Bischof Dr. Rudolf Graber
Athanasius und die Kirche unserer Zeit
zu seinem 1600. Todestag
DER 1600.TODESTAG des hl. Athanasius soll nicht vorübergehen, ohne dass wenigstens in einer Schrift seiner Erwähnung geschieht. Er gehört zu den wenigen Heiligen, denen die Geschichte den Beinamen „der Große" gab. Statt vieler Worte sei hier zitiert, was Johann Adam Möhler in seinem Buch „Athanasius der Große und die Kirche in seiner Zeit" besonders im Kampf mit dem Arianismus (Mainz 1844) in der Vorrede dazu über ihn schreibt: „Schon als ich meine erste Bekanntschaft mit der Kirchengeschichte machte, erschien mir Athanasius von so großer Bedeutung, seine Schicksale so außerordentlich, seine Unterdrückung um des Glaubens willen, seine Wiedererhebung, sein abermaliger Sturz und wiedererfolgtes Steigen, die hohe christliche Würde, die Erhabenheit über jegliches Unglück, die uns aus seiner Geschichte entgegenleuchtet, nahmen meine Teilnahme so sehr in Anspruch, dass eine tiefe Sehnsucht in mir rege wurde, den großen Mann genauer kennen zu lernen, und ihn in seinen eigenen Schriften zu studieren. Das dunkle Gefühl, das mich zu diesen hinzog, wurde nicht getäuscht: eine reiche Quelle geistiger Nahrung floss mir aus ihnen zu. Je mehr ich aber das, was ich in Athanasius selbst fand, mit dem verglich, was ich in anderen Büchern über ihn antraf, desto mehr schmerzte es mich, dass dieser große Kirchenvater lange in weiten Kreisen nicht so gekannt und anerkannt sei, als er es so sehr verdient. Dies brachte in mir den Entschluss hervor, ihn zu bearbeiten, die in ihm verborgenen Schätze christlicher Weisheit und Erkenntnis zu Tage zu fördern so wie seine gesamte Geschichte zu beschreiben."
Im Anklang an die Überschrift dieses Werkes wurde deshalb der Titel gewählt: „Athanasius und die Kirche unserer Zeit" (im Kampf mit dem Modernismus). -
Möge diese bescheidene Schrift dazu beitragen, dass sich die Worte erfüllen, die Basilius der Große im Jahr 371 an Athanasius richtete: „In allem wirkt der Herr das Große durch die, die seiner würdig sind. Wir hoffen daher, dass ein so großer Dienst sich für dich gezieme, in dessen Folge die Verwirrung des Volkes endet, alle sich einander in Liebe unterwerfen und dass die alte Kraft der Kirche sich erneuere."
Regensburg, am Feste des hl. Athanasius -2. Mai 1973
+ Rudolf Graber Bischof von Regensburg
IN DIESEM JAHR sind 1600 Jahre verflossen, seit eine der „markantesten Persönlichkeiten der alten Kirchengeschichte", der hl. Athanasius (295 bis 373), Bischof von Alexandrien starb. Er ist der große, leidgeprüfte Hauptverteidiger des nizänischen Glaubens (1). Nicht weniger als fünfmal musste er in die Verbannung gehen, darunter auch einmal in das heutige Deutschland, nämlich 335 nach Trier. Die Lage der Kirche war damals ähnlich wie heute, und Konrad Kirch hat recht, wenn er von Athanasius sagt: „Einen solchen Mann sandte der Welt die Vorsehung in jenen Tagen, da eine gewaltige Windsbraut stärker und stärker heulte und dann an den Säulen der Kirche rüttelte, dass sie wankten und sanken, da die heiligen Mauern zu stürzen drohten, da es den Anschein nahm, als ob die Mächte der Tiefe und die Kräfte in den Höhen die Kirche vom Erdboden vertilgen würden. Aber einer stand da wie ein Fels, ein Wogenbrecher, Athanasius; einer sprang überall in die Bresche, Athanasius; einer schwang Gottes Schwert über Morgenland und Abendland, Athanasius" (2).
Wie sehr diese große Bekennergestalt in stürmischen Zeiten die Gemüter bewegte, zeigt - um nur ein Beispiel zu nennen - die kirchenpolitische Flugschrift des großen Görres „Athanasius" (3), die dieser nach der Verhaftung des Kölner Erzbischofs Klemens August Freiherr von Droste-Vischering, die zur „Geburtsstunde eines katholischen deutschen Volkes" wurde (4), 1838 veröffentlichte. Von dieser Schrift sagt Franz Schnabel: „Die Wirkung der Flugschrift war überwältigend. Hier sprach ein genialer und geübter Journalist, der die Worte zu setzen, die Beweise zu führen verstand und den gebildeten Leser zu packen wußte, so daß von da aus die Wirkung sich fortpflanzte ins Volk. Schon nach wenigen Wochen waren siebentausend Exemplare vergriffen" (5). Die Regierung erließ zwar ein Verbot, mußte aber von diesem Vorhaben Abstand nehmen, da der entfachte Widerstand zu gewaltig war. In der Vorrede zur zweiten Auflage geht Görres scharf mit denen ins Gericht, die ein „deutsches Concilium" verlangen: „Dann kommt gute Zeit, und die alte ist abgeschafft. Jeder, der seit fünfzig Jahren einen verrückten Gedanken ausgedacht, der keine Abnehmer gefunden, bringt ihn hier neuerdings zu Markte; denn jetzt oder nie" (6). Dieses Concilium müßte „ein ökumenisches" sein (7). Als Vorbedingungen für die Zulassung der Protestanten verlangt Görres ironisch, „daß sie wenigstens ein Capitel der Bibel kritisch vernichtet haben; Solche, die mindestens ein Wunder derselben natürlich erklärt, und es daher nachzuthun im Stande sind; die, denen es gelungen, eine neue jüdische oder christliche Mythe zu finden und auszudeuten; Alle, die irgend ein Fundament der Lehre, die unsichtbare Kirche, die höhere Geisterweit, die Unsterblichkeit der Seele, den Gegensatz des Guten und Bösen in bloße Abstractionen umgedeutet und zerstört: sie insgesamt wären zuzulassen, und hätten durch diese ihre verdienstlichen Werke Sitz und Stimme sich erworben." (8) Noch sarkastischer äußert er sich über die katholischen Teilnehmer dieses fiktiven Konzils. Es „wäre natürlich, um alle weitere Verlegenheit gründlich zu beseitigen, zur Absetzung des Papstes ... vorzuschreiten, wo denn, wie natürlich, die dreifache Krone einstweilen die Stirne des geehrten Vorstandes nicht übel schmücken würde. Demnächst möchte es am dringlichsten sein, um der Beklommenheit eines Theiles im katholischen Clerus Abhülfe zu thun, sogleich die Aufhebung des Cölibates auszusprechen ... Wären diese Einrichtungen erst erledigt, dann würde die heilige Synode nicht säumen, sofort auch zur Anordnung und Feststellung der Doctrin vorzugehