Hieraus ist erklärlich, wie lau gewordene Sünder das Licht verlieren und dann von Sünde zu Sünde schreiten und nicht einmal mehr daran denken, sich zu bessern. Die Gottlosen gehen rings umher. (Ps 11,9) Sind diese Elenden endlich in diesen finstern Abgrund gestürzt, so können sie nichts als sündigen, so denken sie an nichts, als an das Sündigen, und sie wissen beinahe nicht mehr, daß die Sünde etwas Böses sei. „Die Angewöhnung des Bösen“, sagt der heilige Augustinus, „läßt dem Sünder das Böse nicht sehen, das er verübt.“ Daher leben sie, als glaubten sie nicht mehr, daß es einen Gott, einen Himmel, eine Hölle, eine Ewigkeit gebe. Und siehe! Vor der Sünde, die man früher fürchtete, hat man wegen der bösen Gewohnheit gar keine Furcht mehr. Treibe sie um wie ein Rad und wie Stoppeln vor dem Winde. „Ihr sehet - sagt der heilige Gregorius - wie leicht ein Strohhalm auch von einem geringen Winde fortgetrieben wird.“ Das nämliche kannst du auch an jenem bemerken, der früher vor seinem Falle wenigstens eine Zeit lang Widerstand leistete und mit der Versuchung kämpfte; ist ihm aber nun das Böse schon zur Gewohnheit geworden, so fällt er bei jeder kleinen Anfechtung und so oft sich ihm Gelegenheit zum Sündigen darbietet. Und warum? Weil die böse Gewohnheit ihm das Licht genommen hat. Der heilige Anselmus sagt, der Teufel mache es mit gewissen Sündern wie einer, der einen Vogel an einen Faden gebunden: „Er läßt ihn zwar fliegen; wenn er aber will, zieht er ihn sogleich wieder zu Boden.“ So sind, wie dieser Heilige sich ausdrückt, die Gewohnheitssünder beschaffen: „Durch eine böse Gewohnheit ins Netz gezogen, werden sie vom Feinde festgehalten; fliegen sie auch, so fallen sie doch wieder in die nämlichen Laster.“ (Ap. Edinor. in vita lib. 2) Einige, fügt der heilige Bernardinus von Siena hinzu (tom, 4, Serm. 15), fahren fort zu sündigen, auch ohne Gelegenheit. Der Heilige sagt, die Gewohnheitssünder werden den Windmühlen gleich, welche von jedem Winde herumgetrieben werden; sie gehen bei jedem Wehen des Windes herum, wenn auch kein Korn zu mahlen darauf ist und wenn auch der Eigentümer nicht will, daß sie sich bewegen. Du wirst sehen, daß ein Gewohnheitssünder auch ohne Veranlassung, ohne Lust und beinahe wider Willen den bösen Gedanken nachhänge, von der bösen Gewohnheit mit Gewalt dazu getrieben. Der heilige Johannes Chrysostomus sagt: „Etwas Hartes ist die böse Gewohnheit, denn sie zwingt, manchmal wider Willen etwas Verbotenes zu tun.“ Und so ist es; denn die böse Gewohnheit wird dann, wie der heilige Augustinus lehrt, gewissermaßen Bedürfnis: „Widersteht man der Gewohnheit nicht, so wird sie zum Bedürfnis.“ Und wie der heilige Bernardinus hinzusetzt, wird die Gewohnheit auch zur zweiten Natur. So wie also der Mensch Atem holen muß, so scheint auch den Gewohnheitssündern, welche Leibeigene der Sünde geworden sind, das Sündigen zur zweiten Natur zu werden. Ich sagte: „Leibeigene“, denn Knechte nennt man die, die um Lohn dienen; die Leibeigenen aber dienen aus Zwang, ohne Lohn. Diesen gleichen einige Elende, die da sündigen, ohne hiezu Lust zu haben.
Wenn der Gottlose in den Abgrund der Sünde gekommen sein wird, verachtet er sie. (Spr 18,3) Dies erklärt der heilige Chrysostomus von dem Gewohnheitssünder, welcher in diesen Abgrund der Finsternis versunken und keine Kirchenstrafen, keine Predigten, keine Zurechtweisungen, selbst die Hölle und auch Gott nicht mehr achtet; er verachtet alles und wird elend, gleich einem Geier, der, um das Aas nicht von sich zu lassen, lieber auf demselben von den Jägern sich erschießen läßt. Es erzählt P. Recupito, ein zum Tode Verurteilter habe noch auf der Richtstätte in einen bösen Gedanken eingewilligt, indem er auf dem Wege dahin, seine Augen erhebend, ein Mädchen erblickte. Auch P. Gisolfo erzählt, ein Gotteslästerer, der ebenfalls zum Tode verurteilt war, sei, während er von der Leiter herabgeworfen wurde, in eine Gotteslästerung ausgebrochen. Der heilige Bernardus versichert sogar, für Gewohnheitssünder helfe kein Beten mehr, man müsse sie vielmehr als Verdammte beweinen. Wie sollten sie aber aus ihrem Abgrunde herauskommen, wenn sie bereits nicht mehr sehen? Da muß die Gnade Wunder wirken. Die Elenden werden in der Hölle erst die Augen öffnen; doch dann wird es ihnen zu nichts anderem dienen, als um ihre Torheit desto bitterer zu beweinen.
Anmutungen und Bitten
Mein Gott! Du hast mit deinen Wohltaten mich ausgezeichnet, denn du hast mir mehr Gutes getan als anderen; ich aber habe dich gleichsam mit Missetaten ausgezeichnet, indem ich dich mehr beschimpfte, als jede mir bekannte Person. O schmerzvolles Herz meines Erlösers! das am Kreuze ob dem Anblicke meiner Sünden so betrübt und gequält wurde, gib mir doch durch deine Verdienste eine lebhafte Erkenntnis und einen recht heftigen Schmerz über meine Verbrechen. Ach, mein Jesu! ich bin voll von Lastern, du aber bist allmächtig; du kannst ja deine heilige Liebe in vollem Maße mir schenken. Auf dich also stütze ich mich, denn du bist eine unendliche Güte, eine unendliche Barmherzigkeit! Es reuet mich, o höchstes Gut! dich beleidiget zu haben. O wäre ich lieber gestorben und hätte ich doch nie dir ein Mißfallen verursacht! Ich vergaß auf dich; doch du hast nicht auf mich vergessen, ich erkenne es an dem Lichte, das du mir jetzt gibst. Da du mir also Licht gewährest, so verleihe mir auch die Kraft, dir treu zu sein. Ich verspreche, tausend Mal lieber zu sterben, als dir jemals wieder den Rücken zu kehren; doch auf deiner Hilfe beruhen meine Hoffnungen: Auf dich, o Herr! habe ich gehofft, ich werde in Ewigkeit nicht zu Schanden werden. Von dir, mein Jesu! hoffe ich, daß ich mich niemals mehr durch eine Sünde beschämt und deiner Gnade beraubt sehen werde. — Auch zu dir, o Maria, meine Frau, wende ich mich: Auf dich, o Frau! habe ich gehofft, ich werde in Ewigkeit nicht zu Schanden werden. Auf deine Fürsprache vertrauend, erwarte ich, o meine Hoffnung! daß ich mich nie mehr als einen Feind deines Sohnes sehen werde. Ach bitte ihn, er möge mich lieber sterben lassen, als diesem größten Unglücke mich preisgeben.
22. Betrachtung
Von der bösen Gewohnheit
2. Punkt
Ferner verhärtet die böse Gewohnheit das Herz. „Die Gewohnheit zu sündigen, macht das Herz hart“, sagt Cornelius a Lapide. Und mit Recht läßt dies Gott zur Strafe für den Widerstand, den man gegen seine Stimme leistete. Der Apostel lehrt: Der Herr erbarme sich über wen er will, und verhärtet, wen er will. Der heilige Augustinus erklärt es so: „Verhärtung von Seite Gottes heißt, sich nicht erbarmen wollen.“ Nicht als verhärtete Gott den Sünder, sondern er entzieht ihm die Gnade zur Bestrafung der Undankbarkeit, mit der er sich gegen seine Gnade benommen hat, und auf diese Weise bleibt des Sünders Herz hart und einem Steine gleich. Sein Herz wird wie ein Stein hart werden, und so fest wie der Amboss eines Schmiedes. (Job 41,15) Und so wird es kommen, daß, während die einen vor Rührung weinen, wenn sie von der Strenge des göttlichen Gerichtes, von den Peinen der Verdammten, vom Leiden Jesu Christi predigen hören, dagegen der Gewohnheitssünder ganz ungerührt bleibt, mit Gleichgültigkeit davon spricht und sprechen hört, als ginge ihn die ganze Sache gar nichts an; und so wird er bei solchen Schlägen nur noch härter: Und er wird so fest wie der Amboss eines Schmiedes werden.
Auch unvorhergesehene Todesfälle, Erdbeben, Donnerschläge, Blitzesstrahlen werden ihn nicht erschrecken; ja, anstatt ihn aufzuschrecken, und zur Besinnung zu bringen, tragen sie vielmehr zu jenem Todesschlummer bei, in welchem verloren er dahinschläft: Sie sind, o Gott Jakobs! von deinen Verweisen entschlafen (Ps 75,7) Der heilige Augustinus sagt: „Werden die Sünden, und seien sie auch noch so entsetzlich, zur Gewohnheit, so scheinen sie klein oder wohl gar nichts zu sein.“ Auf böse Taten folgt natürlich eine gewisse Scham; allein der heilige Hieronymus sagt, die Gewohnheitssünder verlieren durch das Sündigen auch die Scham: „Sie schämen sich nicht einmal, wenn sie sündigen.“ Der heilige Petrus vergleicht den Gewohnheitssünder mit einem Schweine, das im Kote sich wälzt: Das Schwein wälzt nach der Schwemme sich wieder im Kote. (2 Petr 2,22) So wie ein Schwein, das im Moraste sich wälzt, dessen Gestank nicht riecht: so geht es auch dem Gewohnheitssünder, er allein riecht nicht den Gestank, der allen Ekel erregt. Und da der Unflat ihm auch das Gesicht bedeckt hat, ist es noch zu verwundern, fragt der heilige Bernardus, daß er es nicht einmal gewahr wird, wenn Gott ihn züchtiget? „Das Volk wälzt sich in Sünden, wie das Schwein, wenn es im Unflat sich wälzt; was Wunder, wenn es die kommenden Gerichte des geißelnden Gottes nicht erkennt?“ (S. Bern. Ser. part 2. p. 182) Daher kommt es, daß er, anstatt über seine Sünden zu trauern, darüber lacht, darob sich erlustiget, und sich rühmt: Sie erfreuen sich, wenn sie Böses getan haben (Spr 2,14) Sind das nicht Beweise von einer teuflischen Herzenshärte? Der heilige Thomas von Villanova sagt: dies alles sind Zeichen der Verdammnis: „Verstocktheit ist ein Kennzeichen der Verdammung.“ Mein Bruder, zittere, daß dir nicht dasselbe widerfahre. Hast du etwa eine böse Gewohnheit, so suche davon sogleich dich loszumachen, da Gott dich jetzt ruft. Und so lange dein Gewissen dir Vorwürfe macht, sei frohen Mutes, denn es ist ein Zeichen, daß Gott dich noch nicht verlassen habe. Aber bessere dich, winde dich aus der Gewohnheit heraus; denn tust du es nicht alsobald, so wird zur Wunde der Krebs sich schlagen, und dann wird es um dich geschehen sein.
Anmutungen und Bitten
O Herr! wie werde ich dir danken können, in dem Maße, als ich es schuldig bin für so viele Gnaden, die du mir erwiesen hast? Wie oft hast du mich gerufen, und ich - habe mich dir widersetzt? Anstatt dir Dank und Liebe zu zollen dafür, daß du vor der Hölle mich bewahrtest und mit so großer Liebe riefest, fuhr ich fort, dich durch Wiederholung der Unbilden zum Zorne zu reizen. Nein, mein Gott! ich will deine Geduld nicht länger mehr mißbrauchen: ich habe oft genug dich beleidiget. Nur du, der du die unendliche Güte bist, konntest mich so lange dulden. Allein, ich sehe ein, daß du mich nicht mehr gedulden kannst; und du hast Recht. Vergib mir also, mein Herr und mein höchstes Gut! alle die Unbilden, die ich dir zufügte, welche ich von ganzem Herzen bereue, und ich nehme mir vor, in Zukunft dich nicht mehr zu beleidigen. Wie? Sollte ich fortfahren, dich zu beleidigen? Ach, versöhne dich mit mir, o Gott meiner Seele! nicht meiner Verdienste wegen, da nur Pein und Hölle mir zugehören, sondern um der Verdienste deines Sohnes und meines Erlösers willen, worauf ich meine Hoffnung gründe. Nimm mich also, Jesu Christo zu Liebe in deiner Gnade auf, und gib mir die Beharrlichkeit in deiner Liebe. Reiße von allen unreinen Gemütsneigungen mich los, und ziehe mich ganz zu dir. Ich liebe dich, o höchstes Gut! o höchster Liebhaber der Seelen, der du einer unendlichen Liebe würdig bist! O, hätte ich dich doch immer geliebt! - Maria, meine Mutter! mache, daß mir mein noch übriges Leben nicht mehr dazu diene, deinen Sohn zu beleidigen, sondern nur, um ihn zu lieben und die ihm zugefügten Beleidigungen zu beweinen.
22. Betrachtung
Von der bösen Gewohnheit
3. Punkt
Ist einmal das Licht verloren, und das Herz verhärtet, so wird sittlicherweise davon die Folge sein, daß der Sünder ein übles Ende nehme, und hartnäckig in seiner Sünde sterbe. Einem verstockten Herzen wird es am Ende übel ergehen. (Eccl 3,27) Die Gerechten gehen den geraden Weg fort: Richtig ist der Fußsteig der Gerechten zu wandeln. (Jes 26,7) Dagegen gehen die Gewohnheitssünder immer im Kreise umher. Die Gottlosen gehen rings herum. (Ps 11,9) Sie verlassen die Sünden auf einige Zeit und kehren dann wieder zu ihnen zurück. Diesen kündet der heilige Bernardus die Verdammung an: „Wehe dem Menschen! der diesen Unweg fort und fort einschlägt.“ (Serm. 12, sup. Ps. 90) Es kann aber einer sagen: vor dem Tode will ich mich schon bessern. Allein, das ist eine schwere Sache, daß ein Gewohnheitssünder, wenn er auch ein hohes Alter erreicht, sich bessere, sagt der Heilige Geist: Ein Jüngling wird vom gewohnten Wege nicht abweichen. (Spr 22,6) Hiervon, sagt der heilige Thomas von Villanova, liegt die Ursache darin, weil unsere Kraft sehr klein ist: Eure Stärke wird wie verbrannte Stoppeln sein. (Jes 1,31) Hieraus folgt, daß, wie der Heilige sagt, die der Gnade beraubte Seele nicht anders kann, als neuerdings sündigen: „Dadurch geschieht, daß die Seele, welcher die Gnade entzogen ist, ferneren Sünden nicht lange ausweichen kann.“ Überdies aber wie töricht wäre einer, wenn er spielen, und freiwillig all das Seine verlieren wollte in der Hoffnung, sich beim letzten Spiele wieder zu erholen. Dies ist die Torheit desjenigen, der in Sünden fortlebt, und sich mit der Hoffnung schmeichelt, in den letzten Tagen seines Lebens alles wieder gutzumachen. Kann wohl der Mohr oder der Leopard die Farbe seiner Haut anders machen? Und wie wird denn der ein gutes Leben führen, welcher lange an das Böse gewohnt war? Wenn ein Mohr seine Haut verändern kann oder ein Parder seine Flecken, so könnt auch ihr Gutes tun, die ihr des Bösen gewohnt seid. (Jer 13,23) Und so kommt es, daß der Gewohnheitssünder sich der Verzweiflung überläßt, und darin sein Leben endet. Wer aber harten Herzens ist, der wird ins Unglück stürzen. (Spr 28, 14)
Der heilige Gregorius spricht folgende Stelle Jobs: Er hat mir eine Wunde über die andere geschlagen und wie ein Riese mich überfallen. (Job 16,15) Also, wird jemand von einem Feinde angegriffen, so ist er beim ersten Schlage, den er bekommt, vielleicht noch fähig, sich zu verteidigen; je mehr Schläge er aber bekommt, desto mehr verliert er an Kräften, bis er endlich unterliegt. So macht es die Sünde; das erste, das zweite Mal bleibt dem Sünder einige Stärke (es versteht sich immer, mittelst der ihm beistehenden Gnade); sündigt er aber sodann fort, so wächst die Sünde an wie ein Riese, um ihn zu überfallen. Wie wird nun der Sünder bei seiner Schwäche und mit Wunden überhäuft dem Tode zu entweichen vermögen? Die Sünde gleicht ferner, wie Jeremias sich ausdrückt, einem großen Steine, der die Seelen niederdrückt: Und sie haben einen Stein auf mich gelegt. (Thren 3,53) Der heilige Bernardus sagt, einem Gewohnheitssünder sei es ebenso schwer, wieder aufzustehen, als es einem Menschen mühsam ist, sich zu erheben, wenn er unter einem großen Steine liegt und nicht so stark ist, ihn fortzuwälzen, um dessen los zu werden. „Schwer steht der auf, den der Stein einer bösen Gewohnheit darniederdrückt.“
Also - wird jener Gewohnheitssünder fragen - also ist für mich keine Hoffnung mehr? Höre die Wahrheit: Wenn du selbst mitwirken willst, darfst die Hoffnung nicht aufgeben; wisse aber, sagt ein Schriftsteller, daß man gegen die schwersten Übel auch die bewährtesten Arzneien anwenden müsse: „In schweren Krankheiten muß man mit vorzüglichen Hilfsmitteln den Anfang machen.“ (Card. Meth. cap. 16) Würde ein Arzt zu einem tödlich Kranken, der keine Arznei nehmen will, weil er die Bedenklichkeit seines Übels nicht erkennt, also sprechen: Freund, nimmst du diese Arznei nicht ein, so bist du des Todes! was würde wohl der Kranke antworten? Ei, würde er sagen, ich bin bereit, alles zu nehmen; es handelt sich ja um mein Leben. Eben diese Worte sage ich zu dir, mein Christ, wenn du an eine Sünde gewohnt bist. Gar schlecht steht es mit dir, du bist einer jener Kranken, „die da selten genesen“, wie der heilige Thomas von Villanova spricht; du stehst am Rande der Verdammnis; willst du jedoch wieder hergestellt werden, so gibt es gleichwohl ein Mittel, doch darfst du kein Wunder von der Gnade erwarten. Du mußt dir selbst Gewalt antun, indem du alle Gelegenheit zur Sünde hinwegräumst, der bösen Gesellschaft ausweichest und Widerstand leistest, und dich Gott anempfiehlst, so oft du versucht wirst. Du mußt auch noch folgende Mittel gebrauchen, nämlich: oft beichten, täglich ein geistliches Büchlein lesen, Maria, die allerheiligste Jungfrau, verehren, indem du sie stets bittest, sie möchte dir die Stärke erlangen, nicht wieder zu fallen. Du mußt Gewalt brauchen, sonst erfüllt sich an dir des Herrn Drohung gegen die Verstockten: Ihr werdet in euren Sünden sterben. (Joh 8,21) Und greifest du nicht jetzt zu den Mitteln, da dir Gott dies Licht gibt, so wirst du dir nachher schwerlich heraushelfen können. Höre, wie Gott dir zuruft: Lazarus, komm hervor! O elender, schon verstorbener Sünder! komme hervor aus diesem finsteren Grabe deines so schlechten Lebens. Entsprich und ergib dich Gott alsogleich, und zittere, denen dies könnte der letzte Ruf sein an dich.
Anmutungen und Bitten
Ach mein Gott! soll ich noch länger zögern, bis du mich wirklich verläßt und in die Hölle mich wirfst? Ach Herr! warte doch auf mich, ich will das Leben schon ändern und dir mich ergeben. Sage mir, was ich tun soll, ich will es gern vollziehen. O Blut Jesu! hilf mir. O du Fürsprecherin der Sünder, Maria! komme mir z.u Hilfe. Und du, ewiger Vater! erbarme dich meiner um der Verdienste Jesu und Maria willen. Es reuet mich, o Gott unendlicher Güte! dich beleidiget zu haben, und ich liebe dich über alles. Verzeihe mir Jesu Christo zu Liebe und gib mir Liebe zu dir. Flöße mir auch eine große Furcht ein, vor meinem Untergang, wenn ich dich neuerdings beleidigen würde. Licht, mein Gott! Licht und Stärke — alles hoffe ich von deiner Barmherzigkeit. Du hast mir ja so viele Gnaden erwiesen, als ich fern von dir dahinlebte, um so mehr darf ich jetzt deinen Beistand erwarten, da ich mit dem Vorsatze zu dir zurückkehre, nichts mehr zu lieben, als dich. Ich liebe dich, mein Gott, mein Leben, mein Alles. — Auch dich, o Maria! liebe ich, dir übergebe ich meine Seele, bewahre du sie durch deine Fürbitte von dem Rückfalle in Gottes Ungnade.
Täuschungen, die der böse Geist den Sündern einflüstert
(Obwohl viele Gedanken, welche in dieser Betrachtung vorkommen, schon in den vorhergehenden angedeutet wurden, so ist es doch gut, sie hier zusammengestellt vorzutragen, um die gewöhnlichen Täuschungen zu heben, wodurch der böse Feind die Sünder zum Rückfalle zu verleiten pflegt.)
1. Punkt
Stellen wir uns vor, ein Jüngling wäre in eine schwere Sünde gefallen, habe sie dann gebeichtet und die göttliche Gnade wieder erhalten. Der böse Feind aber sucht ihn neuerdings zum Rückfalle zu bringen; der Jüngling widersetzt sich, doch er fängt an zu wanken, getäuscht durch die Scheingründe, die ihm der Feind eingibt. Sage mir, junger Mensch, frage ich, was willst du tun? Willst du etwa dieses elenden Vergnügens wegen die Gnade Gottes verscherzen, die du schon erhalten hast und die mehr wert ist, als die ganze Welt? Willst du dir selbst das Urteil deines ewigen Todes schreiben und dich verurteilen, für immer in der Hölle zu brennen? Nein, sagst du, ich will nicht verdammt werden, ich will selig werden! wenn ich auch diese Sünde jetzt begehe, so werde ich sie hernach schon beichten. Siehe, das ist der erste Betrug des Versuchers. Du sagst also, du werdest sie hernach beichten, inzwischen aber geht deine Seele schon verloren. Sage mir, wenn du in deiner Hand einen Edelstein im Werte von tausend Dukaten hättest, würdest du ihn wohl in den Fluß werfen und sprechen: hernach will ich mir schon Mühe geben, und hoffentlich werd' ich ihn wieder finden. Du hast dies schöne Kleinod, deine Seele, die Jesus mit seinem Blute erkauft hat, in deiner Hand, und du wirfst sie freiwillig in die Hölle (denn durch das Sündigen wirst du, vermöge der göttlichen Gerechtigkeit, verdammt) und sagst: ich hoffe sie durch die Beichte schon wieder zu retten! Wenn du sie aber nicht mehr retten solltest? Um sie wieder zu retten, bedarf es einer wahrhaften Reue; diese aber ist ein Geschenk Gottes, und wenn Gott diese Reue dir nicht gibt? Und wenn der Tod kommt und dir die Zeit zu beichten nimmt?
Du sagst, du werdest keine Woche vorübergehen lassen und sie beichten. Und wer verspricht dir diese Zeit von einer Woche? Du sagst: morgen werde ich beichten. Und wer wird dir den morgigen Tag zusichern? Der hl. Augustinus schreibt: „Den morgigen Tag hat Gott nicht versprochen; vielleicht wird er ihn geben, vielleicht auch wird er ihn nicht geben.“ Den morgigen Tag hat dir Gott nicht verheißen: Vielleicht wird er ihn dir gestatten, vielleicht wird er ihn dir versagen, wie er ihn so vielen versagt hat, die sich abends gesund ins Bett legten und morgens tot gefunden wurden. Wie viele ließ der Herr in dem Augenblicke, als sie die Sünde begingen, sterben und in die Hölle fallen! Und wenn er mit dir das nämliche tun sollte, wie wirst du dein ewiges Verderben verhüten können? Wisse, daß der böse Geist durch jene täuschenden Worte: „ich werde hernach schon beichten“, tausende und tausende von Christen in die Hölle gebracht hat; denn schwerlich findet man einen so verzweifelten Sünder, der wirklich verdammt werden wollte. Alle, wenn sie sündigen, begehen die Sünde mit der Hoffnung zu beichten; allein eben dadurch sind so viele Elende verdammt worden und können jetzt sich nicht mehr helfen.
Du sagst: Ich vermag es nicht, jetzt dieser Versuchung zu widerstehen. Siehe, dies ist der zweite Betrug des bösen Feindes, welcher dir vorspiegelt, du hättest nicht Stärke genug, der gegenwärtigen Leidenschaft zu widerstehen. Vor allem muß man wissen, daß Gott, wie der Apostel sagt, getreu ist und uns nie über unsere Kräfte versucht werden läßt: Gott ist getreu; er wird euch über euer Vermögen nicht versuchen lassen. (1 Kor 10,13) Ferner frage ich dich: wenn du es jetzt nicht wagst, zu widerstehen, wie wirst du es später wagen? Hernach wird der Feind nicht unterlassen, dich zu andern Sünden zu verleiten, und dann wird er gegen dich um vieles stärker und du wirst weit schwächer geworden sein. Wagst du es also nicht, jetzt schon diese Flamme zu löschen: wie wirst du Mut haben sie auszulöschen, nachdem sie an Größe wird zugenommen haben? Du sagst: Gott wird mir seinen Beistand verleihen. Allein Gott gibt dir ihn jetzt; warum willst du mit dieser Hilfe nicht Widerstand leisten? Hoffest du etwa, Gott werde seinen Beistand und seine Gnade vermehren, nachdem du die Sünden vermehrt hast? Und wenn du jetzt größere Hilfe und Kraft wünschest, warum bittest du nicht Gott darum? Zweifelst du etwa an Gottes Treue, da er doch alles zu geben versprochen hat, um was man ihn immer bittet: Bittet und es wird euch gegeben werden. (Mt 7,7) Gott kann sein Wort nicht brechen: lauf zu ihm hin und er wird dir die zum Widerstand nötige Stärke verleihen. „Gott befiehlt nichts Unmögliches, spricht der Kirchenrat von Trient, sondern durch seine Gebote ermahnet er, so viel zu tun, als man kann, und er hilft, damit man es vermöge.“ (Sess. 6, cap. 11) Gott gebietet nichts Unmögliches; indem er uns aber Gebote gibt, so ermahnt er uns zu tun, was wir mit seiner tätigen Hilfe im Stande sind, und sollte uns diese Hilfe zum Widerstande nicht genügen, so ermahnt er uns, größere Hilfe zu suchen, und wenn wir ihn sonach darum recht bitten, so wird er sie uns wahrhaftig verleihen.
Anmutungen und Bitten
Weil du also, mein Gott! mit mir so gut warst, war ich gegen dich so undankbar? Wir stritten gegen einander, ich suchte vor dir zu fliehen und du suchtest mir nachzugehen; du trachtetest mir Gutes zu erweisen, ich strebte dir Böses zuzufügen. Ach, mein Herr! geschähe es auch nicht aus einem anderen Grunde, so müßte ich schon deiner Güte wegen dich lieben, da du, nachdem ich die Sünden gemehrt habe, die Gnaden vermehrtest. Und wodurch verdiente ich wohl das Licht, das du mir jetzt gibst? Mein Herr! ich danke dir dafür von ganzem Herzen und hoffe in den Himmel zu kommen, um dir dafür immer und ewig Dank abzustatten. Ich hoffe kraft deines Blutes selig zu werden und hoffe es zuversichtlich, da du mir so viele Beweise von Barmherzigkeit gabst. Für jetzt hoffe ich, du werdest mir Stärke geben, dir nicht mehr untreu zu werden. Ich nehme mir mit deiner Gnade vor, lieber tausend Mal zu sterben, als dich wieder zu beleidigen. Ich habe dich genug beleidiget. In dem mir noch übrigen Leben will ich dich lieben. Und warum sollte ich einen Gott nicht lieben, der, nachdem er für mich gestorben ist, mit so großer Geduld mich ertragen hat, ungeachtet so vieler von mir ihm zugefügten Unbilden? O Gott meiner Seele! es reuet mich von ganzem Herzen; ich möchte vor Schmerz darüber sterben. Wenn ich dir vorhin den Rücken kehrte, so liebe ich dich nun über alles; ich liebe dich mehr als mich selbst. Ewiger Vater! hilf um der Verdienste Jesu Christi willen einem armen Sünder, der dich lieben will. — Maria! meine Hoffnung, hilf mir; erlange mir die Gnade, immer zu deinem Sohne mich zu wenden, besonders so oft der böse Feind neuerdings zur Sünde mich versucht.
23. Betrachtung
Täuschungen, die der böse Geist den Sündern einflüstert
2. Punkt
Man sagt femer: Gott ist barmherzig. Siehe, dies ist die dritte und sehr gewöhnliche Täuschung der Sünder, wodurch so viele verdammt werden. Ein sehr gelehrter Schriftsteller schreibt, wegen der Barmherzigkeit Gottes kommen mehrere in die Hölle, als wegen der Gerechtigkeit Gottes, denn diese Armseligen, die da vermessen auf 'die Barmherzigkeit vertrauen, hören zu sündigen nicht auf und gehen dadurch zu Grunde. Wer von uns wird leugnen, daß Gott barmherzig ist? Allein, wie viele verstößt er dessen ungeachtet täglich in die Hölle? Er ist auch gerecht und daher muß er denjenigen bestrafen, der ihn beleidiget. Er erzeigt Barmherzigkeit, aber wem? Dem, der ihn fürchtet! Er hat seine Barmherzigkeit ausgebreitet über die, welche ihn fürchten, der Herr hat sich über die, welche ihn fürchten, erbarmt. (Ps 102,11,13) Wer ihn aber verachtet und seine Barmherzigkeit mißbraucht, an dem übt er seine Gerechtigkeit aus. Gott verzeihet wahrhaftig die Sünde; allein sündigen wollen - das kann er durchaus nicht verzeihen. Der heilige Augustinus sagt: Wer sündiget mit dem Gedanken, daß er Reue darüber haben wolle nach der Sünde, der ist kein Büßer, sondern ein Spötter und Verächter Gottes. „Ein Spötter ist er, und kein Büßer.“ Der Apostel sagt aber ausdrücklich, daß Gott sich nicht verspotten lasse: Täuscht euch nicht, Gott läßt seiner nicht spotten. (Gal 6,7) Es hieße Gott verspotten, wenn man ihn nach Belieben, wie und so oft man will, beleidigen und dann auf Verzeihung Anspruch machen wollte.
Ein anderer läßt sich also hören: Da mir Gott bisher so viele Barmherzigkeit erwiesen und mich nicht bestraft hat, so hoffe ich, werde er gegen mich wohl auch in Zukunft barmherzig sein; - und dies ist der vierte Trugschluß. Weil also Gott mit dir Mitleid hatte, deswegen soll er dir immer barmherzig sein und dich nie bestrafen? Ganz und gar nicht! Je größer die Erbarmungen waren, die er an dir übte, um so mehr mußt du zittern, daß er dir nicht mehr verzeihe und dich strafe, sobald du ihn wieder beleidigest. Sage nicht: Ich habe gesündiget, und was ist mir Übels widerfahren? Denn der Allerhöchste ist ein geduldiger Vergelter. (Eccl 5,4) Sage ja nicht, warnt der Sohn Sirach, ich habe gesündiget und keine Strafe erfahren; denn Gott duldet, doch er duldet nicht immer. Sobald die von ihm festgesetzte Zeit der Erbarmungen, die er an einem Sünder übt, vorüber ist, nimmt er an ihm Strafe über alle seine Sünden. Und je länger er auf die Buße gewartet hat, desto strenger wird die Strafe sein, wie der heilige Gregorius versichert: „Je länger er wartet, desto strenger verurteilt er.“
Siehst du also, mein Bruder, daß dich Gott bei allen deinen oftmaligen Beleidigungen nicht in die Hölle gestürzt habe, so mußt du sagen: Dies kommt von der Güte des Herrn, daß wir nicht ganz vertilgt sind. (Thren 3,22) O Herr! ich danke dir, daß du mich nicht in die Hölle verstoßen hast, wie ich es verdient hätte.
Bedenke, daß viele mit bei weitem geringerer Sündenzahl der Verdammnis anheimfielen. Und mit diesem Gedanken suche die Beleidigungen, die du Gott zufügtest, durch Buße und andere gute Werke gutzumachen. Jene Geduld, welche Gott mit dir hatte, muß dich ermuntern, nicht etwa ihn wieder zu beleidigen, sondern ihm eifriger zu dienen und ihn mehr zu lieben, indem du siehst, daß er gegen dich viel barmherziger war, als gegen viele andere.
Anmutungen und Bitten
Mein gekreuzigter Jesus, mein Erlöser und mein Gott! Siehe hier zu deinen Füßen liegen den Treulosen. Ich schäme mich, zu dir aufzublicken, vor dir zu erscheinen. Wie oft habe ich deiner gespottet, wie oft versprach ich dir, dich nicht mehr zu beleidigen! Allein keines meiner Versprechen hielt ich; vielmehr habe ich, wenn sich Gelegenheit mir deutlich darbot, deiner vergessen und neuerdings den Rücken dir zugekehrt. Ich danke dir, daß du nicht zuließest, daß ich jetzt schon in der Hölle brenne, was ich verdiente. Laß mich nun zu deinen Füßen liegen, und erleuchte und rufe mich zu deiner Liebe. Ja, ich will dich lieben, mein Retter und mein Gott! und nicht ferner will ich dich geringachten. Du hast ja schon genug Geduld mit mir gehabt. Ich sehe ein, daß du mich nicht mehr ertragen kannst. Wehe mir! wenn ich nach so vielen Gnaden neuerdings dich beleidigen sollte. Herr! ich bin fest entschlossen, mein Leben zu ändern; und so sehr ich dich vormals beleidigte, ebenso sehr will ich dich jetzt lieben. Mein Trost ist, daß ich es mit dir zu tun habe, der du die unendliche Güte bist. Es reuet mich über alles, dich so sehr verachtet zu haben, und ich verspreche dir für die Zukunft meine ungeteilte Liebe. Verzeihe mir um der Verdienste deines Leidens willen, vergiß alle meine dir zugefügten Unbilden und gib mir Stärke, dir in meinem noch übrigen Leben treu zu sein. Ich liebe dich mein höchstes Gut, und hoffe dich immerfort zu lieben. Mein lieber Gott! ich will dich nicht mehr verlassen. — O Maria, Mutter meines Gottes! binde mich fest an Jesus Christus, und erflehe mir die Gnade, von seinen Fußstapfen nicht mehr abzuweichen; auf dich baue ich.
23. Betrachtung
Täuschungen, die der böse Geist den Sündern einflüstert
3. Punkt
Ich bin ja jung, spricht abermals ein anderer; Gott hat Nachsicht mit der Jugend; später werde ich mich Gott schon übergeben. Dies ist die fünfte Täuschung. - Du bist jung? Weißt du aber nicht, daß Gott nicht die Jahre, sondern die Sünden eines jeden zählt? Jung bist du? Allein wie viele Sünden hast du begangen? Es wird viele Alte geben, die nicht einmal den zehnten Teil der Sünden begangen haben, die du bereits verübt hast. Und weißt du nicht, daß der Herr die Zahl und das Maß der Sünden, die er jedem verzeihen will, festgesetzt habe? Der Herr wartet mit Geduld, sagt die Schrift, daß er sie, wenn der Tag des Gerichtes kommen und das Maß der Sünden voll sein wird, strafe. (2 Makk 6,14) Das heißt, Gott hat Geduld und wartet bis zu einem gewissen Maß; ist aber dieses Maß der Sünden, die er zu verzeihen bestimmt hat, voll, dann vergibt er nicht mehr und straft den Sünder mit einem plötzlichen Tod zu einem Zeitpunkt, wo er im Stande der Verwerfung ist; oder er überläßt ihn seinen Sünden, und diese Strafe ist noch ärger, als selbst der Tod: Seinen Zaun will ich hinwegnehmen und er soll zum Raube werden. (Jes 5,5) Wenn du Grund und Boden hast, den du mit einem Zaune rings herum umgeben, schon mehrere Jahre hindurch angebauet, viele Unkosten darauf verwendet hast und nun siehst, daß der Boden dennoch keine Frucht bringe, was wirst du tun? Du nimmst den Zaun hinweg und lassest ihn unbebaut liegen. Zittere, daß es Gott mit dir nicht ebenso mache. Wenn du fortsündigen wirst, so wirst du die Gewissensbisse verlieren, nicht mehr an die Ewigkeit, noch an deine Seele denken, fast ganz um das Licht kommen und die Furcht Gottes verlieren: Siehe, nun ist der Zaun weg und du bist von Gott verlassen!
Wir kommen nun zur letzten Täuschung. Du sagst: Es ist wahr, durch die Sünde verliere ich Gottes Gnade; ich spreche mir selbst das Verdammungsurteil und kann auch vielleicht dieser Sünde wegen verdammt werden; allein es kann auch geschehen, daß ich hernach beichte und selig werde. - Ja, ich gib dir's zu, vielleicht wirst du noch selig; denn ich bin ja kein Prophet und kann daher nicht ganz gewiß sagen, ob dir Gott nach dieser Sünde vielleicht abermals Barmherzigkeit erzeigen werde. Doch kannst du auch mir das nicht ableugnen, daß es leicht möglich ist, daß, wenn du jetzt abermals nach so vielen Gnaden, die Gott dir erwiesen hat, ihn wieder beleidigest, du für immer zu Grunde gehen könnest. So spricht die Schrift: Einem verstockten Herzen wird es am Ende übel ergehen. (Eccl 3,27) Dem hartnäckigen Herzen wird es im Tode schlecht gehen. Die Boshaften werden vertilgt werden. (Ps 36,9) Die Bösen werden von der göttlichen Gerechtigkeit vernichtet werden. Was der Mensch säet, das wird er auch ernten. (Gal 6,8) Wer Sünden säet, wird am Ende nichts als Pein und Qualen ernten. Weil ich rief und ihr euch geweigert habet, so will ich zu eurem Untergange lachen und euer spotten. (Spr 1,24) Ich habe euch gerufen, sagt Gott, und ihr habt meiner gespottet, bei eurem Tode werde auch ich euer spotten. Mein ist die Rache und ich will vergelten zu seiner Zeit. (Dm 32,35) Mir steht die Rache über die Sünden zu und ich werde sie an dir nehmen, wenn die Zeit herangekommen sein wird. Dies sind Aussprüche der Heiligen Schrift über die Verstockten, dies fordert die Gerechtigkeit, dies die Vernunft. Sagst du endlich: Vielleicht werde ich ungeachtet alles dessen dennoch selig, so erwidere ich dir zum Schlusse: Möglich ist es; allein welche Torheit ist es, sein ewiges Heil auf die Möglichkeit, auf ein „vielleicht“ gründen zu wollen. Soll man das allerwichtigste Geschäft einer so großen Gefahr aussetzen?
Anmutungen und Bitten
Mein teurer Erlöser! Vor deine Füße hingeworfen, danke ich dir dafür, daß du mich nach so vielen Sünden nicht verlassen hast. Wie viele, „die dich weniger als ich beleidigten, werden das Licht nicht haben, das du gegenwärtig mir gibst. Ich sehe, daß du mich wirklich selig haben willst, und ich will, vorzüglich um dir wohlzugefallen, selig werden. Ich will in den Himmel kommen, um ewig diese so großen Erbarmungen zu preisen, die du mir erwiesen hast. Ich hoffe, du werdest mir bereits schon verziehen haben; wäre ich aber vielleicht noch in deiner Ungnade, weil ich die dir zugefügten Beleidigungen nicht gehörig zu bereuen verstand, so bereue ich sie nun von ganzer Seele, sie fallen mir schmerzlicher als jedes Übel. Verzeihe mir um deiner Barmherzigkeit willen, und vermehre immer mehr den Schmerz in mir, dich, meinen so guten Gott, beleidigt zu haben. Gib mir Schmerz und verleihe mir auch Liebe. Ich liebe dich über alles, doch ich liebe dich allzu wenig; ich will dich recht sehr lieben; um eine inbrünstige Liebe bitte ich dich und hoffe sie auch von dir. Erhöre mich, mein Jesu; du versprachst, dem Gehör zu geben, der dich bittet. — O Maria, Mutter Gottes! Alle sagen, du lassest niemand ungetröstet von dir hinweggehen, der dir sich anempfiehlt. O Maria, nach Jesu meine Hoffnung! Zu dir nehme ich meine Zuflucht und zu dir fasse ich Vertrauen; empfiehl mich deinem Sohne und mache mich selig.
Von dem besonderen Gerichte
„Wir müssen alle vor dem
Richterstuhle Christi offenbar werden.“
(Kor 5,10)
1. Punkt
Betrachten wir das Erscheinen vor dem Richter, die Anklage, die Untersuchung und das Urteil. Was fürs Erste das Erscheinen der Seele vor dem Richter betrifft, so ist es eine allgemeine Meinung der Gottesgelehrten, daß das besondere Gericht im nämlichen Augenblicke, da der Mensch den Geist aufgibt, stattfinde, und daß die Seele gerade dort, wo sie sich vom Leibe trennt, von Jesu Christo gerichtet werde, welcher zur Schlichtung ihrer Sache keinen andern schicken, sondern persönlich kommen werde. Des Menschen Sohn wird zu einer Stunde kommen, da ihr es nicht vermeinet. (Lk 12,40) „Liebreich wird er den Guten, furchtbar den Bösen erscheinen“, sagt der heilige Augustinus. Welcher Schrecken wird den überfallen, der den Erlöser das erste Mal sehen und ihn erzürnt sehen wird! Wer wird vor seinem Zorne bestehen? (Nah 1,6)
Bei dieser Betrachtung zitterte P. Ludovicus da Ponte so sehr, daß auch die Zelle, die er bewohnte, davon erbebte. Da der ehrwürdige P. Juvenalis Ancina den Hymnus: „Tag des Zorns“ singen hörte und an den Schrecken dachte, den die Seele haben wird, wenn sie vor dem Gericht erscheinen muß, entschloß er sich, die Welt zu verlassen: und tat es auch wirklich. Die zürnende Miene des Richters wird ein Vorspiel deiner Verdammung sein. Des Königs Zorn ist des Todes Vorbote. (Spr 16,14) Der heilige Bernardus sagt, die Seele werde, wenn sie damals Jesum erzürnt sieht, mehr leiden, als wenn sie in der Hölle selbst wäre. „Lieber noch möchte sie in der Hölle sein.“
Man sah manchmal Verbrecher kalten Schweiß vergießen, wenn sie vor dem weltlichen Richter standen. Als Piso mit dem Kleide eines Missetäters angetan vor dem Rate erschien, fühlte er sich so beschämt, daß er sich selbst tötete. Erwäge, wie peinlich es für ein Kind sei oder für einen Untertan, seinen Vater oder Fürsten heftig erzürnt zu sehen! O welch eine bei weitem noch größere Qual wird beim Anblicke Jesu Christi jene Seele haben, die ihn in ihrem Leben verachtete! Sie werden mich, den sie durchstochen haben, sehen. (Zach 12,10) Die Seele wird jenes Lamm Gottes, welches so viel Geduld mit ihr im Leben hatte, damals ganz entrüstet sehen, ohne Hoffnung, es besänftigen zu können; sie wird Berge und Felsen beschwören, sie sollten über sie zusammenstürzen, um sie vor der Wut des erzürnten Lammes zu verbergen: Sie rufen zu den Bergen und Felsen: Fallet über uns und verberget uns vor des Lammes Zorn. (Offb 6,16) Der heilige Lukas sagt, da er von dem Gerichte redet: Dann werden sie des Menschen Sohn sehen. (Lk 21,27) O wie peinlich wird der Anblick des Richters in Menschengestalt für den Sünder sein; Denn bei dem Anblicke dieses Menschensohnes, der für sein Heil gestorben ist, wird er die Vorwürfe über seine Undankbarkeit noch tiefer empfinden. Nachdem der Heiland in den Himmel gefahren war, redeten die Engel die Jünger also an: Dieser Jesus, der vor euch in den Himmel ist aufgenommen worden, wird, so wie ihr ihn in den Himmel fahren gesehen, wiederkommen. (Apg 1,11) Der Richter wird also mit den nämlichen Wundmalen kommen zum Gerichte, mit welchen er von der Welt geschieden ist: „Eine große Freude für die, welche ihn anschauen, ein großer Schrecken für jene, die ihn erwarten werden“, bemerkt Rupertus. Diese Wunden werden den Gerechten erfreulich, furchtbar aber den Sündern. Als Joseph zu seinen Brüdern sprach: „Ich bin Joseph, den ihr verkauft habt“, verstummten diese, sagt die Schrift, und es versagte ihnen die Stimme: Seine Brüder konnten nicht antworten, denn sie waren vom Schrecken ganz getroffen. (Gen 45,3) Und, was wird wohl der Sünder dann Jesu Christo erwidern können? Wird er etwa Mut haben, um Erbarmung zu bitten, da er gerade ganz vorzüglich darüber wird Rechenschaft ablegen müssen, daß er die ihm dargebotene Barmherzigkeit im Leben verachtete und zurückstieß. „Wie wirst du dich erkühnen, fragt Eusebius von Emessa, um Barmherzigkeit zu bitten, da du vorzüglich wegen Verachtung der Barmherzigkeit wirst gerichtet werden?
Was wird also geschehen? fragte der heilige Augustinus; wohin wird der Sünder fliehen, wenn er über sich den erzürnten Richter hat, unter sich das schauerliche Totenreich, zu seiner Rechten die Sünden als seine Kläger, zur Linken die bösen Geister, die ihn zum Richtplatze schleppen, von Innen die Folter des Gewissens; o weh, von allen Seiten angegriffen — wohin wird der Sünder fliehen?
Anmutungen und Bitten
O mein Jesu! immer will ich dich Jesus, meinen Heiland nennen; Trost und Mut gewährt mir dein Name, indem ich mich erinnere, daß du mein Retter seiest, der für mich gestorben ist, um mich selig zu machen. Siehe mich zu deinen Füßen; ich bekenne, daß ich eben so viel Höllen verdiene, als ich dir Beleidigungen durch meine Todsünden zufügte. Ich verdiene nicht Verzeihung; doch du bist ja gestorben, um mir Verzeihung zu erwerben: „Gedenke guter Jesu, gedenk des Weges voll Beschwerden und lasse drum mir Gnade werden.“ Verzeihe mir, mein Jesu! alsobald, bevor du noch mich zu richten kommst. Dann werde ich dich nicht mehr um Barmherzigkeit bitten können; jetzt aber kann ich dich darum bitten und hoffe sie auch. Zu jener Zeit werden deine Wundmale mich schrecken: jetzt aber flößen sie mir Vertrauen ein. Mein lieber Erlöser! es reuet mich über alles Übel, deine unendliche Güte beleidiget zu haben. Ich nehme mir vor, lieber jedes Leiden, jeden Verlust anzunehmen, als deine Gnade zu verscherzen. Ich liebe dich aus meinem ganzen Herzen. O habe doch Mitleid mit mir: Erbarme dich meiner, o Gott! nach deiner großen Barmherzigkeit. — O Maria, Mutter der Barmherzigkeit! Fürsprecherin der Sünder! erhalte mir einen großen Schmerz über meine Sünden, Verzeihung derselben und Barmherzigkeit in der göttlichen Liebe. Ich liebe dich, meine Königin und vertraue auf dich.
24. Betrachtung
Von dem besonderen Gerichte
2. Punkt
Betrachte die Anklage und Untersuchung: Man setzte sich zu Gericht und schlug die Bücher auf. (Dan 7,10) Dieser Bücher werden zwei sein: das Evangelium und das Gewissen. Im Evangelienbuche wird man lesen, was der Angeklagte hätte tun sollen; im Gewissen, was er getan hat. „Jeder wird da sehen, was er getan hat“, sagt der heilige Hieronymus. Auf der Waage der göttlichen Gerechtigkeit wird man alsdann nicht die Reichtümer, die Würden und den Adel der Personen abwägen, sondern nur ihre Werke: Du bist auf der Waage gewogen, sagte Daniel zum König Belschazzar, und zu leicht befunden worden. (Dan 5,27) P. Alvarez bemerkt bei dieser Stelle: „Nicht Gold, nicht Reichtum kommt auf die Waage, nur der König wird gewogen.“ Hierauf werden die Kläger kommen und zuerst der Teufel. In einem Augenblicke, sagt der heilige Augustinus, wird der Teufel vor dem Richterstuhle Christi stehen und die Worte unserer Versprechungen aufsagen. „Er wird uns ins Angesicht vorwerfen, was wir alles taten, an welchem Tage, zu welcher Stunde wir sündigten.“ (S. Aug. Cont. Jud. tom. 6) Er wird die Worte deiner Versprechungen aufsagen, das heißt, er wird alles das, was wir Gott versprochen und nicht gehalten haben, alle Fehler anführen, indem er Tag und Stunde bezeichnet, wo wir sie begingen. Darauf wird er, wie der heilige Cyprianus schreibt, zum Richter sich wendend, sprechen: „Ich habe für sie weder Backenstreiche, noch Geißelschläge ausgestanden. Herr! ich habe für diesen Verbrecher gar nichts gelitten; dich aber, der du zu seiner Rettung gestorben bist, verließ er, um mein Leibeigener zu werden, daher gehört er mir zu.“ Auch die heiligen Schutzengel werden Ankläger sein, wie Origenes sagt: „Jeder von den Engeln legt Zeugnis wider ihn ab, wie viele Jahre er für ihn gearbeitet, wie er aber diese ihre Ermahnungen verachtet habe.“ (Orig. Hom. 66) So haben sie denn alle ihre Freunde verachtet und sind ihre Feinde geworden. (Thren 1,2) Es werden Klagen führen sogar die Wände, zwischen welchen der Verbrecher wird gesündiget haben. Denn es werden die Steine aus der Mauer rufen. (Hab 2,11) Kläger wird selbst ihr eigenes Gewissen sein: Indem ihr Gewissen sie überführt an dem Tage, da Gott richten wird. (Röm 2) Ja selbst die Sünden werden sprechen und sagen: „Du hast uns gemacht, wir sind dein Werk, wir werden dich nicht verlassen.“ (Lib. Medit. Cap. 2) Endlich, wie der heilige Chrysostomus sagt, werden dich anklagen die Wunden Christi. „Die Nägel werden über dich Klage führen, die Wunden werden wider dich sprechen, das Kreuz Christi wird wider dich reden.“ (Chrys. Hom. in Matth.) Hierauf wird man zur Untersuchung schreiten.
Der Herr sagt: Ich will Jerusalem mit Laternen durchsuchen. (Zef 1,12) Das Licht, sagt Mendozza, dringt durch alle Winkel des Hauses, und Cornelius a Lapide sagt bei Erklärung des Wortes „Licht“, Gott werde alsdann dem Angeklagten vor Augen stellen die Beispiele der Heiligen und alle Erleuchtungen und Einsprechungen, die er im Leben ihm erteilt und die ganze Reihe der Jahre, die er ihm verliehen hat, um Gutes zu tun: Er hat die Zeit wider mich aufgerufen. (Thren 1,15) Da wirst du Rede stehen müssen für jeden Blick deines Auges: „Man wird sogar für jeden Blick deines Auges von dir Rechenschaft fordern;“ also der heilige Anselmus. Er wird die Kinder Levi reinigen und sie läutern. (Mal 3,3) Wie man das Gold läutert, indem man die Schlacken davon absondert, so werden auch sogar die guten Werke, die Beichten, die Kommunionen usw. untersucht werden: Zur bestimmten Zeit werde ich die Gerechtigkeit richten. (Ps 74,3) Kurz, beim Gerichte wird, wie der heilige Petrus sagt, kaum der Gerechte selig werden: Wenn der Gerechte kaum selig wird, wo wird der Gottlose und Sünder erscheinen? (1 Petr 4,18) Und muß man wegen eines jeden müßigen Wortes Rechenschaft geben, welche Verantwortung wird man erst aushalten müssen für so viele böse Gedanken, in die man einwilligte, für so viele unzüchtige Worte, die man aus dem Munde ließ? Der heilige Gregorius sagt: „Wenn für ein müßiges Wort Rechenschaft gefordert wird, um wieviel mehr für ein unkeusches?“ Jene Menschen aber, die in ihrem Leben viel Ärgernis gegeben und dadurch die Seelen dem Herrn geraubt haben, gehen besonders jene Drohworte an, die Gott beim Propheten spricht: Ich will sie anfallen wie eine Bärin, der man ihre Jungen geraubt. (Os 13,8) Ist dann deutlich von den Werken die Rede, so wird der Richter sagen: Gebt ihm von der Frucht seiner Hände (Spr 31), bezahlt ihn nach den Werken, die er verrichtete.
Anmutungen und Bitten
Ach mein Jesu! wolltest du nach den Werken, die ich verübte, mir vergelten, so gehörte mir nichts anderes zu, als die Hölle. O Gott, wie oft schrieb ich mir selbst das Urteil meiner Verdammung zu jenem Orte der Qualen! Ich sage dir Dank für die Geduld, die du hattest, indem du so lange mich ertragen hast. O Gott! müßte ich jetzt vor deinem Richterstuhle erscheinen, welche Rechenschaft würde ich dir über mein Leben ablegen können? Gehe mit deinem Diener nicht ins Gericht. Ach Herr, warte noch ein wenig auf mich, sprich das Urteil noch nicht über mich. Wolltest du mich jetzt schon richten, was würde mit mir geschehen? Warte mir zu. Da du mir so viele Erbarmungen erwiesen hast, so erweise mir noch diese, gib mir einen heftigen Schmerz über meine Sünden. Ich bereue es, o höchstes Gut! dich so oft verachtet zu haben. Ich liebe dich über alles. Ewiger Vater, verzeihe mir, Jesu Christo zu Liebe, und verleihe mir um seiner Verdienste willen die heilige Beharrlichkeit. Mein Jesu! ich hoffe alles von deinem Blute. — O heiligste Jungfrau Maria! auf dich setze ich meine Zuversicht. Du, unsere Fürsprecherin, wende deine barmherzigen Augen zu uns. Sieh mich an in meinen Armseligkeiten, und habe Mitleid mit mir.
24. Betrachtung
Von dem besonderen Gerichte
3. Punkt
Mit einem Worte: will die Seele ihr ewiges Heil erlangen, so muß sie so beschaffen sein, daß beim Gerichte ihr Leben dem Leben Jesu Christi gleichförmig befunden wurde. Denn die er vorgesehen hat, die hat er auch vorherbestimmt, daß sie dem Bilde seines Sohnes ähnlich werden. (Röm 8,29) Dies ist es, was den heiligen Job zittern machte: Was werde ich tun, wenn Gott zu richten aufstehen wird, und was werde ich ihm erwidern, wenn er Rechenschaft fordern wird? Philipp II. gab einem von seinen Dienern, der ihn belog, einen Verweis und sagte: „So täuschest du mich?“ Dieser Arme ging nach Hause und starb vor Schmerz. Was wird der Sünder tun, was wird er Jesu Christo antworten können? Er wird es wie jener im Evangelium machen, der ohne Hochzeitskleid kam und schwieg, indem er nichts zu antworten wußte: Er verstummte. (Mt 22) Die Sünde selbst wird ihm den Mund verstopfen: Die Boshaften werden ihren Mund verschließen. (Ps 106,42) Der heilige Basilius sagt, dem Sünder werde dazumal die Beschämung viel peinlicher sein als selbst das höllische Feuer. „Furchtbarer als Feuer wird ihre Beschämung sein.“
Siehe, nun wird endlich der Richter das Urteil aussprechen: Gehe hinweg von mir, du Verfluchter, in das ewige Feuer. „O, welche fürchterliche Stimme wird dies sein! O wie schrecklich wird dieser Donner erschallen!“ also ruft der Karthäuser. Der heilige Anselmus sagt: „Wer bei solchem Donnerworte nicht zittert, der schläft nicht nur, nein, der ist schon tot.“ Und Eusebius fügt bei, der Schrecken der Sünder werde bei Anhörung des Verdammungsurteils so groß sein, daß sie, wenn sie sterben könnten, neuerdings sterben würden: „Ein so gewaltiger Schrecken wird die Bösen überfallen, wenn sie den Richter das Urteil werden vortragen hören, daß sie, wären sie nicht unsterblich, neuerdings sterben würden.“ Alsdann, sagt der heilige Thomas von Villanova, alsdann gibt es keinen Platz mehr zum Gebete und keine Fürbitter, zu denen man sich wenden könnte: „Dort ist kein Ort zu bitten; kein Fürbitter wird helfen, kein Freund, kein Vater.“ Zu wem werden sie also sich dann flüchten? Etwa zu Gott, den sie so verachtet haben? Soll der Verachtete nun Hilfe leisten? „Nicht jener Gott, den du verachtetest!“ (S. Basil. Orat. 4. de Poenit) Vielleicht zu den Heiligen? oder zur allerseiigsten Jungfrau Maria? Nimmermehr, denn alsdann werden die Sterne, worunter die heiligen Fürbitter verstanden werden, vom Himmel fallen; und der Mond, welcher Maria bezeichnet, wird nicht mehr sein Licht geben. (Mt 24) „Maria wird von der Pforte des Himmels fliehen.“ (S. Aug. Serm. 3 ad fratres.)
O Gott! ruft der heilige Thomas von Villanova aus, mit welcher Gleichgültigkeit hören wir vom Gerichte reden, als könnte das Verdammungsurteil uns gar nicht treffen oder als dürften wir gar nicht gerichtet werden. „Ach, wie gleichgültig sprechen und vernehmen wir dies, als ginge uns dies Urteil nicht einmal an oder als hätte dieser Tag gar nicht zu kommen.“ (Conc. 1. de Judic) Und welche Torheit ist es, setzt der nämliche Heilige bei, bei einer so gefährlichen Sache untätig zu bleiben. Wie töricht ist diese Sicherheit in einer so entscheidenden Sache! Sage nicht, mein Bruder, warnet der heilige Augustinus: Wie? soll mich Gott wirklich in die Hölle verstoßen, soll Gott mich wirklich verdammen wollen? Sage dies ja nicht, spricht der Heilige, denn auch die Juden glaubten nicht, vertilgt zu werden, und so viele Verdammte ließen sich auch nicht überzeugen, daß sie in die Hölle würden verstoßen werden; und es kam dennoch die Strafe: Das Ende kommt, es kommt das Ende ... Nun will ich meinen Grimm über dich kommen lassen und dich richten. (Ez 7) Und so wird es auch dir ergehen, sagt der heilige Augustinus: „Es wird der Tag des Gerichtes kommen, und du wirst wahr finden, was Gott angedroht hat.“ Jetzt ist noch Zeit zur Wahl, welchen Urteilsspruch wir erfahren wollen. „In unserer Macht ist es, bezeugt der heilige Eligius, wie wir gerichtet werden sollen.“ Was haben wir also zu tun? Dieses: Unsere Rechnung noch vor dem Gerichtstage in Richtigkeit zu bringen. Vor dem Urteile sollst du dir die Gerechtigkeit bereiten. (Eccl 18,19) Kluge Handelsleute durchgehen und berichtigen gar oft ihre Rechnungen, damit sie ja nicht in die Lage geraten, ihre Zahlungen einstellen zu müssen; dies ist ein Gedanke des heiligen Bonaventura. „Vor dem Gerichte kann der Richter noch besänftiget werden, nimmermehr aber nach erfolgtem Urteile“, sagt der heilige Augustinus. Sprechen wir also zum Herrn, wie der heilige Bernardus sprach: „Als schon gerichtet, nicht aber um erst gerichtet zu werden, will ich vor dir erscheinen.“ Mein Richter! noch während meines Lebens will ich von dir mich verurteilen und strafen lassen, wo die Zeit der Barmherzigkeit ist; da kannst du mir noch verzeihen; denn nach dem Tode wird die Zeit der Gerechtigkeit eintreten.
Anmutungen und Bitten
Mein Gott! besänftige ich dich nicht jetzt schon, so wird alsdann keine Zeit mehr sein, dich zu versöhnen. Wie aber werde ich dich besänftigen, da ich so oft elender tierischer Genüsse wegen deine Freundschaft verachtet habe? Ich habe mit Undank deine unermeßliche Liebe vergolten! Welche würdige Genugtuung kann je ein Geschöpf für die seinem Schöpfer zugefügten Beleidigungen leisten? Ach mein Herr! ich danke dir, denn deine Barmherzigkeit hat mir schon die Weise, dich zu versöhnen und zu befriedigen, an die Hand gegeben. Ich opfere dir auf das Blut und den Tod deines Sohnes Jesu, und siehe — schon sehe ich deine Gerechtigkeit versöhnt und überflüssig befriediget. Doch von meiner Seite forderst du Reue. Ja, mein Gott, ich bereue von ganzem Herzen alle Unbilden, die ich dir antat. O mein Erlöser! ich bitte dich, halte jetzt schon über mich Gericht; denn ich verfluche alle dir zugefügten Unbilden, über jedes Übel; und ich liebe dich über alles von meinem ganzen Herzen und nehme mir vor, dich stets zu lieben und lieber zu sterben, als dich wieder zu beleidigen. Du versprachst ja dem zu vergeben, welcher Reue hat; wohlan also! richte mich jetzt und sprich mich los von meinen Sünden. Willig nehme ich die Strafe an, welche ich verdiene; nur nimm mich wieder in deine Gnade auf und erhalte mich darin bis zum Tode. Also hoffe ich. — O Maria, meine Mutter! ich danke dir für so viele Erbarmungen, die du mir erflehet hast; ach, fahre fort, bis an mein Ende mich zu beschützen.
Von dem allgemeinen Gerichte
„Man wird erkennen, daß der Herr Recht schafft.“ (Ps 9,17)
1. Punkt
Gegenwärtig gibt es, wenn man tiefer betrachtet, keine Person auf der Welt, die so sehr verachtet wäre, als Jesus Christus. Auf den gemeinsten Mann nimmt man mehr Rücksicht, als auf Gott; denn man befürchtet, derselbe möchte, wenn er sich allzusehr beleidiget sähe, in Zorn geraten und sich rächen; allein Gott fügt man Unbilden zu und fügt sie ihm wiederholt und oft zu, ohne sich im mindesten zu scheuen - gleichsam als könnte Gott nicht Rache nehmen, wann er wollte: Und sie hielten den Allmächtigen für ein ohnmächtiges Wesen. (Job 22,17) Deswegen bestimmte aber der Erlöser einen Tag, welches der Tag des allgemeinen Gerichtes sein wird, von der Schrift geradezu der Tag des Herrn genannt, wo Jesus Christus als jenen großen Herrn sich kund geben wird, der es ist: Man wird erkennen, daß der Herr Recht schafft. (Ps 9,17) Daher heißt dieser Tag nicht mehr Tag der Barmherzigkeit und der Verzeihung, sondern dieser Tag ist der Tag des Zorns, der Tag der Trübsale und der Angst: der Tag des Jammers und des Elends. (Zef 1,13); und so ist es auch; denn mit Recht wird dann der Herr die Ehre sich wieder verschaffen, welche die Sünder auf dieser Welt ihm zu rauben strebten. - Laßt uns sehen, wie das Gericht dieses großen Tages erfolgen werde.
Ehe der Richter kommt, wird Feuer vor ihm hergehen. (Ps 96,3) Es wird Feuer vom Himmel kommen, das die Erde und alle Dinge dieser Erde verbrennen wird. Die Erde samt allen Dingen, die darauf sind, wird verbrannt werden. (2 Petr 3,10) Also werden Kirchen, Paläste, Dörfer, Städte, Königreiche, ja alles zu einem Haufen Asche werden. Dieser durch die Sünden verpestete Wohnplatz muß durchs Feuer gereiniget werden. Siehe, ein solches Ende werden nehmen alle Reichtümer, alle Pracht und alle Vergnügen der Welt. Nachdem die Menschen gestorben sein werden, wird die Posaune ertönen und es werden alle auferstehen. Denn es wird die Posaune erschallen und die Toten werden auferstehen. (1 Kor 15,52) Der heilige Hieronymus sagt (in Mt Kap. 5) „So oft ich über den Tag des Gerichtes betrachte, erzittere ich; immer scheint jene Posaune in meinen Ohren zu erschallen: Stehet auf, ihr Toten! kommet zum Gerichte!“ Auf den Schall dieser Posaune werden die schönen Seelen der Seligen hervorgehen und mit ihren Leibern sich vereinigen, womit sie Gott in diesem Leben gedient haben; aber auch die unglückseligen Seelen der Verdammten werden von der Hölle heraufsteigen, um in jene verfluchten Körper zu fahren, womit sie Gott beleidiget haben.
O wie groß wird dann der Unterschied sein zwischen den Leibern der Seligen und jenen der Verdammten! Herrlich erscheinen die Seligen, blendendweiß und glänzender als die Sonne: Alsdann werden die Gerechten wie die Sonne leuchten. (Mt 13,43) O glückselig, wer immer in diesem Leben sein Fleisch abzutöten weiß; wer die verbotenen Gelüste ihm versagt und, um es mehr im Zaume zu halten, auch die erlaubten Sinnengenüsse ihm nicht gestattet und es so streng hält, wie es die Heiligen taten. O wie zufrieden wird man hierüber dann sein, wie es ein heiliger Peter von Alcantara war, der der heiligen Theresia sich offenbarend ausrief: „O glückselige Buße, die du mir eine so große Herrlichkeit verschafft hast!“ Dagegen werden die Leiber der Gottlosen abscheulich, schwarz und stinkend erscheinen. O welche Pein wird dann der Verdammte haben, wenn er mit seinem Leibe sich wieder vereint! Verfluchter Leib! wird die Seele sagen, um dich zu befriedigen, bin ich zu Grunde gegangen. Und der Leib wird ihr entgegnen: verdammte Seele! du hattest die Vernunft; warum hast du mir jene Gelüste gestattet, welche dich und mich nun in alle Ewigkeit ins Verderben stürzten?
Anmutungen und Bitten
Ach mein Jesu und mein Erlöser! der du eines Tages mein Richter sein wirst: vergib mir, ehe dieser Tag herankommt. Wende dein Angesicht nicht von mir hinweg. — Jetzt bist du mir noch Vater; als Vater nimm dein Kind in deine Gnade auf, das mit Reue zu deinen Füßen wieder zurückkehrt. Mein Vater, ich bitte dich um Verzeihung; ich habe dich mit Unrecht beleidiget, ich habe dich mit Unrecht verlassen; du verdientest jene schnöde Behandlung von mir wahrlich nicht. Es reuet mich, es schmerzt mich von ganzem Herzen; verzeihe mir! kehre nicht ab von mir dein Angesicht, wende deine Augen nicht von mir hinweg, verstoß mich nicht, wie ich es verdiente. Erinnere dich an das Blut, das du für mich vergossen hast, und habe mit mir Erbarmen! Der heilige Thomas von Villanova sagte: „ Gern unterziehe ich mich dem Gerichte desjenigen, der für mich gestorben ist, und, um mich ja nicht verdammen zu müssen, zum Kreuzestode sich verdammen ließ.“ Und dies sagte vor ihm der heilige Paulus: Wer wird uns verdammen? Christus Jesus, der gestorben ist? (Röm 8) Mein Vater, ich liebe dich und will in Zukunft nicht mehr von deinen Füßen weichen. Vergiß der Unbilden, die ich dir antat und gib mir eine inbrünstige Liebe zu deiner Güte. Ich wünsche dich mehr zu lieben, als ich dich vorher beleidigte; hilfst du mir aber nicht, so kann ich dich nicht lieben. Hilf mir, mein Jesu, hilf und laß mich dankbar gegen deine Liebe leben, damit ich mich an jenem Tage im Tale Josaphat unter der Zahl deiner Liebhaber sehen möge. — O Maria! meine Königin und Fürsprecherin, hilf mir jetzt; denn gehe ich verloren, so kannst du mir an jenem Tage nicht mehr helfen. Du bittest ja für alle, so bitte denn auch für mich, da ich mich rühme, dein treuer Diener zu sein, und da ich auf dich ein so großes Vertrauen habe.
25. Betrachtung
Von dem allgemeinen Gerichte
2. Punkt
Sind die Menschen erstanden, so wird ihnen von den Engeln angekündet werden, sie sollen alle im Tale Josaphat sich versammeln, um dort gerichtet zu werden. In dem Tale des Verderbens werden Völker über Völker sein; denn nahe ist der Tag des Herrn. (Joel 3,14) Nachdem sie versammelt sein werden, kommen die Engel und werden die Ungerechten von den Gerechten scheiden: Die Engel werden ausgehen und die Bösen von den Gerechten absondern. (Mt 13,49) Die Gerechten werden zur Rechten stehen, die Verdammten aber wird man zur Linken stellen. Welchen Schmerz würde man empfinden, aus der Gesellschaft der Menschen oder aus der Kirche sich verstoßen zu sehen? Aber wie bei weitem größer wird der Schmerz dann sein, wenn man sich aus der Gesellschaft der Heiligen ausgestoßen sieht? Was meinst du, wie groß wird nicht die Beschämung der Bösen sein, wenn sie nach ihrer Absonderung von den Gerechten sich verlassen sehen werden? (Auct. Op. imperf. hom. 54) Der heilige Chrysostomus sagt, wenn die Verdammten auch keinen anderen Schmerz hätten, so würde diese Beschämung allein hinreichen, ihre Hölle auszumachen. „Und hätten sie auch nichts anderes zu leiden, so würde diese ihre Beschämung hinlänglich sie bestrafen.“ (In Mt Kap. 24) Der Sohn wird von seinem Vater, der Mann von seinem Weibe, der Herr von seinem Diener getrennt werden; Einer wird aufgenommen, der andere aber verlassen werden. (Mt 24,40) Sage mir mein Bruder, was denkst du? welcher Ort wird dir zuteil werden? Möchtest du nicht zur Rechten dich befinden? Mein Lieber, verlaß nun den Weg, der zur Linken dich führt.
Auf dieser Erde hält man für glücklich die Fürsten und die Wohlhabenden; die Heiligen aber, welche in Armut und Demut leben - verachtet man. O ihr treuen Liebhaber Gottes? seid ja nicht traurig, wenn ihr euch in dieser Welt verachtet und geplagt sehet: Eure Traurigkeit wird in Freude verwandelt werden. (Joh 16,20) Dann werdet ihr die wahrhaft Glücklichen genannt werden, und ihr werdet die Ehre haben, zu Mitgliedern des Hofstaates Jesu Christi erklärt zu werden. O welch einen schönen Anblick wird dann gewähren ein heiliger Petrus von Alcantara, der wie ein Auswürfling verachtet ward - ein heiliger Johannes von Gott, den man wie einen Narren behandelte - ein heiliger Petrus Cölestinus, der, wegen seiner Verzichtleistung auf die päpstliche Würde, in einem Kerker starb! O in welchen Ehren werden dann so viele andere Glaubenshelden erglänzen, welche einst von den Henkern zerfleischt worden? Alsdann wird Gott jedem sein gebührendes Lob erteilen. (1 Kor 4,5) Im Gegenteile aber, in welch schauerlichen Gestalt werden erscheinen ein Herodes, ein Pilatus, ein Nero, und so viele andere Große der Welt, die der Verdammnis anheimfielen! O ihr Liebhaber der Welt: im Tale erwarte ich euch, im Tale des Gerichtes. Dort werdet ihr ohne Zweifel andere Gesinnungen annehmen; dort werdet ihr eure Torheit beweinen. Ach ihr Elenden, die ihr nun auf der Schaubühne der Welt eine kurz Zeit euch brüstet — beim Trauerspiele des Gerichtes werdet ihr die Rolle der Verdammten spielen müssen! Die Auserwählten werden also zur Rechten gestellt werden, ja, zur Vergrößerung ihrer Herrlichkeit werden sie sogar, nach des Apostels Versicherung, in die Luft über die Wolken erhoben werden, um Jesu Christo mit den Engeln entgegenzuziehen, wann er von dem Himmel kommen wird: Wir werden mit ihnen in den Wolken durch die Luft Christo entgegen geführt werden. (1 Thess 4,16) Die Verdammten aber, als eben so viele Böcke zur Schlachtbank bestimmt, werden zur Linken verwiesen werden, um ihren Richter zu erwarten, welcher seine Feinde öffentlich vor aller Augen verdammen wird.
Und siehe, schon öffnen sich die Himmel, es kommen die Engel, dem Gerichte beizuwohnen, und tragen die Zeichen des Leidens Jesu Christi voran. Wenn der Herr zum Gerichte kommt, sagt der heilige Thomas, werden das Kreuz und die anderen Leidenswerkzeuge vorgezeigt werden. (Opusc. 2. c.) Vor allem wird das heilige Kreuz erscheinen: Und alsdann wird das Zeichen des Menschensohnes am Himmel erscheinen ... alsdann werden alle Geschlechter auf Erden heulen. (Mt 24,30) Cornelius a Lipide sagt: o wie werden dann die Sünder beim Anblicke des Kreuzes heulen, weil sie im Leben ihres ewigen Heils nicht achteten, welches dem Sohne Gottes so viel kostete! „Heulen werden jene, die ihr Heil, das Christo so teuer zu stehen kam, vernachlässigt haben.“ Hierauf werden, sagt der heilige Chrysostomus, die Nägel über dich Klage führen; es werden die Wundmale wider dich sprechen; das Kreuz Christi wider dich zeugen. (Hom. 20. in Matth.) Es werden diesem Gerichte gleichsam als Beisitzer auch die heiligen Apostel und ihre Nachfolger beiwohnen, die mit Jesu Christo zugleich die Völker richten werden: Die Gerechten werden leuchten, sie werden die Völker richten. (Weish 3,7,8) Auch die Königin der Heiligen und der Engel, Maria die allerseligste Jungfrau, wird sich einfinden, um dem Gerichte beizusitzen. Zuletzt wird der ewige Richter selbst erscheinen auf einem herrlichen und strahlenden Throne. Und sie werden des Menschen Sohn auf den Wolken des Himmels mit großer Macht und Herrlichkeit kommen sehen. (Mt 24,30) Vor seinem Angesichte werden die Völker sich entsetzen. (Joel 2,6) Das Angesicht Jesu Christi wird die Auserwählten erfreuen, den Gottlosen aber größere Pein verursachen, als selbst die Hölle. Erträglicher, sagt der heilige Hieronymus, wären den Verdammten die Qualen der Hölle, als die Gegenwart Christi. Die heilige Theresia betete: „Mein Jesu, verhänge über mich alle Leiden, nur laß nicht zu, daß ich an jenem Tage dein erzürntes Angesicht schauen müsse.“ Und der heilige Basilius: „Diese Beschämung übersteigt jedwede Pein.“ Dann wird in Erfüllung gehen, was der heilige Johannes vorhersagte, daß die Verdammten die Berge beschwören werden, sie möchten über sie zusammenfallen, und vor dem Angesichte sie bedecken: Zu den Bergen aber werden sie sagen: Fallet über uns und verberget uns vor dem Angesichte dessen, der auf dem Throne sitzt und vor dem Zorne des Lammes. (Offb6,16)
Anmutungen und Bitten
O Lamm Gottes! o mein lieber Erlöser! der du auf die Welt kamst, nicht um zu strafen, sondern um die Sünden zu vergeben, ach verzeihe mir alsobald, ehe noch jener Tag kommt, an welchem du mein Richter sein wirst! O Lamm, welches mit so großer Geduld mich ertragen hat! Der Anblick deines erzürnten Angesichtes wäre, wenn ich zu Grunde gehen sollte, für mich die Hölle meiner Hölle. Ach, verzeihe mir, ich bitte dich noch einmal, verzeihe mir alsogleich! Ziehe mit deiner mitleidigen Hand mich aus dem Abgrunde heraus, in den ich durch meine Sünden geraten bin. Es reuet mich, dich, o höchstes Gut! beleidiget und so oft beleidiget zu haben. Ich liebe dich, mein Richter, der du mich so sehr geliebt hast. Ach, um der Verdienste deines Todes willen, gib mir eine so große Gnade, daß sie im Stande ist, mich aus einem Sünder in einen Heiligen umzuändern. Du gabst die Versicherung, denjenigen zu erhören, der dich bittet: Rufe zu mir und ich will dich erhören. (Jer 33,3) Nicht um irdische Güter bitte ich dich, nein, ich verlange deine Gnade, deine Liebe und nichts anderes. Erhöre mich, mein Jesu, um jener Liebe willen, die du zu mir trugst, da du am Kreuze für mich starbst. Mein geliebter Richter, ich bin ein Verbrecher, jedoch einer, der dich mehr liebt als sich selbst. Erbarme dich meiner! — Maria, meine Mutter, eile und komme mir alsbald zu Hilfe; jetzt ist noch Zeit, da du mir helfen kannst. Du verließest mich nicht, als ich uneingedenk deiner und meines Gottes dahinlebte; komme mir jetzt zu Hilfe, da ich entschlossen bin, dir immer dienen zu wollen und meinen Herrn nicht mehr zu beleidigen. O Maria! du bist meine Hoffnung.
25. Betrachtung
Von dem allgemeinen Gerichte
3. Punkt
Doch siehe, schon beginnt das Gericht. Man eröffnet die Prozeßakten, nämlich das Gewissen eines jeden einzelnen Menschen. Man setzt sich zu Gericht und schlägt die Bücher auf. (Dan 7, 10) Zeugen gegen die Ungerechten werden fürs erste die bösen Feinde sein, welche nach der Meinung des heiligen Augustinus sagen werden: Gerechtester Gott, befiehl, daß jener, der nicht dir angehören wollte, mir zukomme. Fürs zweite wird das Gewissen eines jeden Zeuge sein, indem ihr Gewissen ihnen Zeugnis gibt. (Röm 2,15) Ferner werden sogar die Mauern jenes Hauses, wo die Sünder Gott beleidigten, um Rache schreien: Es werden die Steine aus der Mauer rufen. (Hab 2, 11) Zeuge wird endlich der Richter selbst sein, der bei allen ihm zugefügten Unbilden zugegen war: Ich bin Richter und Zeuge, spricht der Herr. (Jer 29,23) Der heilige Paulus sagt, der Herr werde alsdann an das Licht bringen, was in der Finsternis verborgen ist. (1 Kor 4, 5) Er wird sogar die geheimsten und schändlichsten Sünden der Gottlosen, die im Leben sogar vor den Beichtvätern verheimlicht wurden, nun vor aller Menschen Augen aufdecken. Ich will vor deinem Angesichte deine Schandtaten zeigen. (Nah 3, 5) Die Sünden der Auserwählten aber, meint der Magister Sententiarum nebst anderen, werden dazumal nicht offenbar, sondern verborgen bleiben, gemäß dem, was David sagte: Selig sind die, denen ihre Missetaten vergeben und deren Sünde bedeckt worden. (Ps 31,1) Dagegen werden die Sünden der Gottlosen, wie der heilige Basilius sagt, alle insgesamt sich dem Blicke darstellen, wie auf einem Gemälde: „Mit einem einzigen Blicke wird man sämtliche Sünden wie auf einem Gemälde ersehen.“ (Lib. 1, de vera Virg.) Der heilige Thomas bemerkt (Opus 60): Wenn schon im Garten Gethsemani auf die Worte Jesu Christi: „Ich bin es!“ alle Soldaten, die ihn zu ergreifen kamen, zu Boden fielen, was wird erst dann geschehen, wenn er, auf seinem Richterstuhle sitzend, zu den Verdammten rufen wird: „Sehet, ich bin es, den ihr verachtet habt?“ Was wird er als Richter tun, da er jenes tat, als er sich selbst dem Gerichte überlieferte?
Höre! Schon kommt es zum Urteilsspruche. Vorerst wird Jesus Christus zu den Auserwählten sich wenden und diese süßen Worte sprechen: Kommet, ihr Gesegneten meines Vaters, nehmet Besitz von dem Reiche, das von Anbeginn der Welt euch bereitet ist. (Mt 25,34) Als dem heiligen Franziskus von Assisi geoffenbart wurde, daß er zur Seligkeit vorherbestimmt wäre, konnte er sich vor Trost nicht fassen. Wie groß muß nun die Freude sein, aus dem Munde des Richters selbst zu vermehren: Kommet, ihr gesegneten Kinder, kommet in das himmlische Reich, wo es keine Leiden mehr gibt und keine Furcht; ihr seid ja schon selig und werdet in Ewigkeit es sein. Ich segne jenes Blut, das ich für euch vergossen, ich segne jene Tränen, welche ihr über euere Sünden geweinet; laßt uns nun in das Paradies hinaufziehen, wo wir in alle Ewigkeit wohnen werden! Auch die allerheiligste Gottesgebärerin Maria wird ihre Verehrer segnen und einladen, mit ihr in den Himmel zu kommen, und so werden die Auserwählten unter dem Gesange: „Alleluja, Alleluja!“ siegreich in das Paradies einziehen, um davon Besitz zu nehmen, und Gott in Ewigkeit zu besitzen, zu loben und zu lieben.
Die Verdammten hingegen werden zu Jesus sich wenden und zu ihm sagen: Und was haben denn wir Arme zu tun? Ihr, wird der ewige Richter erwidern, ihr? Gehet hinweg von mir, ihr Verfluchte, in das ewige Feuer. (Mt ibid.) Gehet hinweg von mir, entfernt euch, ich will euch weder sehen noch hören. Ihr Verfluchten, fort von mir, fort in die Verdammnis, denn ihr habt meinen Segen verschmäht. Und wohin, o Herr! sollen diese Elenden gehen? In das Feuer, in die Hölle, um an Seele und Leib zu brennen. Und auf wie viele Jahre, auf wie viele Jahrhunderte? Wie, Jahre — Jahrhunderte? Nein, in ein Feuer, welches ewig ist, und brennen wird, so lange Gott - Gott sein wird. Nach diesem Ausspruche werden die Gottlosen, sagt Ephrem, von den Engeln, von den Heiligen und von ihren Verwandten, ja selbst von der göttlichen Mutter Abschied nehmen: „Lebet wohl, ihr Gerechte! Lebe wohl, o Kreuz! Lebe wohl, o Himmel! Lebet wohl, Väter und Kinder, denn wir werden keinen von euch mehr sehen. Lebe auch du wohl, o Gottesgebärerin Maria!“ (Eph. de variis torm. inf.) Und es wird sich inmitten des Tales ein großer Abgrund eröffnen, wohinein die Teufel und Verdammten insgesamt hinunterstürzen; und sie werden hinter sich, o Gott! hinter sich die Pforten sich schließen hören, die nie, nie, ja in alle Ewigkeit nimmermehr eröffnet werden. - O verfluchte Sünde, zu welch unglücklichem Ende wirst du eines Tages so viele arme Seelen bringen! O unglückliche Seelen, denen ein so beweinenswürdiges Ende bevorsteht.
Anmutungen und Bitten
Ach, mein Heiland und Gott! Welcher Ausspruch wird mich einst treffen? Wenn du, mein Jesus, jetzt über meinen Wandel Rechenschaft fordern würdest, was könnte ich dir zur Antwort sagen, außer: ich verdiene tausend Höllen! Ja fürwahr, mein Erlöser, tausend Höllen verdiene ich; doch wisse, daß ich dich liebe und daß ich dich mehr liebe als mich selbst; über die dir zugefügten Unbilden aber habe ich einen solchen Schmerz, daß ich wünschte, lieber jedes Übel gelitten, als dich beleidiget zu haben. Du verdammst, o mein Jesu, die verstockten Sünder, nicht aber jene, die Reue haben und das Verlangen, dich zu lieben. Siehe mich reumütig zu deinen Füßen, lasse mich hören, daß du mir verzeihest. Doch du ließest es mich schon durch den Propheten hören: Bekehret euch zu mir, so werde ich mich zu euch kehren. (Zach 1,3) Ich entsage nun allem; auf alle Freuden und Güter der Welt verzichte ich, ich wende mich wieder zu dir und umarme dich, mein geliebter Erlöser. Ach, nimm mich auf in dein Herz und von dort aus entzünde mich mit deiner Liebe; entflamme mich aber in dem Grade, daß ich nicht mehr daran denke, von dir mich zu entfernen. Mein Jesu, mache mich nur selig, und meine Seligkeit bestehe in einer immerwährenden Liebe zu dir und in beständigem Lobe deiner Erbarmungen. Den Erbarmungen des Herrn will ich in Ewigkeit Lob singen. — Maria, meine Hoffnung, meine Zuflucht und meine Mutter, hilf mir doch und erhalte mir die heilige Beharrlichkeit. Nie ist jemand verloren gegangen, der seine Zuflucht zu dir nahm. Dir empfehle ich mich; nun so erbarme dich meiner.
Von der Pein der Hölle
„Und diese werden in die ewige Pein gehen.“ (Mt 25,46)
1. Punkt
Zwei Übel begeht der Sünder, wenn er sündiget; er verläßt Gott, das höchste Gut, und wendet sich zu den Geschöpfen: Mein Volk hat zwei Übel begangen: mich, die Quelle des lebendigen Wassers, haben sie verlassen, und sich Wasserbehälter gegraben, die durchlöchert sind und kein Wasser halten können. (Jer 2,13) Weil also der Sünder zu den Geschöpfen sich wendet, wodurch er Gott beleidiget, so wird er in der Hölle mit Recht eben von den Geschöpfen gequält werden - von dem Feuer, und von den Teufeln; und das ist die Pein des Sinnes. Da aber die größte Schuld seiner Sünde darin besteht, daß er Gott den Rücken kehrte, so wird deswegen die vorzüglichste Strafe, wodurch eigentlich die Hölle zur Hölle wird, in der Pein bestehen, Gott verloren zu haben.
Betrachten wir zuerst die Strafe der Sinne. Es ist eine Glaubenswahrheit, daß es eine Hölle gebe. Inmitten der Erde ist dies Gefängnis, das den gegen Gott aufrührerischen Menschen zu ihrer Züchtigung vorbehalten ist. Was ist die Hölle? Es ist ein Ort der Peinen: In diesen Ort der Qualen, so nannte der verdammte Prasser die Hölle. (Lk 16,28) Ein Ort der Qualen, wo alle Sinne und Seelenkräfte des Verdammten ihre eigentümliche Pein haben werden, und je mehr er Gott durch einen Sinn beleidiget hat, desto mehr wird er an diesem Sinne gepeiniget werden: Durch eben dasjenige, wodurch Einer sündiget, wird er gestraft werden. (Weish 11,17) So viel sie in Wollüsten gelebt hat, so viel peiniget sie. (Offb 18,7) Das Auge wird durch die Finsternis gepeiniget werden. Das finstere, und mit der Dunkelheit des Todes bedeckte Land. (Job 10,11) Welches Mitleid erregt es nicht, wenn man hört, daß jener arme Mann, so lange er lebt, vierzig oder fünfzig Lebensjahre hindurch in einer dunklen Grube eingeschlossen sein wird! Die Hölle ist ein von allen Seiten verschlossener Abgrund, wohin niemals ein Strahl der Sonne, oder eines anderen Lichtes dringen wird: Er wird in Ewigkeit das Licht nicht sehen. (Ps 48,20) Das Feuer, welches auf der Welt leuchtet, wird in der Hölle finster sein. Die Stimme des Herrn durchschneidet die Feuerflammen. (Ps 28,7) Der heilige Basilius erklärt diese Stelle also: Der Herr wird vom Feuer das Licht trennen, weshalb dieses Feuer nur die Eigenschaft, zu brennen, nicht zu erleuchten hat; und noch kürzer erklärt es Albertus der Große: „Er wird von der Hitze den Schimmer trennen.“ Der nämliche Rauch, welcher von diesem Feuer aufsteigen wird, wird jenes Sturmgewölke von Finsternissen hervorbringen, wovon der heilige Jakobus sagt, daß es die Augen der Verdammten blenden werde: Welchen auf ewig das Ungewitter der Finsternis aufbewahrt ist. (Jak 12,13) Der heilige Thomas versichert (3. part. qu. 97. c. 5), die Verdammten hätten nur so viel Licht, als hinreichend ist, um sie desto mehr zu quälen: „So viel hinlänglich ist, das zu sehen, was sie quälen kann.“ In diesem finsteren Lichtschimmer werden sie die Abscheulichkeit der übrigen Verdammten sehen, und der Teufel solche entsetzliche Gestalten annehmen, um sie noch mehr zu erschrecken.
Auch der Geruch wird seine Pein haben. Wie peinlich wäre es, mit einem verfaulenden Leichnam in einem Zimmer eingeschlossen sich zu befinden? Von ihren Leichen steigt ein Gestank auf. (Jes 34,3) Der Verdammte muß mitten unter so vielen Millionen anderer Verdammten bleiben, die in Hinsicht der Strafe lebendig, aber wegen des Gestankes, den sie verbreiten, Leichen sind. Der heilige Bonaventura sagt, würde der Leib eines Verdammten aus der Hölle auf die Erde ausgeworfen, so würde er hinreichen durch seinen Gestank alle Menschen zu töten. Und doch freveln die Toren: Komme ich in die Hölle, so werde ich doch nicht allein sein. O ihr Elende! Je mehr in der Hölle sein werden, desto größer wird ihre Pein sein. „Dort, sagt der heilige Thomas, wird die Gesellschaft der Elenden das Elend nicht geringer, sondern nur größer machen.“ (S. Thom. Suppl. qu. 86. art. 1) Ich sage, sie leiden mehr, und zwar wegen des Gestankes, wegen des Geschreies und wegen der Enge des Raumes; denn in der Hölle werden sie gedrängt über einander liegen wie Schafe, die zur Winterszeit haufenweise eines über das andere liegen. Wie Schafe liegen sie in der Hölle. (Ps 48, 15) Ja, noch mehr, sie werden, wie unter dem Kelter des Zornes Gottes ausgepreßte Trauben sein. Er tritt die Kelter, woraus Gott den Wein seines grimmigen Zornes schöpft. (Offb 19,15) Daraus wird dann die Pein der Unbeweglichkeit entstehen. Sie sollen unbeweglich werden wie ein Stein. (Ex 15,16) So wie also der Verdammte in die Hölle fallen wird am jüngsten Tage, so wird er, ohne seine Lage jemals ändern zu können, liegen bleiben müssen, und ohne daß er jemals, so lange Gott - Gott sein wird, einen Fuß, oder eine Hand nach Willkür bewegen kann.
Das Gehör wird gepeiniget werden durch das immerwährende Geheul und Wehklagen dieser armen Verzweifelten, und durch das beständige Getümmel und Gerassel der Teufel. Schreckenstöne werden in seinen Ohren erschallen. (Job 15,21) Welche Pein ist es nicht, wenn man schlafen will und einen Kranken hört, der in einem fort ächzet, oder einen Hund, welcher bellt, oder ein Kind, welches weint? Armselige Verdammte, die ihr in alle Ewigkeit beständig das Getümmel und Geschrei dieser Gequälten hören müsset! Ihr Schlund wird durch den Hunger gequält werden; der Verdammte wird einen Heißhunger haben, wie ein Hund. Sie werden Hunger leiden wie die Hunde (Ps 58,15); allein er wird nie einen Bissen Brot bekommen. Dürsten wird ihn ferner so sehr, daß ihm alle Gewässer des Meeres nicht genügen würden, den Durst zu stillen, allein er wird doch nicht einmal einen Tropfen davon erhalten. Der Prasser bat um einen einzigen Tropfen Wassers; diesen aber bekam er noch nie, und wird ihn auch niemals bekommen; nein, niemals!
Anmutungen und Bitten
Ach, mein Herr! siehe hier jenen zu deinen Füßen, welcher deine Gnade und deine Strafe so geringachtete! Wehe mir, wenn du, mein Jesu! dich meiner nicht erbarmt hättest: Wie viele Jahre befände ich mich nicht schon in diesem stinkenden Feuerschlunde, wo so viele meinesgleichen bereits brennen! Ach, mein Erlöser! wie soll ich nicht von Liebe zu dir entbrennen, wenn ich alles dieses aufmerksam erwäge, und wie sollte ich noch neuerdings dich beleidigen können? Ach! nimmermehr soll es geschehen, mein Jesus Christus! laß mich lieber tausendmal eher sterben. Da du das gute Werk in mir angefangen hast, so vollende es auch. Du zogst mich heraus aus dem Kote meiner vielfältigen Sünden und beriefst mich mit so großer Liebe, auf daß ich dich liebte; ach, laß mich nun die Zeit, die du mir gabst, ganz für dich verleben! Wie sehr würden die Verdammten den Tag sich wünschen oder die Stunde, die du mir schenkest! Und was will ich tun? Soll ich fortfahren, sie auf Dinge zu verwenden, die dir mißfallen? Nein, mein Jesus! um der Verdienste jenes Blutes willen, das mich bisher von der Hölle bewahrte, laß dies nicht zu. Ich liebe dich, o höchstes Gut! und weil ich dich liebe, so reuet es mich, dich beleidigt zu haben; ich will dich nicht mehr beleidigen, sondern dich immer lieben. — Maria! meine Königin und Mutter! bitte Jesum für mich, und erhalte mir die Gabe der Beharrlichkeit und seiner heiligen Liebe.
26. Betrachtung
Von der Pein der Hölle
2. Punkt
Was ferner die Sinne der Verdammten in der Hölle noch mehr quält, ist das höllische Feuer, welches dem Gefühle peinliche Schmerzen verursacht. Der Gottlosen Strafe ist Feuer und Gewürme. (Eccl 7,19) Deswegen macht der Herr bei dem Gerichte davon besonders Erwähnung: Weichet von mir, ihr Verfluchte, in das ewige Feuer! (Mt 25,41) Schon auf dieser Welt ist der Schmerz des Feuers der allergrößte; es ist aber zwischen unserem Feuer und zwischen jenem der Hölle ein so großer Unterschied, daß der heilige Augustinus sagt, unser Feuer scheine dagegen nur wie ein gemaltes zu sein: „Im Vergleiche mit jenem ist unser Feuer nur ein gemaltes“, und der heilige Vincentius Ferrerius: Gegen jenes sei unser Feuer nur kalt. Die Ursache liegt darin, weil unser Feuer zu unserem Nutzen erschaffen ist; das höllische Feuer aber hat Gott absichtlich zur peinlichen Strafe erschaffen. „Weit anders ist das Feuer - sagt Tertullianus -, das dem Menschen zum Gebrauche dient, als jenes, welches der Gerechtigkeit Gottes dient.“ Gottes Zorn hat dieses rächende Feuer angezündet. Es ist ein Feuer in meinem Grimme angezündet worden. (Jer 15,14) Daher wird das höllische Feuer von Isaias der Geist des Zorneifers genannt: Wenn der Herr die Unsauberkeit wird abgewaschen haben durch den Geist des Feuereifers. (Jes 4,4) Der Verdammte wird nicht sowohl zum Feuer, als vielmehr in das Feuer geschickt werden: Weichet von mir, ihr Verfluchte, in das ewige Feuer. So wird also der Elende ganz vom Feuer umgeben sein, wie das Holz im Ofen. Der Verdammte wird aber unter und um sich herum einen Abgrund von Feuer finden. Wenn er um sich greift, wenn er sieht, wenn er Atem holt, so betastet, erblickt und atmet er nichts anderes ein als Feuer. Er wird im Feuer wie der Fisch im Wasser sein. Doch herum wird dieses Feuer nicht nur rings sein, sondern es wird auch in die Eingeweide des Verdammten eindringen, um ihn zu quälen. Sein Leib wird ganz feurig werden, so daß das Eingeweide im Leibe, das Herz in der Brust, das Gehirn im Kopfe, das Blut in den Adern, ja sogar das Mark in den Gebeinen siedend heiß sein wird: jeder Verdammte für sich wird selbst zu einem Feuerofen werden. Dein Anblick wird sie gleich einem Feuerofen brennen. (Ps 20,10)
Manche können es nicht ertragen, auf einem Wege zu gehen, wo die Sonne sticht, in einem verschlossenen Zimmer bei einer Glutpfanne zu bleiben; sie können es nicht einmal aushalten, wenn von einer brennenden Kerze ihnen ein Fünklein auf die Hand springt, und dennoch fürchten sie sich nicht vor jenem Feuer, welches, wie Isaias bemerkt, eigentlich verzehrend ist: Wer von euch wird bei dem verzehrenden Feuer wohnen können? (Jes 33,14)
Gleichwie ein wildes Tier eine Ziege verzehrt, so verschlingt das höllische Feuer den Verdammten; es verzehrt ihn aber so, daß er doch niemals stirbt. Fahre fort, sagt der heilige Petrus Damianus in seiner Rede von dem Unkeuschen, fahre nur fort, deiner Fleischeslust zu frönen, es wird ein Tag kommen an dem alle deine unzüchtigen Gelüste in deinen Eingeweiden in lauter Pech verändert werden, welches jene Flamme noch heftiger und schmerzlicher machet, die in der Hölle dich brennen wird: „Es kommt ein Tag, ja vielmehr eine Nacht, wo deine Fleischeslust in Pech sich verwandeln und ein immerwährendes Feuer in deinen Eingeweiden unterhalten wird.“ (S. P. Dam. Epist 6) Der heilige Hieronymus (Epist. ad Fam) fügt bei, dies Feuer werde alle Qualen und Schmerzen mit sich führen, die man auf dieser Welt leidet: Schmerzen in den Seiten, in dem Kopfe, in den Eingeweiden, in den Nerven: „In einem Feuer empfinden die Sünder in der Hölle alle Qualen.“ In diesem Feuer wird sogar auch die Qual des Frostes sein: Aus dem Schneewasser soll er in eine übermäßige Hitze kommen. (Job 24, 19) Man muß aber hierbei immer bedenken, daß alle Leiden dieser Welt, wie der heilige Chrysostomus sagt, im Vergleiche mit den Peinen der Hölle gleich einem Schatten seien. „Nimm Feuer, nimm Eisen, was ist es anders gegen jene Qualen, als ein Schatten?“
Auch die Seelenkräfte werden ihre eigene Pein haben. Der Verdammte wird durch das Gedächtnis gepeiniget werden, indem er an die Zeit sich erinnert, die er in diesem Leben gehabt hatte, um selig zu werden, und die er zubrachte, um sich zu verdammen; und an die Gnaden, die er von Gott erhalten und deren er sich nicht bedienen wollte. Er wird gepeiniget durch den Verstand, nämlich durch den Gedanken an das große Gut, das er verloren hat, Himmel und Gott, und daß diesem Verluste nicht mehr abzuhelfen sei. An dem Willen, indem er sieht, daß man ihm stets alles versagen werde, was er verlangt. Das Verlangen der Sünder wird zu nichte werden. (Ps 111,18) Der Elende wird nichts von dem bekommen, was er wünscht, und dagegen immer alles das vor sich haben, vor dem er sich entsetzt, nämlich seine ewigen Peinen. Er möchte gern den Qualen entkommen und Ruhe finden; allein immer wird er gequält werden und niemals Frieden haben.
Anmutungen und Bitten
Ach mein Jesu! dein Blut und Tod sind meine Hoffnung. Du bist gestorben, um mich von dem ewigen Tode zu befreien. Ach Herr! wer hat an den Verdiensten deines Leidens mehr Anteil gehabt, als ich, Armseliger, der ich so oft die Hölle verdient hätte? Ach laß mich nicht mehr undankbar sein für jene Unzahl von Gnaden, die du mir erwiesen hast. Du bewahrtest mich vor dem höllischen Feuer, weil du nicht willst, daß ich in diesem qualvollen Feuer brenne, wohl aber entbrenne in dem süßen Feuer deiner Liebe. Hilf mir also, damit ich deinem Wunsche entsprechen könne. Wäre ich in der Hölle, so könnte ich dich nicht mehr lieben; da ich dich aber nun lieben kann, so ist es auch mein Wille, dich zu lieben. Ich liebe dich, unendliche Güte! ich liebe dich, meinen Erlöser! der du mich so sehr liebtest. Wie konnte ich so lange deiner uneingedenk dahin leben! Ich danke dir, daß du meiner nicht vergaßest. Wärest du meiner uneingedenk gewesen, so wäre ich gegenwärtig in der Hölle, oder ich hätte keinen Schmerz über meine Sünden. Dieser Schmerz, den ich in meinem Herzen darüber fühle, daß ich dich beleidigte, dieses Verlangen, das ich habe, dich recht zu lieben, sind Geschenke deiner Gnade, die mir beisteht. Ich sage dir, mein Jesu, dafür Dank. Ich hoffe den Rest meines Lebens dir zu widmen. Ich leiste auf alles Verzicht. Nur darauf will ich bedacht sein, dir zu dienen und wohlzugefallen. Erinnere mich stets an die Hölle, die ich mir verdient, und an die Gnaden, die du mir erwiesen; und laß es nicht geschehen, daß ich dir wieder den Rücken kehre, und mich von selbst zu jenem Abgrunde von Qualen verdamme. — O Mutter Gottes! bitte für mich Sünder. Deine Fürbitte hat mich vor der Hölle bewahrt; durch sie befreie mich, o meine Mutter, auch von der Sünde, die mich allein wieder zur Hölle verdammen könnte.
26. Betrachtung
Von der Pein der Hölle
3. Punkt
Allein alle diese Qualen sind nichts gegen die Pein des Verlustes. Nicht die Hölle, nicht die Finsternisse, nicht der Gestank, noch das Geschrei und das Feuer machen die Hölle aus; die Pein, welche die Hölle eigentlich zur Hölle macht, ist der Schmerz, daß man Gott verloren habe. Der heilige Bruno sagt: „Qualen mögen auf Qualen gehäuft werden, wenn sie nur Gottes nicht beraubt werden.“ (Serm. de jud. fin.) Und der heilige Johannes Chrysostomus: „Zähltest du auch tausend Höllenstrafen auf, so wirst du dennoch keine nennen, welche diesem Schmerz gleichkommt.“ (Hom 49 ad Pop.) Und der heilige Augustinus fügt bei: Könnten die Verdammten des Angesichtes Gottes sich erfreuen, so würden sie gar keine Pein fühlen, „und selbst die Hölle würde in ein Paradies umgeschaffen werden.“ (S. Aug tom. 9. de tripl. hab.) Um von dieser Pein nur einigen Begriff zu haben, denke man sich zum Beispiel, jemand habe einen Edelstein verloren, der hundert Taler wert war. Dieser Verlust ist ihm wohl sehr unangenehm; hätte er aber zweihundert gegolten, so wäre sein Verdruß doppelt so groß; hätte er vierhundert gekostet, so wäre sein Schmerz um so größer. Kurz, je höher der Wert des Verlorenen steigt, desto mehr wächst auch der Schmerz. Was für ein Gut hat wohl der Verdammte verloren? Ein unendliches Gut, welches Gott ist; daher sagt der heilige Thomas, er fühle gewissermaßen unendliche Pein: „Des Verdammten Pein ist unendlich, weil sie der Verlust eines unendlichen Gutes ist.“ (D. Th. 1. 2. qu. 87. art. 4)
Diese Pein nun fürchten nur die Heiligen: „Dieser Schmerz ist für die Liebenden, nicht für die Verachtenden“, spricht der heilige Augustinus. Der heilige Ignatius von Loyola rief aus: „Herr! jede Pein ertrage ich, nur diese nicht, deiner beraubt zu werden.“ Doch diesen Schmerz erfassen die Sünder nicht, die sich zufrieden stellen, ganze Monate und Jahre lang ohne Gott dahinzuleben, denn die Elenden leben ja in der Finsternis. Allein im Tode werden sie das Gut erkennen, das sie verlieren. Beim Scheiden aus diesem Leben sieht die Seele, wie der heilige Antonius sagt, sogleich ein, daß sie für Gott erschaffen worden sei: „Aber vom Leibe getrennt, erkennet die Seele Gott als ihr höchstes Gut, und daß sie für dasselbe geschaffen sei.“ Deshalb schwingt sie sich alsogleich empor, um hinzugehen und ihr höchstes Gut zu umfassen; ist sie aber in der Sünde, so wird sie von Gott verstoßen werden. Sieht der Jagdhund einen Hirschen, und hält ihn jemand mit einer Kette zurück, welche Gewalt wendet er nicht auf, um die Kette zu zerreißen und die Beute zu erhaschen? Sondert die Seele sich von dem Leibe, so wird sie natürlicherweise zu Gott hingezogen; allein die Sünde trennet sie von Gott, und er stößt sie weit von sich in die Hölle hinab: Eure Missetaten haben zwischen euch und eurem Gott eine Scheidewand gesetzt. (Jes 59,2) Die ganze Hölle besteht demnach in diesem ersten Worte des Verdammungsurteiles: Weichet von mir, ihr Verfluchten. Gehet hinweg, wird Jesus Christus sagen, ihr sollt, also will ich es, nimmermehr mein Angesicht schauen. „Zählte jemand auch tausend Höllenstrafen auf, so würde er dennoch keine solche nennen, als diese ist, Christo verhaßt zu sein.“ (Chrys. hom. 24. in Mt) Als David den Absalon verurteilte, nimmermehr vor ihm zu erscheinen, da erschien diese Strafe für Absalon so groß, daß er antwortete: „Saget meinem Vater, er möchte mir entweder erlauben, sein Angesicht wieder zu sehen, oder er soll mich töten lassen.“ (2 Sam 14,24) Als einst Philipp II. in der Kirche einen Großen seines Reiches unehrerbietig dastehen sah, sagte er zu ihm: „Nimmermehr sollen sie vor mir erscheinen.“ Dieses schmerzte nun diesen Großen so sehr, daß er nach Hause ging und vor Schmerz starb. Wie wird es erst sein, wann Gott dem Bösen die Strafe ankündigen wird: Hinweg von mir, ich will dich nicht mehr sehen! Ich will mein Angesicht vor ihm verbergen, und alle Übel sollen ihn treffen. (Dtn 31,17) Ihr, wird der Herr am jüngsten Tage zu den Verdammten sprechen, gehört nicht mehr mir zu, und ich bin nicht mehr euer. Nenne seinen Namen nicht: mein Volk; denn ihr seid nicht mein Volk, und ich will nicht euer sein. (Os 1,9)
Welche Qual ist es doch für ein Kind bei dem Tode seines Vaters oder für eine Gattin beim Tode ihres Gemahles also sagen zu müssen: Mein Vater, mein Gemahl, ich werde dich nicht mehr sehen! - Ach hörten wir jetzt eine verdammte Seele weinen und würden wir sie fragen: warum weinst du denn so sehr? sie würde das Einzige zur Antwort geben: Ich weine, weil ich Gott verloren habe und ihn nicht mehr zu sehen bekomme. Ach, könnte die Elende in der Hölle wenigstens ihren Gott lieben und in seinen Willen sich ergeben! Doch nein; denn vermöchte sie dies zu tun, so wäre die Hölle ja keine Hölle: die Unglückliche kann in den Willen Gottes sich nicht ergeben, weil sie eine Feindin des göttlichen Willens geworden ist. Sie kann nicht mehr ihren Gott lieben; sie haßt ihn und wird ihn auf immer hassen; und dies wird ihre Hölle sein, Gott erkennen als das höchste Gut und sich doch gezwungen sehen, ihn zugleich zu hassen, während sie ihn als unendlich liebenswürdig anerkennt: „Ich bin jener der Liebe Gottes beraubte Bösewicht“, antwortete einst der Teufel, als er von der heiligen Katharina von Genua gefragt wurde, wer er wäre. Der Verdammte wird Gott hassen und verfluchen, und indem er über Gott flucht, so flucht er auch über die Wohltaten, die er ihm erwiesen hat, über die Erschaffung, über die Erlösung, über die heiligen Sakramente, vorzüglich über die heilige Taufe und Buße und am allermeisten über das allerheiligste Sakrament des Altars. Hassen wird er sämtliche Engel und Heilige und besonders seinen Schutzengel und seine heiligen Fürbitter und vorzüglich die göttliche Mutter; vor allen aber die drei göttlichen Personen und unter diesen hauptsächlich den Sohn Gottes (der einst für sein Heil gestorben ist); verfluchen wird er seine Wunden, sein Blut, seine Leiden und seinen Kreuzestod.
Anmutungen und Bitten
Ach mein Gott! du bist also mein höchstes Gut, mein unendliches Gut und ich habe dich so oft freiwillig verloren? Ich wußte wohl, daß ich dir durch meine Sünden ein großes Mißfallen verursachen und deine Gnade verlieren würde; und dennoch habe ich es getan! Ach, sehe ich dich, o Sohn Gottes! nicht durchbohrt am Kreuze für mich sterben, so hätte ich nicht Mut, von dir Verzeihung zu erbitten und zu erwarten! Ewiger Vater! sieh nicht auf mich, schaue auf diesen deinen geliebten Sohn, der dich für alle um Barmherzigkeit bittet; erhöre ihn und verzeihe mir. Ich sollte bereits schon so viele Jahre in der Hölle sein, ohne Hoffnung dich wieder lieben zu können und deine verlorene Gnade wieder zu erlangen. Mein Gott! ich bereue über alles Übel diese Schmach, die ich dir antat, indem ich auf deine Freundschaft verzichtete, deine Liebe elender irdischer Genüsse wegen verachtete. O wäre ich lieber tausend Mal gestorben! Wie konnte ich doch so blind und töricht sein! Ich danke dir, mein Herr! daß du mir Zeit schenkest, meinem begangenen Übel abzuhelfen. Da ich durch deine Barmherzigkeit noch außerhalb der Hölle mich befinde und dich, meinen Gott, noch lieben kann, so will ich dich lieben. Ich will es nicht mehr verschieben, mich ganz zu dir zu bekehren. Ich liebe dich unendliche Güte! ich liebe dich mein Lehen, mein Schatz, meine Liebe, mein Alles! Erinnere mich, o Herr! immer an die Liebe, die du zu mir getragen und an die Hölle, wo ich sein sollte, damit mich dieser Gedanke stets aneifere, mich in der Liebe zu dir zu üben und immerfort zu dir zu rufen: ich liebe dich! ich liebe dich! ich liebe dich! — Maria! meine Königin, meine Hoffnung und Mutter, wenn ich in der Hölle wäre, könnte ich dich nicht mehr lieben. Ich liebe dich, ja ich liebe dich, meine Mutter! und vertraue auf dich und hoffe, daß ich nicht mehr aufhören werde, dich und meinen Gott zu lieben. Hilf mir, o bitte Jesum für mich.
Ewigkeit der Hölle
„Und diese werden in die ewige Pein eingehen.“ (Mt 25,46)
1. Punkt
Wäre die Hölle nicht ewig, so wäre sie keine Hölle. Das Leiden, welches nicht lange dauert, ist kein großes Leiden. Diesem Kranken schneidet man ein Geschwür weg, jenem brennt man den Krebs aus: der Schmerz ist zwar groß, jedoch weil er bald aufhört, so ist die Qual nicht übergroß. Wie schmerzlich aber wäre es, wenn dieses Schneiden oder dieses Brennen eine Woche oder einen Monat dauern würde. Ist der Schmerz aber sehr langwierig, so wird er, sei er auch noch so unbedeutend, wie z. B. ein geringes Augenweh oder ein geringer Zahnschmerz, dennoch unerträglich. Was rede ich aber von Schmerzen? Sogar ein lustiges Schauspiel oder ein schönes Musikstück, wenn es zu lange oder wohl gar einen Tag lang währt, würde man aus Überdruß nicht ertragen können. Und wie, wenn es einen Monat, ein Jahr lang anhielte? - Bedenke, wie wird es erst in der Hölle sein, wo man nicht etwa fortwährend das nämliche lustige Schauspiel oder dieselbe schöne Musik hört, wo nicht bloß ein Augen- oder Zahnweh tobt, wo man nicht bloß den Schmerz eines Schnittes oder glühenden Eisens empfindet, sondern wo alle Qualen und Schmerzen zuhause sind? Und wie lange? Durch die ganze Ewigkeit! - Sie werden Tag und Nacht, von Ewigkeit zu Ewigkeit gequält werden. (Offb 20,10)
Diese Ewigkeit ist eine Glaubenswahrheit: es ist nicht etwa eine bloße Meinung, sondern eine uns von Gott in sehr vielen Schriftstellen bezeugte Wahrheit; Weichet von mir, ihr Verfluchten! ins ewige Feuer. (Mt 25,41) Und diese werden in die ewige Pein eingehen. (Mt 46) Sie werden mit dem ewigen Verderben bestraft werden. (2 Thess 1,9) Ein jeder wird mit Feuer gesalzen werden. (Mk 9,48) So wie das Salz dazu dient, die Dinge aufzubewahren, eben so leistet das Feuer der Hölle den Dienst des Salzes, indem es die Verdammten quält und sie zugleich beim Leben erhält. „Dort zehrt das Feuer, sagt der heilige Bernardus, damit es immer erhalte.“ (Medit. cap. 3) Wäre nicht jener töricht zu nennen, der, um sich einen Tag lang unterhalten zu können, sich verurteilen ließe, auf zwanzig oder dreißig Jahre in eine Gruft eingesperrt zu werden? Währte die Hölle nur hundert Jahre, doch was sage ich hundert? dauerte sie nur zwei oder drei Jahre, so wäre es dennoch eine große Torheit, sich eines geringen Vergnügens wegen auf zwei oder drei Jahre zum Feuer verdammen zu lassen. Allein es handelt sich hier nicht um dreißig, nicht um hundert, auch nicht um tausend, noch um zehntausend Jahre; es handelt sich um eine Ewigkeit, es kommt darauf an, auf immer dieselben erschrecklichen Peinen zu leiden, die nie enden, nie einen Augenblick vermindert werden. Fürwahr, recht hatten die Heiligen, wenn sie, so lange sie lebten und somit auch in Gefahr schwebten, verdammt zu werden, weinten und zitterten. Der selige Einsiedler Isaias, obwohl er unter Fasten und Bußwerken in einer Wüste lebte, rief oft unter häufigen Tränen: o mich Armseligen! der ich noch immer in der Gefahr bin, verdammt zu werden. „Wehe mir Armseligen, noch immer bin ich nicht sicher vor dem höllischen Feuer.“
Anmutungen und Bitten
Ach mein Gott! hättest du mich, wie ich es oftmals verdiente, in die Hölle verstoßen, mich aber nochmals durch deine Barmherzigkeit wieder herausgezogen: welch einen großen Dank wäre ich dir dafür schuldig! und welch ein heiliges Leben würde ich alsdann begonnen haben! Und jetzt, da du mich vor diesem Sturze bewahret hast, was will ich tun? Soll ich dich etwa neuerdings beleidigen und zum Zorne reizen, damit du mich wirklich in jenes Gefängnis verstoßest, worin die gegen dich rebellischen Menschen brennen und so viele brennen wegen weit geringeren Sünden, als ich begangen habe? Ach mein Erlöser! so machte ich es vormals: Anstatt die Zeit, die du mir gabst, zur Beweinung meiner Sünden zu benützen, brachte ich sie zu, um dich zu erbittern. Dank deiner unendlichen Güte, daß sie mich so lange erduldete! Wäre sie nicht grenzenlos, wie hätte sie mich so lange ertragen können? Ich danke dir demnach, daß du mich bisher mit so großer Geduld erwartet hast, und zolle dir meinen Dank besonders für das Licht, das du mir jetzt gibst, um meine Torheit zu erkennen und jene Unbilden, die ich dir zufügte, indem ich dich mit so vielen Sünden entehrte. Mein Jesu! ich verfluche und bereue dieselben von ganzem Herzen; vergib mir doch um deines Leidens willen und hilf mir mit deiner Gnade, damit ich dich nicht mehr beleidige. Mit Recht zittere ich jetzt davor, daß du, sofern ich nochmals eine Todsünde beginge, mich verlassen dürftest. Ach mein Herr! ich flehe zu dir: durchdringe mich mit deiner Furcht, besonders dann, wenn der böse Feind mich neuerdings versuchen will, dich zu beleidigen. Mein Gott! ich liebe dich und ich will dich nicht mehr verlieren, hilf mir mit deiner Gnade. — Komm auch du mir zu Hilfe, o allerheiligste Jungfrau Maria! und mache, daß ich in meinen Anfechtungen mich immer zu dir flüchte, um Gott nicht mehr zu verlieren. Maria! du bist meine Hoffnung.
27. Betrachtung
Ewigkeit der Hölle
2. Punkt
Wer einmal in die Hölle kommt, wird in Ewigkeit nicht mehr herauskommen. Dieser Gedanke machte David zittern: Lass mich von der Wasserflut nicht ersäufen, mich von der Untiefe nicht verschlingen, noch den Abgrund über mich schließen. (Ps 68, 16) Ist der Verdammte in diesen Abgrund von Qualen gestürzt, so schließt sich dessen Mündung und wird sich nimmermehr öffnen. In der Hölle gibt es wohl ein Tor zum Eingange, allein keine Pforte zum Ausgange. Hinunter wird man wohl kommen, nicht aber herauf, sagt Eusebius von Emessa, und erklärt die Worte des Psalmisten also: „Laß den Abgrund sich nicht schließen über mich; denn hat dieser sie aufgenommen, so wird er von oben geschlossen und von unten geöffnet werden.“ So lange der Sünder lebt, kann er immer noch Rettung hoffen; wird er aber vom Tode in einer Sünde dahingerafft, so ist für ihn alle Hoffnung verschwunden: Stirbt der Mensch in einer Sünde dahin, so hat er nichts mehr zu hoffen. (Spr 11,7) Ach, könnten sich doch die Verdammten wenigstens mit einer falschen Hoffnung schmeicheln und so in ihrer Verzweiflung einige Erleichterung finden! Dieser arme Verwundete, hingebannt auf sein Bett, ist zwar von den Ärzten aufgegeben; allein er schmeichelt und tröstet sich noch mit den Worten: wer weiß, ob nicht in der Folge ein Arzt oder ein Heilmittel zu finden sei, wodurch ich genese? Jener zum lebenslänglichen Schiffsdienste verurteilte Verbrecher macht sich ebenfalls Hoffnung, indem er sagt: wer weiß, was sich ereignen, was mich von diesen Fesseln erledigen kann? Ach, könnte der Verdammte, sage ich, wenigstens auch so reden: Wer weiß, ob ich nicht eines Tages aus diesem Kerker entkomme? so könnte er mit dieser falschen Hoffnung sich wenigstens täuschen. Doch nein; in der Hölle gibt es weder eine echte, noch eine falsche Hoffnung, es gibt gar keine; auch nicht einmal ein „Vielleicht“. - Ich will es dir vor Augen stellen. (Ps 49) Dem Elenden wird immer sein Verdammungsurteil vor Augen schweben, worin geschrieben steht, daß er für immer in diesem Abgrunde der Qualen zu bleiben habe. Einige werden zum ewigen Leben, andere zur ewigen Schmach aufwachen, die sie immer vor Augen haben werden. (Dan 12,2) Daher leidet der Verdammte nicht nur, was er in jedem Augenblicke wirklich leidet, sondern ihn quält nebstbei auch die Qual der Ewigkeit mit dem Gedanken: was ich jetzt leide, das habe ich ohne Ende zu leiden: „Sie sind mit der Last der Ewigkeit beladen“, sagt Tertullianus. Bitten wir also den Herrn, wie der heilige Augustinus ihn bat! „Herr, hier brenne, hier schneide, hier schone meiner nicht, damit du mich in der Ewigkeit verschonest.“ Die Leiden dieses Lebens vergehen. Deine Pfeile fuhren vorüber, die Stimme deines Donners hat das Rad zerschmettert. (Ps 76,18) Allein die Leiden des andern Lebens enden niemals. Vor diesen Leiden wollen wir uns fürchten; fürchten wollen wir jenen Donner, die Stimme deines Donners im Rade, das heißt, jene Donnerstimme des Urteils zur ewigen Verdammnis, welches bei dem Gerichte aus dem Munde des Richters gegen die Gottlosen erschallen wird: Hinweg von mir, ihr Verfluchten! in das ewige Feuer. Er sagt „im Rade“; das Rad ist ein Sinnbild der Ewigkeit, von welcher man kein Ende findet: Ich habe mein Schwert aus der Scheide gezogen und es soll nicht wieder in die Scheide kommen. (Ez 21,5) Groß wird die Strafe der Hölle sein; allein was uns noch mehr erschrecken muß, ist dies, daß diese Strafe unwiderruflich ist.
Aber wie? wird ein Ungläubiger hier einwenden, wie könnte dies gerecht sein, eine augenblickliche Sünde mit einer ewigen Pein bestrafen wollen? Ich antworte: Wie darf ein Sünder es wagen, einen Gott von unendlicher Herrlichkeit wegen eines elenden augenblicklichen Vergnügens beleidigen zu wollen? Selbst vor dem weltlichen Gerichte, bemerkt der heilige Thomas (1,2. qu. 87. art. 3), mißt man die Strafe nicht nach der Dauer, sondern nach der Art des Vergehens: „Nicht weil die Mordtat in einem Augenblicke begangen wird, wird sie mit augenblicklicher Strafe abgestraft. ...“ Wenig ist eine Hölle für eine Todsünde: für die Beleidigung einer grenzenlosen Majestät gebührt eine grenzenlose Strafe, sagt der heilige Bernardinus von Siena. „Durch jede Todsünde wird Gott eine unendliche Beschimpfung zugefügt: einer unendlichen Unbild aber gebührt eine unendliche Strafe.“ Weil aber, sagt der englische Lehrer, das Geschöpf keiner unendlichen Strafe der inneren Heftigkeit oder Intensität nach fähig ist, so macht Gott gerechterweise, daß dessen Bestrafung in der Ausdehnung oder Dauer unendlich werde.
Überdies muß die Strafe notwendig ewig sein, weil fürs erste der Verdammte für seine Schuld nicht mehr genugtun kann. In diesem Leben kann der Sünder durch die Buße genugtun, insofern er sich der Verdienste Jesu Christi teilhaftig macht. Allein von diesen Verdiensten ist der Verdammte ausgeschlossen; da er also Gott nicht versöhnen kann und seine Sünde ewig währt, so muß auch seine Pein ewig währen. Nimmermehr wird er Gott versöhnen, er wird unaufhörlich leiden. (Ps 48,8,9) Daher sagt Vincentius von Beauvais (lib. 2. pag. 3): Die Schuld muß dort immer bestraft werden, und es wird keine Versöhnung stattfinden können, weil nach dem Zeugnisse des heiligen Antonius der Sünder dort nicht bereuen kann; und deshalb wird der Zorn des Herrn über ihn nimmer getilgt: Ein Volk, über das der Herr ewig erzürnt ist. (Mal 1,4) Zudem verlangt der Sünder, gesetzt auch, daß ihm Gott verzeihen wollte, keine Verzeihung, weil sein Wille verhärtet und im Hasse gegen Gott verstockt ist. Innocentius III. sagt: „Die Verworfenen werden sich nicht demütigen, sondern die Bosheit des Hasses wird in ihnen erstarren.“ Und der heilige Hieronymus: „Unersättlich sind sie im Verlangen zu sündigen.“ (In Spr 27) Und deshalb ist fürwahr die Wunde des Verdammten unheilbar, weil er selbst durchaus nicht genesen will. Sein Schmerz währt immerdar und seine Wunde will er nicht heilen lassen. (Jer 15,18)
Anmutungen und Bitten
Ach, o mein Erlöser! Also würde ich dich, meinen Gott, der du für mich gestorben bist, hartnäckig hassen, wenn ich in der Hölle wäre, die ich oftmals verdient habe! O Gott! und welche Hölle wäre dies für mich, dich hassen, der du mich so sehr geliebt, und in dir selbst das endlose, unendlich liebenswürdige Gut bist! Wäre ich jetzt in der Hölle, so befände ich mich demnach in einem so unglücklichen Zustande, daß ich nicht einmal Vergebung verlangen würde, die du mir doch jetzt gnädig anbietest? Mein Jesu! ich danke dir für diese unverdiente Barmherzigkeit, und da ich jetzt Verzeihung erhalten kann, so will ich dich lieben. Du bietest mir die Vergebung an, und ich bitte dich darum und hoffe sie auch durch deine Verdienste. Ich bereue alle Beleidigungen, die ich dir, o unendliche Güte! zugefügt habe, und ich hoffe, du verzeihest mir. Ich liebe dich mit ganzer Seele. Ach Herr! Und was hast du mir denn Übles getan, daß ich dich für immer als meinen Feind hassen sollte? Welchen besseren Freund hatte ich je, der das für mich tat und litt, was du, o mein Jesus! für mich getan und gelitten hast? Ach laß mich nicht mehr in deine Ungnade fallen, und deine Liebe verlieren: laß mich sterben, ehe mir dies allergrößte Unglück begegnet. - O Maria! verberge mich ganz unter deinem Schutzmantel und laß mich davon nicht entweichen, um mich gegen Gott und dich abermals zu empören.
27. Betrachtung
Ewigkeit der Hölle
3. Punkt
Die Sünder fürchten in diesem Leben den Tod am meisten, in der Hölle aber wird er ihr sehnlichster Wunsch sein. Die Menschen werden den Tod suchen und ihn nicht finden; sie werden zu sterben verlangen, und der Tod wird vor ihnen fliehen. (Offb 9,6) Daher schrieb der heilige Hieronymus: „O wie süß wärest du denen, welchen du so bitter warst!“ (Ap. S. Ben. Sohl.) David sagt, der Tod werde an den Verdammten sich weiden: Der Tod wird sie verzeihen. (Ps 48,15) Der heilige Bernardus erklärt dies und sagt: „Gleichwie die Ziege auf der Weide an den Gesträuchern das Laub frißt, die Wurzeln aber stehen läßt, ebenso weide der Tod sich an den Verdammten; jeden Augenblick töte er sie zwar, doch lasse er ihnen das Leben, um sie fortwährend durch die ewige Pein in Ewigkeit zu töten: Sowie die Tiere das Gras abweiden, die Wurzeln aber zurückbleiben, so werden die Elenden in der Hölle vom Tode verzehrt, aber stets zu neuen Peinen aufbewahrt.“ Demnach behauptet der heilige Gregorius, sterbe der Verdammte jeden Augenblick, ohne jedoch jemals zu sterben: „Den rächenden Flammen preisgegeben, wird er stetsfort sterben.“ (Lib. Mor. cap. 12) Jedermann trägt Mitleid mit einem Menschen, der von Größe des Schmerzes dahinstirbt. Hätte der Verdammte nur einen einzigen, der ihn bemitleidete! Aber nein, der Elende stirbt alle Augenblicke vor Schmerz und hat niemand und wird nie jemand haben, der mit ihm Mitleid trüge. Der Kaiser Zeno, in einem Grabe eingeschlossen, rief unaufhörlich: „Tuet mir doch um Himmels willen auf!“ Er wurde aber nicht erhört und man fand ihn in Verzweiflung verstorben und sogar das Fleisch an seinen Armen von den Zähnen zerfleischt. Die Verdammten schreien aus dem Abgrunde der Hölle, sagt der heilige Cyrillus von Alexandria, allein niemand kommt, um sie frei zu machen, und kein Mensch trägt Erbarmen mit ihnen. „Sie jammern, und niemand befreit sie; sie weinen, und niemand hegt Mitleid.“
Und wie lange wird dies ihr Unglück dauern? Immer und ewig! In den geistlichen Übungen des P. Segneri des Jüngern, die Muratori geschrieben hat, wird erzählt: Zu Rom sei der Teufel, als er in dem Leibe eines Besessenen hauste, gefragt worden, wie lange er in der Hölle bleiben müßte. Wütend gab er zur Antwort, indem er mit der Hand jenes Menschen auf einen Stuhl schlug: „Immer, immer!“ Das Entsetzen der Umstehenden war so groß, daß viele Jünglinge des römischen Seminariums, die sich dabei befanden, eine allgemeine Lebensbeichte ablegten und in Folge dieser großen Predigt von zwei Worten ihr Leben änderten. - Der arme Judas! Es sind nun mehr als achtzehnhundert Jahre verflossen, seitdem er in der Hölle brennt, und doch ist seine Hölle noch wie im Beginn. Armer Kain! Er schmachtet über fünftausendachthundert Jahre schon im Feuer, und seine Hölle ist noch wie im Beginn. Ein anderer Teufel wurde gefragt, wie lange es schon sei, seit seinem Sturz in die Hölle? Seit gestern! Wie, seit gestern? entgegnete man. Wie ist das möglich, da du doch schon über fünftausendachthundert Jahre verdammt bist? Er erwiderte abermals: Seit gestern! - O wüßtest du, was das Wort „Ewigkeit“ sagen wolle, du würdest dann begreifen, daß tausend Jahre in Bezug auf sie nicht mehr als ein Augenblick seien. Würde ein Engel zu einem Verdammten sagen: Du wirst aus der Hölle herauskommen nach Verlauf von so vielen Jahrhunderten, als es Tropfen im Wasser, als es Blätter auf den Bäumen und als es Sandkörner im Meere gibt, so hätte der Verdammte eine größere Freude, als ein Bettler bei der Nachricht, er sei König geworden. Und fürwahr! denn alle diese Jahrhunderte werden vorübergehen und sich unendliche Male wiederholen, und die Hölle wird dennoch immer wieder wie von vorne beginnen. Jeder Verdammte würde mit Gott diesen Vertrag schließen: Herr! vergrößere meine Qual, so viel du nur willst, laß sie so lange dauern, als es dir gefällig ist; nur bestimme eine gewisse Zeit, und ich bin zufrieden. Doch nein, es wird keine Zeit mehr sein; die Posaune der göttlichen Gerechtigkeit wird in der Hölle nicht anders ertönen als: „Immer, nimmer! — immer, nimmer!“ Die Verdammten werden die Teufel fragen: Hüter! wie spät in der Nacht? (Jes 21) Wie weit ist es in der Nacht? Wann endet sie? Wann hören diese Posaunen, dies Geschrei, dieser Gestank, diese Flammen, diese Qualen endlich auf? Und sie bekommen zur Antwort: Nimmer, nimmer! Und wie lange werden sie dauern? Immer, immer! — Ach Herr! erleuchte doch jene Verblendeten, welche denen, die sie bitten, sich nicht selbst zu verdammen, entgegnen: Je nun, wenn ich in die Hölle fahre, muß ich's ertragen und leiden. O Gott! Sie, die nicht einmal ein wenig Kälte ertragen, die es nicht aushalten, in einem zu warmen Zimmer länger zu verweilen, die bei jedem kleinen Anstoß oder Mißhandlung die Geduld verlieren — diese wollen es aushalten, dann in einem Feuermeere zu wohnen, unter die Füße der Teufel getreten zu werden, und verlassen von Gott und allen! — durch die ganze Ewigkeit!
Anmutungen und Bitten
Ach, Vater der Erbarmungen! Du verläßt den nicht, der dich sucht! Du, o Herr! hast diejenigen nicht verlassen, die dich gesucht haben. (Ps 9,11) Ich habe dir vorher so oft den Rücken gekehrt und du hast dennoch mich nicht verlassen; du verlassest mich auch jetzt nicht, da ich dich suche. Es reuet mich, o höchstes Gut! deine Gnade so wenig geachtet zu haben, daß ich sie für eitel Nichts dahingab. Sieh auf die Wunden deines Sohnes, erhöre seine Stimme, die dich um Verzeihung bittet, und vergib mir! Und du, o mein Erlöser! erinnere mich immer an die Leiden, welche du für mich gelitten hast; an die Liebe, die du zu mir getragen hast, und an die Undankbarkeit, womit ich dir bezahlte und dadurch die Hölle verdiente, damit ich stets das Unrecht, das ich dir antat, beweinen und immer von Liebe zu dir erfüllt leben möge. Ach, mein Jesus! wie sollte ich nicht von Liebe zu dir brennen, wenn ich bedenke, daß ich schon seit so vielen Jahren und dann in alle Ewigkeit in der Hölle brennen sollte, und wenn ich bedenke, daß du starbst, um mich zu befreien, um mich mit so großer Liebe davor zu bewahren? Wäre ich jetzt in der Hölle, so würde ich dich hassen und auf immer hassen; aber nun liebe ich dich und immer will ich dich lieben! Dies hoffe ich von deinem Blute. Du liebst mich und ich liebe dich ebenfalls. Du wirst mich stets lieben, wenn ich dich nicht verlasse. Ach mein Erretter! bewahre mich vor dem Verderben und tue dann mit mir, was du immer willst. Ich verdiene jede Strafe und nehme sie auch an, auf daß du mich vor jener Strafe bewahren wollest, einer Liebe beraubt zu werden. — O Maria, meine Zuflucht! wie oft verdammte ich mich selbst zur Hölle, und du hast mich davon errettet! Ach, mache mich doch von der Sünde los, die allein mich der Gnade Gottes berauben und in die Hölle bringen kann.
Gewissensbisse der Verdammten
„Ihr Wurm stirbt nicht.“ (Mk 9,47)
1. Punkt
Unter diesem Wurme, der nicht stirbt, versteht man nach Erklärung des heiligen Thomas die Gewissensbisse, wovon der Verdammte in der Hölle ewig geplagt werden wird. Mit mannigfachen Bissen wird das Gewissen am Herzen des Bösen nagen; allein drei werden am meisten ihn peinigen: der Gedanke an das Geringfügige und die Kürze der Lust, weswegen sie sich verdammten; der Gedanke an das Wenige, was sie hätten tun sollen, um selig zu werden; und endlich der Gedanke an das große Gut, dessen sie verlustig werden. Der erste Gewissensbiß also, den der Verdammte leiden muß, wird sein: der Gedanke, für wie weniges er zu Grunde gegangen sei. Nachdem Esau jenes Linsengericht gegessen hatte, um das er seine Erstgeburt verkauft hatte, fing er, sagt die Schrift, vor Schmerz und Reue zu heulen an: Er brüllte und schrie laut auf. (Gen 27,34) O, in welch ein lautes Geheul und Gebrüll wird erst der Verdammte ausbrechen, wenn er bedenkt, daß er wegen der Befriedigung von wenigen augenblicklichen und vergifteten Gelüsten ein ewiges Reich von Freuden verloren habe, wenn er sieht, daß er auf ewig zu einem fortwährenden Tode sich verdammt sehen muß? Weit bitterer wird er weinen, als Jonathas weinte, da er von Saul, seinem Vater, zum Tode sich verurteilt sah, weil er nur ein wenig Honig aß: Ich kostete ein wenig Honig, und siehe, deswegen soll ich sterben! (1. Kön 14,43) O Gott! welche bittere Vorwürfe wird der Verdammte sich machen, wenn er die Ursache seiner Verdammung sieht? Wie erscheint uns gegenwärtig unser vergangenes Leben? Wie ein Traum, wie ein Augenblick. Wie werden erst jenem, der da in der Hölle brennt, jene fünfzig Jahre, die er auf dieser Welt lebte, vorkommen, wenn er in der Tiefe der bodenlosen Ewigkeit sich befinden wird, wo schon hunderttausend Millionen von Jahren vergangen sein werden, und er sehen wird, daß seine Ewigkeit alsdann erst beginne? Doch was sage ich, fünfzig Lebensjahre? Waren denn diese fünfzig Jahre etwa alle voll Freuden? Wie? erfreut sich der Sünder, der ohne Gott lebt, etwa stets fort über seine Sünden? Wie lange währen denn die Freuden der Sünde? Einige wenige Augenblicke, und die ganze übrige Zeit ist für einen, der in Gottes Ungnade lebte, eine Zeit von Peinen und Qualen! Wie werden nun dem armen Verdammten jene Augenblicke vorkommen? Und wie wird ihm vorzüglich diese eine und letzte Sünde, die er begangen hat, erscheinen, wegen welcher er zu Grunde gegangen ist. Wegen eines elenden viehischen Genusses also, der einen Augenblick lang dauerte, und kaum genossen, wie der Wind vorübereilte, werde ich, wird er sagen, in diesem Feuer sein und brennen müssen, voll Verzweiflung, und verlassen von allen, so lange Gott Gott sein wird, in alle Ewigkeit!
Anmutungen und Bitten
Herr, erleuchte mich, damit ich die Ungerechtigkeit erkenne, die ich gegen dich verübte, indem ich dich beleidigte, und die ewige Strafe, welche ich mir dadurch zuzog. Mein Gott! ich empfinde einen heftigen Schmerz, daß ich dich beleidigte, doch dieser Schmerz tröstet mich; hättest du mich, wie ich es wohl verdiente, in die Hölle verstoßen, so wäre dieser Gewissensbiß die Hölle meiner Hölle; wenn ich bedächte, wegen welcher Kleinigkeit ich mich verdammte; jetzt aber verursacht mir, sage ich, dieser Gewissensbiß Trost, indem er mir Mut gibt, von dir Verzeihung zu hoffen, da du jenem zu verzeihen versprachst, der Reue hat. Ja, mein Herr, es reuet mich, dich beschimpft zu haben, ich nehme diesen süßen Schmerz an, ja, ich bitte dich sogar, ihn zu vergrößern, und bis zum Tode mir ihn zu lassen, damit ich immer die dir zugefügten Unbilden bitter beweine. Mein Jesu, vergib mir! O mein Erlöser! der du, um dich meiner erbarmen zu können, deiner selbst nicht schontest, indem du dich dazu verurteiltest, vor Schmerz zu sterben, um von der Hölle mich zu bewahren, erbarme dich doch meiner! Mach also, daß der Gewissensbiß über meine Sünden beständig mich quäle, und mich zugleich zur Liebe gegen dich ganz entflamme; der du mich so sehr liebtest, und mit so großer Geduld ertrugst, und nun, anstatt mich zu bestrafen, mich mit Erleuchtungen und Gnaden bereicherst. Ich danke dir dafür, mein Jesu, und ich liebe dich; ja, ich liebe dich mehr, als mich selbst, ich habe dich von ganzem Herzen lieb. Du kannst ja jenen nicht verschmähen, der dich liebt. Ich liebe dich, verstoße mich nicht von deinem Angesichte. Nimm mich wieder auf in deine Gnade, und lasse mich dich nicht mehr verlieren. — Maria, meine Mutter, nimm mich zu deinem Diener auf, und vereinige mich mit Jesu, deinem Sohne. Bitte ihn, er möchte mir doch verzeihen, und mir seine Liebe und die Gnade der Beharrlichkeit bis ans Ende verleihen.
28. Betrachtung
Gewissensbisse der Verdammten
2. Punkt
Der heilige Thomas lehrt, der größte peinliche Vorwurf der Verdammten werde darin bestehen, daß sie nun einsehen, wie sie wegen eines eitlen Nichts sich in den Abgrund stürzten, und wie leicht sie dagegen die himmlische Herrlichkeit hätten erwerben können, wenn sie nur gewollt hätten. „Es wird sie vorzüglich schmerzen, daß sie wegen eines Nichts verdammt wurden, und das ewige Leben gar leicht hätten erlangen können.“ Der zweite Gewissensbiß wird also darin bestehen, daß sie an das Wenige denken, womit sie sich hätten retten können. Dem heiligen Humbertus erschien ein Verdammter und sagte zu ihm: Der größte Schmerz, der in der Hölle ihn plagte, wäre gerade der Gedanke an das Wenige, weswegen er verdammt wurde, und an das Wenige, das er zu tun gehabt hätte, um selig zu werden. Der Elende wird also sagen: Hätte ich mir doch den Anblick dieses Gegenstandes versagt, hätte ich nur diese Menschenfurcht besiegt; hätte ich diese Gelegenheit geflohen, diesen Gefährten, diesen Umgang, so wäre ich nicht verdammt worden. Hätte ich doch wöchentlich gebeichtet; hätte ich die Kongregation und die geistlichen Vereine fleißig besucht, täglich dieses oder jenes Buch gelesen; hätte ich mich Jesu Christo und Maria anempfohlen, so wäre ich nicht wieder gefallen. So oft nahm ich mir vor, es zu tun, allein ich tat es nicht oder ich fing es an zu tun, und unterließ es dann wieder - und darum bin ich zu Grunde gegangen.
Die Qualen dieses Vorwurfes werden vergrößert durch die Erinnerung an die Beispiele, die er an seinen übrigen guten Freunden und Gefährten gehabt, und noch mehr an die Gaben, die ihm Gott zu seiner Heiligung verliehen hatte; und zwar natürliche Gaben, als: gute Gesundheit, Glücksgüter, Anlagen, die ihm Gott gegeben hatte, um sie gut anzuwenden und heilig zu werden; und übernatürliche oder Gaben der Gnade, als: so viele Erleuchtungen, Einsprechungen, Ermahnungen, Aufforderungen und so viele zur Verbesserung des verübten Bösen verliehene Jahre; nun aber muß er einsehen, daß in seinem jämmerlichen Zustande, in den er geraten ist, keine Zeit mehr zur Abhilfe sei. Er wird hören, was der Engel des Herrn mit einem Schwure beteuernd ausruft: Und der Engel, den ich stehen sah, schwur bei dem, der da von Ewigkeit zu Ewigkeit lebt, daß keine Zeit mehr sein werde. (Offb 10,5,6)
O wie grausam werden alle diese erhaltenen Gnaden gleich Dolchstichen das Herz des Verdammten durchbohren, wenn er sehen wird, daß nun die Zeit vorüber sei, wo seinem ewigen Verderben hätte abgeholfen werden können! Heulend, gleich den übrigen verzweifelten Genossen, wird er jammern: Die Ernte ist vorüber, der Sommer hat ein Ende, und wir sind nicht errettet worden. (Jer 8,20) Er wird sagen: O hätte ich mir doch jene Mühe für Gott gegeben, welche ich anwendete, um verdammt zu werden! ich wäre ein großer Heiliger geworden; jetzt aber habe ich davon nichts als Gewissensbisse und eine Pein, die mich in Ewigkeit quälen wird! — Ach, dieser Gedanke wird den Verdammten mehr peinigen, als das Feuer und alle übrigen Qualen der Hölle, indem er zu sich selber sagen muß: Ich hätte für immer können glücklich werden, und nun bin ich unglücklich — für immer!
Anmutungen und Bitten
Ach, mein Jesu! Wie konntest du mich so lange ertragen? Ich kehrte dir oftmals den Rücken zu, du aber unterließest dennoch nicht, mir nachzugehen. Ich habe dich so oft beleidigt, und du hast mir verziehen; ich beleidigte dich zu wiederholten Malen, und du vergabst mir auf ein neues. Ach, laß mich teilnehmen an jenem Schmerze, den du im Garten Gethsemani über meine Sünden getragen und dadurch einen blutigen Schweiß vergossen hast. Es reuet mich, mein lieber Erlöser, deine Liebe so schlecht vergolten zu haben. O ihr, meine verfluchten Vergnügungen, ich verabscheue und verfluche euch; ihr brachtet mich um die Gnade meines Herrn. Mein geliebter Jesu! jetzt liebe ich dich über alles; ich entsage allen verbotenen Gelüsten und will lieber sterben, als dich wieder beleidigen. Ach, um jener Liebe willen, womit du mich am Kreuze geliebt und dein göttliches Leben für mich aufgeopfert hast, gib mir Licht und Stärke, den Versuchungen zu widerstehen und bei dir Hilfe in meinen Anfechtungen zu suchen! — O Maria, meine Hoffnung! du vermagst alles bei Gott; erflehe mir die heilige Beharrlichkeit, erlange mir, daß ich mich nicht mehr von seiner heiligen Liebe trenne.
28. Betrachtung
Gewissensbisse der Verdammten
3. Punkt
Der dritte Gewissensbiß des Verdammten wird die Erkenntnis des großen Gutes sein, das er verloren hat. Der heilige Johannes Chrysostomus sagt, die Verdammten werden mehr wegen des Verlustes des Himmels gequält, als selbst durch die ärgsten Peinen der Hölle. Mehr werden sie wegen des Himmels, als der Hölle wegen gepeiniget werden. Die unglückliche Königin Elisabeth, Königin von England, sprach: Gott gestatte mir vierzig Jahre zur Regierung, so leiste ich ihm Verzicht auf seinen Himmel. Die Elende erhielt wirklich zur Regierung vierzig Jahre; allein was wird sie nun sagen, da sie bereits diese Welt verlassen hat? Gewiß ist sie nicht mehr so gesinnt. O, wie betrübt und voll Verzweiflung wird sie jetzt sein, wenn sie bedenkt, daß sie wegen vierzig Jahre eines irdisehen Reiches zwischen Furcht und Angst nun das Reich des Himmels auf ewig verloren hat!
Es wird aber den Verdammten in der Ewigkeit dies am meisten betrüben, daß er einsieht, er habe den Himmel und das höchste Gut, welches Gott ist, nicht etwa durch widriges Schicksal oder aus Mißgunst eines anderen, sondern aus eigener Schuld verloren. Er wird einsehen, daß er für den Himmel geschaffen wurde; er wird einsehen, daß Gott ihm die Wahl ließ, das ewige Leben oder den ewigen Tod sich zu erwerben: Vor dem Menschen ist Leben und Tod, und was ihm gefällt, wird ihm gegeben werden. (Eccl 15,18) Er wird also einsehen, daß es in seiner Macht gestanden habe, ewig glücklich zu werden, wenn er anders gewollt hätte; und er wird einsehen, daß er sich in diesen Abgrund von Qualen hat stürzen wollen, aus dem er nie wird herauskommen können, und aus dem ihn auch niemand zu befreien suchen wird. Er wird ferner so viele aus seinen Gefährten selig sehen, die in den nämlichen und vielleicht in noch größeren Gefahren zu sündigen waren, die aber dennoch selig geworden sind, weil sie sich zu enthalten wußten, indem sie sich Gott anempfahlen, oder, wenn sie jemals gefallen sind, sogleich sich zu erheben und Gott zu ergeben verstanden; er aber, weil er des Sündigens kein Ende machen wollte, ist unglückselig in die Hölle gekommen, um dort unterzugehen in einem Meere von Qualen, ohne alle Hoffnung irgend einer Hilfe.
Mein Bruder, warst du etwa vorher ebenfalls so töricht, das Paradies und Gott eines elenden Vergnügens wegen zu verlieren, so verbessere nun alsbald deinen Fehler, da es Zeit ist. Fahre nicht fort, töricht zu sein, und zittere, daß du nicht etwa deine Torheit in Ewigkeit beweinen müssest. Wer weiß, ob diese Betrachtung, die du liesest, nicht der letzte Zuruf Gottes an dich ist? Wer weiß, wenn du nicht jetzt das Leben änderst, wenn du noch eine Sünde begehest, ob dich Gott nicht verlasse und dich in die Hölle verstoße, damit du ewig unter jener Schar von Toren leidest, die jetzt in der Hölle sind und ihren Irrtum zwar bekennen: „Also haben wir geirrt!“ - aber sie bekennen aus Verzweiflung, indem für ihren Fehler keine Abhilfe mehr stattfindet. Wenn dich der Teufel neuerdings zur Sünde anreizt, erinnere dich an die Hölle, fliehe zu Gott und zur allerseligsten Jungfrau; gedenke ernstlich an die Hölle, und dieser Gedanke wird dich vor der Hölle bewahren: Gedenke an deine letzten Dinge und du wirst in Ewigkeit nicht sündigen (Eccl 7,14), denn der Gedanke an die Hölle wird dich antreiben, bei Gott Hilfe zu suchen.
Anmutungen und Bitten
Ach, mein höchstes Gut, wie oft habe ich dich wegen eines eitlen Nichts verloren und verdient, auf ewig zu Grunde zu gehen! Doch ich tröste mich, da ich höre, was dein Prophet sagt: Das Herz derjenigen, die den Herrn suchen, soll sich erfreuen. (Ps 104,3) Ich darf also die Hoffnung nicht aufgeben, dich, meinen Gott, wieder zu finden, wenn ich dich nur von Herzen suche. Ja, mein süßester Herr! nun sehne ich mich nach deiner Gnade mehr, als nach jedem anderen Gute. Gern will ich alles, auch das Leben verlieren, ehe ich mich wieder deiner Liebe beraubt sehen sollte. Ich liebe dich, mein Schöpfer, über alles, und weil ich dich liebe, so reuet es mich, dich beleidiget zu haben. Du, o mein Gott, den ich verloren und verachtet habe, verzeihe mir sogleich und laß dich wieder von mir finden, denn nimmermehr will ich dich verlieren. Nimmst du mich neuerdings in deine Freundschaft auf, so will ich alles verlassen und meine Liebe nur dir allein zuwenden; also hoffe ich von deiner Barmherzigkeit. Ewiger Vater, erhöre mich Jesu Christo zu Liebe; vergib mir und verleihe mir die Gnade, nicht mehr von dir zu scheiden; denn wenn ich dich abermals freiwillig verlieren sollte, so habe ich die Ursache, zu befürchten, von dir gänzlich verlassen zu werden. — O Maria, o Mittlerin der Sünder! laß mich mit Gott Frieden schließen; und halte mich dann fest unter deinem Schutzmantel, damit ich dich ja nicht mehr verliere.
Von dem Himmel
„Eure Traurigkeit wird in Freude verwandelt werden.“ (Joh 16,20)
1. Punkt
Streben wir, mit Geduld die Trübsale dieses Lebens zu ertragen, indem wir sie Gott für die Leiden aufopfern, die Jesus Christus aus Liebe zu uns ausgestanden hat, und machen wir uns Mut und Hoffnung auf den Himmel. Alle unsere gegenwärtigen Ängste, Schmerzen, Verfolgungen, Besorgnisse werden ein Ende haben und uns, wenn wir das Heil erlangen, zur Quelle der Freuden und Wonne werden im Reiche der Seligen. So ermuntert uns der Herr: Eure Traurigkeit wird in Freude verwandelt werden.(Joh 16,20) Betrachten wir also heute etwas von dem Himmel. Doch, was wollen wir von diesem Himmel sagen, da nicht einmal die aufs höchste erleuchteten Heiligen die Wonne uns begreiflich machen konnten, welche Gott seinen treuen Dienern vorbehält? David wußte davon nichts anderes zu sagen, als daß das Paradies ein überaus wünschenswürdiges Gut sei. Wie lieblich sind deine Wohnungen, o Herr der Heerscharen! (Ps 83,2) Aber, o heiliger Paulus! sage du uns doch etwas von dem, was du sähest, als du das Glück hattest, entzückt zu werden und das Paradies zu schauen; sage uns wenigstens nur einiges von dem, was du sähest. Nein, sagt der Apostel, es ist nicht möglich, zu erklären, was ich sah. Die himmlischen Freuden sind verborgene Worte, die kein Mensch aussprechen darf. (2 Kor 12,4) Sie sind so groß, daß man sie nicht erklären kann; nur genießen kann man sie. Ich kann euch nur so viel sagen, sprach der Apostel: Kein Auge hat es gesehen, kein Ohr hat es gehört, in keines Menschen Herz ist es gekommen, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben. (1 Kor 2,9) Kein Mensch auf Erden sah, hörte oder begriff die Schönheiten, die Eintracht, die Freuden, welche Gott jenen vorbereitet hat, die ihn lieben.
Gegenwärtig können wir die himmlischen Güter nicht begreifen, indem wir von ihnen keine Begriffe haben, sondern nur von den Gütern dieser Welt. Könnten die Pferde reden und wüßten sie, daß ihr Herr zu seiner Vermählung ein großes Gastmahl vorbereitet habe, gewiß würden sie sich einbilden, das Mahl würde in nichts anderem bestehen, als in gutem Heu, gutem Hafer und Gerste; denn die Pferde haben ja von einer anderen Nahrung keinen Begriff. Wir denken von den Gütern dieses Paradieses auf ähnliche Weise. Wir denken z.B., es ist schön, in einer Sommernacht den gestirnten Himmel zu betrachten; eine große Wonne ist es, im Frühlinge an einer Seeküste zu sein und im Meere bei großer Stille, die mit Gras bekleideten Felsen und die hin und her schießenden Fische aufhüpfen zu sehen; sehr ergötzlich ist es, sich in einem Garten zu befinden, der mit Früchten und Blumen prangt, und den frische Quellen durchfließen und der Gesang der Vögel belebt. O, ein Paradies! wird mancher sagen, o welch ein Paradies! Bei weitem anders aber sind die Güter des Himmels! Um nur von ferne etwas vom Himmel zu begreifen, stelle man sich vor, es sei der Wohnsitz eines allmächtigen Gottes, eines Gottes, der sich bestrebt, den Seelen, die er liebt, Freude zu bereiten! Der heilige Bernardus fragt: Willst du wissen, was es im Himmel gebe? Nichts ist da vorhanden, was du nicht willst; Alles ist da, was du verlangst. „Dort gibt es nichts, was mißfällt, und alles ist dort, was wohlgefällt.“
O Gott! Was wird die Seele beim Eintritte in dieses Land der Glückseligkeit sagen? Bilden wir uns ein, es sterbe dieses Jungfräulein oder jener Jüngling, welcher der Liebe Jesu Christi sich geweihet hatte und nun, nachdem der Tod gekommen ist, diese Welt verläßt. Die Seele steht vor dem Gerichte; der Richter umarmt sie und erklärt ihr, sie sei selig. Da kommt ihr nun ihr heiliger Schutzengel voll Freundlichkeit und Wonne entgegen; sie dankt ihm für den geleisteten Beistand und der Engel spricht sodann zu ihr: Wohlan nun, meine schöne Seele, sei nur recht fröhlich, du bist ja selig; komm, das Angesicht deines Herrn zu schauen. Und sieh; schon eilt die Seele durch die Wolken, durch die Sphären und Sterne in den Himmel ein. O Gott! Was wird sie sagen, wenn sie das erste Mal in dies glückselige Vaterland tritt und den ersten Blick auf diese wonnenreiche Stadt wirft? Die Engel und Heiligen werden ihr entgegen kommen und jubelnd sie bewillkommen; welche Freude wird sie alsdann haben, wenn ihre Verwandten, die da schon früher in den Himmel gekommen sind, und ihre Schutzheiligen ihr entgegenkommen? Sie wird auf die Knie sinken wollen, um ihnen ihre Ehrfurcht zu bezeigen; allein diese Heiligen werden zu ihr rufen: Hüte dich, dies zu tun, denn ich bin ja dein Mitdiener. (Offb 22,9) Hierauf wird man sie hinführen, der allerseligsten Jungfrau Maria, als der Königin des Himmels, die Füße zu küssen. Welch zärtliche Liebe wird die Seele fühlen, wenn sie das erste Mal diese göttliche Mutter kennen lernt, die so große Hilfe geleistet, um sie selig zu machen; denn alsdann wird die Seele alle Gnaden erkennen, welche sie von Maria erhalten hatte, und nun wird sie sich in ihren liebevollen Armen geliebkost sehen! Hierauf wird die Seele von der Himmelskönigin selbst zu Jesus geführt werden, der sie wie eine Braut empfangen und zu ihr sprechen wird: Komme von dem Libanus, meine Braut, komme, du wirst gekrönt werden. (Hld 4,8) Sei nun fröhlich, meine Braut; vorbei sind die Tränen, die Leiden und Besorgnisse, empfange die ewige Krone, die ich durch mein Blut dir erworben habe. Sonach wird Jesus selbst zum Empfange des Segens zu seinem göttlichen Vater sie führen, der sie umarmen, segnen und zu ihr sagen wird: Gehe ein in die Freuden des Herrn. (Mt 25,21) Und mit der nämlichen Glückseligkeit wird er sie beglücken, die er da selbst genießt.^
Anmutungen und Bitten
Siehe, o mein Gott! einen Undankbaren zu deinen Füßen. Du hattest ihn zwar für den Himmel erschaffen; allein er hat dir, elender Vergnügungen wegen oftmals ins Angesicht widerstrebt und lieber zur Hölle verdammt werden wollen. Doch, ich hoffe, du habest mir schon alle diese dir zugefügten Unbilden verziehen, die ich immer neuerdings bereuen, und bis zum Tode bereuen will, indem ich zugleich verlange, daß du sie immer wieder von neuem verzeihest. Aber o Gott! Wenn du mir auch Verzeihung gewährtest, so wird es doch immer wahr bleiben, daß ich mich erkühnte, dich, meinen Erlöser zu betrüben, der du dein Leben für mich geopfert hast, um mich in dein Reich aufnehmen zu können. Deine Barmherzigkeit, o mein Jesu! sei immerdar gelobt und gepriesen! denn mit übergroßer Geduld hast du mich ertragen, und anstatt mich zu strafen, hast du deine Gnaden, Erleuchtungen und Mahnungen noch vermehrt. Ich sehe, mein lieber Heiland, du willst mich wahrhaftig selig machen und in deinem Vaterlande haben, damit ich ewig dich liebe, du willst aber, daß ich vorher auf dieser Welt dich liebe. Nun wohlan, ich verlange dich zu lieben. Gebe es auch kein Paradies, so wollte ich dich dennoch, so lange ich lebe, aus allen Kräften lieben. Es genügt mir zu wissen, daß du, mein Gott, verlangst, von mir geliebt zu werden. Mein Jesu! Hilf mir mit deiner Gnade, verlaß mich nicht. Meine Seele ist ewig; darum werde ich entweder ewig dich lieben oder ewig dich hassen. Ach, ich begehre in Ewigkeit dich zu lieben und will dich in diesem Leben recht lieb haben, um dir im andern mit heißester Liebe zugetan zu sein! Verfüge mit mir, wie du willst, nur deiner Liebe beraube mich nicht und tue dann mit mir, was dir gefällt. Mein Jesu! deine Verdienste sind meine Hoffnung. — O Maria! auf deine Fürbitte vertraue ich ganz und gar. Du bewahrtest mich vor der Hölle, als ich in Sünden war, jetzt da ich nach Gott mich sehne, wirst du mich um so eher selig und heilig machen.
29. Betrachtung
Von dem Himmel
2. Punkt
Nachdem die Seele in die Glückseligkeit Gottes eingegangen ist, wird es nichts mehr geben, was ihr zuwider wäre oder was sie betrüben könnte. Gott wird alle Tränen von ihren Augen wischen und der Tod wird nicht mehr sein; es wird weder Traurigkeit, noch Geschrei, noch Schmerzen hinfort sein; denn was zuvor war, ist vergangen. Und der auf dem Throne saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu. (Offb 21,4,5)
Im Himmel drückt keine Krankheit, keine Armut, keine Beschwerde mehr: es wechseln nicht mehr Tage und Nächte, stets heiterer Tag, ein beständiger, immer wonnevoller Frühling. Dort wütet keine Verfolgung und kein Neid mehr: in jenem Reiche der Liebe lieben sich alle gar zärtlich und jeder erfreut sich an dem Wohlsein des andern, als wäre es sein eigenes. Dort beugt keine Furcht mehr darnieder, denn nimmermehr kann die in der Gnade befestigte Seele sündigen und ihren Gott verlieren. Siehe, ich mache alles neu. Alles ist neu und alles erfreut und sättigt sie; Alles ist dort, was sie nur will. Sie wird nach Herzenslust dort jene vollkommen schöne Stadt beschauen können, die Stadt von vollkommener Schönheit. (Thren 2,15) Welch eine Wonne wäre es, eine Stadt zu sehen, wo das Pflaster der Wege von Kristall, die Paläste von Silber mit goldenen Dächern und alles mit Blumenkränzen geziert wäre. O, wie bei weitem schöner noch wird die himmlische Stadt sein! Welchen Anblick werden die Bürger dieser Stadt gewähren, die da alle königliche Kleider tragen, weil sie alle Könige sind: „So viele Bürger, eben so viele Könige.“ Wie erst wird Maria anzusehen sein, die schöner noch, als der ganze Himmel erglänzen wird! Wie endlich wird das göttliche Lamm, der Bräutigam Jesus anzuschauen sein? Kaum hatte die heilige Theresia eine Hand von Jesus Christus gesehen, so erstummte sie, ob so großer Schönheit. Der Geruch wird durch jene lieblichen Düfte befriedigt werden, welche ganz himmlische Wohlgerüche sind, und das Gehör mit himmlischem Wohlklange ergötzt werden. Der heilige Franciscus Seraphicus hörte einst von einem Engel einen einzigen Lautenton und wäre beinahe vor Lieblichkeit gestorben; welch eine Freude muß es erst sein, alle Heilige und Engel in ganzen Chören die Herrlichkeiten Gottes besingen zu hören? Sie werden dich ewig loben. (Ps 83,5) Wie lieblich aber vor allem wird aus Mariens holdem Munde das Lob Gottes erklingen? Die Stimme Maria im Himmel, sagt der heilige Franciscus Salesius, wird ertönen wie die Stimme einer Nachtigall im Gebüsche, die den Gesang aller übrigen Vögel daselbst weit übertrifft. Mit einem Worte, dort gibt es alle Ergötzungen, die man sich nur immer wünschen kann.
Allein diese bisher geschilderten Freuden sind die kleinsten Güter des Paradieses. Das Gut, welches eigentlich den Himmel ausmacht, ist das höchste Gut, welches Gott ist. „Alles, was wir erwarten, sagt der heilige Augustinus, besteht aus zwei Silben: Deus, d.h. Gott.“ - Der Lohn, welchen der Herr uns verspricht, besteht nicht bloß in jenen Schönheiten, in den Harmonien und anderen Freuden dieser glückseligen Stadt: die vorzüglichste Belohnung ist Gott selbst; denn dort sieht und liebt man Gott von Angesicht zu Angesicht. Ich selbst bin dein überaus großer Lohn. (Gen 15,1) Der heilige Augustinus sagt: „Ließe Gott sein Antlitz den Verdammten sehen, es würde selbst die Hölle augenblicklich verwandelt in das angenehme Paradies (Tom. 9. de tripl. habit.) Er fügt bei, wenn eine von diesem Leben abgeschiedene Seele freie Wahl hätte, Gott zu sehen und in die höllischen Qualen zu kommen oder ihn nicht sehen und von der Hölle befreit zu sein, so würde sie lieber Gott schauen und in jenen Peinen bleiben wollen. Diese Freude, Gott von Angesicht zu Angesicht zu sehen und zu lieben, können wir in diesem Leben nicht fassen; wohl aber können wir etwas davon ahnen aus der Erfahrung, welche lehrt, daß die göttliche Liebe schon in diesem Leben so süß ist, daß sie auf dieser Welt nicht nur die Seelen der Heiligen, sondern sogar auch ihre Körper über die Erde erhoben. Der heilige Philippus Neri wurde einst samt der Bank, an die er sich hielt, in die Luft erhoben. Der heilige Petrus von Alcantara wurde ebenfalls so gewaltsam emporgehoben, daß er einen Baum, den er umfaßte, entwurzelte und ihn mit sich fortriß. Ferner wissen wir, daß die heiligen Blutzeugen vor Süßigkeit der göttlichen Liebe sogar unter ihren Peinen jubelten. Da der heilige Vincentius gemartert wurde, redete er nach dem Berichte des heilige Augustinus auf solche Weise, als ob ein anderer gemartert würde und ein anderer spräche. Als der heilige Laurentius auf dem Roste gebraten wurde, spottete er des Tyrannen und sprach: Wende mich um und iß:“ wohl, sagt der nämliche heilige Augustinus: denn von göttlicher Liebe erglühend, fühlte der heilige Laurentius gar nichts von diesem Feuerbrande. Welche Süßigkeit fühlt ferner schon ein Sünder hienieden, wenn er seine Sünden aufrichtig beweint! Daher sagte der heilige Bernardus: „Ist es schon so süß für dich zu weinen, wie süß wird es erst sein, deiner sich zu erfreuen?“ Welche Wonne muß erst eine Seele fühlen, der beim Gebete die göttliche Liebe mit einem Lichtstrahle sich offenbart und das Erbarmen, welches Jesus mit ihr hatte und noch hat! Alsdann fühlt die Seele, daß sie zerschmelze und vor Liebe vergehe. Und doch sehen wir auf dieser Welt Gott nicht so, wie er eigentlich ist, wir sehen ihn hier nur wie im Dunkeln. Wir sehen jetzt gleichsam durch einen Spiegel im Dunkeln, alsdann aber von Angesicht zu Angesicht. (1 Kor 13,12) Gegenwärtig haben wir eine Binde vor den Augen und Gott steht hinter dem Vorhange des Glaubens und läßt sich nicht schauen; wie wird es sein, wenn die Binde von unseren Augen genommen und der Vorhang weggehoben wird, und wenn wir Gott von Angesicht zu Angesicht sehen werden? Da werden wir sehen, wie schön Gott ist, wie groß, wie gerecht, wie vollkommen und wie liebreich und liebenswürdig er ist!
Anmutungen und Bitten
Ach mein höchstes Gut! ich bin jener Elende, der sich von dir abgewendet und deiner Liebe entsagt hat. Ich wäre daher nicht würdig, dich zu sehen, noch dich zu lieben. Du aber bist es, der aus Erbarmen gegen mich kein Erbarmen mit sich selbst hatte, indem du dich verurteiltest, in Schmerzen und Schande auf dem schmachvollen Holze zu sterben. Dein Tod also gibt mir Hoffnung, einst dein Angesicht zu schauen, darob mich zu erfreuen und alsdann aus allen meinen Kräften dich zu lieben. Nun aber, da ich in Gefahr schwebe, dich für immer zu verlieren, nun, da ich finde, daß ich durch meine Sünden dich verloren habe, was soll ich in dem mir noch übrigen Leben tun? Soll ich fortfahren, dich zu beleidigen? Nein, mein Jesu, ich verfluche und hasse vom Grunde meines Herzens die dir zugefügten Beleidigungen: es ist mir höchst schmerzlich, dich beschimpft zu haben und ich liebe dich von ganzem Herzen. Wirst du wohl eine Seele verstoßen, die voll Reue ist und dich liebt? Nein, ich weiß gut, was du gesagt hast, daß du, mein geliebter Erlöser, niemand verstoßen könnest, der mit Reue zu deinen Füßen kommt: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht verstoßen. (Joh 6,37) Mein Jesu, ich verlasse alles und wende mich zu dir: ich umarme dich, ich drücke dich an mein Herz; umarme auch du mich und drücke mich an dein Herz. Ich wage es so zu reden; denn ich rede und unterhandle ja mit einer unendlichen Güte: ich spreche ja mit einem Gott, der aus Liebe zu mir freiwillig und gern gestorben ist. Mein teurer Heiland, gib mir Beharrlichkeit in deiner Liebe. — Meine liebste Mutter Maria! erhalte mir diese Beharrlichkeit, um deiner Liebe zu Jesu Christo willen. Also hoffe ich, also sei es.
29. Betrachtung
Von dem Himmel
3. Punkt
Der größte Kummer jener Seelen, die Gott auf dieser Welt lieben und in Trostlosigkeit sind, besteht in der Furcht, daß sie ihn nicht recht lieben und von Gott nicht recht geliebt werden. Der Mensch weiß nicht, ob er der Liebe oder des Hasses würdig sei. (Eccl 9,1) Im Himmel aber ist die Seele versichert, daß sie Gott liebe, und von Gott geliebt werde; sie sieht, daß sie glückselig in die Liebe ihres Herrn versunken sei, und daß sie der Herr wie eine teure Tochter umarmt halte, mit der Gewißheit, daß sich diese Liebe in Ewigkeit nie auflösen werde. Diese Liebesbrunst der Seele entzündet sich noch mehr durch die deutliche Erkenntnis, wie groß die Liebe Gottes war, da er für uns Mensch wurde und starb; durch die Erkenntnis, welche Liebe er uns erwies durch Einsetzung des allerheiligsten Sakraments, indem sich da Gott einem Wurme zur Speise hingibt. Deutlich wird dann die Seele durch die sämtlichen Gnaden erkennen, welche er ihr spendete, indem er von so vielen Versuchungen und Gefahren des Verderbens sie befreite; sie wird auch einsehen, daß jene Trübsale, Verfolgungen und Verluste, welche sie Unglücke und Strafen Gottes nannte, lauter Züge seiner Liebe und göttlichen Vorsichtigkeit gewesen sind, um sie in den Himmel einzuführen. Sie wird besonders die Langmut Gottes bewundern, indem er sie trotz so vieler Sünden ertrug, und seine Erbarmungen die er ihr erwies, indem er ihr so viel Licht, Einladungen und liebevolle Mahnungen gab. Von jener glückseligen Höhe herab wird sie viele Seelen in der Hölle sehen, die wegen weniger Sünden, als sie begangen hatte, verdammt wurden; sich selbst aber wird sie jubelnd gerettet fühlen, im Besitze Gottes mit der gewissen Versicherung, dies höchste Gut in alle Ewigkeit nicht mehr verlieren zu können. Der Selige wird daher diese Seligkeit ununterbrochen genießen, die ihm zugleich in jedem Augenblicke der ganzen Ewigkeit stets neu sein wird, als genösse er sie in diesem Augenblicke das erstemal. Immer wird er sich nach dieser Freude sehnen, und immer wird er sie inne haben; immer zufrieden und immer darnach dürstend; immer darnach dürstend und doch immer gesättigt. Und so ist es; denn das Verlangen im Paradiese verursacht kein Leid, und der Besitz verursacht keinen Überdruß. Kurz, so wie die Verdammten volle Gefäße des Zornes sind, so sind die Seligen volle Gefäße der Freude, so zwar, daß sie nichts mehr zu wünschen übrig haben. Die heilige Theresia sagt: auch auf dieser Welt, wann Gott eine Seele in den Weinkeller, das heißt in den Genuß seiner göttlichen Liebe einführt, macht er sie glückselig trunken, so daß sie die Neigung zu allen irdischen Sachen verliert. Treten aber die Auserwählten in das Paradies ein, o, um wie viel vollkommener werden sie, wie David sagt: vom Überflusse deines Hauses trunken werden! (Ps 35,9) Dann wird es geschehen, daß die Seele, wenn sie ihr höchstes Gut unverhüllt sieht und umfängt, so von Liebe berauscht werden wird, daß sie sich glücklicherweise in Gott verlieren und an nichts anderes mehr denken wird, als wie sie dieses unendliche Gut, das sie besitzt, würdig loben und preisen möge.
Drücken uns also die Kreuze dieses Lebens, so ermutigen wir uns mit der Hoffnung auf den Himmel, damit wir sie geduldig ertragen. Als der Abt Zosimus die heilige Maria von Ägypten am Ende ihres Lebens fragte, wie sie doch so viele Jahre in dieser Wüste habe aushalten können, antwortete sie: „Mit der Hoffnung auf das Paradies.“ Als dem heiligen Philippus Neri die Kardinalswürde angeboten wurde, warf er sein Biret in die Luft und rief: O Paradies, o Paradies! Hörte der Franciscaner Bruder Egidius nur das Wort „Himmel“ aussprechen, so wurde er schon vor Entzücken in die Luft erhoben. Werden wir von den Armseligkeiten dieser Welt geängstigt, so wollen auch wir die Augen zum Himmel erheben und in Sehnsucht mit den Worten uns trösten: O Himmel, o Himmel! Bedenken wir, daß einst, sofern wir Gott treu bleiben, diese unsere Leiden, diese Armseligkeiten und Besorgnisse ein Ende haben, und wir in jenes glückselige Vaterland eingelassen und vollkommen glücklich sein werden, so lange Gott Gott sein wird. Sehet, schon warten auf uns die Heiligen, es harret Maria und Jesus auf uns mit der Krone in der Hand, um uns zu Königen jenes Reiches zu machen.
Anmutungen und Bitten
Mein lieber Heiland, du hast mich gelehrt, dich zu bitten: Zukomme uns dein Reich. So bitte ich dich demnach, es möge dein Reich auch in meine Seele kommen, so zwar, daß sie ganz dein Eigentum werde, und sie dich, o höchstes Gut! besitze. O mein Jesu! du unterließest nichts, um mich zu retten, und dir meine Liebe zu gewinnen; mache mich demnach selig; und mein ganzes Glück wird darin bestehen, dich in diesem und in dem anderen Leben stets zu lieben. Ich kehrte dir so oft den Rücken, und dessen ungeachtet lassest du mich wissen, daß du in dem Himmel in alle Ewigkeit mit solcher Liebe mich umfassen werdest, als hätte ich niemals dich beleidigt; soll ich nun, da ich dies weiß, etwas anderes als dich lieben können, indem ich doch sehe, daß du mir, obwohl ich so oft die Hölle verdiente, den Himmel geben willst? Ach, mein Herr, hätte ich dich doch nie beleidigt! O, würde ich wieder geboren, jeden Augenblick wollte ich dich lieben! Allein, was geschehen ist, das ist schon geschehen. Nun kann ich nichts anderes tun, als diesen Rest meines Lebens dir widmen. Ja, dir schenke ich mich ganz und gar; gänzlich widme ich mich deiner Liebe. Weichet aus meinem Herzen, ihr irdischen Neigungen, räumet meinem Gott den Platz, denn ganz will er es besitzen. Wohlan denn, nimm völligen Besitz von mir, mein Erlöser, meine Liebe, mein Gott! Von nun an will ich nur bedacht sein, dir zu gefallen. Unterstütze mich durch deine Gnade, dies hoffe ich von deinen Verdiensten. Vermehre in mir immer mehr deine Liebe, und das Verlangen, dir wohlzugefallen. O Paradies, o Paradies! Wann, o Herr! werde ich dich denn einmal von Angesicht zu Angesicht schauen, und mich mit dir vereinigen, ohne Furcht, dich wieder zu verlieren? Ach, mein Gott! strecke aus über mich deine rettende Hand, damit ich dich nicht mehr beleidige. — O Maria! wann werde ich mich endlich im Himmel zu deinen Füßen sehen? Hilf mir doch, meine Mutter! laß mich nur nicht verdammt, und von dir und deinem Sohne entfernt werden.
Von dem Gebete
„Bittet, und es wird euch gegeben werden ....
denn jeder, der bittet, empfängt.“
(Lk 11,9 und 10)
1. Punkt
Nicht nur in dieser, sondern auch in tausend anderen Stellen des alten und neuen Bundes verspricht Gott, den zu erhören, der ihn bittet. Rufe zu mir, und ich will dich erhören (Jer 33,3); wende dich zu mir, und ich werde dich erhören. Rufe mich an......ich will dich erretten (Ps 49,15); rufe mir, und ich will vor Gefahr dich retten. Wenn ihr in meinem Namen um etwas bitten werdet, das werde ich tun (Joh 24,14); alles, was du von mir durch meine Verdienste verlangen wirst, will ich tun. Was immer ihr wollt, bittet darum, und es wird euch gegeben werden (Joh 15,7); begehrt, so viel ihr wollt; bittet nur, und es wird euch zuteil werden. Und viele andere ähnliche Stellen. Daher sprach Theodoretus, das Gebet ist zwar nur eines, und dennoch bringt es alles zustande: „Obwohl das Gebet eine einzige Sache ist, so vermag es dennoch alles.“ Der heilige Bernardus sagt, lasset uns bitten, so wird er uns entweder die verlangte Gnade erweisen oder eine noch nützlichere geben: „Entweder wird er geben, was wir verlangen, oder das, was er weiß, daß es uns nützlicher sei.“ (Serm. 5 in fer. 4. Ciner.) Zum Beten ermuntert uns der Prophet durch die Versicherung, daß Gott gegen jene, die ihn zur Hilfe rufen, voll Barmherzigkeit sei: Du, o Herr! bist liebreich und sanft, und von großer Barmherzigkeit gegen alle, die dich anrufen. (Ps 85) Noch mehr Mut macht uns der heilige Jakobus, indem er sagt: Bedarf jemand von euch der Weisheit, so begehre er sie von Gott, der allen im Überflusse gibt und uns nichts vorwirft. (Epist 1) Dieser Apostel sagt, wird der Herr gebeten, so breite er die Hände aus und gebe mehr, als man von ihm verlangt: Er gibt allen im Überfluß und wirft nichts vor und wirft uns die Unbilden nicht vor, die wir ihm antaten; bittet man ihn um etwas, scheint er aller ihm zugefügten Beleidigungen zu vergessen.
Der heilige Johannes Klimakus versichert uns, das Gebet zwinge gewissermaßen Gott, uns zu verleihen, so viel wir verlangen: „Das Gebet tut Gott auf fromme Weise Gewalt an.“ Gewalt - aber eine Gewalt, die ihm lieb ist und die er von uns wünscht. „Diese Gewalt ist Gott angenehm!“ schrieb Tertullianus. Und mit Recht, denn Gott hat, wie der heilige Augustinus spricht, ein größeres Verlangen, uns Wohltaten zu erweisen, als wir, sie zu erhalten: „Er will dir mehr Guttaten spenden, als du zu empfangen verlangst.“ Und die Ursache davon ist, weil Gott seiner Wesenheit nach eine unendliche Güte ist. „Gott, dessen Natur Güte ist!“ schreibt der heilige Leo; und deswegen hat er den innigsten Wunsch, seiner Güte uns teilhaft zu machen. Daher sagt die heilige Maria Magdalena von Pazzis, Gott sei jener Seele, die ihn bittet, gleichsam verpflichtet, indem sie ihm auf diese Weise den Weg eröffnet, seinen Wunsch zu befriedigen und seine Gnaden uns auszuspenden. Und David sagte, diese Güte des Herrn im schnellen Erhören desjenigen, der ihn bittet, habe ihm zu erkennen gegeben, daß er sein wahrer Gott sei: An was immer für einem Tage ich dich angerufen habe, siehe, da habe ich erfahren, daß du mein Gott bist. (Ps 55, 10) Mit Unrecht klagen einige, bemerkt der heilige Bernardus, daß der Herr sie verlasse; mit allem Rechte aber beklagt sich der Herr, daß viele ihn verlassen, indem sie nicht zu ihm kommen, ihn um Gnaden zu bitten: „Viele beschweren sich, es fehle ihnen an Gnade; allein viel billiger würde die Gnade sich beschweren, daß es ihr an vielen fehle.“ Und gerade hierüber scheint einst der Erlöser bei seinen Jüngern Klage geführt zu haben, indem er sagte: Bisher habt ihr um nichts in meinem Namen gebeten; verlanget, und ihr werdet erhalten, damit eure Freude vollkommen werde. (Joh 14,24) Beklaget euch nicht über mich, schien er zu sagen, wenn ihr nicht ganz glücklich gewesen seid; klaget vielmehr über euch selbst, daß ihr nicht Gnaden von mir begehrt habt: bittet mich darum von heute an, und ihr werdet zufrieden werden. Hieraus machten die alten Mönche in ihren Unterredungen den Schluß, es gebe keine nützlichere Übung, ums selig zu werden, als immer zu beten und zu sagen: Herr, hilf mir! Herr, merke auf meine Hilfe! Der ehrwürdige P. Paulus Segneri sagte von sich selbst, er habe in seinen Betrachtungen anfangs sich damit beschäftigt, Anmutungen zu erwecken; als er aber hernach die Wirksamkeit des Bittgebetes erkannte, so habe er sich meistenteils darin zu üben aufzuhalten gesucht. Laßt uns auch dasselbe tun; wir haben ja einen Gott, der uns überaus lieb hat und für unser Heil besorgt, und daher immer bereit ist, den zu erhören, welcher ihn bittet. Die Fürsten dieser Welt, sagt Chrysostomus, geben nur wenigen Gehör; Gott aber hört jeden an, der es verlangt: „Die Ohren des Fürsten stehen wenigen offen, Gottes Ohren aber allen, die nur wollen.“ (Lib. 2. de Orat. ad Deum.)
Anmutungen und Bitten
Ewiger Vater, ich bete dich an und danke dir für die Wohltaten, die du mir erwiesen hast. Ich danke dir, daß du mich erschaffen und durch Jesum Christum erlöset hast; daß du zum Christentume mich berufen und meiner gewartet hast, als ich in Sünden war; und daß du so oft mir verziehen hast. Ach, mein Gott, nimmermehr wäre ich gefallen und hätte dich nimmer beleidigt, hätte ich mich in Versuchungen stets zu dir geflüchtet. Ich danke dir für das Licht, womit du mich erkennen ließest, daß mein ganzes Heil darin bestehe, dich um Gnaden zu bitten und anzuflehen. Siehe demnach, ich bitte dich im Namen Jesu Christi um einen heftigen Schmerz über meine Sünden; ich bitte dich um die heilige Beharrlichkeit in deiner Gnade; ich bitte dich um einen glückseligen Tod; ich bitte dich um den Himmel und vor allem um die allergrößte Gabe - um Liebe zu dir und um eine vollkommene Ergebung in deinen heiligsten Willen. Ich weiß wohl, daß ich diese Gnaden nicht verdiene; allein du versprachst ja, dem sie zu geben, der dich durch die Verdienste Jesus Christi darum bittet; ich bitte dich also darum durch die Verdienste Jesu Christi und durch selbe hoffe ich sie auch. — O Maria! Deine Bitten erhalten alles, was sie verlangen; bitte doch für mich.
30. Betrachtung
Von dem Gebete
2. Punkt
Betrachten wir ferner die Notwendigkeit des Gebetes. Der heilige Johannes Chrysostomus sagt, so wie der Leib ohne Seele tot ist, so ist auch die Seele ohne Gebet tot. Er sagt ferner, wie das Wasser den Pflanzen vonnöten ist, damit sie nicht verdorren, so ist das Gebet uns nötig, damit wir nicht zu Grunde gehen. „Nicht minder als die Bäume des Wassers, bedürfen wir des Gebetes.“ (Tom. 1. Hom.77) Gott will uns alle selig machen: Er will, daß alle Menschen selig werden. (1 Tim 2,4) Er trägt Geduld um euretwillen, weil er nicht will, daß jemand verloren gehe, sondern daß sich alle zur Buße bekehren. (2 Petr 3,9) Er will aber, daß wir die zu unserer Seligmachung nötigen Gnaden von ihm verlangen; weil wir einerseits die göttlichen Gebote nicht halten, und ohne den wirklichen Beistand des Herrn nicht selig werden können, und andererseits weil er uns nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge die Gnaden nur dann geben will, wenn wir ihn darum bitten. Deswegen sagt der heilige Kirchenrat von Trient, Gott lege nicht unmögliche Gebote auf; denn entweder gibt er uns die nächste und wirkliche Gnade, um sie zu halten, oder er gibt uns die Gnade, ihn um die wirksame Gnade zu bitten: „Gott befiehlt nichts Unmögliches, sondern durch seine Gebote ermahnt er dich zu tun, was du vermagst, und das zu verlangen, was du nicht vermagst, und er hilft, auf daß du es vermögest.“ (Sess. 6.C.11) Indessen lehrt der heilige Augustinus, daß Gott mit Ausnahme der ersten Gnaden, als da sind: die Berufung zum Glauben oder zur Buße, alle übrigen Gnaden und vorzüglich die Beharrlichkeit nur dem verleihe, welcher darum bittet: „Es ist gewiß, daß Gott auch jenen, die nicht beten, etwas gebe, wie z.B. den Beruf zum Glauben, das Übrige aber nur denjenigen, die darum bitten, vorbereitet haben, wie z.B. die Beharrlichkeit bis ans Ende.“ (De dono persever. cap.16) Aus diesem schließen die Gottesgelehrten mit dem heiligen Basilius, mit dem heiligen Augustinus, dem heiligen Johannes Chrysostomus, dem heiligen Clemens von Alexandria und anderen, daß das Gebet den Erwachsenen unumgänglich notwendig sei, so daß es jedem unmöglich ist, ohne Gebet selig zu werden. Und man muß dies, sagt der hochgelehrte Lessius, für eine Glaubenswahrheit halten: „Es ist für Glaubenssache zu halten, daß den Erwachsenen das Gebet zur Seligkeit notwendig sei, wie man aus der Schrift ersieht.“ (De Just. lib. 2 cap. 37 num. 9)
Sehr klar sind in dieser Hinsicht die Schriftstellen: Man muss allezeit beten. (Lk 18,1) Betet, auf daß ihr nicht in Versuchung fallet. (Lk 22,40) Bittet, und ihr werdet empfangen. (Joh 16,24) Betet ohne Unterlass. (1 Thess 5,16) Nun drücken die obbesagten Worte: „man muß, betet, bittet“ nach dem allgemeinen Ausspruche der Kirchenlehrer mit dem heiligen Thomas (part. qu. 39 art. 3) ein Gebot aus, das unter einer schweren Sünde verbindet, besonders in drei Fällen: erstens, wenn der Mensch in Sünden lebt; zweitens, wenn er in Todesgefahr sich befindet; drittens, wenn er in großer Gefahr schwebt, eine Sünde zu begehen; und für gewöhnlich behaupten die heiligen Lehrer, wer einen oder höchstens zwei Monate lang nichts betet, der sei von der Todsünde nicht frei zu erklären. (Siehe Lessius in der angeführten Stelle) Die Ursache hievon ist: weil das Gebet ein Mittel ist, ohne welches wir den zu unserer Seligkeit nötigen Beistand nicht erhalten können.
Bittet, und ihr werdet empfangen. Wer bittet, der empfängt; wer also nicht bittet, sagt die heilige Theresia, der erhält nichts. Und vor ihr sprach der heilige Jakobus: Ihr habt nichts, weil ihr um nichts bittet. (Jak 4,2) Vorzüglich aber ist zur Erlangung der Tugend der Enthaltsamkeit das Gebet notwendig: Und da ich wusste, daß ich nicht enthaltsam sein konnte, wenn es mir von Gott nicht gegeben würde, so trat ich zu dem Herrn und bat ihn. (Weish 8,21) Laßt uns also hieraus folgenden Schluß ziehen: Wer betet, wird gewiß selig; wer nicht betet, wird gewiß verdammt. Alle, die selig geworden sind, wurden durch das Gebet selig. Alle, die verdammt worden sind, wurden verdammt, weil sie nicht beteten, und dies wird sie in der Hölle am meisten zur Verzweiflung bringen, daß sie durch das Gebet, so leicht hätten selig werden können, nun aber keine Zeit mehr sei, es zu tun.
Anmutungen und Bitten.
Ach mein Erlöser! wie konnte ich doch so dahinleben, ohne deiner zu gedenken? Du warst bereit, mir alle Gnaden zu verleihen, um die ich dich bitten würde, du wartetest nur auf meine Bitten; allein ich dachte nur an die Befriedigung meiner Sinne, indem mir wenig daran lag, deiner Liebe und deiner Gnaden beraubt zu werden. Herr! vergiß aller meiner Undankbarkeit, und erbarme dich meiner; verzeihe mir alle Beleidigungen, die ich dir zufügte, und gib mir Standhaftigkeit: gib mir die Gnade, dich immer um deine Hilfe zu bitten, damit ich dich, o Gott meiner Seele! nicht mehr beleidige. Laß mich hierin nicht so nachlässig sein, wie ich es vorher war. Gib mir Licht und Stärke, mich dir stets anzuempfehlen, vorzüglich dann, wann die Feinde mich versuchen, dich neuerdings zu beleidigen. Erweise mir, mein Gott, diese Gnade um der Verdienste Jesu Christi und jener Liebe willen, die du zu mir hast. Ich habe dich, meinen Herrn! genug beleidigt; nun aber will ich dich in dem mir übrigen Leben lieben. Gib mir deine heilige Liebe; diese wird mich stets erinnern, um Beistand dich zu bitten, wenn ich mich in Gefahr befinde, dich durch die Sünde zu verlieren. — Maria! meine Hoffnung, von dir hoffe ich die Gnade, dir und deinem Sohne in meinen Anfechtungen mich immer anzuempfehlen. Erhöre mich, meine Königin! um deiner Liebe zu Jesu willen, erhöre mich.
30. Betrachtung
Von dem Gebete
3. Punkt
Betrachten wir endlich die Eigenschaften des Gebetes. Viele beten und erhalten nichts, weil sie nicht beten, wie man beten soll. Ihr bittet und erlanget nichts, weil ihr schlecht betet. (Jak 4,3) Um gut zu beten, ist erstens Demut erforderlich. Gott widersteht den Hoffärtigen, den Demütigen aber gibt er seine Gnade. (Jak 4,6) Gott erhört die Bitten der Stolzen nicht, keineswegs aber weist er die Bitten der Demütigen ab, ohne sie zu erhören. Das Gebet des Demütigen wird durch die Wolken dringen, es wird auch nicht abweichen, bis der Allerhöchste es anschaut. (Eccl 35,21) Und dies geschieht, wenn sie auch bisher Sünder gewesen wären: Ein zerknirschtes und gedemütigtes Herz wirst du, o Gott, nicht verachten. (Ps 50) Zweitens, ist Vertrauen erforderlich. Niemand hat auf den Herrn gehofft und ist zu Schanden geworden. (Eccl 2,11) Deswegen lehrte uns Jesus Christus; wir sollen, wenn wir Gott um Gnaden bitten, ihn nichts anders nennen, als Vater! „Vater unser!“, damit wir ihn mit jener Zuversicht bitten, mit der sich ein Kind an seinen Vater wendet. Wer demnach mit Zuversicht bittet, der erhält alles. Alles, was ihr in eurem Gebete verlanget, glaubet nur, daß ihr es erlangen werdet, so wird es euch gegeben werden. (Mk 11) Und wer kann wohl fürchten, sagt der heilige Augustinus, daß ihm das fehlschlagen solle, was ihm von der Wahrheit selbst, welche Gott ist, versprochen wird? „Wer fürchtet etwa, getäuscht zu werden, wenn die Wahrheit etwas verheißt?“ - Gott ist ja nicht, wie die Menschen, sagt die Schrift, die versprechen und dann nicht Wort halten, weil sie entweder lügen, wenn sie versprechen oder weil sie hernach ihren Willen ändern. Gott ist nicht wie ein Mensch, daß er lüge, und nicht wie eines Menschen Sohn, daß er sich verändere. Er hat es also gesagt - und wird er es nicht tun? (Num 23,19) Und wozu würde denn der Herr, sagt der heilige Augustinus, uns so dringend auffordern, um Gnaden zu bitten, wenn er sie uns nicht verleihen wollte? Er würde uns ja nicht zureden, daß wir bitten sollen, wenn er nicht geben wollte. (De Verb. Dom. Serm. 4) Durch seine Verheißung verpflichtet er sich, die Gnaden uns zu verleihen, um die wir ihn bitten. „Durch das Versprechen machte er sich zum Schuldner.“ (S. Aug. ibid. Serm. 2)
Aber, ich, wird jemand sagen, ich bin ja ein Sünder und deswegen verdiene ich nicht erhört zu werden. Allein der heilige Thomas antwortet, zur Erlangung der Gnaden, um die wir bitten, komme es nicht auf unsere Verdienste, sondern auf die göttliche Barmherzigkeit an: „das Gebet stützt sich bei Erlangung der Gnaden nicht auf unsere Verdienste, sondern auf die göttliche Barmherzigkeit.“ (2.2. qu. 178. art. 2 ad 1) Jeder, der bittet, empfängt. (Lk 11,10) Der Verfasser des unvollendeten Werkes erklärt dieses also: „Jeder, er mag gerecht oder Sünder sein.“ (Hom. 18) Und hierin benahm uns unser Erlöser selbst jede Furcht, indem er sagt: Wahrlich, wahrlich sage ich euch, was ihr immer meinen Vater in meinem Namen bitten werdet, das wird er euch geben. (Joh 16,23) als wollte er sagen: „Sünder! wenn ihr kein Verdienst habt, so habe ich es doch bei meinem Vater; bittet also in meinem Namen und ich verspreche euch, ihr werdet bekommen, so viel ihr begehret.“ Hiebei muß man jedoch verstehen, daß dies Versprechen nicht für zeitliche Gnaden, für Gesundheit, für Glücksgüter und dergleichen gegeben sei; denn diese Gnaden versagt uns öfter der Herr mit Recht, indem er sieht, sie würden uns zum ewigen Heile nur schädlich sein. Was dem Kranken nützlich sei, das weiß der Arzt besser als der Kranke; so äußert sich der heilige Augustinus (tom. 3, c. 212) und er setzt bei, Gott schlage dem einen aus Barmherzigkeit dasjenige ab, was er einem andern aus Zorn zugesteht: „Gott versagt aus Gnade das, was er aus Zorn gewährt.“ Daher müssen wir die zeitlichen Güter immer nur bedingungsweise verlangen, nämlich unter der Bedingung, wenn sie zum Heile unserer Seele gereichen. Die geistlichen Gnaden hingegen, wie z.B. die Verzeihung der Sünden, die Beharrlichkeit die göttliche Liebe und dergleichen, muß man durchaus mit der festen Zuversicht nach Gewährung, begehren. Wenn ihr, die ihr doch böse seid, sagt Jesus Christus, euren Kindern gute Gaben zu geben wisst, um wie viel mehr wird euer Vater denen den guten Geist geben, die ihn darum bitten? (Lk 11,13)
Vor allem aber ist endlich das Ausharren im Gebete nötig. Cornelius a Lapide sagt über Lukas (Kap. 11): „Der Herr will, daß wir im Gebete bis zum Ungestüm ausharren.“ Und dies deuten jene Schriftsteller an: Man muss allzeit beten. (Lk 18,1) Wachet also und Betet zu jeder Zeit. (Lk 21,36) Betet ohne Unterlass. (1 Thess 5,17) Dies bedeuten auch jene wiederholten Worte: Bittet und es wird euch gegeben werden; suchet und ihr werdet finden; klopfet an und es wird euch aufgetan werden. (Lk 11,9) Hinsichtlich des Gebotes wäre es genug gewesen zu sagen: Bittet; doch nein, der Herr wollte uns zu verstehen geben, wir sollten es machen, wie die armen Leute, welche so lange nicht aufhören zu bitten und vor der Türe stehen zu bleiben und zu klopfen, bis sie ein Almosen bekommen. Hier ist zu bemerken, daß die Gnade der Beharrlichkeit bis ans Ende eine besondere Gnade ist, die man nur durch beständiges Gebet erlangt. Diese Beharrlichkeit können wir uns keineswegs verdienen, allein durch das Gebet verdient man sie gewissermaßen: „Diese Gabe Gottes kann man nur bittweise, daß heißt, durch demütiges Bitten erlangen.“ (De dono persev. Cap.6) Laßt uns also immer bitten und laßt uns nicht aufhören zu bitten, wenn wir selig werden wollen. Und wer Beichtvater oder Prediger ist, der unterlasse ja nicht zum Gebete zu ermahnen, wenn er will, daß die Seelen zur Seligkeit gelangen. Und wie der heilige Bernardus ermahnt, so wollen wir auch immer Maria um ihre Hilfe bitten: „Verlangen wir Gnade und verlangen wir sie durch Maria; denn, was sie sucht, findet sie und man kann nicht getäuscht werden. (Serm. de Aquaeduct.)
Anmutungen und Bitten
Mein Gott, ich hoffe, du habest mir bereits verziehen: allein meine Feinde werden nicht aufhören, mich bis zum Tode zu bekämpfen; hilfst du mir nicht, so werde ich wieder ins Verderben stürzen. Ach, ich bitte dich um der Verdienste Jesu Christi willen um die heilige Beharrlichkeit. Laß mich nur nicht von dir getrennt werden. Und um die nämliche Gnade bitte ich für alle jene, die sich jetzt in deiner Gnade befinden. Ich bin voll des Vertrauens auf dein Versprechen, daß du mir die Beharrlichkeit geben werdest, wenn ich dich stets um dieselbe bitten werde. Aber ich befürchte eines, nämlich daß ich es unterlasse, in meinen Versuchungen zu dir zu fliehen, und so neuerdings zurückfalle. Darum bitte ich dich um die Gnade, daß ich um dies zu bitten nie unterlasse. Mache, daß ich mich in den Gelegenheiten des Rückfalls immer dir anempfehle und die heiligsten Namen Jesu und Maria immer zu Hilfe rufe. Mein Gott! dies nehme ich mir vor und dies hoffe ich zu tun mit deiner Gnade. Erhöre mich doch Jesu Christo zu Liebe. — O Maria, meine Mutter! erflehe mir, daß ich in den Gefahren, Gott zu verlieren, stets zu dir und deinem Sohne meine Zuflucht nehme.
Von der Beharrlichkeit
„Wer bis ans Ende ausharret, der wird selig werden.“ (Mt 24,13)
1. Punkt.
Der heilige Hieronymus sagt, viele fangen gut an, wenige aber harren aus: „Anfangen ist die Sache vieler, Ausharren aber die Sache weniger.! (Lib. 1. contra Jovin) Gut begann ein Saul, ein Judas, ein Tertullianus; sie endeten aber übel, weil sie im Guten nicht standhaft blieben. „Bei den Christen schaut man nicht auf den Anfang, sondern auf das Ende! (S. Hieron. Ep. ad. Für) Der Herr, spricht der Heilige weiter, fordert nicht allein den Beginn eines guten Lebens, sondern auch das Ende. „Das Ende ist es, welches die Krone erhalten wird.“ Der heilige Bonaventura sagt, nur der Beharrlichkeit werde die Krone erteilt: „Nur die Beharrlichkeit wird gekrönt.“ Daher nennt Laurentius Justinianus die Beharrlichkeit die Pforte zum Himmel: „die Himmelstür.“ Es kann daher niemand in den Himmel eingehen, wer die Pforte, durch welche man eingeht, nicht findet. Mein Bruder, du hast gegenwärtig die Sünde verlassen und hoffest mit Recht Verzeihung derselben. Du bist also ein Freund Gottes; doch wisse, sicher bist du noch nicht. Und wann wirst du denn sicher sein? Wann du bis ans Ende wirst ausgeharrt haben. „Wer bis ans Ende ausharrt, der wird selig werden.“ Hast du ein frommes Leben bereits begonnen? Nun so danke dem Herrn; allein der heilige Bernardus erinnert dich zum voraus, daß dem, der da anfängt, die Belohnung bloß versprochen, und nur dem erteilt werde, welcher ausharrt: „Den Anfängern wird der Lohn versprochen, den Ausharrenden aber wird er gegeben.“ (Serm. 6. de modo bene viv) Das Laufen nach dem Kampfpreise ist gut, aber es genügt noch nicht; man muß so lange laufen, bis man ihn erhält. Laufet so, daß ihr ihn erreichet! sagt der Apostel. (1 Kor 9,24)
Nun hast du schon die Hand an den Pflug gelegt, du begannst gut zu leben; jetzt aber fürchte und zittere mehr, als jemals: „Mit Furcht und Zittern wirket euer Heil.“ (Phil 2,12) Warum? Denn wendest du - wovor Gott dich behüte - dich wieder um und schauest zurück, indem du neuerdings dein böses Leben beginnest, so wird Gott dich vom Himmel als ausgeschlossen erklären: Niemand, der seine Hand an den Pflug legt und zurücksieht, ist zum Reiche Gottes tauglich. (Lk 9,62) Nun fliehest du durch die Gnade des Herrn die bösen Gelegenheiten, empfängst oft die Sakramente, nimmst täglich eine fromme Betrachtung vor. Heil dir! wenn du so fortfährst und wenn dich der Herr also handelnd antreffen wird, wenn er kommt, dich zu richten: Selig ist der Knecht, den sein Herr, wenn er kommen wird, so handelnd antrifft. (Mt 24,46) Glaube aber ja nicht, als wären jetzt, da du dich dem Gottesdienste ergabst, deine Versuchungen schon überstanden, oder gar keine mehr übrig; höre, was der Heilige Geist dir sagt: Mein Sohn, wenn du den Dienst Gottes antreten willst, so bereite deine Seele zur Anfechtung. (Eccl 2,1) Wisse, daß du jetzt mehr als je zu kämpfen dich rüsten mußt; denn deine Feinde, die Welt, der Teufel und das Fleisch, werden sich jetzt mehr als jemals bewaffnen, um dich zu bekriegen, damit sie dich um alles bringen, was du bereits errungen hast. Dionysius, der Karthäuser, sagt, je mehr sich jemand Gott ergibt, umsomehr sucht die Hölle ihn zu bestürmen: „Je mehr sich einer Gewalt antut, um Gott zu dienen, desto heftiger wütet gegen ihn der Widersacher.“ Dies ist deutlich genug im Evangelium des heiligen Lukas ausgedrückt, wo es heißt: Ist der unreine Geist von dem Menschen ausgegangen, so wandelt er durch dürre Örter und sucht Ruhe; wenn er sie aber nicht findet, so spricht er, ich will in mein Haus, aus dem ich gegangen bin, wiederkehren. Alsdann geht er hin und nimmt sieben andere Geister zu sich, die ärger sind als er, und wenn sie hineinkommen, so wohnen sie allda, und so wird der letzte Zustand desselben Menschen schlimmer als der erste sein. (Lk 11,24,26) Wenn der böse Geist aus einer Seele verbannt wird, da findet er keine Ruhe, und er wendet allen Fleiß an, um wieder hineinzukommen; er ruft auch seine Gefährten zu Hilfe, und gelingt es ihm wieder, hineinzukommen, so wird für diese Seele das zweite Unglück größer sein, als das erste.
Bedenket also, welcher Waffen ihr euch bedienen müßt, um vor diesen Feinden euch zu schützen und euch in der Gnade Gottes zu erhalten. Um nicht vom bösen Geiste überwunden zu werden, gibt es kein anderes Verteidigungsmittel als das Gebet. Der heilige Paulus sagt, wir bestehen nicht gegen Menschen, die, wie wir aus Fleisch und Blut, zu streiten, sondern auch gegen die Fürsten der Hölle. Wir haben nicht wider Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern wider Fürsten und Mächte (Eph 6,12) und will nun damit aufmerksam machen, daß unsere Kräfte nicht hinreichen, um solchen Mächten Widerstand zu leisten, sondern daß wir der Hilfe Gottes bedürfen. Mit Gottes Beistand werden wir alles bewirken: Alles vermag ich in dem, der mich stärkt. (Phil 4,13) Also sprach er, und so soll jeder aus uns sprechen. Doch dieser Beistand wird nur dem erteilt, der durch das Gebet ihn verlangt: Bittet und ihr werdet empfangen! Trauen wir nicht unseren Vorsätzen; denn vertrauen wir auf unsere Entschlüsse, so wird es um uns geschehen sein; unsere ganze Zuversicht wollen wir, wenn wir vom Teufel angefochten werden, auf die Hilfe Gottes setzen, indem wir uns alsdann Jesu Christo und der allerheiligsten Jungfrau Maria anempfehlen. Und dies müssen wir vorzüglich tun, wenn wir gegen die Keuschheit versucht werden; denn diese Versuchung ist unter allen die fürchterlichste, und sie ist es, womit der böse Feind die häufigsten Siege davon trägt. Wir haben nicht die Kraft, die Keuschheit zu bewahren; Gott muß sie uns geben. Salomon sagte: Und da ich wusste, daß ich nicht enthaltsam sein könnte, wenn es mir nicht von Gott gegeben würde, so trat ich zum Herrn und bat ihn. (Weish 8,21) In dieser Versuchung muß man also ohne Zaudern zu Jesus Christus und zu seiner heiligsten Mutter seine Zuflucht nehmen, und zwar durch oftmalige Anrufung ihrer hochheiligen Namen. Wer es also macht, wird siegen, wer es nicht so macht, wird verloren sein.
Anmutungen und Bitten
Verwirf mich nicht von deinem Angesichte! Ach, mein Gott, verstoß mich nicht von deinem Antlitze! Ich weiß wohl, du werdest mich nie verlassen, es sei denn, ich verlasse dich zuerst; davor zittere ich insbesondere, weil ich meine Schwäche erfahren habe. Herr! du allein mußt mir die Stärke geben, die gegen die Hölle mir nötig ist, welche mich neuerdings in ihrer Gefangenschaft zu haben begehrt. Um Jesu Christi willen bitte ich dich darum. Schließe, o mein Heiland! zwischen mir und dir einen dauerhaften Frieden, der in Ewigkeit nicht mehr gebrochen werden soll. Und darum gib mir deine heilige Liebe. Wer dich nicht liebt, der bleibt im Tode: Wer nicht liebt, ist tot. Vor diesem unglückseligen Tode mußt du mich bewahren, o Gott meiner Seele! Ich war bereits verloren; du weißt es wohl. Ich verdanke es ganz und gar deiner Güte, daß ich wieder in diesen Zustand kam, in dem ich mich befinde, und hoffe, nun in deiner Gnade zu sein. Ach mein Jesu! laß es um deines bitteren, für mich ausgestandenen Todes willen nicht geschehen, daß ich mich abermals zu Grunde richte! Ich liebe dich über alles. Ich hoffe von dieser heiligen Liebe stets mich gefesselt zu sehen, und in diesen Fesseln zu sterben und ewig zu leben. — O Maria! du nennst dich die Mutter der Beharrlichkeit; dieses große Geschenk wird von dir ausgeteilt. Von dir verlange ich es und von dir hoffe ich es auch.
31. Betrachtung
Von der Beharrlichkeit
2. Punkt
Nun wollen wir sehen, wie man die Welt besiegen müsse. Der Teufel ist ein großer Feind, noch schlimmer aber ist die Welt. Bediente sich der böse Feind nicht der Welt und der bösen Leute, worunter man die Welt versteht, er würde nimmermehr die Siege davon tragen, deren er sich gegenwärtig erfreut. Der Erlöser gibt uns die Warnung, daß wir nicht so sehr von den Teufeln, als vor den Menschen auf der Hut sein sollen: Hütet euch aber vor den Menschen. (Mt 10,17) Die Menschen sind oft schlimmer als die Teufel, denn die Teufel fliehen beim Gebete und bei Anrufung der heiligsten Namen Jesu und Maria; wenn aber die schlechten Gesellen irgend einen zur Sünde reizen, so fliehen diese nicht, wenn er ihnen auch ein geistliches Wort erwidert, ja sie versuchen und verlachen ihn umsomehr, indem sie ihn einen gemeinen, ungebildeten Menschen schelten, der zu nichts taugt, und können sie wider ihn sonst nichts vorbringen, so nennen sie ihn wenigstens einen Heuchler, der die Rolle eines Heiligen spielen will. Und schwache Seelen, um diesen Vorwürfen und diesem Hohngelächter zu entgehen, sind dann unglücklich genug, um diesen Dienern des Luzifers sich beizugesellen, und zum Ausgespienen wieder zurückzukehren. - Mein Bruder! sei überzeugt, daß du, wenn du tugendhaft leben willst, von den Übelgesinnten ohneweiters werdest verspottet und verachtet werden. Die Gottlosen haben einen Abscheu vor jenen, die den rechten Weg wandeln. (Spr 29,27) Wer ein schlechtes Leben führt, kann nicht einmal den Anblick der Frommen ertragen, und warum? Weil ihm ihr Wandel ein beständiger Vorwurf ist, und daher möchte er, daß es alle wie er machten, um nur nicht den peinlichen Vorwurf zu haben, welchen der gute Wandel der anderen ihm verursacht.
Es gibt keinen Ausweg, sagt der Apostel, wer Gott dient, der muß allein von der Welt verfolgt werden: Alle, die in Jesus Christus ein frommes Leben führen wollen, werden Verfolgung erleiden. (2 Tim 3,12) Alle Heiligen sind verfolgt worden. Wer ist heiliger als Jesus Christus? Und doch verfolgte ihn die Welt so sehr, daß er durchstochen an einem Kreuze starb.
Dagegen ist kein Mittel vorhanden; denn die Grundsätze der Welt sind jenen Jesu Christi gerade entgegengesetzt. Was von der Welt geschätzt wird, das wird von Christus Torheit genannt: Denn die Weisheit dieser Welt ist bei Gott Torheit. (1 Kor 3,9) Im Gegenteile nennt die Welt Dummheit, was von Jesus Christus geschätzt wird, als da sind die Kreuze, Schmerzen, Verachtungen: Denn das Wort vom Kreuze ist jenen, die zu Grunde gehen, eine Torheit. Trösten wir uns aber, wenn die Bösen uns fluchen und schmähen, mit dem Gedanken, daß Gott uns segne und lobe. Jene werden fluchen, und du wirst segnen. (Ps 108,28) Ist es etwa nicht genug, wenn wir von Gott, von Maria, von allen Engeln, von den Heiligen und allen rechtschaffenen Menschen gelobt werden? Lassen wir also die Sünder reden, was sie wollen und fahren wir nur fort, Gott Freude zu machen, der gegen jenen ungemein dankbar und treu ist, der ihm dient. Je mehr Widerstand und Widerspruch, die Übung des Guten uns kostet, desto größer wird Gottes Wohlgefallen und unser Verdienst sein. Stellen wir uns vor, als wäre auf der Welt niemand außer Gott und wir. Verspotten uns die Bösen, so wollen wir sie dem Herrn anempfehlen und Gott für jene Erleuchtung danken, die er uns gibt, jenen Elenden aber verweigert, und wollen unseren Weg ruhig fortgehen. Schämen wir uns nicht, als Christen uns zu zeigen; denn würden wir uns Jesu Christi schämen, so würde auch er, seiner Beteuerung gemäß, am Tage des Gerichtes unser sich schämen: Denn wer meiner und meiner Worte sich schämt, dessen wird des Menschen Sohn sich auch schämen, wenn er in seiner Herrlichkeit kommen wird. (Lk 9,26)
Wollen wir selig werden, so müssen wir uns ein für allemal auf Leiden gefaßt halten, wir müssen entschlossen sein, Gewalt zu brauchen und ernst mit uns zu verfahren, wenn es uns auch wehe tut: Schmal ist der Weg, der zum Leben führt. (Mt 14,7) Das Himmelreich leidet Gewalt, und die Gewalt brauchen, reißen es an sich. (Mt 11,12) Wer keine Gewalt sich antut, der wird nicht selig. Es gibt keinen Ausweg, denn wir müssen gegen unsere aufrührerische Natur auftreten, wenn wir anders das Gute üben wollen. Vorzüglich anfangs müssen wir uns Gewalt antun, um die bösen Gewohnheiten auszurotten und gute einzupflanzen; ist dann das Gute einmal zur Gewohnheit geworden, so wird die Beobachtung des göttlichen Gesetzes leicht, ja sogar süß werden. Der Herr sprach zur heiligen Brigitta, daß dem, der in Übung der Tugend die ersten Dornstiche mit Mut und Geduld leidet, die Dörner selbst dann zu Rosen werden. Sei also wachsam, mein Christ: Jesus Christus spricht jetzt zu dir, was er zu dem Gichtbrüchigen sagte: Siehe, du bist gesund geworden, sündige nicht mehr, daß dir nicht etwas Schlimmeres widerfahre. (Joh 5,14) Merke wohl, lehrt wieder der heilige Bernardus, fällst du unglücklicherweise wieder, so wisse, daß dein Unglück schlimmer sein werde, als alle deine früheren Fälle: „Höre! ein Fall ist nicht so schlimm, als ein Rückfall.“ Wehe denen, sagt der Herr, die den Weg Gottes eingeschlagen, und dann davon ablenken. Wehe euch, ihr abtrünnigen Kinder! (Jes 30,1) Diese werden als solche, die sich dem Lichte widersetzen, bestraft. Sie haben sich dem Lichte widersetzt. (Job 24,13) Und die Strafe dieser Empörer, die mit großer Kenntnis von Gott begabt und ihm hernach untreu geworden sind, besteht darin, daß sie blind bleiben und so ihr Leben in ihren Sünden beschließen. Wenn sich aber der Gerechte von seiner Gerechtigkeit abwendet, soll er dann leben? Aller seiner Gerechtigkeiten, die er geübt hatte, wird nicht gedacht werden, in seiner Sünde wird er sterben. (Ez 18,24)
Anmutungen und Bitten
Ach mein Gott! Eine solche Strafe habe ich schon öfters verdient, indem ich mittelst deiner Erleuchtung die Sünden zwar verlassen habe, aber dann wieder in selbe zurückgekehrt bin. Ich sage deiner Barmherzigkeit unendlichen Dank, daß sie mich nicht durch gänzliche Beraubung des Lichtes in meiner Blindheit gelassen hat, wie ich es verdient hätte. Ich bin daher, o mein Jesus! überaus verpflichtet und ich wäre dir allzu undankbar, wenn ich dir wieder den Rücken kehren würde. Nein, mein Erlöser! Ich will deinen Erbarmungen in Ewigkeit Lob singen. Ich hoffe in dem mir übrigen Leben und während der ganzen Ewigkeit deiner Barmherzigkeit immer Lob zu singen, dich stets zu lieben und deiner Gnade mich nicht mehr beraubt zu sehen. Meine bisherige große Undankbarkeit gegen dich, die ich jetzt verabscheue und über alles Übel verfluche, soll mir dazu dienen, das dir zugefügte Unrecht stets bitter zu beweinen und in mir die Liebe zu dir desto mehr zu entflammen, indem ich mir jene großen Gnaden vor Augen halte, die du nach so vielen von mir erhaltenen Beleidigungen mir erwiesen hast. Ja, ich liebe dich, unendlicher Liebe würdiger Gott! Von heute an sollst du meine einzige Liebe, mein einziges Gut sein. O ewiger Vater! um der Verdienste Jesu Christi willen bitte ich dich um die endliche Beharrlichkeit in deiner Gnade, und in deiner Liebe. Ich weiß zwar, daß du sie mir immer geben werdest, wenn ich dich darum bitte. Aber deshalb flehe ich zu dir, mein Gott! um die Beharrlichkeit und um die Gnade, solche immerfort zu verlangen. — O Maria, meine Fürsprecherin, meine Zuflucht und Hoffnung! erhalte mir durch deine Fürbitte die Standhaftigkeit, Gott stets um die endliche Beharrlichkeit zu bitten. Ich bitte dich, erwirke sie mir Jesu Christo zu Liebe.
31. Betrachtung
Von der Beharrlichkeit
3. Punkt
Nun kommen wir zum dritten Feinde, welcher der schlimmste von allen ist, nämlich das Fleisch: und wir wollen sehen, wie wir uns dagegen verteidigen müssen. Fürs erste durch das Gebet, doch hievon haben wir schon oben betrachtet. Zweitens durch Vermeidung der Gelegenheit, und diese wollen wir jetzt wohl erwägen.
Der heilige Fiernardinus von Siena sagt, der allerwichtigste Rat, ja sogar die Stütze der Religion sei jener Rat, die sündhaften Gelegenheiten zu fliehen: „Unter den Räten Christi ist einer der hervorstechendsten, und gleichsam die Grundlage der Religion, dieser: fliehe die Gelegenheit zur Sünde.“ (1 Toma Serm. 21. art. 3 cap. 3) Es bekannte einst der Teufel, durch Beschwörungen gezwungen, die widerlichste Predigt sei ihm die Predigt von der Flucht der Gelegenheit. Und mit Recht; denn der Teufel macht sich über alle Vorsätze und Versprechungen lustig, die ein büßender Sünder macht, so lange derselbe nicht auch die Gelegenheit zur Sünde verläßt. Die Gelegenheit ist vorzüglich in Betreff der sinnlichen Lüste wie eine Binde vor den Augen und läßt den Menschen weder seine gemachten Vorsätze mehr sehen, noch auch die erhaltenen Erleuchtungen oder die ewigen Wahrheiten; kurz, sie macht, daß man alles vergißt und gleichsam blind wird. Die erste Ursache des Falles unserer ersten Eltern bestand eben darin, daß sie die Gelegenheit nicht flohen. Gott hatte ihnen unter anderem sogar verboten, die verbotene Frucht zu berühren: Gott hat uns geboten, daß wir nicht davon essen und sie auch nicht berühren. (Gen 3,3) Allein die unbehutsame Eva sah, nahm und aß. Zuerst fing sie an, die Frucht näher zu beschauen, dann nahm sie selbe in die Hand und - aß davon. Wer freiwillig in die Gefahr sich begibt, wird darin zu Grunde gehen: Wer die Gefahr liebt, wird darin umkommen. (Eccl 3,27) Der heilige Petrus sagt: Der Teufel geht herum und sucht, wen er verschlinge. Was tut er also, um wieder in eine Seele einzukehren, aus der er bereits vertrieben worden ist? fragt der heilige Cyprianus. Er geht hin und forscht, ob er nicht irgend eine Gelegenheit finde: „Er forscht, ob es nicht vielleicht etwas gebe, wodurch er eindringen könnte.“ Läßt sich die Seele verleiten, zur sündhaften Gelegenheit zu gehen, so wird der Feind ohne Zweifel in dieselbe wieder einkehren und selbe verschlingen. Ferner bemerkt der Abt Guerricus: Lazarus sei gebunden auferstanden; „er ging an Händen und Füßen gebunden hervor“, und indem er also aufstand, starb er wieder. Wehe dem, will dieser Schriftsteller sagen, der von der Sünde zwar aufsteht, allein, von der Gelegenheit gebunden aufsteht. Dieser wird, wenn er schon aufsteht, dennoch wieder sterben. Wer also selig werden will, muß nicht nur die Sünde, sondern auch die Gelegenheit zu sündigen aufgeben; er muß meiden z.B. jenen Freund, jenes Haus, jenen Briefwechsel usf.
Doch du wirst sagen: jetzt habe ich das Leben schon geändert und ich beabsichtige mit dieser Person nichts Böses, ja ich fühle nicht einmal eine Versuchung. Ich antworte: In Mauritanien gibt es, wie man erzählt, gewisse Bärinnen, die gegen die Affen auf die Jagd ausgehen. Wenn nun die Affen die Bärinnen erblicken, so flüchten sie sich auf die Bäume; aber was tut die Bärin? Sie streckt sich unter dem Baume aus und stellt sich tot; sieht sie dann, daß die Affen herabgestiegen sind, so steht sie auf, ergreift und frißt sie. Gerade so geht der böse Feind zu Werke; er verblendet uns, damit wir wähnen, die Versuchung sei schon ganz vorüber; begibt sich aber die Person hernach in die Gelegenheit, dann läßt er die Versuchung aufstehen, und sie verschlingt ihn. O wie viele unglückliche Seelen gibt es nicht, welche oft beteten, kommunizierten und die man heilig nennen konnte; sie wurden aber eine Beute der Hölle, weil sie sich in die Gelegenheit begaben! In der Kirchengeschichte wird folgendes berichtet: Eine heilige Frau, welche so barmherzig war, daß sie die Blutzeugen begrub, fand einst einen, der noch nicht verschieden war; sie trug ihn in ihr Haus und er genas. Was geschah? Durch die nahe Gelegenheit verloren diese zwei Heiligen, wie man sie allerdings nennen konnte, zuerst die Gnade Gottes, sodann auch den Glauben.
Der Herr befahl dem Isaias zu predigen, jeder Mensch sei Heu: Rufe, alles Fleisch ist Heu. (Jes 40,6) Hier macht der heilige Chrysostomus die Bemerkung und sagt: ist es wohl möglich, daß das Heu nicht brenne, wenn man Feuer dazu legt? „Lege Feuerfunken auf das Heu und dann wage zu behaupten, daß das Heu nicht brenne.“ Und ebenso unmöglich, spricht Cyprianus, ist es, im Feuer zu stehen und von den Flammen nicht ergriffen zu werden. Unmöglich ist es, von Flammen umgeben zu werden, ohne zu brennen. (De sing. Cler.) Unsere Stärke, warnt der Prophet, ist wie der ins Feuer geworfene Strohhalm: Und eure Stärke wird wie Stoppeln sein. (Jes 1,31) Ebenso, sagt Salomon, wäre jener töricht, welcher behaupten würde, er könne auf einer Glut einhergehen, ohne sich zu brennen. Kann wohl ein Mensch auf glühenden Kohlen einhergehen, ohne seine Fußsohlen zu verbrennen? (Spr 6,27, 28) Gleichfalls töricht wäre jener, der sich in die Gelegenheit begeben würde, in der Meinung, nicht zu fallen. Man muß vor der Sünde fliehen, wie vor einer Schlange: Fliehe vor der Sünde, wie vor dem Angesichte einer Schlange. (Eccl 21,2) Man muß nicht nur den Biß einer Schlange fürchten, sagt Gualfridus, man muß sich fürchten, nicht nur sie zu berühren, sondern auch ihr zu nahe zu kommen: „Fliehe sowohl die Berührung, als auch die Annäherung.“ Indessen erwiderst du: jenes Haus, jene Freundschaft, ist mir zu meinem Fortkommen verhilflich. Wohl siehst du aber ein, daß jenes Haus der Weg zur Hölle für dich sei: ihr Haus ist der Weg zur Hölle (Spr 7,27), so gibt es keinen Ausweg, du mußt es durchaus verlassen, wenn du selig werden willst. Wäre es auch dein rechtes Auge, sagt der Herr, so mußt du es ausreißen und weit von dir werfen. Wenn dich dein rechtes Auge ärgert, so reiß es aus und wirf es von dir. (Mt 5,29) Man merke das Wort: von dir; man muß es nicht nahe vor sich hin, sondern weit hinaus werfen, das heißt: man muß sich jeder Gelegenheit entreißen. Der heilige Franziskus von Assisi sagte, der böse Feind versuche die geistlichen Personen, die sich Gott gewidmet haben, auf eine andere Art, als er jene versucht, die ein böses Leben führen. Er sucht sie im Anfange nicht sogleich mit einem Stricke zu binden, er bindet sie nur mit einem Haare; dann bindet er sie mit einem Faden, hernach mit einer Schnur, hierauf mit einem Stricke, und so reißt er sie endlich in die Sünde mit sich fort. Wer also von dieser Gefahr frei sein will, schneide gleich anfangs jenes Haar ab, er vermeide jede Gelegenheit, diese Begrüßungen, jene Geschenke, jene Briefchen und dergleichen. Und was insbesondere das Laster der Unkeuschheit betrifft, so wird es für den, der daran gewohnt war, nicht genug sein, die nächsten Gelegenheiten zu fliehen; er muß auch die entfernteren fliehen; flieht er nicht auch diese, so wird er wieder fallen.
Wer wirklich selig werden will, muß den festen Entschluß fassen und ihn stets erneuern, von Gott nicht mehr sich trennen zu wollen und er wiederhole deshalb recht oft den Spruch der Heiligen: „Man verliere alles, nur Gott nicht.“ Es genügt jedoch nicht der bloße Vorsatz, ihn nicht mehr verlieren zu wollen, man muß auch die Mittel ergreifen, um diesen Verlust sicher abzuwenden. Das erste Mittel ist die Flucht der Gelegenheiten; wovon schon oben die Rede war. Das zweite ist der oftmalige Gebrauch der heiligen Sakramente der Beichte und Kommunion. In einem Hause, in welchem man oft auskehrt, herrscht die Unreinlichkeit nicht. Durch die Beichte erhält man die Seele rein und man erlangt durch sie nicht nur Nachlassung der Sünden, sondern auch Hilfe zum Widerstande gegen die Anfechtungen. Die Kommunion aber heißt mit Recht das Himmelsbrot; und so wie der Leib ohne irdische Speise nicht leben kann, eben so wenig kann die Seele ohne diese himmlische Speise leben. Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esset und sein Blut nicht trinket, so werdet ihr das Leben nicht in euch haben. (Joh 6,54) Wer hingegen dies Brot oft genießt, der ist versichert, daß er in Ewigkeit leben werde! Wer von diesem Brote essen wird, der wird in Ewigkeit leben. (Joh 6,52) Daher nennt der Kirchenrat von Trient die Kommunion eine Arznei, welche von den läßlichen Sünden uns frei macht und vor den tödlichen sichert: „ein Gegenmittel, wodurch wir von den täglichen Fehlern befreit und vor Todsünden bewahret werden.“ (Trid. Sess. 13, cap. 2) Das dritte Mittel ist die Betrachtung oder das innerliche Gebet. Gedenke an deine letzten Dinge und du wirst in Ewigkeit nicht sündigen. (Eccl 7,40) Wer die ewigen Wahrheiten, den Tod, das Gericht, die Ewigkeit vor Augen hat, wird nicht in die Sünde fallen. Gott erleuchtet uns in der Betrachtung: Gehet zu ihm hin und ihr werdet erleuchtet werden. (Ps 33,6) Dort spricht er zu uns und läßt uns wissen, was wir zu vermeiden und was wir zu tun haben: Ich will sie in die Wüste führen und ihr ins Herz reden. (Os 2,14) Die Betrachtung ist ferner jener schöne Ofen, worin die göttliche Liebe sich entzündet. In meiner Betrachtung hat sich ein Feuer entzündet. (Ps 38,4) Um sich endlich in der Gnade Gottes zu bewahren, ist es, wie schon öfters erinnert wurde, unumgänglich notwendig, immer um die dazu erforderlichen Gnaden zu bitten und zu flehen; wer aber das innerliche Gebet nicht übt, wird schwerlich bitten, flehen, und wenn man nicht betet, wird man zu Grunde gehen.
Man muß also unerläßlich die Mittel zur Erlangung der Seligkeit anwenden und einen geordneten Lebenswandel führen. Morgens beim Aufstehen übe die christlichen Tugenden der Danksagung, der Liebe, der Aufopferung und des Vorsatzes, nebst der Bitte zu Jesu und Maria, daß sie dich an diesem Tage vor Sünden bewahren wollen. Hierauf mache die Betrachtung und höre die Heilige Messe. Untertags hernach eine geistliche Lesung, den Besuch des allerheiligsten Sakramentes und der göttlichen Mutter. Abends den Rosenkranz und die Gewissenserforschung. Unter der Woche öftere Kommunion nach Rat des Beichtvaters, den man beständig beibehalten soll. Sehr nützlich wäre es auch, jährlich einmal in irgend einem Kloster die geistlichen Übungen vorzunehmen. Man muß auch die allerheiligste Jungfrau Maria mit einer besonderen Andacht, durch Fasten an jedem Sonnabende, verehren. Sie nennt sich die Mutter der Beharrlichkeit und verspricht solche dem, der ihr dient. Die mir dienen, werden nicht sündigen. (Eccl 24,30) Vor allem muß man Gott immer um die heilige Beharrlichkeit bitten und vorzüglich zur Zeit der Versuchungen, denn damals soll man unaufhörlich die heiligen Namen Jesu und Maria anrufen, so lange die Versuchung dauert. Wenn du es so machest, wirst du gewiß selig und wenn du es nicht so machst, gewiß verworfen werden.
Anmutungen und Bitten
Mein lieber Erlöser! ich danke dir für die Erleuchtungen, die du mir gibst und für die Mittel, die du mir anzeigst, um mich selig zu machen. Ich verspreche dir, sie standhaft in Ausübung zu bringen. Hilf mir, daß ich dir treu bleibe. Ich sehe ein, daß du mich selig machen willst, und ich will selig werden, vorzüglich, um dem Wunsche deines Herzens, das mein Heil so sehnlich wünscht, zu willfahren. Nein, mein Gott, ich will deiner Liebe, die du zu mir hegst, nicht mehr Widerstand leisten. Diese Liebe war es, die mich mit so großer Geduld ertrug, während ich dich beleidigte. Du forderst mich zur Gegenliebe auf und sieh, ich wünsche nichts anders, als dich zu lieben. Ich liebe dich, o unendliche Güte, ich liebe dich, o unendliches Gut! Ach, daß ich dich innigst liebte! Um der Verdienste Jesu Christi willen, laß mich nicht mehr undankbar gegen dich sein! mache, daß ich entweder aufhöre dir undankbar zu sein oder laß mich mein Leben beschließen. Herr! du hast das gute Werk begonnen, vollende es auch: Bestätige dies, o Gott! was du in uns gewirket hast. Gib mir Licht, gib mir Stärke, gib mir Liebe. — O Maria! die du die Bewahrerin der Gnadenschätze bist, komm mir zu Hilfe, erkläre mich für deinen Diener, wie ich es sein will, und bitte Jesum für mich. Meine Seligkeit hängt vorerst ab von den Verdiensten Jesu Christi, dann aber auch von deiner milden Fürsprache.
Von dem Vertrauen auf den Schutz der allerseligsten Jungfrau Maria
„Wer mich findet, findet das Leben
und wird vom Herrn das Heil erlangen.“
(Spr 8,35)
1. Punkt
Wie viel haben wir nicht der Barmherzigkeit unseres Gottes zu verdanken, indem er uns Maria zur Fürsprecherin gab, die durch ihre Bitten alle Gnaden, die wir nur wünschen, uns zu erlangen vermag? O überaus wunderbare Gütigkeit unseres Gottes! ruft der hl. Bonaventura aus, die seinen Schuldnern dich, o Frau! zur Sachwalterin gibt, damit du, was immer du willst, ihnen zu erlangen vermögest! (In Salve Reg.) O Sünder! — Meine Brüder, finden wir uns schuldig vor der göttlichen Gerechtigkeit und wären wir auch durch unsere Sünden bereits zur Hölle verdammt, o so verzweifeln wir dennoch nicht; laßt uns fliehen zu dieser göttlichen Mutter und uns unter ihren Schutzmantel begeben, und sie - wird uns retten. Wir brauchen nur den guten Willen, unser Leben zu ändern: einen guten Willen und ein großes Vertrauen auf Maria, und wir werden in Sicherheit sein. Und warum? Weil Maria unsere Fürbitterin ist, und zwar eine Fürbitterin, welche mächtig und barmherzig ist und welche alle selig zu machen verlangt.
Wir wollen Maria zuerst betrachten als eine mächtige Fürsprecherin, die beim Richter zu Gunsten ihrer Verehrer alles vermag. Dies ist ein besonderer Vorzug, welcher ihr von eben diesem Richter, der ihr Sohn ist, verliehen wurde. „O großes Vorrecht, wodurch Maria bei ihrem Sohne so überaus mächtig ist!“ (S. Bonav. in Spec. Lect.6) Johannes Gerson sagt (Tract. sup. Magn.): Die seligste Jungfrau verlange von Gott nichts, ohne es auch wirklich zu erhalten, und sie sende als Königin ihre Engel aus, um ihre Diener zu erleuchten, sie rein und vollkommen zu machen. Daher lässt die Kirche, um uns Vertrauen zu dieser großen Fürsprecherin einzuflößen, sie uns mit dem Ehrennamen: „Mächtige Jungfrau!“ anrufen. Du mächtige Jungfrau! bitte für uns. Und weshalb ist denn der Schutz Maria so vielvermögend? Weil sie Gottes Mutter ist. „Das Gebet der Gottesgebärerin - sagt der heilige Antonius - hat etwas Gebietendes an sich, daher ist es unmöglich, daß es nicht erhört werden sollte.“ (Part. 4 tit.25.c. 17 §4) Die Bitten Mariä haben, weil sie seine Mutter ist, eine gewisse gebietende Macht bei Jesu Christo, und deshalb ist es nicht möglich, daß sie, wenn sie bittet, nicht Gehör finde. Daher spricht der heilige Gregorius, Erzbischof von Nicomedia, unser Erlöser erhöre alle ihre Bitten, um sich, sozusagen, seiner gegen diese Mutter ihm obliegenden Verbindlichkeiten zu entledigen, weil sie das menschliche Dasein ihm gab: „Dein Sohn erfüllt deine Bitten, gleichsam als zahlte er seine Schuld dadurch ab.“ (Oreat. de exitu Mariae) Und so lesen wir auch in den hinterlassenen Schriften des heiligen Theophilus, Bischofs von Alexandria: „Der Sohn genehmiget die Bitten seiner Mutter, denn er will alles, was sie von ihm verlangt, zugestehen, um so die Wohltat zu belohnen, die er von ihr erhielt, indem sie ihm ihr Fleisch gegeben hat.“ Darum rief der heilige Blutzeuge Methodius aus: „Erfreue dich, die du deinen Sohn zum Schuldner hast! Denn wir alle sind Gottes Schuldner, dein Schuldner aber ist er selbst!“ (Orat. Hyp. Dom.) Frohlocke, o Maria! frohlocke, du hast das Glück, deinen Sohn zum Schuldner zu haben; wir aber sind alle seine Schuldner.
Deswegen sagt Cosmas von Jerusalem, die Hilfe Maria sei allvermögend: „Allmächtig ist deine Hilfe, o Maria!“ Und fürwahr, bestätiget der heilige Laurentius, sie ist allvermögend, denn es ist billig, daß die Mutter an der Macht ihres Sohnes Anteil habe; der Sohn also, welcher allmächtig ist, macht die Mutter allmächtig: „Da aber die Macht des Sohnes und der Mutter eben dieselbe ist, so ist die Mutter durch ihren allmächtigen Sohn allmächtig geworden.“ (Lib. 4 de laud. Virg.) Der Sohn ist von Natur aus allmächtig, die Mutter ist es durch die Gnade; das heißt, sie erhält durch ihre Bitten, so viel sie verlangt, gemäß jenen berühmten Worten: „Was Gott durch seine Macht vermag, das bewirkest du, o Jungfrau, durch deine Bitte.“ Und eben dies wurde der heiligen Brigitta geoffenbart. (Rev. üb. 1. Cab. 4) Eines Tages hörte die Heilige Jesum im Gespräche mit Maria zu dieser also sagen: „Verlange von mir, was du immer willst; denn keine deiner Bitten kann fruchtlos sein.“ Meine Mutter, begehre von mir, so viel du willst; denn keine deiner Bitten kann von mir unerhört bleiben. Und dann fügte er die Ursache bei: „Denn weil du mir auf Erden nichts versagtest, so will auch ich dir im Himmel nichts versagen. Du schlugst mir auf der Welt nichts ab, so ist es denn billig, daß auch ich dir jetzt, da du bei mir im Himmel bist, nichts abschlage.“
Kurz, es gibt keinen, und wäre er auch noch so lasterhaft, den Maria durch ihre Fürsprache nicht retten könnte. „Du hast eine unübertreffliche Macht,“ sagt der heilige Gregorius von Nicomedia, „so daß nicht einmal die Menge der Sünden ihre Huld übertrifft; nichts auch widersteht deiner Macht, denn dein Schöpfer hält deine Ehre für seine eigene.“ (Orat. de exitu B. V.) O Mutter Gottes! nichts kann deiner Macht widerstehen; denn dein Schöpfer schätzt ja deine Ehre für seine eigene. Alles vermagst du, also spricht der heilige Petrus Damianus zu ihr, weil du sogar die Verzweifelten zu retten vermagst: „Nichts ist dir unmöglich, da du sogar die Verzweifelten zur Hoffnung der Seligkeit wieder aufrichten kannst.“ (Serm. 1. denativ. B.V.)
Anmutungen und Bitten
Meine liebe Königin und Mutter Maria! Mit dem heiligen Germanus will ich dir zurufen: „Du bist allmächtig, um die Sünder selig zu machen, und bedarfst keiner weiteren Empfehlung bei Gott, weil du die Mutter des wahren Lebens bist.“ (Serm. 3. in dorn. B. V.) Fliehe ich also zu dir, o meine Frau, so können mir alle meine Sünden die Hoffnung der Seligkeit nicht benehmen. Du erlangst durch deine Bitten, so viel du verlangst; bittest du also für mich, so werde ich gewiß selig werden. Ach, bitte für mich Elenden! Mit dem heiligen Bernardus will ich zu dir rufen: „O große Mutter Gottes! dein Sohn hört dich und alles gewährt er dir, um was du ihn bittest; so rede denn für mich, o Frau! denn dein Sohn hört dich, und was du immer begehrest, das wirst du erlangen.“ Es ist wahr, ich bin ein Sünder; allein ich verlange mich zu bessern, und ich rühme mich, einer aus deinen besonderen Dienern zu sein. Ich bin zwar deines Schutzes unwürdig, allein ich weiß, daß du noch niemand verlassen hast, der auf dich sein Vertrauen setzte. Du kannst und willst mich selig machen, denn ich vertraue auf dich. Als ich verloren und deiner uneingedenk dahinlebte, gedachtest du meiner und erhieltst mir die Gnade, daß ich wieder in mich ging; um wie viel mehr muß ich nun Hoffnung fassen, da ich mich deinem Dienste gewidmet habe und auf dich hoffe und vertraue? O Maria! bitte für mich und mache mich heilig. Erhalte mir die heilige Beharrlichkeit, erflehe mir eine inbrünstige Liebe zu deinem Sohne und zu dir, meiner so liebenswürdigen Mutter. Ich liebe dich, meine Königin, und ich hoffe dich immer zu lieben. Liebe auch du mich und mache mich durch deine Liebe aus einem Sünder zu einem Heiligen.
32. Betrachtung
Von dem Vertrauen auf den Schutz der allerseligsten Jungfrau Maria
2. Punkt
Betrachten wir zweitens Maria als eine Fürsprecherin, die zugleich ebenso barmherzig ist, als mächtig, und die daher ihren Schutz keinem versagen kann, der zu ihr flieht. Die Augen des Herrn, sagt David, sind auf die Gerechten gerichtet; allein diese Mutter der Barmherzigkeit richtet, wie Richardus vom heiligen Laurentius versichert, ihre Augen auf die Gerechten und auf die Sünder zugleich, damit jene nicht fallen und damit diese, nachdem sie gefallen sind, mittelst ihrer Fürbitte vom Falle sich aufrichten. „Die Augen der Herrin schauen auf die Gerechten sowohl als auf die Sünder, gleichwie die Augen einer Mutter auf ihr Kind geheftet sind, damit es ja nicht falle, oder um es, wenn es schon gefallen ist, aufzuheben.“ Der heilige Bonaventura sagte, bei dem Anblicke Maria habe ihn gedünkt, als hätte er die Barmherzigkeit selbst gesehen: „Gewiß, o Frau! wenn ich dich anschaue, sehe ich nichts als Barmherzigkeit.“ Daher ermuntert uns der heilige Bernardus, in allen unseren Anliegen uns dieser mächtigen Fürsprecherin mit großer Zuversicht anzuempfehlen: denn ganz liebreich und huldvoll ist sie gegen jeden, der sich ihr anempfiehlt: „Warum soll sich die menschliche Gebrechlichkeit fürchten, zu Maria hinzutreten? An ihr ist nichts Strenges, nichts Abschreckendes, sie ist ganz voll Milde.“ Und daher wird Maria ein Ölbaum genannt: Wie ein schöner Ölbaum auf dem Felde. (Eccl 24,19) So wie aus dem Ölbaume nichts als Öl fließt, das Sinnbild der Barmherzigkeit, ebenso strömt aus den Händen Mariä nichts als Gnade und Erbarmen hervor, die sie allen jenen ausspendet, welche unter ihren Schutz fliehen. Deshalb nennt sie Dionysius, der Karthäuser mit Recht die Fürsprecherin aller zu ihr sich wendenden Sünder: „Du Fürsprecherin aller Ungerechten, die bei dir Hilfe suchen.“ O Gott! welchen Schmerz wird eine Seele im Augenblicke der Verdammnis fühlen, wenn sie bedenkt, wie leicht sie zu dieser Mutter der Barmherzigkeit hätte fliehen und also selig werden können; sie aber habe es leichtsinnig vernachlässigt, und nun sei keine Zeit mehr, die Sache gut zu machen!
Die seligste Jungfrau sagte einst zur heiligen Brigitta: Man heißt mich die Mutter der Barmherzigkeit, und ich bin es auch, denn Gottes Barmherzigkeit hat mich dazu auserwählt: „Ich werde von allen Mutter der Barmherzigkeit genannt, und wahrlich hat mich seine Barmherzigkeit barmherzig gemacht.“ (Revel. lib. 1, cap. 6) Und in Wahrheit, wer anders hat diese Fürsprecherin zu unserer Verteidigung uns gegeben als die Barmherzigkeit Gottes, weil sie uns selig haben will? „Armselig wird also jener sein, fügt Maria bei, der sich, da er doch kann, nicht zu der Barmherzigen begibt.“ Unglückselig wird in Ewigkeit derjenige sein, sagte sie, der, obwohl er sich in diesem Leben mir anempfehlen kann, die ich doch gegen alle so gütig und mitleidig bin, in seinem Unglücke dennoch nicht Hilfe sucht und verdammt wird.
Oder fürchten wir etwa, fragt der heilige Bonaventura, wenn wir bei Maria Hilfe suchen, sie möchte uns selbe versagen? „Nein, spricht der Heilige, denn sie kann nicht ohne Mitleid sein, und nie auch konnte sie die Armen unbefriedigt entlassen.“ Nein, niemals kann und niemals konnte Maria was immer für einen Armseligen, der zu ihr floh, Mitleid und Hilfe versagen. So was verträgt sich nicht mit ihrer Milde, und sie ist durchaus unfähig, solches zu tun; denn sie ist uns ja von Gott zur Königin und Mutter der Barmherzigkeit angewiesen worden; als Königin und Mutter der Barmherzigkeit ist sie zur Obsorge für die Armen verpflichtet: Du bist die Königin der Barmherzigkeit, sagt der heilige Bernardus zu ihr, und wer sind die Untertanen der Barmherzigkeit, als eben alle Armseligen?“ Daher sprach dann der Heilige aus Demut noch also zu ihr: Da du also, o Gottesgebärerin! die Königin der Barmherzigkeit bist, so mußt du für mich am meisten Sorge tragen, da ich unter allen der elendeste Sünder bin. Du bist die Königin der Barmherzigkeit, und ich bin der allerelendeste Sünder, der letzte deiner Untertanen, lenke uns also, o Königin der Barmherzigkeit!“ Als Mutter der Barmherzigkeit muß sie ferner Sorge tragen, ihre kranken Kinder von dem Tode zu retten, denen sie nur durch ihre Barmherzigkeit Mutter wird. Darum nennt sie der heilige Basilius ein allgemeines Krankenhaus, „ein öffentliches Hospital“. Die öffentlichen Krankenhäuser sind nur für arme Kranke errichtet, und je ärmer einer ist, umsomehr hat er Anspruch, dort aufgenommen zu werden; ebenso muß Maria, nach dem Ausspruche des heiligen Basilius, die großen Sünder, die zu ihr fliehen, mit desto größerer Erbarmung und Aufmerksamkeit aufnehmen.
Laßt uns ja keinen Zweifel hegen an der Barmherzigkeit Maria. Einst hörte die heilige Brigitta den Heiland zu Maria sprechen: „Du würdest sogar dem Teufel Barmherzigkeit erweisen, wenn er dich demütig bäte.“ Nie zwar wird der stolze Luzifer sich herablassen, dies zu tun; würde sich aber der Elende vor dieser göttlichen Mutter demütigen und um Hilfe bitten, so würde ihn Maria wahrlich aus der Hölle durch ihre Fürbitte herausziehen. Jesus Christus wollte uns dadurch das zu verstehen geben, was Maria selbst dann zur Heiligen sagte: Wenn auch ein noch so großer Sünder zu ihr fliehe, so sehe sie nicht auf die Sünden, womit er beladen ist, sondern auf den Willen, womit er kommt; kommt er mit dem guten Willen, sich zu bessern, so nehme sie ihn gerne auf, und heile alle seine Wunden: Mag ein Mensch noch so viele Sünden auf sich haben, wenn er sich jedoch mit wahrem Verlangen nach Besserung zu mir wendet, so bin ich auf der Stelle bereit, den Rückkehrenden aufzunehmen, und ich sehe nicht an, wie viel und groß seine Sünden seien, sondern mit welchem Willen er komme. Ich werde mich nicht scheuen, seine Wunden zu salben und zu heilen, denn ich heiße und bin ja wahrhaftig die Mutter der Barmherzigkeit.“ Und deswegen spricht der heilige Bonaventura den Sündern Mut zu: „Seufzet zu ihr, ihr verlorenen Sünder und sie wird euch in den Hafen einführen.“ (In Ps 8) Arme Sünder, verzaget nur nicht, erhebet eure Augen zu Maria, und seufzet vertrauungsvoll auf die Barmherzigkeit dieser guten Mutter. Wir wollen denn also, ermahnt uns der heilige Bernardus, die verlorene Gnade suchen, und zwar durch Vermittlung Mariä: „Suchen wir nun Gnade und suchen wir sie durch Maria.“ (Serm. de aquaeduct.) Diese verlorene Gnade, sagt Richard vom heiligen Laurentius, hat sie wieder gefunden, daher müssen wir zu ihr uns begeben, um sie wieder zu erhalten. „Mit dem Wunsche beseelt, Gnade zu finden, wollen wir das Licht der Gnade aufsuchen.“ (De laud. Virg. lib. 2) Als der Erzengel Gabriel der allerseligsten Jungfrau die Botschaft von ihrer göttlichen Mutterschaft brachte, sagte er zu ihr unter anderem: Fürchte dich nicht, Maria, denn du hast Gnade gefunden. (Lk 1,30) Nun war aber Maria nie der Gnade beraubt, sie war vielmehr immer voll der Gnade: wie konnte denn der Erzengel zu ihr sagen, sie habe selbe gefunden? Hierauf antwortete der Kardinal Hugo: Maria fand sie nicht für sich, denn sie erfreute sich derselben immerdar, wohl aber für uns, da wir sie verloren hatten; daher ermahnt Hugo, wir sollen zu ihr gehen und sagen: „Frau, was man gefunden hat, muß man dem zurückstellen, der es verloren hat; diese von dir gefundene Gnade ist nicht dein, denn du hast die Gnade nie verloren; uns gehört sie, wir haben aus unserer Schuld sie verloren, folglich mußt du sie uns zurückstellen. Laufen also sollen die Sünder zur Jungfrau ; ja, zu ihr sollen sie laufen, die durch Sündigen die Gnade verloren haben, und zuversichtlich sollen sie sagen: gib uns das Unsrige zurück, denn du hast es wieder gefunden.“
Anmutungen und Bitten
Siehe, o erhabene Gottesmutter! dir zu Füßen einen armen Sünder, der nicht einmal, sondern vielmal die göttliche Gnade verlor, die ihm dein Sohn durch sein Blut erkauft hatte. O Mutter der Barmherzigkeit! ich komme zu dir mit einer Seele voll Wunden und Geschwüre. Ach verstoß mich nicht, sondern laß um so mehr zum Mitleide dich bewegen und hilf mir. Sieh an das Vertrauen, das ich zu dir trage und verlaß mich nicht. Nicht um irdische Güter bitte ich dich, nein, ich fliehe zu dir um Gottes Gnade und um Liebe zu deinem Sohne. Meine Mutter, bitte für mich und höre nicht auf, für mich zu bitten. Die Verdienste Jesu Christi und deine Fürbitte müssen mich retten. „Deine Sache ist es, für Sünder Fürbitte einzulegen; erfülle also, du unsere Fürsprecherin!“ will ich mit dem hl. Thomas von Villanova zu dir sagen, „erfülle deine Pflicht; verwalte dein Amt als Sachwalterin, empfiehl mich Gott und verteidige mich.“ Es gibt ja keinen Rechtsstreit, der, wäre er auch noch so verzweifelt, verloren gehen kann, wenn du die Verteidigung übernimmst. Du bist der Sünder Hoffnung, du bist meine Zuversicht! o Maria! Ich werde nicht aufhören, dir zu dienen, dich zu lieben und immer zu dir meine Zuflucht zu nehmen; aber höre auch du nicht auf mir zu helfen, besonders wenn du mich in Gefahr siehst, die Gnade Gottes wieder zu verlieren. O Maria, o erhabene Gottesmutter, erbarme dich meiner!
32. Betrachtung
Von dem Vertrauen auf den Schutz der allerseligsten Jungfrau Maria
3. Punkt
Betrachten wir drittens Maria als eine so barmherzige Fürsprecherin, daß sie nicht nur jenem hilft, der zu ihr flieht, sondern sogar die Armseligen aufsucht, um sie zu beschützen und zu erretten. Sehet, wie sie uns allen zuruft und Mut macht, alles Gute zu hoffen, wenn wir uns zu ihr wenden: „Bei mir ist alle Hoffnung des Lebens und der Stärke. Kommet her zu mir alle.“ (Eccl 24,25,26) Bei dieser Stelle sagt der fromme Pelbartus: Allen ruft sie zu, den Gerechten und Sündern. Der Teufel geht immer herum, warnet der hl. Petrus, und sucht, wen er verschlinge: Er geht herum und sucht, wen er verschlinge. (1 Petr 5,8) Diese göttliche Mutter aber, sagt Bernardus von Bustis, sucht, wen sie selig machen könne: „Stets geht sie umher und sucht, wen sie selig mache.“ (Marial. pat. 3. serm. 3) Maria ist eine Mutter der Barmherzigkeit; und die Teilnahme, die sie mit uns trägt, macht, daß sie mit uns Mitleid hat und fortwährend für unser Heil besorgt ist, gleich einer Mutter, die es nicht übers Herz bringen kann, ihre Kinder in der Gefahr des Unterganges zu erblicken und sie hilflos zu lassen. Und wer hat je, sagt der hl. Germanus, nach Jesus Christus mehr Sorge um unser Heil, als du, o Maria der Barmherzigkeit? Wer ist nach deinem Sohne um das Menschengeschlecht so sehr bekümmert, wie du? (Serm. de zona Virg.) Der hl. Bonaventura sagt: Maria sei in der Fürsorge für die Elenden so eifrig, daß sie kein größeres Verlangen zu haben scheint, als dieses. „Also bist du für die Armseligen besorgt, nur nach Werken der Barmherzigkeit scheinst du Verlangen zu haben.“ (Super Salve Reg.)
Ganz gewiß wird sie uns helfen, wenn wir uns zu ihr wenden und nie wird jemand von ihr verstoßen werden. „So groß ist ihre Güte“, sagt Idiota, „daß niemand von ihr zurückgewiesen wird.“ (Praefat in Cantic.) Doch hiemit begnügt sich das mitleidige Herz Maria noch nicht, fügt Richardus vom heiligen Victor hinzu; sie kommt unseren Bitten sogar zuvor und verwendet sich für unsere Hilfe, ehe wir sie bitten: „Mit größerer Eile eilt ihr Mitleid zu Hilfe, als man sie anruft, und kommt den Anliegen der Armen zuvor.“ (In Cant. cap. 23) Weiters sagt der nämliche Schriftsteller: Maria sei voll der Barmherzigkeit, so zwar, daß sie beim Anblick unserer Armseligkeiten alsogleich zu Hilfe kommt und die Not irgend eines Menschen nicht ansehen kann, ohne zu helfen: Daher bist du so voll Barmherzigkeit, daß du durch die Kunde über das Elend eines Menschen betroffen, die Milch der Barmherzigkeit ergießest, und daß du von keinem Elende wissen kannst, ohne demselben zu steuern. So machte sie es, so lange sie auf dieser Welt lebte, wie wir aus dem was auf der Hochzeit zu Kana in Galiläa vorging, abnehmen können, indem sie bei Ermanglung des Weines nicht so lange abwartete, bis sie gebeten würde, sondern in Mitleid mit der Betrübnis und Beschämung jener Brautleute ihren Sohn bat, er möchte sie doch trösten und daher sagte: Sie haben keinen Wein? und - sie erlangte, daß ihr Sohn durch ein Wunder das Wasser in Wein verwandelte. Wenn! sagt der hl. Bonaventura, das Mitleid Maria mit dem Betrübten schon damals so groß war, als sie noch auf der Erde lebte, so ist ihr Mitleid gewiß noch viel größer, womit sie jetzt hilft, da sie im Himmel ist, von wo aus sie unser Elend besser erkennt und uns noch mehr bedauert: Groß war die Barmherzigkeit Mariä gegen die Elenden, als sie noch auf der Welt verbannt lebte, weit größer aber ist sie, da sie in dem Himmel herrscht. (In spect. B.A. cap. 8) Und Novarinus fügt bei: wenn Maria sich sogar ungebeten zur Hilfe so bereitwillig zeigte, um wie viel mehr wird sie den zu trösten bereit sein, der sie bittet? „Wenn sie ungebeten mit ihrer Hilfe beispringt, was wird sie erst leisten, wenn sie gebeten wird?“
Lasset uns nur nie ermangeln, in allen unseren Nöten zu dieser göttlichen Mutter zu fliehen, die sich immer bereit finden läßt, dem zu helfen, der sie bittet: „denn stets finde ich sie zur Hilfe bereit“, sagt Richardus. Und Bernardinus von Bustis versichert, sie wünsche sehnlicher uns Gnaden zu erweisen, als wir von ihr zu erhalten begehren: „sie hat ein größeres Verlangen, dir Gutes zu tun und Gnade zu spenden, als du zu erhalten verlangst.“ (Marial. 1. Serm. 5 de Nom. MARIAE) Daher sagt er: Wenn wir zu ihr fliehen, werden wir sie immer die Hände voll Gnaden und Erbarmen finden; du wirst sie die Hände voll Barmherzigkeit und Freigebigkeit finden. So heftig ist das Verlangen, sagt der hl. Bonaventura, welches Maria hat, uns Gutes zu tun und selig zu sehen, daß sie sich für beleidiget hält, nicht nur von dem, der ihr absichtlich eine Unbild antut, sondern auch von jenen, die sie nicht um Gnaden bitten: Gegen dich, o Frau! sündigen nicht nur jene, welche dir eine Unbild antun, sondern auch diejenigen, die dich um nichts bitten. (S. Bon. in spect. Virg.) Dagegen aber behauptet der Heilige, daß jener, welcher sie anruft (es versteht sich immer, mit dem Willen, sich zu bessern), schon selig sei, daher ruft er aus: „O du Heil der dich Anrufenden, Heil desjenigen, der dich anruft!“ - Wenden wir uns demnach zu dieser göttlichen Mutter und sagen wir zu ihr immer das, was dieser Heilige zu ihr sprach: „Auf dich, o Frau, habe ich gehofft, ich werde in Ewigkeit nicht zu Schanden werden.“ O Frau, o Mutter Gottes Maria! nein, ich werde nicht verdammt werden, denn ich habe alle meine Hoffnung auf dich gesetzt.
Anmutungen und Bitten
O Maria! siehe zu deinen Füßen einen elenden Gefangenen der Hölle, der dich um Barmherzigkeit anfleht. Es ist wahr, ich verdiene nichts Gutes. Du aber bist der Barmherzigkeit Mutter und Mitleid übst du auch gegen den, der es nicht verdient. Die ganze Welt nennt dich die Zuflucht und die Hoffnung der Sünder; sei also auch meine Zuflucht und meine Hoffnung. Ich bin ein verlorenes Schäflein; das ewige Wort kam aber vom Himmel hernieder und wurde dein Sohn, um die verlorenen Schäflein zu retten,und er will, daß ich mich zu dir wende und daß du mir helfest mittelst deiner Fürsprache. Heilige Maria, Mutter Gottes! bitte für uns arme Sünder. O erhabene Gottesmutter! Du bittest ja für alle, o so bitte denn auch für mich bei deinem Sohne. Sage ihm, ich sei dein Verehrer, und du seiest meine Schutzfrau. Sage ihm nur, daß ich alle meine Hoffnung auf dich gesetzt habe. Sage ihm, er möchte mir verzeihen, es reueten mich alle ihm zugefügten Beleidigungen. Sage ihm, er möchte mir um seiner Barmherzigkeit willen die heilige Beharrlichkeit verleihen. O rede mit ihm, er möchte mir die Gnade geben, ihn aus meinem ganzen Herzen lieben zu können. Sage ihm mit einem Worte, du wollest mich selig haben, er tut ja, was du von ihm verlangst. O Maria, meine Hoffnung! auf dich baue ich, habe Mitleid mit mir.
Liebe zu Gott
„Lasset uns also Gott lieben, weil er uns zuerst geliebt hat.“
(1 Joh4,19)
1. Punkt
Betrachte vorerst, daß Gott von dir geliebt zu werden verdiene, weil er dich früher liebte, als du ihn liebtest und er vor allen der Erste war, der dich liebte: Ich war dir mit immerwährender Liebe zugetan. (Jer 31,3) Die ersten, welche auf dieser Welt dich liebten, waren deine Eltern; allein sie haben dich erst dann geliebt, nachdem du das Dasein erhieltest; doch ehe du noch warest, liebte dich schon Gott. Es war auf dieser Welt weder dein Vater, noch deine Mutter und Gott liebte dich schon; ja, es war noch nicht die Welt erschaffen und Gott liebte dich. Und wie lange schon liebte dich Gott, bevor er die Welt erschuf? Etwa tausend Jahre, etwa tausend Jahrhunderte? Zähle die Jahre und die Jahrhunderte nicht, sondern wisse, daß Gott von Ewigkeit her dich geliebt habe. Ich war mit immerwährender Liebe dir zugetan; darum habe ich dich aus Erbarmung zu mir gezogen, (ibid.) Mit einem Worte, so lange Gott - Gott ist, hat er dich stets geliebt; so lange er sich selbst liebt, liebte er auch dich. Mit Recht sagte daher jenes Jungfräulein, die hl. Agnes: „Ich habe schon einen andern Liebhaber.“ Als die Geschöpfe sie um ihre Liebe baten, antwortete sie: „Nein, du Welt und ihr Geschöpfe! ich kann euch meine Liebe durchaus nicht zuwenden; mein Gott hat zuerst mich geliebt, billig ist es daher, daß ich alle meine Liebe meinem Gott allein weihe.“
Wohlan, mein Bruder, von Ewigkeit her liebt dich Gott, und nur aus Liebe hat er aus der Menge so vieler Menschen, die er hätte erschaffen können, dich herausgenommen, das Dasein dir gegeben und auf diese Welt dich gesetzt. Dir zu Liebe schuf er auch so viele andere Geschöpfe, damit sie dir dienen und dich an die Liebe erinnern sollten, die er zu dir trug und die du ihm schuldig bist. „Himmel und Erde“, sprach der hl. Augustinus, „und alle Wesen rufen mir zu, ich solle dich lieben.“ Betrachtete der Heilige die Sonne, den Mond, die Sterne, die Berge, die Flüsse, so war es ihm, als rief alles ihm zu: Augustinus! liebe Gott, denn deinetwegen hat er uns erschaffen, auf daß du ihn liebest. Wenn der Abbe Rance, Stifter der Trappisten, die Hügel, die Quellen, die Blumen betrachtete, seufzte er, daß alle diese Geschöpfe ihn unter Vorwürfen an die Liebe erinnerten, die Gott zu ihm getragen habe. Die hl. Theresia klagte ebenfalls, daß die Geschöpfe ihr ihre Undankbarkeit gegen Gott vorwürfen. Hielt die hl. Maria Magdalena von Pazzis eine schöne Blume oder Frucht in der Hand, so fühlte sie ihr Herz von Liebe zu Gott wie mit einem Pfeile verwundet und sprach zu sich selbst: „Also dachte Gott von Ewigkeit her daran, diese Blume, diese Frucht für mich zu erschaffen, auf daß ich ihn liebte!“
Betrachte ferner die vorzügliche Liebe, die Gott zu dir trug, indem er in einem christlichen Lande und im Schoße der wahren Kirche dich geboren werden ließ. Wie viele werden nicht unter Götzendienern, unter Juden und Mohammedanern oder unter den Ketzern geboren und gehen elendiglich zu Grunde! Wenige nur haben das Glück, geboren zu werden, wo der wahre Glaube herrscht; und der Herr hat unter diesen wenigen dich auserwählt! O welch eine unermeßliche Gnade ist diese Gabe des Glaubens! Wie viele Millionen Personen sind der heiligen Sakramente, der Predigten, der guten Beispiele frommer Mitmenschen und aller übrigen Mittel beraubt, die in unserer wahren Kirche zu unserem sicheren Heile vorhanden sind! Und diese großen Hilfsmittel wollte Gott dir ohne irgend ein Verdienst zuwenden, und auch dann noch zuwenden, da er deine Strafwürdigkeit im voraus sah; denn als er beschloß, dich zu erschaffen und dir Gnaden zu erweisen, sah er schon die Unbilden voraus, die du ihm antun würdest.
Anmutungen und Bitten
O höchster Herr des Himmels und der Erde, unendliches Gut, grenzenlose Herrlichkeit! Ach, wie bist du bei deiner unaussprechlichen Liebe zu den Menschen doch so sehr von den Menschen verachtet! Und unter diesen Menschen liebtest du, mein Gott, vorzüglich mich, indem du ganz besondere Gnade mir erteiltest, die du vielen nicht verliehest; und ich - ach, ich habe dich also noch mehr verachtet, als die anderen! O Jesu, mein Heiland! ich falle dir zu Füßen, Verstoß mich nicht von deinem Angesichte. Wegen meiner übergroßen Undankbarkeit verdiente ich von dir verstoßen zu werden; doch du sagtest, du könntest einen reumütigen Sünder, der zu dir zurückkehrt, nimmermehr verstoßen: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht zurückweisen. (Joh 6,3 7) Mein Jesu, es reuet mich, dich beleidiget zu haben. Ich erkannte dich vormals nicht, nunmehr aber erkenne ich dich als meinen Herrn und meinen Erlöser, der für mich in den Tod ging, um mich selig zu machen und von mir geliebt zu werden. O mein Jesu, wann werde ich aufhören, dir undankbar zu sein? Wann werde ich anfangen, dich wahrhaft zu lieben? Siehe, jetzt in diesem Augenblicke will ich anfangen, dich mit ganzem Herzen zu lieben und niemand anderen zu lieben als dich. O unendliche Güte! könnte ich dich für alle jene anbeten und lieben, die dich nicht lieben. Ich glaube an dich, ich hoffe auf dich, ich liebe dich, dir biete ich mich ganz dar. Hilf mir mit deiner Gnade, denn du kennst meine Schwäche. Hattest du mich aber schon damals so sehr begünstigt, als ich dich noch nicht liebte und zu lieben wünschte, um wie viel mehr kann ich jetzt auf deine Barmherzigkeit bauen, da ich dich liebe und nichts anderes als dich zu lieben verlange? Mein Herr, schenke mir deine Liebe, aber eine inbrünstige Liebe, die da bewirkt, daß ich aller Geschöpfe mich entschlage; eine starke Liebe, welche mir Kraft verleiht, alle Schwierigkeiten zu überwinden, um dir wohlzugefallen; eine beständige Liehe, die zwischen mir und dir nie mehr aufhöre. O mein Jesu, ich hoffe alles von deinen Verdiensten, und ich hoffe es mittelst deiner Fürsprache, o meine süße Mutter Maria!
33. Betrachtung
Liebe zu Gott
2. Punkt
Gott hat nicht nur so viele schöne Geschöpfe für mich erschaffen, nein, damit war er noch nicht zufrieden: er hat sich sogar selbst uns dargegeben. Er hat uns geliebt und sich selbst uns dargegeben. (Gal 2,20) Es brachte uns die verfluchte Sünde um die göttliche Gnade und um den Himmel und machte uns zu Leibeigenen der Hölle. Allein Gottes Sohn wollte zum Erstaunen des Himmels und der Natur auf die Erde kommen und Mensch werden, um uns vom ewigen Tode zu erlösen und uns die göttliche Gnade und den verlorenen Himmel wieder zu erlangen. Müßte man sich nicht hoch verwundern, wenn irgend ein weltlicher Regent um der Würmer willen zum Wurme würde? Allein wie unendlich höher muß unsere Verwunderung steigen, wenn wir bedenken, daß ein Gott den Menschen zuliebe Mensch wird? Er hat sich selbst vernichtet, indem er die Gestalt eines Knechtes annahm. Er ward anderen Menschen gleich und zog ihre Gestalt an. (Phil 2,7) Ein Gott, mit Fleisch bekleidet! Und das Wort ist Fleisch geworden. (Joh 1,14) Doch unsere Verwunderung wird noch erhöht, wenn man erwägt, was alles dieser Sohn Gottes uns zu Liebe getan und gelitten habe. Es wäre zu unserer Erlösung ein einziger Tropfen seines Blutes oder eine Träne, eine einzige Bitte hinreichend gewesen; denn seine Bitte, als die Bitte einer göttlichen Person, wäre von einem unendlichen Werte und somit genügend gewesen, die ganze Welt und unzählige Welten selig zu machen. Doch nein, sagt Chrysostomus, was genügt hätte, uns zu erlösen, genügte nicht jener unermeßlichen Liebe, die Gott zu uns trug: „Was zur Erlösung hinreichend war, genügte nicht seiner Liebe.“ Er wollte uns nicht nur selig machen, sondern wegen seiner übergroßen Liebe zu uns wollte er auch von uns recht innig geliebt werden; und deshalb wählte er ein Leben voll der Leiden und Verachtungen, und den bittersten Tod, um nur die grenzenlose Liebe zu erkennen zu geben, mit der er zu dir entbrannt war. Er hat sich selbst erniedriget und ist gehorsam geworden bin in den Tod, ja, bis zum Tode des Kreuzes. (Phil 2,8) O Übermaß der göttlichen Liebe, welches die gesamte Erkenntnis aller Menschen und Engel bei weitem übersteigt! Ein Übermaß, wie es auch von Moses und Elias auf dem Berge Tabor genannt wurde, als sie vom Leiden Jesu Christi sprachen: Und sie redeten von seinem Übermaße, das er zu Jerusalem vollenden würde. (Lk 9,31) „Ein Übermaß des Schmerzes, ein Übermaß der Liebe!“ sagt der heilige Bonaventura. Wäre der Erlöser nicht Gott gewesen, sondern nur einer von unseren Freunden und Verwandten, hätte er uns wohl einen größeren Beweis von seiner Liebe geben können, als den, daß er für uns starb? Niemand hat eine größere Liebe als diese, daß er sein Leben für seine Freunde gibt. (Joh 15,13)
Hätte der Sohn seinen eigenen Vater selig machen müssen, was hätte er aus Liebe zu ihm wohl mehr tun können? Wärest du, mein Bruder, Gott gewesen und der Schöpfer Jesu Christi, was hätte er für dich anderes tun können, als das Leben in einem Meere von Verachtungen und Schmerzen aufopfern? Hätte der geringste Mensch in der Welt das für dich getan, was Jesus Christus tat, könntest du wohl leben, ohne ihn zu lieben? Und was sagst du zu allen diesen? Glaubst du an die Menschwerdung und an den Tod Jesu Christi? Ja, du glaubst und liebst ihn doch nicht? Du kannst dich noch entschließen, etwas anderes zu lieben, als Jesum Christum? Zweifelst du etwa, ob er dich liebe? Er kam, sagt der heilige Augustinus, zu diesem Ende auf die Welt, um für dich zu leiden und zu sterben, und dadurch dir jene unermeßliche Liebe zu erkennen zu geben, die er zu dir trägt: „Deshalb ist Christus gekommen, damit der Mensch erkenne, wie sehr ihn Gott liebe.“ Vor der Menschwerdung hätte der Mensch noch zweifeln können, ob Gott ihn zärtlich liebe; wie sollte man aber nun nach der Menschwerdung und nach dem Tode Jesu Christi noch irgend einen Zweifel daran hegen können? Fürwahr, auf keine Weise hätte er uns die große Zärtlichkeit seiner Liebe besser an den Tag legen können, als dadurch, daß er sein göttliches Leben für uns opferte. Allein leider ist unser Ohr gewohnt, von Schöpfung, Erlösung, von einem Gott in der Krippe, von einem Gott auf dem Kreuzesholze reden zu hören, und weil sie daran gewohnt, bleiben wir dabei kalt und gefühllos. O heiliger Glaube, erleuchte uns doch!
Anmutungen und Bitten
O mein Jesu! du hast nicht mehr tun können, um mich in die Notwendigkeit zu versetzen, und ich sehe wohl, daß ich durch meinen Undank dich zwinge, mich zu verlassen. Deine Geduld sei immer gepriesen, die mich so lange ertrug. Fürwahr, ich verdiente eine für mich eigens geschaffene Hölle; doch dein Tod gibt mir Hoffnung. Ach, gib mir Licht, auf daß ich erkenne, wie sehr du, o unendliches Gut! geliebt zu werden verdienest und wie streng ich verbunden bin, dich zu lieben. Wohl wußte ich, daß du, mein Jesu, für mich gestorben bist, und wie konnte ich dennoch, o Gott! so viele Jahre deiner uneingedenk leben? O daß ich die verflossenen Jahre von Neuem wieder durchleben könnte, ich würde sie alle dir, meinem Herrn, weihen! Allein die verflossenen Jahre kehren nicht wieder; ach gib doch, daß ich wenigstens mein übriges Leben ganz in Liebe zu dir, und zu deinem Wohlgefallen zubringe. Mein teurer Erlöser! ich liebe dich aus ganzem Herzen; aber vermehre du diese Liebe in mir, und lasse mich gegen dich nicht mehr undankbar werden. Nein, nimmermehr will ich den Erleuchtungen widerstehen, die du mir schenkst. Du verlangst von mir geliebt zu werden; und ich verlange, dich zu lieben. Und wen anders sollte ich wohl lieben, als einen Gott, der eine unendliche Schönheit, eine unendliche Güte ist? - einen Gott, der für mich gestorben ist? - einen Gott, der mit Geduld mich ertragen hat, - der, wie ich es verdiente, die Strafen in Gnaden und Gunstbezeigungen umwandelte! - Ja, ich liebe dich, o unendlicher Liebe würdiger Gott! und ich seufze, und verlange nach nichts anderem, als ganz mit der Liebe zu dir beschäftiget zu leben, uneingedenk alles dessen, was nicht du bist. O unendliche Liebe meines Herrn! hilf einer Seele, welche sich sehnt, ganz dein zu sein. — O große Mutter Gottes, Maria! bewirke durch deine Fürbitte, daß er mich ganz zu seinem Eigentume mache.
33. Betrachtung
Liebe zu Gott
3. Punkt
Noch höher steigt unser Erstaunen, wenn wir das Verlangen betrachten, das Jesus Christus hatte, für uns zu leiden und zu sterben: Ich muss mit einer Taufe getauft werden, so sprach er, als er lebte, und wie werde ich geängstigt, bis es vollbracht werde. (Lk 12,50) Ich muß mit der Taufe meines eigenen Blutes getauft werden, und sterbe fast vor Sehnsucht nach meinem Leiden und Tod, damit der Mensch bald die Liebe erkenne, die ich zu ihm trage. Deshalb sagte er auch in der Nacht vor seinem Leiden: Es hat mich herzlich verlangt, dies Osterlamm mit euch zu essen. (Lk 22,15) Es scheint also, sagt hier der heilige Basilius von Seleucia, daß unser Gott in der Liebe zu den Menschen sich nicht sättigen könne: „Gott kann in der Liebe zu den Menschen nicht satt werden.“ (S. Bas. cap. 416)
Ach mein Jesu! die Menschen lieben dich nicht, weil sie nicht bedenken, welche Liebe du zu ihnen getragen hast. O Gott! Wie ist es doch möglich, daß eine Seele, welche bedenkt, daß ein Gott aus Liebe zu ihr gestorben, und mit so großer Sehnsucht gestorben ist, um ihr seine Liebe zu ihr zu beweisen, noch leben könne, ohne ihn wieder zu lieben? Die Liebe Christi drängt uns. (2 Kor 5,14) Der heilige Paulus will hier sagen: nicht so sehr dasjenige, was Jesus Christus getan und gelitten hat, sondern vielmehr die Liebe, mit welcher er für uns litt, verbinde uns, und tue uns sozusagen Gewalt an, ihn wieder zu lieben. Dies erwägend, rief der heilige Laurentius Justinianus aus: „Aus Übermaß der Liebe sehen wir hier den Weisen zum Toren werden.“ Wir sehen einen Gott, der aus übergroßer Liebe zu uns töricht geworden ist. Und wer könnte es wohl glauben, wenn nicht der heilige Glaube uns dessen versicherte, daß der Schöpfer für seine Geschöpfe habe sterben wollen! Als einst die heilige Maria Magdalena von Pazzis in einer Entzückung ein Bildnis des Gekreuzigten in den Händen hielt, nannte sie Jesum Christum ebenfalls einen Toren der Liebe, indem sie ausrief: „Ja, mein Jesus, du bist wahrhaft vor Liebe töricht.“ Auf gleiche Weise äußerten sich schon die Heiden, da man ihnen von dem Tode Jesu Christi predigte; sie hielten ihn für eine Torheit, die man nie glauben könnte, wie uns der Apostel bezeugt: Wir verkünden Christum den Gekreuzigten, den Juden zwar ein Ärgernis, den Heiden aber eine Torheit. (1 Kor 1,23) Und wie konnte wohl, meinten sie, ein Gott, der schon an und für sich selbst höchst glücklich ist, und keines Menschen bedarf, auf die Welt herniederkommen, ein Mensch werden und aus Liebe zu den Menschen, seinen Geschöpfen, sterben? Das wäre ja ebensoviel, als wenn man glauben würde, daß ein Gott der Menschen wegen töricht geworden wäre. Und dennoch ist es so; es ist eine Glaubenssache, daß Jesus Christus, der wahre Sohn Gottes, sich aus Liebe zu uns in den Tod hingegeben habe. Er hat uns geliebt, und sich selbst für uns dargegeben. (Eph 5,2)
Und warum hat er dies getan? Er tat es, damit wir nicht mehr der Welt, sondern dem Herrn, der für uns sterben wollte, lebten. Christus ist für alle gestorben, damit sie zwar leben, doch nicht sich leben, sondern dem, der für sie gestorben ist. (2 Kor 5,15) Er tat es, damit er durch die Liebe, die er uns bewies, alle Neigungen unserer Herzen gewinne: Denn darum ist Christus gestorben und auferstanden, daß er über die Toten und Lebenden herrsche. (Röm 14,9) Daher hielten es die Heiligen, wenn sie den Tod Jesu Christi betrachteten, für ein Geringes, ihr Leben aus Liebe eines so liebenden Gottes hinzugeben. Wie viele Vornehme, wie viele Fürsten haben Verwandte, Reichtümer, Vaterland und sogar ihre Königreiche verlassen, sich in ein Kloster verschlossen, um nur der Liebe Jesu Christi zu leben! Wie viele Blutzeugen opferten ihm ihr Leben! Wie viele zarte Jungfrauen entsagten der Verbindung mit den vornehmsten Staatsmännern und gingen freudig jubelnd in den Tod, um die Liebe eines um ihretwillen gestorbenen Gottes wenigstens zum Teil zu vergelten! Und du, mein Bruder, was hast du bisher aus Liebe zu Jesu Christo getan? Gleichwie er für die Heiligen gestorben ist, für den heiligen Laurentius, für die heilige Lucia, für die heilige Agnes, ebenso ist er auch für dich gestorben. Was denkst du zu tun, wenigstens in deinem übrigen Leben, welches Gott dir darum fristet, auf daß du ihn liebest? Betrachte wenigstens von heute an oftmals das Bildnis des gekreuzigten Gottes und erinnere dich bei diesem Anschauen an die Liebe, die er zu dir trug, und sprich bei dir selbst: Du hast also, o mein Gott! sterben wollen für mich? Tue wenigstens dieses, und tue es oft; denn machst du es also, so wirst du dich auf liebliche Weise gezwungen fühlen, einen Gott zu lieben, der dich so sehr geliebt hat.
Anmutungen und Bitten
Ach mein lieber Erlöser! es ist wahr, ich habe dich nicht geliebt, denn ich dachte nicht an die Liebe, die du zu mir getragen hast! Ach mein Jesu, ich war allzu undankbar gegen dich! Du gabst für mich dein Leben durch den allerbittersten Tod hin, und ich konnte gegen dich so unerkenntlich sein, daß ich nicht einmal daran denken wollte? Ach, verzeihe mir! Ich verspreche dir, du meine gekreuzigte Liebe, sollst von nun an der einzige Gegenstand meiner Gedanken und aller meiner Anmutungen sein. Und bietet mir der Teufel oder die Welt einen verbotenen Apfel dar, so erinnere mich, mein geliebter Erretter, an die Leiden, die du mir zu Liebe ausgestanden hast, damit ich nicht aufhöre, dich zu lieben, und dich nicht mehr beleidige! Ach, hätte einer meiner Knechte das für mich getan, was du für mich tatest, auf keinen Fall würde ich es wagen, ihn zu beleidigen! Und ich konnte es wagen, dir, der du für mich gestorben bist, so oft den Rücken zu kehren? O schöne Flammen der Liebe, die ihr einen Gott dazu vermochtet, für mich das Leben zu geben! o kehret auch bei mir ein, entzündet in mir, erfüllet mich ganz mit Liebe und vernichtet alle Neigungen zu den erschaffenen Dingen in mir. Ach mein Erlöser! wie ist es doch möglich, daß ich dich in der Krippe zu Bethlehem oder am Kreuze auf Kalvaria oder im heiligsten Sakramente auf den Altären sehe und dich nicht über alles liebe? Mein Jesu! ja ich liebe dich ich liebe dich aus ganzer Seele. In den mir übrigen Lebensjahren sollst du mein einziges Gut, meine einzige Liebe sein. Genug der unglücklichen Jahre, die ich Unglückseliger in Vergessenheit an die Leiden und deiner Liebe dahinlebte! Von heute an ergebe ich mich dir ganz und gar, und weiß ich nicht recht, wie ich mich dir ergeben sollte, so nimm du mich hin, und beherrsche mein Herz ganz und gar. Zukomme uns dein Reich. Es soll von nun an niemandem dienen als dir, von nichts reden, als von dir, an nichts anderes denken, nach nichts anderem seufzen, als nach deiner Liebe und deinem Wohlgefallen. Stehe mir nur immer mit deiner Gnade bei, damit ich dir treu bleibe. Ich baue auf deine Verdienste, o mein Jesu. — O Mutter der schönen Liebe! laß mich recht innig lieben diesen deinen Sohn, der so liebenswürdig ist, und so sehr mich geliebt hat.
Von der heiligen Kommunion
„Nehmet hin und esset, dieses ist mein Leib.“ (Mt 6,26)
1. Punkt
Laßt uns betrachten das große Geschenk, welches im allerheiligsten Sakramente verborgen ist, und die große Liebe, die durch dieses Geschenk uns Jesus bewiesen hat, und sein heftiges Verlangen, daß wir diese Speise recht oft geniesen möchten. Zuerst wollen wir das große Geschenk betrachten, das Jesus Christus uns machte, indem er sich ganz in der heiligen Kommunion uns hingab. Der hl. Augustinus sagt, obschon Jesus ein allmächtiger Gott ist, so kann er uns doch nicht mehreres geben: „Obwohl er allmächtig ist, so konnte er mehr nicht geben.“ Und konnte wohl, fragt der hl. Bernardus von Siena, konnte eine Seele einen größeren Schatz erhalten oder verlangen, als den hochheiligen Leib Christi? Es ruft der Prophet Isaias: Machet kund seine Empfindungen. (Jes 12,4) Tut kund, o Menschen! die liebevollen Empfindungen unseres guten Gottes. Und fürwahr niemand als unser Erlöser selbst hätte dieses Geschenk uns bringen können. Denn wer von uns, frage ich, hätte es je verlangen können? Wer hätte je die Kühnheit gehabt, zu ihm zu sagen: Herr, willst du deine Liebe uns kundgeben, so verbirg dich unter die Gestalten des Brotes und erlaube uns, von dir uns zu nähren? Nur der Gedanke daran, wäre schon Torheit gewesen. Scheint es nicht, fragt der hl. Augustinus, ein Unsinn, zu sagen: „Esset von meinem Fleische, trinket von meinem Blute?“ Als Jesus Christus mit seinen Jüngern von dieser geheimnisvollen Gabe, die er uns hinterlassen wollte, redete, da überstieg dieses Geheimnis so sehr ihren Glauben, daß viele sich von ihm entfernten, mit den Worten: Wie kann uns denn dieser sein Fleisch zu essen geben? Das ist eine harte Rede, wer kann sie hören? (Joh 6,53,61) Was aber die Menschen zu denken nicht fähig waren, das dachte und führte die große Liebe Jesu Christi aus.
Der hl. Bernardus sagt: der Herr hinterließ uns dies Sakrament zum Andenken an die Liebe, die er uns in seinem Leiden bewiesen hat: „Dieses Sakrament ist ein Gedenkzeichen seiner Liebe.“ Und dies stimmt mit jenen Worten überein, die Jesus durch den hl. Lukas uns hinterließ: Dies tut zu meinem Andenken. (Lk 22,19) Die Liebe unseres Heilands, sagt der hl. Bernardus, war nicht zufrieden, das Leben für uns zu opfern; ehe er in den Tod ging, drang ihn eben diese Liebe, uns das größte aus allen seinen Geschenken, die er uns je gemacht hat, indem er sich selbst uns zur Speise hingab: „In jenem Übermaße der Inbrunst, womit er für uns zu sterben bereit war, wurde er durch seine außerordentliche Liebe zur Ausführung eines noch größeren Werkes, als er je gemacht hatte, angetrieben, nämlich uns seinen Leib zur Speise zu geben.“ (S. Bern. Ser. tom. 2. serm. 54. art. cap. 1) Der Abt Guerricus sagt, in diesem Sakramente habe Jesus die Macht seiner Liebe erschöpft: „Er ergoß seine ganze Liebe über seine Freunde.“ (Serm. 5. de Ascens) Und noch besser drückt sich der Kirchenrat von Trient aus, indem er sagt, Jesus habe den ganzen Reichtum seiner Liebe zu den Menschen in dem Altarsgeheimnisse aufgeboten: Er erschöpfte gleichsam den Reichtum seiner Liebe gegen die Menschen. (Sess. 13. cap. 2) Für welche zärtliche Liebe würde man es halten, fragt der hl. Franciscus Salesius, wenn ein Fürst an seiner Tafel einem Armen einen Teil von seiner Kost schicken würde? Wie erst, wenn er ihm seine eigene ganze Nahrung senden würde? Und wie erst dann, wenn er ihm ein Stück von dem Fleische seines Armes überschickte, damit er sich davon ernähre? Jesus aber gibt uns in der heiligen Kommunion nicht nur einen Teil von seiner Nahrung, nicht ein Stück seines Leibes, sondern seinen ganzen Leib! Nehmet hin und esset, dieses ist mein Leib, und nebst seinem Leibe gibt er uns zugleich auch seine Seele und seine Gottheit. Kurz, sagt der heilige Johannes Chrysostomus, indem Jesus Christus in der heiligen Kommunion sich selbst hingibt, gibt er dir alles, was er hat und enthält dir nichts vor. „Er gab sich dir ganz; nichts behielt er für sich.“ Und der englische Lehrer: „Gott hat uns in dem Altarssakramente alles gegeben, was er ist und was er hat.“ Siehe, ruft hier der hl. Bonaventura voll Verwunderung aus, siehe, dieser große Gott, den die Welt nicht erfassen kann, macht sich im allerheiligsten Sakramente zu unserem Gefangenen: „Siehe, den die Welt nicht zu erfassen vermag, der ist unser Gefangener geworden! Und wie könnten wir jetzt, da der Herr im Altarssakramente sich selbst uns dargibt, noch fürchten, er werde uns irgend eine Gnade abschlagen, um die wir ihn bitten: Wie, hat er uns mit ihm nicht alles geschenkt? (Röm 8,32)
Anmutungen und Bitten
O mein Jesu! was konnte dich wohl dazu vermögen, uns dich selbst ganz zur Speise zu geben? Und was könnte nach einem solchen Geschenke dir noch zu tun erübrigen, um uns zu verpflichten dich zu lieben? Erleuchte uns doch und laß uns erkennen, welch ein Übermaß von Liebe dies war, dich selbst zur Speise zu machen, um dich mit uns armen Sündern zu vereinigen! Und nun, da du dich ganz uns hingibst, ist es ja billig, daß auch wir uns ganz und gar dir übergeben. Ach! wie konnte ich dich beleidigen, o mein Erlöser! der du mich so sehr liebtest und der du nicht mehr tun konntest, um meine Gegenliebe dir zu gewinnen? Du bist für mich Mensch geworden, du bist für mich gestorben, du bist zur Speise geworden für mich; - was könnte wohl noch übrig sein, für mich zu tun? O unendliche Güte! ich liebe dich; grenzenlose Liebe! Herr! würdige dich, recht oft in meine Seele zu kommen, entflamme mich ganz mit deiner heiligen Liebe und laß mich alles vergessen, um an nichts zu denken, als an dich und an deine Liebe. — Heiligste Jungfrau Maria! bitte für mich und mache mich durch deine Fürsprache würdig, deinen im heiligen Sakramente verborgenen Sohn oft zu empfangen.
34. Betrachtung
Von der heiligen Kommunion
2. Punkt
Betrachten wir zweitens die große Liebe, welche durch dieses Geschenk uns Jesus Christus bewiesen hat. Das allerheiligste Sakrament ist ein aus Liebe hervorgehendes Geschenk. Nach dem göttlichen Ratschlusse war es nötig, daß der Erlöser, um uns selig zu machen, sterben und durch das Opfer seines Lebens der göttlichen Gerechtigkeit für unsere Sünden genugtun sollte; es war aber nicht notwendig, daß Jesus Christus nach seinem Tode auch als Speise sich uns hinterlassen sollte. Doch die Liebe wollte es also. Aus keiner anderen Ursache, sagt der heilige Laurentius Justinianus, setzte er das heiligste Altarssakrament ein, als bloß zu einem Zeichen seiner übermäßigen Liebe, um jene unermeßliche Liebe uns zu erkennen zu geben, die er zu uns trägt. Und eben dies schrieb der heilige Johannes: „Da Jesus wusste, seine Stunde wäre gekommen, wo er aus dieser Welt zu dem Vater übergehen sollte, und weil er die Seinen liebte, so liebte er sie bis ans Ende.“ (Joh 13,1) Da Jesus wußte, es wäre nun die Zeit seines Abschiedes von dieser Welt herangekommen, so wollte er uns den größten Beweis seiner Liebe hinterlassen, und dies war eben das Geschenk des allerheiligsten Sakraments; diese Bedeutung haben obige Worte: Er liebte sie bis ans Ende, das heißt, „mit einer ganz außerordentlichen Liebe, aufs höchste liebte er uns,“ wie Teophilactus mit Chrysostomus erklärt.
Man bedenke ferner, daß der Apostel bemerkt, daß die Zeit, da Jesus dies Geschenk hinterlassen wollte, die Zeit seines Todes war: In der Nacht, wo er verraten wurde, nahm er das Brot, dankte, brach es und sagte: Nehmet hin und esset, dies ist mein Leib. (1 Kor 11) In jenen Stunden also, in welchen die Menschen für ihn Geißeln, Dörner und das Kreuz bereiteten, um ihn zu töten, eben damals wollte er, der liebende Heiland! dieses Kennzeichen seiner Liebe uns hinterlassen. Und warum, könnte man fragen, setzte er dieses Sakrament bei seinem Tode und nicht früher ein? Hierauf gibt der heilige Bernardus zur Antwort, er habe dies getan, weil jene Liebesbeweise, die sich Freunde im Tode erteilen, dem Gedächtnisse tiefer eingeprägt bleiben und lieber aufbewahrt werden: „Was am Ende zum Zeichen der Freundschaft geweiht wird, das drückt sich fester dem Gedächtnisse ein und wird höher geschätzt.“ Jesus Christus, sagt der Heilige, hatte sich uns früher schon auf vielfältige Weise hingegeben: Er gab sich uns zum Gefährten, zum Lehrer, zum Vater, zur Leuchte, zum Muster und zum Schlachtopfer; es erübrigte noch der letzte Grad der Liebe, daß er sich zur Speise uns gäbe, um sich ganz mit uns einzuverleiben, gleichwie die Speise sich mit dem vereint, der sie genießt; und dies tat unser Heiland, indem er sich uns im allerhöchsten Altarssakrament hingab: „Der letzte Grad der Liebe ist es, da er sich zur Speise uns gab, weil er sich uns zur allseitigen Vereinigung dargab, sowie die Speise und der Speisende sich vereinigen.“ Da unser Erlöser sich nicht begnügte, mit unserer menschlichen Natur im allgemeinen sich zu vereinigen, so wollte er durch dies Sakrament das Mittel auffinden, um auch mit jedem einzelnen von uns sich zu vereinen.
Der heilige Franciscus Salesius sagte: „Bei keiner anderen Handlung läßt sich der Heiland weder zärtlicher noch liebevoller betrachten, als in dieser, wo er, sozusagen, sich vernichtet und sogar zur Speise wird, um in unsere Seelen einzudringen und sich mit den Herzen seiner Getreuen zu vereinen.“ Daher spricht der heilige Johannes Chrysostomus: „Jenem Herrn, auf den die Engel ihre Augen nicht zu heften wagen, - diesem wurden wir einverleibt und wurden ein Leib, ein Fleisch mit ihm!“ Welcher Hirt, fragt der Heilige, weidet wohl seine Schäflein mit seinem eigenen Blute? Ja sogar Mütter übergeben ihre Kinder den Ammen, um sie auf zunähren. Allein nicht so Jesus: er selbst nährt uns im allerheiligsten Sakramente mit seinem eigenen Blute und vereint sich mit uns: „Welcher Hirt weidet etwa seine Schafe mit seinem eigenen Blute? Und was rede ich von dem Hirten? Es gibt sogar viele Mütter, welche ihre Kinder den Ammen überlassen; dies aber hat er nicht gewollt, sondern er selbst erquickt uns mit seinem eigenen Blute. (Hom 60) Und warum wollte er unsere Speise werden? Weil er uns, erwiderte der Heilige, mit Inbrunst liebte, und darum wollte er sich mit uns vereinigen, und eines mit uns werden: „Sich selbst vermengte er mit uns, damit wir eines würden, denn darnach strebt das heiße Verlangen der Liebenden.“ (Hom 51) Demnach wollte also Christus das größte aller Wunder wirken: Er gab ein Denkzeichen seiner Wunderwerke, er gab denen Speise, die ihn fürchteten (Ps 110), um sein Verlangen zu stillen, bei uns zu sein, und aus unserem und seinem heiligsten Herzen ein einziges zu machen. O wunderbare Liebe unseres Heilandes! ruft der heilige Laurentius Justinianus aus: Herr Jesu! du wolltest, daß wir deinem Leibe derart einverleibt würden, daß wir einen Leib und eine Seele mit dir hätten, auf daß wir nimmermehr getrennt werden könnten.
Jener große Diener Gottes, Pater de la Colombiere, sprach also: Wenn je etwas meinen Glauben über das Altarsgeheimnis wankend machen könnte, so wäre es nicht so viel die Macht, woran ich zweifeln könnte, als vielmehr die Liebe, die Gott in diesem Sakramente uns zeigt. Wie das Brot zum Leibe Jesu werde, wie Jesus an mehreren Orten zugleich gegenwärtig sei, hierüber sage ich: „Gott ist alles möglich.“ Fragt ihr mich aber, wie Gott den Menschen so sehr liebe, daß er zu seiner Speise werden wollte, darüber kann ich nur zur Antwort geben: ich verstehe es nicht, und die Liebe Jesu ist so unermeßlich, daß sie sich nicht begreifen lasse. Doch, o Herr! erlaube mir zu bemerken: ein solches Übermaß deiner Liebe, dich zur Speise zu machen, scheint ja deiner Herrlichkeit nicht entsprechend zu sein? Allein der heilige Bernardus erwidert, die Liebe mache den Liebenden seiner eigenen Würde uneingedenk. „Die Liebe kennt keine Würde.“ Und der heilige Chrysostomus antwortet gleichfalls: die Liebe nehme keine Rücksicht auf Anstand, wann es sich darum handelt, dem Geliebten sich kennbar zu machen; man geht nicht dahin, wohin es sich geziemt, sondern wohin man vom Drange seines Herzens geleitet wird: „Die Liebe nimmt keine Rücksicht und geht, wohin immer sie geleitet wird, und nicht, wohin sie sollte.“ (Ser 145) Mit Recht nannte daher der englische Lehrer dieses Sakrament ein Sakrament der Liebe, und ein Pfand der Liebe: Das Geheimnis der Liebe; das Unterpfand der Liebe (Opusc 145), und der heilige Bernardus nannte es ebenso folgerecht: die Liebe aller Liebe; und von der heiligen Maria Magdalena von Pazzis wurde der Gründonnerstag, an welchem dies Sakrament eingesetzt wurde, der Tag der Liebe genannt.
Anmutungen und Bitten
O unendliche Liebe! mein Jesu, einer unendlichen Liebe würdig! Ach, wann werde ich dich einmal, o mein Jesu! lieben, wie du mich geliebt hast? Du konntest nicht mehr tun, um meine Liebe zu gewinnen, und ich wagte es, dich, unendliches Gut, zu verlassen, um mich zu den niedrigen und elenden Gütern dieser Erde zu wenden. Ach erleuchte mich, o mein Gott! und entdecke mir immer mehr und mehr die Größe deiner Güte, damit ich meine ganze Liebe dir zuwende, und dir allein wohlzugefallen strebe. Ich liebe dich, mein Jesu, meine Liebe, mein Alles! und ich will mich durch dieses Sakrament oft mit dir vereinigen, um von allem mich loszureißen, und nur dich, o mein Leben! zu lieben. Hilf mir, o mein Heiland! durch die Verdienste deines Leidens. — Hilf auch du mir, o Mutter Jesu, und auch meine Mutter! bitte ihn, er möchte mich ganz und gar mit seiner heiligen Liebe entzünden.
34. Betrachtung
Von der heiligen Kommunion
3. Punkt
Betrachten wir drittens, wie heftig Jesus Christus verlange, daß wir ihn in der heiligen Kommunion empfangen möchten. Da Jesus wusste, daß seine Stunde gekommen wäre. (Joh 13, 1) Wie konnte aber Jesus jene Nacht seine Stunde nennen; da doch sein bitteres Leiden in derselben beginnen sollte? Ja, er nannte sie seine Stunde, weil er in jener Nacht dies göttliche Sakrament uns hinterlassen wollte, um sich gänzlich mit seinen geliebten Seelen zu vereinigen. Es hat mich herzlich verlangt, dies Osterlamm mich euch zu essen. (Lk 22) Worte, womit der Erlöser sein inniges Verlangen ausdrücken wollte, mit jedem aus uns in diesem Sakramente sich zu vereinigen. Es hat mich herzlich verlangt, so heißt ihn seine unermeßliche Liebe reden, die er zu uns trägt, spricht der heilige Laurentius Justinianus: „Dies ist die Sprache der allerglühendsten Liebe.“ Auch wollte er sich unter den Gestalten des Brotes hinterlassen, damit ihn jedermann empfangen könnte. Hätte er die Gestalten irgend einer kostbaren Speise gewählt, so hätten ihn ja die Armen nicht empfangen können; und wäre es auch eine nicht zu kostspielige Speise, so hätte man selbe doch nicht in allen Orten der Welt gefunden; allein Jesus wollte unter den Gestalten des Brotes sich hinterlassen, denn das Brot ist nicht kostspielig und ist allenthalben vorhanden, so daß man es an jedem Orte finden und empfangen kann.
Dieses heftige Verlangen unseres Heilandes, von uns empfangen zu werden, zeigt sich aus vielen Stellen der heiligen Schrift. Er ermuntert uns zum Empfange durch vielfache Einladungen: Kommet, esset von meinem Brote und trinket den Wein, den ich euch bereitet habe. (Spr 9,5) Esset, Freunde, und trinket, berauschet euch, Allerliebste. (Hld 5,1) Er legt es uns sogar als ein Gebot auf: Nehmet hin und esset, dies ist mein Leib. (Mt 25) Er lockt uns ferner zum Empfange an durch die Verheißung des ewigen Lebens: Wer mein Fleisch ißt, der hat das ewige Leben. (Joh 6,54) Wer von diesem Brote ißt, der wird ewig leben. (Joh 5,8) Ja, er droht uns im Gegenteile sogar mit Ausschließung aus dem Himmel: Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esset, werdet ihr das ewige Leben in euch nicht haben. (Joh 53)
Diese Einladungen, Verheißungen, Drohungen kommen alle aus dem Verlangen hervor, das Jesus Christus hat, sich mit uns durch dieses Sakrament zu vereinigen. Und dies Verlangen quillt aus der großen Liebe, die er zu uns trägt; denn wie der heilige Franciscus Salesius sagt, so ist das Ziel der Liebe kein anderes, als mit dem geliebten Gegenstande sich zu vereinigen, und darum vereiniget sich in diesem Sakramente Jesus ganz und gar mit der Seele: Wer mein Fleisch ißt, und mein Blut trinkt, der bleibt in mir, und ich in ihm (Joh 6,35), und darum wünscht er so sehnlich, daß wir ihn empfangen. Es gibt keine Biene, sprach der Herr eines Tages zur heiligen Mechtildis, die mit solchem Ungestüm der Liebe auf die Blumen sich wirft, um den Honigsaft daraus zu saugen, als womit ich zu jenen Seelen eile, die nach mir verlangen.
O möchten doch die Gläubigen das große Gut begreifen, das die heilige Kommunion der Seele verschafft! Jesus ist ja der Herr aller Reichtümer, denn sein Vater hat ihn zum Herrn über alles gemacht. Und Jesus wusste, daß ihm der Vater alle Dinge in die Hände gegeben habe. (Joh 13,3) Wenn also Jesus Christus durch die Kommunion in eine Seele kommt, so bringt er unermeßliche Gnadenschätze mit sich: Mit ihr kam mir auch zugleich alles Gute, sagt Salomon, indem er von der ewigen Weisheit sprach.
Der heilige Dionysius sagte, das allerheiligste Sakrament sei höchst mächtig, die Seele zu heiligen: „Das Altarssakrament hat die höchste Macht zur Vollendung der Heiligkeit.“ Und der heilige Vincentius Ferrerius hinterließ schriftlich, die Seele gewinne durch eine Kommunion mehr, als wenn sie eine Woche lang bei Wasser und Brot fastet. Die Kommunion ist, wie der Kirchenrat von Trient lehrt, jenes große Heilmittel, das uns von den läßlichen Sünden befreit, und vor den Todsünden bewahrt: „Ein Gegenmittel, wodurch wir von den täglichen Sünden befreit und vor den tödlichen bewahrt werden.“ (Trid. Sess. 13, cap. 2) Daher nannte der heilige Ignatius das allerheiligste Sakrament „das Arzneimittel der Unsterblichkeit“. Und Innocentius III. sagte, Jesus Christus habe uns durch sein Leiden befreit von der Strafe der Sünde, durch das heilige Altarssakrament aber vom Sündigen: „Durch das Geheimnis des Kreuzes befreite er uns von der Sünde Macht; durch das Sakrament des Altars befreite er uns von der Macht, zu sündigen.“
Ferner, dieses Sakrament entzündet in uns die göttliche Liebe: Er hat mich in den Weinkeller geführt, er hat die Liebe in mir geordnet. Stärket mich mit Blumen, labet mich mit Äpfeln, denn ich schmachte vor Liebe. (Hld 2) Der heilige Gregorius von Nyssa lehrt, die Kommunion sei dieser Weinkeller, wo die Seele von der göttlichen Liebe so trunken wird, daß sie der Welt und alles Erschaffenen vergißt; und dies ist eigentlich das Schmachten heiliger Liebe. Auch der ehrwürdige P. Franciscus Olympius aus dem Theatiner-Orden versichert, nichts vermöge uns so sehr zur Liebe Gottes zu entflammen, als die heilige Kommunion. Gott ist die Liebe und ein Feuer der Liebe: Gott ist die Liebe. (Joh 4,8) Ein verzehrendes Feuer ist er. (Dtn 4,24) Um dieses Liebesfeuer auf Erden anzuzünden, kam das ewige Wort hernieder: Ich bin gekommen, Feuer auf die Erde zu senden, und was will ich anders, als daß es entzündet werde? (Lk 12,49) Und, o wie so schöne Flammen heiliger Liebe entzündet Jesus in jenen Seelen, die in diesem Sakramente ihn sehnsuchtsvoll empfangen! Die heilige Katharina von Siena sah einst in der Hand eines Priesters Jesum im heiligsten Sakramente wie einen Ofen der Liebe, weshalb sich dann die Heilige verwundert, wie doch die Herzen der Menschen von einer solchen Brunst nicht alle zu Feuer und Asche würden. Die heilige Rosa von Lima sprach, beim Kommunizieren dünkte ihr, sie empfinge die Sonne; es gingen daher auch solche Strahlen von ihrem Gesichte aus, daß sie den Blick blendeten, und aus ihrem Munde kam eine solche Hitze hervor, daß jener, der ihr nach der heiligen Kommunion etwas zu trinken darreichte, seine Hand so heiß fühlte, als hätte er sie an einen Ofen gehalten. Der heilige König Wenzeslaus wurde bei dem Besuche des allerheiligsten Altarssakraments mit so großer Hitze auch äußerlich entflammt, daß sein Diener, der ihn auf dem Wege über den Schnee begleitete, mit seinen Füßen in die Fußtritte des Heiligen trat, um keine Kälte zu spüren. Eine Glut ist das heilige Altarssakrament, bezeugt Chrysostomus, die uns so sehr entzündet, daß wir wie feuersprühende Löwen von diesem Tische hinweggehen, und dem Teufel zum Schrecken werden. Der Heilige lehrt, das allerheiligste Sakrament sei ein Feuer, welches uns so entzündet, daß wir vom Altare solche Liebesflammen einatmen sollen, daß der böse Feind nicht mehr Mut habe, uns zu versuchen.
Da wird aber vielleicht jemand sagen: ich kommuniziere deswegen nicht oft, weil ich mich in der göttlichen Liebe so kalt fühle. Ein solcher aber, sagt Gerson, sei dem zu vergleichen, der dem Feuer sich nicht nähern wollte, obwohl er fühlt, daß er kalt habe. Je kälter wir uns also fühlen, desto öfter müssen wir uns dem allerheiligsten Sakramente nahen, wenn wir nur immer das Verlangen haben, Gott zu lieben. Fragt man euch, schreibt der heilige Franciscus Salesius, warum ihr so oft kommunizieret, so sagt ihnen: zwei Gattungen von Menschen müssen oft kommunizieren, die Vollkommenen und die Unvollkommenen; die Vollkommenen, um in der Vollkommenheit sich zu erhalten, und die Unvollkommenen, um zur Vollkommenheit zu gelangen. Und der heilige Bonaventura sagt ebenfalls: „Wenn schon laulicht, so gehe dennoch mit Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit hinzu. Je kranker sich jemand fühlt, desto mehr bedarf er des Arztes.“ (De Prov. Rel. cap. 77) Und Jesus Christus sprach zur heiligen Mechtildis: Willst du kommunizieren, so verlange alle jene Liebe, die je ein Herz zu mir hatte, und ich werde sie so aufnehmen, wie du wünschtest, daß eine solche Liebe sein sollte. (App. Bios, in Concl. An. fidel, cap. 6 num. 6)
Anmutungen und Bitten
O Jesu, du Liebhaber der Seelen! Du kannst uns wohl keine größeren Proben von Liebe mehr geben, um uns zu beweisen, daß du uns liebest. Und welches Mittel könnte noch übrig sein aufzufinden, um unsere Gegenliebe dir zu gewinnen? Ach mache, o unendliche Güte! daß ich dich von heute an aus allen meinen Kräften und mit aller Zärtlichkeit liebe! Und wer hat mein Herz mit größerer Zärtlichkeit geliebt, als du, mein Erlöser! der, nachdem du für mich das Leben gegeben hast, mir dich selbst in diesem Sakramente dargibst? Ach mein Herr! möchte ich mich doch immer an deine Liebe erinnern, um alles zu vergessen und bloß dich ohne Unterlaß und ohne Vorbehalt zu lieben! Ich liebe dich, mein Jesu! über alles, und nur dich will ich lieben. Vertreibe aus meinem Herzen, ich bitte dich, alle Regungen, die nicht nach dir zielen. Ich danke dir, daß du mir Zeit läßt, dich zu lieben und alle Unbilden zu beweinen, die ich dir zufügte. Mein Jesu! ich verlange nun, daß du der einzige Gegenstand aller meiner Anmutungen seist. Hilf mir, mache mich selig! und meine Seligkeit bestehe darin, daß ich dich aus meinem ganzen Herzen und immerdar jetzt und in alle Ewigkeit liebe. — Maria! meine Mutter, hilf mir doch Jesum lieben und bitte ihn für mich.
Von dem liebevollen Aufenthalte Jesu auf den Altären des allerheiligsten Sakramentes
„Kommet zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid,
und ich will euch erquicken“
(Mt 11,28)
1. Punkt
Nachdem unser liebevoller Heiland das Werk unserer Erlösung durch seinen Tod vollendet hatte und von dieser Welt scheiden wollte, so wollte er uns in diesem Tale der Zähren nicht allein lassen. Der heilige Petrus von Alcantara sagt, daß keine Zunge die Liebe zu erklären vermag, die Jesus zu einer jeden Seele trägt; und darum, damit sie während seiner Abwesenheit ja nicht auf ihn vergesse, habe dieser Bräutigam beim Abschiede aus diesem Leben dieses allerseligste Sakrament, worin er selbst gegenwärtig ist, hinterlassen; denn er wollte, um das Andenken an ihn stets rege zu erhalten, kein anderes Unterpfand geben, als sich selbst. Diese Liebe zu Jesu Christo verdient daher von unserer Seite die größte Erwiderung; und deshalb auch wollte er, daß in diesen unseren letzten Zeiten ein Fest zu Ehren seines allerheiligsten Herzens eingesetzt wurde, wie er seiner Dienerin, der ehrwürdigen Schwester Margaretha Maria Alacoque, offenbarte, damit wir seinem liebevollen Aufenthalte auf unseren Altären durch unsere Gemütserhebungen und Andachtsübungen einige Vergeltung leisteten und zugleich jene Geringschätzung einigermaßen gut machten, die er in diesem Geheimnisse der Liebe von den Ketzern und gottlosen Katholiken erlitten hat und noch immer erleidet.
Jesus hinterließ sich im allerheiligsten Sakramente:
1. um sich von allen finden zu lassen;
2. um allen Gehör zu geben;
3. um allen Gnaden zu erweisen.
Erstens verweilet er auf mehreren Altären, damit alle ihn finden könnten, die ihn zu finden verlangen. In jener Nacht, in welcher unser Heiland von seinen Jüngern Abschied nahm, um in den Tod zu gehen, weinten diese vor Betrübnis, indem sie dachten, nun von ihrem lieben Meister getrennt leben zu müssen; allein Jesus tröstete sie, indem er ihnen sagte (und dasselbe sagte er damals auch zu uns): Meine Kinder, ich gehe, für euch zu sterben, um euch jene Liebe zu beweisen, die ich zu euch trage; aber auch sterbend will ich euch nicht allein lassen; sondern so lange ihr auf der Welt sein werdet, will ich bei euch bleiben in dem allerheiligsten Sakramente des Altars. Ich hinterlasse euch meinen Leib, meine Seele, meine Gottheit und mein ganzes Wesen. Wahrlich, so lange ihr auf der Welt sein werdet, will ich mich nicht von euch trennen. Sehet, ich bin bei euch bis an das Ende der Welt. (Mt 28,20) „Der Bräutigam“, schrieb der heilige Petrus von Alcantara, „wollte seiner Braut während seiner so langen Abwesenheit irgend eine Gesellschaft hinterlassen, damit sie nicht allein wäre, und deshalb hinterließ er dies heilige Sakrament, worin er selbst zurück blieb; fürwahr die beste Gesellschaft, die er hinterlassen konnte!“ Es ersannen sich die Heiden unzählig viele Götter, aber doch niemals konnten sie sich einen so liebreichen Gott vorstellen, als unser Gott ist, der uns so nahe wäre und mit so großer Liebe uns beistände: Es ist kein anderes Volk so groß, das seine Götter so nahe hätte, wie unser Gott uns gegenwärtig ist. Diese Stelle des Buches Deuteronomium. (Kap. 47) wendet in demselben Sinne unsere heilige Kirche an auf das Fest des allerheiligsten Fronleichnams. (Resp. 2 Noct. 3)
Siehe da, Jesus Christus befindet sich auf unseren Altären, gleich als in eben so vielen Liebesgefängnissen verschlossen. Es nehmen ihn die Priester aus dem Tabernakel heraus, sie setzen ihn aus oder geben ihn in der heiligen Kommunion; sie schließen ihn wieder ein und Jesus ist es zufrieden, er will daselbst verbleiben Tag und Nacht. Aber, o mein Heiland! wozu nützt es dir, auch während der Nachtzeit in so vielen Kirchen zu weilen, wo die Leute die Tore verriegeln und dich allein lassen. Genügte es dir denn nicht, in den Tagesstunden dort gegenwärtig zu sein? Nein, er will auch zur Nachtzeit daselbst verbleiben, wenn auch allein, und wartet den Morgen ab, damit jeder, der ihn sucht, ihn alsogleich finde. Es ging die heilige Braut im hohen Liede herum, ihren Geliebten zu suchen, und fragte jeden, der ihr begegnete: Habt ihr den nicht gesehen, welchen meine Seele liebt? (Hld 3,3) Und da sie ihn fand, erhob sie ihre Stimme und sagte: Mein Bräutigam, laß mich doch wissen, wo du bist: Sage mir, wo du weilest, wo du im Mittagsschatten weilest? (Hld 1,7). Damals fand ihn die Braut nicht, denn er war noch nicht im allerheiligsten Sakramente; will aber jetzt eine Seele Jesum Christum finden, so darf sie nur in ihre Pfarrkirche oder in eine Klosterkirche gehen und sie wird dort ihren Geliebten finden, der sie schon erwartet. Es gibt kein Dorf, so elend es auch sein mag, kein Kloster von Ordensleuten, worin nicht das allerheiligste Sakrament aufbewahret würde; und an allen diesen Orten läßt es der König des Himmels sich gefallen, in einem aus Holz oder Stein verfertigten Tabernakel sich einzuschließen, und weilt oft da so ganz allein, daß auch nicht einmal eine Öllampe daselbst brennt. Dies aber, o Herr! sagt der heilige Bernardus, geziemt sich nicht für deine Herrlichkeit. Und Jesus gibt zur Antwort: es möge immerhin sein; doch gezieme es sich auch nicht für meine Herrlichkeit, so geziemt es sich doch für meine Liebe.
Die Wallfahrer besuchen mit zarter Andacht das heilige Haus von Loretto oder die Orte des heiligen Landes, den Stall von Bethlehem, den Kalvarienberg, das heilige Grab, wo Jesus Christus geboren wurde, wo er gewohnt hat, starb oder begraben wurde. Aber um wie viel größer und zärtlicher soll nicht unsere Andacht sein, wenn wir uns in einer Kirche in Gegenwart Jesu Christi befinden, wo er im allerheiligsten Sakramente gegenwärtig ist? Der ehrwürdige P. Johannes von Avila sagt, er wüßte keinen heiligen Ort zu nennen, der fähig wäre, größere Andachtsgefühle und reichlicheren Trost einzuflößen, als eine Kirche, in welcher Jesus im Sakrament zugegen ist. P. Balthasar Alvarez weinte, wenn er die Paläste der Fürsten voll Menschen, die Kirchen hingegen, wo Jesus Christus thront, verlassen und öde sah: O Gott, wäre unser Herr und Heiland nur in einer einzigen Kirche der Welt, zum Beispiele in der Kirche des heilige Petrus zu Rom leibhaftig zugegen, und ließe er sich daselbst nur an einem Tage des Jahres finden, o wie viele Pilgrime aus allen Ständen, wie viele Vornehme und Herrscher würden dahin strömen, um das Glück zu genießen, an jenem Tage sich dort einzufinden und ihre Huldigungen darzubringen dem König der Könige, der da wieder vom Himmel auf die Erde hernieder steigt! O wie würde man sich bemühen, ihm einen recht herrlichen Tabernakel, glänzend von Gold und Edelgesteinen zu bereiten! Mit welch prächtiger Beleuchtung würde man an jenem Tage den Aufenthalt Jesu Christi feiern! Doch unser liebevoller Erlöser antwortet: Ich will nicht in einer einzigen Kirche, auch nicht an einem einzigen Tage mich aufhalten noch fordere ich einen so großen Aufwand und eine so glänzende Beleuchtung; nein, ich will vielmehr fortwährend, alle Tage und an allen Orten zugegen bleiben, wo meine Getreuen sich befinden, damit alle mit Leichtigkeit mich finden können und zu jeder Stunde, wann sie nur wollen.
Wer hätte wohl je an eine solche Huld gedacht, hätte nicht Jesus Christus selbst diesen Kunstgriff der Liebe erfunden? Wenn damals, als er in den Himmel auffuhr, einige zu ihm gesprochen hätten: Herr! willst du deine Liebe uns klar an den Tag legen, so bleibe uns auf den Altären unter Brotsgestalten, damit wir dort dich besuchen können, wann wir wollen; für welche Kühnheit hätte man solches Begehren mit Recht gehalten? Was aber keiner der Menschen nicht einmal denken konnte, dieses erdachte und tat unser Heiland. Aber ach! Wo bleibt unsere Dankbarkeit für einen solchen Beweis seiner Huld? Käme ein Fürst aus weiter Ferne in der Absicht, den Besuch irgend eines Bauern zu erwarten, welcher Undank wäre es nicht von diesem Bauer, wenn er ihn entweder gar nicht oder nur im Vorbeigehen sehen wollte?
Anmutungen und Bitten
O Jesu, mein Erlöser! o Liebe meiner Seele! wie teuer kam dir nicht dein Aufenthalt bei uns in diesem Sakramente zu stehen! Du mußtest vorerst den Tod erleiden, um auf unseren Altären wohnen zu können, und mußtest noch überdies so viele Unbilden in diesem Sakramente erfahren, während du, durch deine Gegenwart zu Hilfe kommen willst. Und wie können wir so träge und nachlässig sein in deinem Besuche, da wir doch wissen, daß dir unsere Besuche so wohlgefällig seien, daß du uns mit deinen Gütern überhäufest, sobald du uns vor dir siehst? Herr! verzeihe mir, denn auch ich war einer dieser Undankbaren. Von nun an, mein Jesu! will ich dich oft besuchen und in deiner Gegenwart so viel als möglich mich aufhalten, um dir zu danken, dich zu lieben und um Gnaden zu bitten, denn deshalb bist du ja in dem Tabernakel verschlossen geblieben, und aus Liebe unser Gefangener geworden. Ich liebe dich, o unendliche Liebe! ich liebe dich, o Gott der Liebe! ich liebe dich, o höchstes Gut, o allerliebenswürdigstes Gut! Mache, daß ich mich selbst und alles vergesse, auf daß ich nur deiner Liebe gedenke und das mir noch übrige Leben ganz nach deinem Wohlgefallen zubringe. Laß mich künftighin kein größeres Vergnügen finden, als zu deinen Füßen mit dir zu besprechen. Entflamme mich ganz mit deiner heiligen Liebe. — O Maria! meine Mutter, erlange mir eine große Liebe zum allerheiligsten Sakramente, und siehst du mich nachlässig, so erinnere mich an das Versprechen, das ich jetzt mache, es täglich zu besuchen.
35. Betrachtung
Von dem liebevollen Aufenthalte Jesu auf den Altären des allerheiligsten Sakramentes
2. Punkt
Zweitens gibt Jesus Christus im Sakramente allen Gehör. Die heilige Theresia sagt: auf dieser Welt können nicht alle mit ihrem Fürsten sprechen. Die Armen dürfen sich kaum Hoffnung machen, ihn zu sprechen oder durch eine dritte Person ihm ihre Bedürfnisse vorzutragen; allein bei dem Könige des Himmels bedarf es keiner Mittelsperson. Alle, sowohl Vornehme als Arme, können ihn im heiligsten Sakramente von Angesicht zu Angesicht sprechen. Jesus nennt sich daher eine Feldblume: Ich bin eine Blume auf dem Felde und eine Lilie in den Tälern. (Hld 2,1) Diese Blume ist allen zugängig: Ich bin eine Blume auf dem Felde, d.h. wie der Kardinal Hugo erklärt: „ich lasse mich von allen finden.“
Mit Jesus Christus im heiligsten Sakramente können sohin alle und zu jeder Stunde des Tages sprechen. Der heilige Petrus Chrysologus sagt in der Rede von des Erlösers Geburt im Stalle zu Bethlehem: „Die Könige geben nicht immer Audienz; oft geschieht es, daß, wenn jemand seinen Fürsten sprechen will, die Wachen ihn mit den Worten zurückweisen, jetzt sei keine Zeit zur Audienz, man soll später kommen. Unser Heiland aber wollte in einer offenen Höhle wohnen, ohne Türen, und ohne Leibwachen, damit jedermann, und zu jeder Stunde Zutritt hätte. „Hier steht keine Leibwache, die da sagt: es ist nicht Zeit.“ Auf dieselbe Weise befindet sich Jesus im heiligsten Sakramente. Immerfort stehen die Kirchen offen; jedermann kann, wenn er will, hingehen und mit dem Könige des Himmels sprechen. Und Jesus Christus will, daß wir mit ihm daselbst mit vollem Vertrauen reden, deshalb verhüllt er sich unter die Gestalt des Brotes. Würde sich Jesus auf den Altären auf einem hellstrahlenden Throne zeigen, wie er einst beim letzten Gerichte erscheinen wird, wer von uns würde den Mut haben, sich ihm zu nähern? Weil aber der Herr wünscht, sagt die heilige Theresia, daß wir mit Vertrauen und ohne Furcht mit ihm reden und Gnaden von ihm erlangen, deswegen hat er seine Herrlichkeit unter die unansehnliche Gestalt des Brotes verborgen. Auch Thomas von Kempis sagt, Jesus verlange, daß wir mit ihm wie mit einem Freunde umgehen: „wie ein Freund mit dem anderen zu sprechen pflegt.“
Hält sich eine Seele am Fuße des Altares auf, so scheint sie Jesus mit jenen Worten des hohen Liedes anzusprechen: Stehe auf, und eile meine Freundin, meine Schöne, und komme. (Hld 2,10) Stehe auf, o meine Seele! sagte er zu ihr, eile, und fürchte dich nicht, meine Freundin, sei mir nicht mehr abhold, denn ich liebe dich ja, und du bereuest jetzt alle Beleidigungen, die du mir zugefügt hast. Meine Schöne, jetzt bist du nicht mehr häßlich in meinen Augen; denn meine Gnade hat dich schön gemacht. Komme nun, komme, mache dich auf, sage mir, was du willst. Ich bin ja deshalb auf diesem Altare, um dich anzuhören. Welche Freude würdest du haben, mein Leser, wenn dich dein König in sein geheimes Kabinett führen, und zu dir sagen würde: Sage mir, was begehrst du, was bedarfst du? Ich liebe dich und wünsche, dir Gutes zu tun. Auf gleiche Weise spricht der König des Himmels, Jesus Christus, zu allen denen, die ihn besuchen: Kommet zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid, und ich will euch erquicken. (Mt 11,28)
Kommet, ihr Arme und Kranke, ihr Traurige, ich will und kann euch bereichern, gesund machen und trösten; zu diesem Ende bin ich hier auf diesen Altären gegenwärtig. Du wirst rufen, und er wird sagen: Siehe, hier bin ich! (Jes 51,9)
Anmutungen und Bitten
Da du also, mein geliebter Jesu, auf den Altären dich aufhältst, um die Bitten jener Armseligen zu vernehmen, die bei dir Hilfe suchen, so höre denn heute auch die Bitte, welche ich armer Sünder an dich stelle.
O Lamm Gottes, am Kreuze geopfert und gestorben! siehe, ich bin eine durch dein Blut erlöste Seele; verzeihe mir alle dir zugefügten Unbilden und hilf mir mit deiner Gnade, damit ich nicht mehr verloren gehe. Laß mich, o mein Jesus! Anteil haben an jenem Schmerze, den du im Garten Gethsemani über meine Sünden empfandest. Ach, mein Gott, hätte ich dich doch nie beleidigt. Wie, wenn ich in meinen Sünden gestorben wäre? Ach, lieber Herr! dann könnte ich dich nicht mehr lieben; du aber harrest deswegen meiner, auf daß ich dich liebe. Ich danke dir für die mir geschenkte Lebensfrist, und da ich dich nun lieben kann, so will ich dich lieben. Gib mir die Gnade deiner heiligen Liebe, aber einer solchen Liebe, die mich auf alles vergessen macht, damit ich nur allein deinem heiligsten Herzen wohlzugefallen strebe. Ach mein Jesu! Du brachtest dein ganzes Leben für mich zu; laß mich wenigstens das mir übrige Leben für dich verwenden. Ziehe mich ganz zu dir, mache mich ganz dein, ehe ich sterbe. Ich hoffe alles von den Verdiensten deines Leidens. — Und auch auf deine Fürbitte hoffe ich, o Maria! Du weißt, daß ich dich liebe, erbarme dich meiner!
35. Betrachtung
Von dem liebevollen Aufenthalte Jesu auf den Altären des allerheiligsten Sakramentes
3. Punkt
Jesus gibt im heiligen Sakramente allen Gehör, um allen seine Gnade mitzuteilen. Der heilige Augustinus sagt, der Herr habe ein größeres Verlangen, uns seine Gnaden mitzuteilen, als wir haben, selbe zu empfangen: „Er will dir mehr Gutes tun, als du zu erhalten verlangst.“ Die Ursache hievon ist, weil Gott eine unendliche Güte ist, und da die Güte ihrer Natur nach freigebig ist, so wünscht sie ihre Güter allen mitzuteilen. Gott beklagt sich, wenn die Seelen nicht zu ihm kommen und um Gnade bitten. Bin ich denn für Israel zur Einöde geworden oder zu einem Lande, das nur Spätfrüchte trägt? Warum hat denn mein Volk gesagt: wir weichen ab, wir wollen zu dir nicht mehr kommen? (Jer 2,31) Warum, klagt hier der Herr, wollt ihr nicht mehr zu mir kommen? Habt ihr mich etwa als ein unfruchtbares oder spätes Land befunden, da ihr mich um Gnaden gebeten? Der heilige Johannes sah den Herrn mit einer Brust voll Milch, voll Barmherzigkeit nämlich, und mit einem goldenen Gürtel, der Liebe nämlich, umgürtet - Sinnbilder, die sein Verlangen bezeichneten, uns seine Gnaden mitzuteilen. (Offb 1,25) Jesus Christus ist zwar immer bereit, uns Gutes zu erweisen, sagt der Jünger, allein im allerheiligsten Sakramente spendet er seine Gnaden im größten Überflusse aus. Und der selige Suso sagte, im Sakramente höre Jesus unsere Bitten am liebsten an. P. Balthasar Alvarez sah ebenfalls Jesum in dem allerheiligsten Sakramente mit Händen ganz voll Gnaden, bereit, sie unter die Menschen auszuteilen, allein es fand sich niemand, der sie verlangte.
O glücklich jene Seele, die am Fuße eines Altares verweilet und Jesum Christum um Gnaden bittet! Die Gräfin Feria, die zu St. Clara Klosterfrau wurde, hielt sich, so oft sie nur konnte, vor dem allerheiligsten Sakramente auf, und wurde deshalb die Braut des heiligen Sakramentes genannt, aus welchem sie fortwährend große Gnadenschätze zog. Als man sie einst fragte, was sie denn so viele Stunden lang vor dem Hochwürdigsten täte, antwortete sie: „Ich möchte hier die ganze Ewigkeit hindurch verbleiben. Und was tut man wohl vor dem allerheiligsten Sakramente? Was tut ein Armer vor einem Reichen? Was ein Kranker vor einem Arzte? Gütiger Gott! und man fragt, was man hier tue? Man sagt Dank, man liebt und lobt, man bittet und begehrt.“ O welch einen reichlichen Stoff geben diese letzten Worte, um sich mit Nutzen vor dem allerheiligsten Sakramente aufzuhalten.
Jesus Christus beklagte sich einst bei der oben erwähnten Dienerin Gottes, der Schwester Margaretha Alacoque, über die Undankbarkeit, mit welcher die Menschen ihm in diesem Sakramente der Liebe begegnen. Er zeigte ihr sein heiligstes Herz, von Dornen umgeben, mit einem Kreuze oberhalb desselben, auf einem feurigen Throne, wodurch er seinen liebevollen Aufenthalt im heiligsten Sakramente zu verstehen gab, und sprach alsdann also zu ihr: „Siehe dies Herz, welches die Menschen so sehr liebte, und seiner nicht schonte, hat sich in Liebesbeweisen gegen sie erschöpft. Zur Erkenntlichkeit aber vergelten sie mir größtenteils nur mit Undank, und begegnen mir in meinem Sakramente mit Unehrerbietigkeit und Geringschätzung. Am meisten aber schmerzt es mich, daß es darunter Herzen gibt, die sich mir geweiht haben. Die Menschen wollen sich nicht mit Jesu Christo im Sakramente unterhalten, weil sie ihn nicht lieben. Sie sind und sprechen gerne ganze Stunden lang mit einem Freunde, aber der Aufenthalt von einer halben Stunde bei Jesus Christus macht ihnen Langeweile. Da wird jemand sagen: aber warum gibt mir Jesus nicht seine Liebe? Ich aber antworte: Verbannest du nicht die Welt und ihre Gesinnung aus dem Herzen, wie kann da die göttliche Liebe bei dir einkehren? Ach, könntest du in Wahrheit und vom Herzen sagen, was der heilige Philippus Nerius beim Anblicke des allerheiligsten Sakramentes sagte: „Sehet da meine Liebe, sehet meine Liebe!“ so würde es dich nicht langweilen, ganze Tage und Nächte vor dem allerheiligsten Sakramente auszuharren! Einer gottliebenden Seele kommen die Stunden vor dem hochheiligen Sakramente wie Augenblicke vor. Der heilige Franciscus Xaverus arbeitete den ganzen Tag für das Heil der Seelen, und worin bestand seine Ruhe zur Nachtzeit? Es war der Aufenthalt vor dem allerheiligsten Sakramente. Der heilige Johannes Franziskus Regis, dieser große Sendungspriester Frankreichs, ging bei Anbruch der Nacht, nachdem er den ganzen Tag mit Predigen und Beichthören zugebracht hatte, in eine Kirche; da er sie einigemal verschlossen fand, hielt er sich bei Kälte und Wind vor der Türe auf, um so wenigstens von ferne seinem geliebten Herrn seinen Besuch zu machen. Der heilige Aloysius von Gonzaga wünschte immer vor dem allerheiligsten Sakramente zu verweilen. Da es ihm aber von seinem Oberen verboten wurde und er im Vorübergehen bei dem Altare von Jesu sich zu einem längeren Aufenthalte fühlte, so war er gezwungen, sich mit Gewalt fortzureißen, um dem Gehorsame nachzukommen. Daher klagte der heilige Jüngling ganz liebreich gegen Jesu: „Gehe von mir, o Herr! gehe von mir“, Herr halte mich nicht auf, lasse mich gehen, so erheischt es der Gehorsam. Hast du aber, mein Bruder, diese Liebe zu Jesus Christus noch nicht, so trachte ihn täglich zu besuchen, und er wird dir das Herz mit Liebe entzünden. Fühlst du dich kalt, so gehe zum Feuer, sagte die heilige Katharina von Siena. Und Glück dir, wenn Jesus dir die Gnade verleiht, mit seiner Liebe dich zu entflammen! Alsdann wirst du alle irdischen Dinge sicherlich nicht mehr lieben, du wirst sie vielmehr verachten. Der heilige Franciscus Salesius spricht: „Gerät das Haus in Feuer, so wirft man alle Sachen zum Fenster hinaus.“
Anmutungen und Bitten
Ach mein Jesu! mache, daß du erkannt, daß du geliebt werdest. Du bist ja in dir selbst so liebenswürdig, daß es nichts weiteren bedarf, um von den Menschen geliebt zu werden, und warum gibt es dennoch gar so wenige Menschen, die dich lieben? Leider bin ich Elender selbst einer von diesen Undankbaren. Gegen die Geschöpfe konnte ich meine Dankbarkeit zeigen, wenn sie mir irgend ein Geschenk machten oder eine Gefälligkeit erwiesen; nur gegen dich, der du dein ganzes Wesen zum Geschenke mir gemacht, war ich so undankbar, daß ich dich oft schwer beleidigte und durch meine Sünden mit Unbilden überhäufte! Zu meinem Troste jedoch sehe ich, daß du, anstatt mich zu verlassen, mir immerfort noch nachgehst, und meine Liebe verlangst. Ich höre, daß du fortfährst, mir das liebreiche Gebot zu verkündigen: Liebe den Herrn, deinen Gott, aus deinem ganzen Herzen. Wenn du also auch von mir Undankbarem geliebt werden willst, so verlange auch ich, innigst dich zu lieben. Du wünschest meine Liebe, und da ich mit deiner Gnade begünstigt wurde, so will ich nichts anderes, als dich lieben. Ja, ich liebe dich, meine Liebe, mein Alles! Dein für mich vergossenes Blut stärke mich in der Liebe zu dir. Mein geliebter Erlöser, auf dieses Blut setze ich alle meine Hoffnung, und auf die Fürbitte deiner allerheiligsten Mutter, deren Bitten du zu unserem Heile gereichen lassen wollest. — O Maria, meine Mutter! bitte Jesum für mich; entzünde alle deine Liebhaber mit der göttlichen Liebe, entzünde auch mich, da ich dich so sehr liebe!
Von der Gleichförmigkeit mit dem Willen Gottes
„Das Leben kommt von seinem Willen.“ (Ps 29,6)
1. Punkt
Unser ganzes Heil und die ganze Vollkommenheit besteht in der Liebe zu Gott. Wer Gott nicht liebt, bleibt im Tode. (1 Joh 3, 14) Die Liebe ist das Band der Vollkommenheit. (Kol 3,14) Die Vollkommenheit der Liebe aber besteht darin, daß wir unseren Willen mit dem göttlichen Willen gleichförmig machen: denn dies ist die vorzüglichste Wirkung der Liebe, wie Areopagita sagt, daß sie den Willen der Liebenden vereinige, so daß sie nur ein Herz und nur einen Willen haben. Insofern gefallen also Gott unsere Werke, unsere Bußübungen, Kommunionen, Almosen, als sie dem göttlichen Willen gemäß sind; denn sonst sind sie nicht tugendhaft und strafwürdig. Um uns diese Lehre durch sein Beispiel zu zeigen, war es ein Hauptzweck, weshalb unser Heiland vom Himmel kam. Siehe, was er bei seinem Eintritte in die Welt sprach, wie der Apostel schreibt: Schlachtopfer und Gaben hast du nicht gewollt, aber du hast mir einen Leib zubereitet. Da sprach ich: Ich komme deinen Willen zu vollziehen. (Hebr 10,5,7) Du, mein Vater, verschmähest die Schlachtopfer der Menschen, du willst, daß ich durch meinen Tod diesen Leib opfere, den du mir gabst; siehe, ich bin bereit, deinen Willen zu tun. Und dasselbe bezeugte er oftmals, indem Er sagte, er wäre auf die Welt gekommen, um den Willen seines Vaters zu erfüllen: Ich bin vom Himmel herabgekommen, nicht meinen Willen zu vollziehen, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat. (Joh 6,38) Und dies auch wollte er uns als Kennzeichen seiner großen Liebe zum Vater darstellen, indem wir sehen, daß er in den Tod ging, um seines Vaters Willen zu gehorchen. Damit die Welt erkenne, daß ich den Vater liebe, und wie mir der Vater geboten hat, so tue ich. Stehet nun auf und lasst uns von hinnen gehen. (Joh 14,31) Und daher will er auch nur diejenigen als die Seinigen erkennen, welche den göttlichen Willen tun: Denn wer immer den Willen meines Vaters tut, der im Himmel ist, der ist mein Bruder, meine Schwester und Mutter. (Mt 12,50) Und dies war eben daher auch das einzige Ziel und die Richtschnur aller Heiligen bei allen ihren Werken, nämlich die Erfüllung des göttlichen Willens. Der selige Suso sagte: „Lieber will ich mit Gottes Willen ein elender Erdwurm, als nach meinem Willen ein Seraph sein.“ Und die heilige Theresia: „Wer sich im Gebete übt, soll sich vor allem bestreben, seinen Willen dem göttlichen Willen gleichförmig zu machen; und er soll versichert sein“, fügte sie bei, „daß hierin die höchste Vollkommenheit bestehe, wer diese am vorzüglichsten übt, wird von Gott die größten Gaben erhalten und im inneren Leben große Fortschritte machen.“ Die Seligen des Himmels lieben Gott deswegen vollkommen, weil sie mit dem göttlichen Willen ganz gleichförmig sind. Darum lehrte uns Jesus Christus um die Gnade bitten, daß wir den Willen Gottes auf Erden so vollziehen möchten, wie ihn die Heiligen im Himmel vollziehen. Dein Wille geschehe, wie im Himmel also auch auf Erden. Wer nach dem Willen Gottes handelt, wird ein Mensch nach dem Herzen Gottes werden, wie Gott mit Recht den David nannte: Ich habe einen Mann nach meinem Herzen gefunden, der allen meinen Willen tun wird. (1 Sam 13,14) Und warum? weil David immer bereit war, das auszuführen, was Gott verlangte: Bereit ist mein Herz, o Gott, bereit ist mein Herz. (Ps 107,2) Und er bat den Herrn um nichts anderes, als ihn zu lehren, seinen Willen zu vollziehen: Lehre mich, deinen Willen tun. (Ps 142,9)
O von welch großem Werte ist nicht ein einziger Akt der vollkommenen Ergebenheit in den Willen Gottes, hinreichend ist er, um eine Seele selig zu machen! Als der heilige Paulus noch als Saulus die Kirche Gottes verfolgte, erschien ihm Jesus, erleuchtete und bekehrte ihn. Der Heilige tat hierauf nichts anderes, als daß er sich völlig bereit darbot, den göttlichen Willen zu befolgen; Herr, was willst du, daß ich dir tue? (Apg 9,6) Und siehe, alsogleich erklärte ihn Jesus Christus als ein Gefäß der Auserwählung und als den Weltapostel: Dieser ist mir ein Werkzeug, das ich auserwählt habe, meinen Namen unter den Völkern auszubreiten. Wenn einer fastet, Almosen gibt, sich für Gott abtötet, so gibt er Gott nur einen Teil von sich; wer ihm aber seinen Willen schenkt, der schenkt ihm alles. Und dies ist auch alles, was Gott von uns begehrt, nämlich das Herz, den Willen: Mein Sohn, gib dir mein Herz. (Spr 23,26) Die Vollziehung des göttlichen Willens sei daher das Ziel aller unserer Wünsche, unserer Andachtsübungen, Betrachtungen, Kommunionen u.s.w. Dies muß das Ziel von allen unseren Bitten sein, nämlich jene Gnade von Gott zu erlangen, daß nur das von uns geschehe, was Gott will. Und hierin müssen wir die Fürbitte unserer heiligen Fürsprecher und vorzüglich der allerseligsten Jungfrau Maria anrufen, daß sie uns helfen, dem Willen Gottes in allen Dingen uns zu ergeben, und ganz besonders in jenen, die unserer Eigenliebe zuwider sind. Der heilige Johannes von Avila sagte: Ein einziges „Gott sei gelobt“ in Widerwärtigkeit gesprochen, ist mehr wert, als tausend Danksagungen in Freuden.
Anmutungen und Bitten
Ach mein Gott! mein ganzes Unheil bestand vormals darin, daß ich mich nicht deinem Willen gleichförmig machen wollte. Jetzt aber verabscheue ich und verfluche tausend Mal jene Tage und Augenblicke, wo ich, um meinen Willen zu tun, deinem Willen widerstrebte. O Gott meiner Seele! ich schenke ihn dir nun ganz und gar; nimm ihn auf, o mein Herr! und feßle ihn mit deiner Liebe, so zwar, daß er dir nicht widerspenstig werden kann. Ich liebe dich, unendliche Güte, und aus Liebe zu dir opfere ich mich ganz auf. Verfüge mit mir und mit allem dem, was mein ist, wie es dir gefällt, ich ergebe mich deinem heiligen Willen in allem. Herr, bewahre mich nur von dem Unglücke, etwas gegen deinen Willen zu tun und mache dann mit mir, was und wie du willst. Ewiger Vater, Jesu Christo zu Liebe erhöre mich! Mein Jesu, erhöre mich um der Verdienste deines Leidens willen! — Und du, o heiligste Jungfrau Maria! hilf mir und erlange mir die Gnade, daß ich in allem an mir den göttlichen Willen befolge, denn darin besteht mein ganzes Heil, und ich bitte dich um nichts weiter mehr.
36. Betrachtung
Von der Gleichförmigkeit mit dem Willen Gottes
2. Punkt
Wir müssen uns ergeben nicht nur in jenen Widerwärtigkeiten, die uns geradezu von Gott kommen, als da sind die Krankheiten, Trostlosigkeiten des Geistes, Verlust des Vermögens oder der Verwandten, sondern auch in jenen, die uns zwar von Gott zukommen, allein mittelbar, nämlich mittelst der Menschen, wie z. B. die Beschimpfungen, die Verachtungen oder ungerechtes Verfahren wider uns und alle anderen Arten von Verfolgungen. In einem solchen Falle, wenn wir von jemandem am Vermögen oder an der Ehre verletzt werden, sollen wir uns erinnern, daß Gott zwar die Sünde unseres Beleidigers nicht wolle, wohl aber unsere Armut und unsere Demut. Gewiß ist es, daß alles was sich zuträgt, durch den göttlichen Willen geschehe: Ich bin der Herr, ich mache das Licht und erschaffe Finsternis, ich mache Frieden und erschaffe das Übel. (Jes 45,6,7), und früher sagte der Sohn Sirachs: Gutes und Böses, Leben und Tod... kommen von Gott. (Eccl 11,14) Kurz, alles kommt von Gott, das Gute sowohl, als das Übel. Dergleichen Vorfälle heißen zwar Übel, weil wir sie so nennen, und wir sie auch selbst zu Übeln machen; denn würden wir sie nehmen, wie wir sollten, nämlich mit Gelassenheit und Ergebung aus der Hand Gottes sie annehmen, so würden sie für uns keine Übel, sondern Güter werden. Die Edelsteine, wodurch die Kronen der Heiligen reich geschmückt werden, sind eben die Trübsale, die sie für Gott mit dem Gedanken annehmen, daß alles von seinen Händen komme. Als der heilige Job die Nachricht erhielt, die Sabäer hätten seine Güter geraubt, was antwortete er? Der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen. (Job 1,21) Er sagte nicht etwa: Der Herr hat mir diese Güter gegeben und die Sabäer haben sie mir genommen; sondern: „Der Herr hat sie mir gegeben und der Herr hat sie mir genommen.“ Und deshalb pries er ihn, im Glauben, daß alles nach seinem Willen geschehen sei. Wie es dem Herrn gefallen hat, so ist es geschehen, der Name des Herrn sei gebenedeit. (ibid.) Als die heiligen Blutzeugen Epitectus und Atho mit eisernen Haken und brennenden Fackeln gemartert wurden, riefen sie nichts anderes, als: „Herr, dein Wille geschehe an uns!“ Und da sie starben, waren dies ihre letzten Worte: „Sei gepriesen, o ewiger Gott! denn du verleihest uns die Gnade, daß an uns dein heiliges Wohlgefallen erfüllt werde.“ Cäsarius erzählt (lib. 10. cap. 6), ein Mönch habe viele Wunder gewirkt, obwohl er kein strengeres Leben führte, als die anderen Mönche. Da der Abt hierüber sich verwundernd ihn einst fragte, was er denn für Werke der Frömmigkeit übte, antwortete er, er sei unvollkommener als die anderen, doch habe er darauf sein besonderes Augenmerk gerichtet, in allem dem göttlichen Willen sich gleichförmig zu machen. „Warst du“, fuhr der Oberer fort, „über den Schaden, den uns vor einigen Tagen unser Feind in unserem Gütchen anrichtete, nicht verdrießlich?“ „Nein, mein Vater“, sagte er, „ja, ich danke vielmehr dem Herrn dafür, indem er alles zu unserem Nutzen tut und zuläßt.“ Hieraus erkannte der Abt die Heiligkeit dieses guten Ordensmannes.
Laßt uns das nämliche tun, wenn uns Widerwärtigkeiten zustoßen; laßt sie uns alle annehmen aus der Hand Gottes, nicht nur mit Geduld, sondern auch mit Freude, nach dem Beispiele der Apostel, die sich freuten, wenn sie Jesu Christi wegen Mißhandlungen erfuhren: Sie gingen fröhlich vor dem Rate hinweg, weil sie würdig geachtet wurden, für den Namen Jesu Schmach zu leiden. (Apg 5,41) Und welch größere Freude gibt es wohl für uns, als ein Kreuz tragen und dabei wissen, daß wir durch dessen geduldige Übernahme Gott ein Wohlgefallen verursachen? Wollen wir also in einem beständigen Frieden leben, so suchen wir von nun an vor allem, uns mit dem göttlichen Willen zu vereinigen, indem wir bei allem, was uns widerfährt, immer sagen: Ja, Vater, also hat es dir gefallen. (Mt 11,26) Herr, so hat es dir gefallen, also geschehe es. Auf dieses Ziel hin müssen wir alle unsere Betrachtungen, Kommunionen, Besuchungen und Gebete richten und Gott bitten, er möchte mit seinem Willen uns gleichförmig machen. Opfern wir uns stets fort auf, indem wir sprechen: Mein Gott, hier sind wir, tue uns, was gefällig ist. Die heilige Theresia opferte sich Gott den Tag über fünfzig Mal auf: er wolle mit ihr nach seinem Wohlgefallen verfügen.
Anmutungen und Bitten
Ach mein göttlicher König, mein geliebter Erlöser, komme und herrsche du allein von nun an in meiner Seele! Nimm meinen ganzen Willen, so daß er nichts wünsche, nichts wolle, als was du willst. Mein Jesu, bisher habe ich dich so sehr beleidiget dadurch, daß ich mich deinem heiligen Willen widersetzte; dies schmerzt mich mehr, als wenn mir was immer für ein anderes Unglück begegnet wäre; es reuet mich, es ist mir von ganzem Herzen leid. Ich verdiene Züchtigung, ich weigere mich nicht dagegen, ich nehme sie an; aber verschone mich nur mit der Strafe, mir deine Liebe zu entziehen, und dann verfüge mit mir, wie es dir beliebt. Ich liebe dich, mein lieber Erlöser, ich liebe dich, mein Gott; und weil ich dich liebe, so will ich alles tun, was du willst. O Wille Gottes, du bist meine Liebe! O Blut meines Jesu, du bist meine Hoffnung! Von dir hoffe ich, daß ich von heute an künftighin immer mit dem göttlichen Willen vereint sein werde; er wird mein Führer, mein Verlangen, mein Leben und meine Ruhe sein. In diesem will ich immerdar leben und ruhen: Ich will im Frieden schlafen und ruhen: Immer werde ich bei allem, was mir widerfährt, sagen: Mein Gott, ich will nur, was du willst; an mir geschehe stets dein Wille: Dein Wille geschehe. Mein Jesu, verleihe mir um deiner Verdienste willen die Gnade, immer diesen Spruch der Liebe zu wiederholen: dein Wille geschehe, dein Wille geschehe! — O Maria, meine Mutter, du Glückselige, die du allezeit und in allen Dingen den göttlichen Willen erfülltest; erflehe mir, daß ich ihn von nun an auch vollziehe. Meine Königin, erlange mir doch um deiner Liebe zu Jesu Christo willen diese Gnade, ich hoffe es von dir.
36. Betrachtung
Von der Gleichförmigkeit mit dem Willen Gottes
3. Punkt
Wer mit dem göttlichen Willen vereint ist, genießt schon auf dieser Welt einen beständigen Frieden: Nichts wird den Gerechten betrüben, was immer ihm auch widerfährt. (Spr 12,21) So ist es; denn eine Seele kann keine größere Freude haben, als wenn sie alles das, was sie will, in Erfüllung gehen sieht. Wer nichts anders will, als was Gott will, hat immer das, was er will; denn alles, was geschieht, geschieht nach dem Willen Gottes. Werden die ergebenen Seelen, spricht Salvianus, gedemütiget, so ist es ihnen lieb; leiden sie Armut, so wollen sie arm sein; mit einem Worte, es ist ihnen alles recht, was geschieht, und deshalb führen sie ein glückliches Leben: „Werden sie gedemütiget, so wollen sie dies, sind sie arm, so erfreuen sie sich der Armut; folglich sind sie selig zu nennen.“ In Hitze oder Kälte, in Regen oder Wind, spricht der, wer mit dem Willen Gottes vereint ist, ich will diese Hitze, diese Kälte, diesen Regen etc., weil es Gott so will. Tritt ein Verlust ein oder eine Verfolgung, meldet sich eine Krankheit an oder naht der Tod, so sagt der Gottergebene: ich will armselig, verfolgt, krank sein, auch der Tod ist mir willkommen, weil es Gott so will. Wer in Gottes Willen ruht, und sich alles Wohlgefallen läßt, was der Herr tut, der ist gleichsam über den Wolken; er sieht zwar die Stürme, die da unten toben, aber er wird weder verletzt, noch verwirrt. Dies ist, wie der Apostel sagt, jener schöne Friede, der allen Verstand übertrifft (Phil 4,7), welcher alle Ergötzlichkeiten der Welt übersteigt und standhält, so daß er keinen Wechsel erleidet. Ein Narr verändert sich wie der Mond, der Weise bleibt in der Weisheit wie die Sonne (Eccl 27,12) Der Tor, das ist der Sünder, verändert sich wie der Mond, welcher heute zunimmt und morgen abnimmt; heute sieht man ihn lachen, morgen weinen, heute ganz munter, morgen betrübt und wütend; kurz, er verändert sich, je nach dem Wechsel von Glück oder Unglück, das ihm begegnet. Der Gerechte aber ist wie die Sonne, immer gleich und einförmig in seiner Ruhe bei allem, was geschieht; denn sein Friede steht fest in der Ergebung in den göttlichen Willen: Friede den Menschen auf Erden, die eines guten Willens sind. (Lk 2,14) Wenn die heilige Maria Magdalena von Pazzis von dem Willen Gottes reden hörte, fühlte sie sich so sehr getröstet, daß sie aus Liebe entzückt außer sich geriet. Es wird zwar bei den mannigfaltigen Widerwärtigkeiten dieses Lebens einige Unruhe in dem unteren Teile der Seele sich fühlen lassen, jedoch in dem oberen Teile wird beständig Ruhe herrschen, so lange unser Wille mit dem göttlichen Willen vereint ist: Eure Freude wird euch von niemanden genommen werden. (Joh 16,22) Wie groß aber ist die Torheit derjenigen, die sich dem Willen Gottes widersetzen! Was Gott verlangt, muß ohneweiters erfüllt werden: denn wer widersteht seinem Willen. (Röm 9,16) Daher müssen diese Unglückseligen das Kreuz tragen, aber ohne Verdienst und ohne Ruhe: Wer hat sich ihm widersetzt und Friede gehabt? (Job 9,4)
Und was will denn Gott anders, als unser Bestes? Denn eure Heiligung ist Gottes Wille. (1 Thess 4,3) Er will uns heilig machen, um uns in diesem Leben zufrieden und im anderen selig zu sehen. Wir sollen wissen, daß die Kreuze, die Gott über uns schickt, alle zu unserem Guten mitwirken. (Röm 8,28) Auch die allgemeinen Bedrängnisse dieser Welt kommen nicht zu unserem Unglücke, sondern damit wir uns bessern und die ewige Glückseligkeit uns erwerben. Wir sollen glauben, daß es zu unserer Besserung, nicht zu unserem Verderben geschehen sei. (Jdt 8,27) Gott liebt uns sehr, daß er das Glück eines jeden von uns nicht nur wünscht, sondern auch darum besorgt ist: Der Herr sorgt für mich. (Ps 39,18) Und was könnte wohl der Herr uns versagen, nachdem er seinen eigenen Sohn uns geschenkt hat? Er hat seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle dargegeben: Wie, hat er denn nicht mit ihm uns alles gegeben? (Röm 8,32) Überlassen wir uns also immerhin der Hand eines Gottes, der stets für unser Wohl besorgt ist, so lange wir in diesem Leben uns befinden. Werfet alle eure Besorgnisse auf ihn, denn er sorget für euch. (1 Petr 5,7) „Denke du an mich, sprach der Herr zur heiligen Katharina von Siena, und ich werde jederzeit an dich denken.“ Sagen wir oft mit der heiligen Braut: Mein Geliebter ist mein, und ich bin sein. (Hld 2,16) Mein Geliebter denkt auf mein Wohl, und ich will bedacht sei, nur ihm zu gefallen und mich mit seinem heiligen Willen zu vereinigen. „Wir sollen nicht bitten“, lehrte der Abt Nilus, „daß Gott tue, was wir wollen, sondern daß wir tun, was er will.“
Wer es so macht, dessen Leben wird glücklich und sein Tod heilig sein. Wer stirbt ganz ergeben in den göttlichen Willen, der läßt bei den Zurückbleibenden eine moralische Gewißheit von seiner Seligkeit zurück. Wer aber im Leben mit dem göttlichen Willen nicht eins ist, wird es auch im Tode nicht sein, und nicht selig werden. Damit wir uns daher mit dem Willen Gottes stets vereinigt erhalten mögen, so suchen wir uns recht vertraut zu machen mit den Sprüchen aus der heiligen Schrift: Herr, was willst du, daß ich tue? Herr, sage mir, was du von mir begehrest, ich will alles tun. Siehe, ich bin eine Magd des Herrn. Siehe, meine Seele ist deine Dienerin, tue also damit, was dir gefällig ist: ich gehöre dir an und nicht mehr mir. Wann ein etwas bedeutender Unfall sich ereignet, so wollen wir alsogleich sprechen: Ja, Vater, also hat es dir gefallen. (Mt 11,26) Mein Gott, so war es dir gefällig, so geschehe es. Am allerliebsten sei uns die dritte Bitte im Gebete des Herrn: Dein Wille geschehe. Sagen wir sie mit Liebe und wiederholen wir sie oft und vielmal. Glücklich sind wir, wenn wir leben und sterben mit den Worten: Es geschehe dein Wille.
Anmutungen und Bitten
O Jesu, mein Erlöser! du hast am Kreuze aus Übermaß der Schmerzen dein Leben geendet, um dadurch die Quelle meines Heiles zu werden: erbarme dich also meiner und mache mich selig: und laß nicht zu, daß eine mit so vielen Leiden und so großer Liebe von dir erlöste Seele dich auf ewig in der Hölle hassen sollte. Du konntest nicht mehr tun, um mich zur Liebe gegen dich zu verpflichten, und wolltest es mir zu verstehen geben, indem du sterbend auf Kalvaria diese liebreichen Worte sagtest: Es ist vollbracht. Wie aber habe ich deine Liebe bisher vergolten? Ich kann wohl mit Recht sagen, daß ich in der Vergangenheit nicht mehr tun konnte, um dich zu beleidigen und dich zum Zorne gegen mich zu reizen. Ich danke dir, daß du mich mit so großer Geduld ertragen hast und mir noch Zeit schenkest, mein Gewissen zu heilen, ehe ich sterbe.
Ja, ich will dich lieben und will dich recht innig lieben, mein Erlöser, mein Gott, meine Liebe und mein Alles! Ich will alles tun nach deinem Wohlgefallen und ich schenke dir meinen ganzen Willen und meine ganze Freiheit, kurz alles, was mein ist. Auch opfere ich dir von dieser Stunde an auch mein Leben und nehme jenen Tod an, den du mir senden wirst, samt allen Schmerzen und Umständen, die ihn begleiten werden. Ich vereinige von nun an dies mein Opfer mit jenem großen Opfer, das du, mein Jesu! am Kreuze dargebracht, da du dein Leben für mich hingegeben! Ich will sterben, um deinen Willen zu tun. Ach, durch die Verdienste deines Leidens schenke mir diese Gnade, daß ich Zeit meines Lebens deinem Willen stets ergeben bleibe, und kommt der Tod, so laß mich ihn mit einer gänzlichen Gleichförmigkeit mit deinem heiligen Wohlgefallen umarmen! Ich will sterben, mein Jesu! um dir wohlzugefallen, ich verlange zu sterben mit den Worten: Dein Wille geschehe. — Maria, meine Mutter, also starbst du, ach erflehe mir, daß auch ich also sterbe!
Es lebe
Jesus, unsere Liebe!
und
Maria, unsere Hoffnung!
Seine Heiligkeit Papst Gregor XVI., haben den 18. Mai 1840 einen
vollkommenen Ablaß
für immerwährende Zeiten allen Christgläubigen zu verleihen geruht welche nach reumütig verrichteter Beichte und Empfang der heiligen Kommunion, am Festtage des
heiligen Alphons Maria von Liguori,
Stifters der Kongregation des allerheiligsten Erlösers, oder an einem Tage der Oktav dieses Festes, das ist vom 2. bis 9. August, eine Kirche der Redemptoristen - Kongregation besuchen und daselbst nach der Meinung Seiner Heiligkeit ihr Gebet verrichten.
Dieser Ablaß kann in dieser Oktav einmal gewonnen und auch für die armen Seelen im Fegefeuer aufgeopfert werden.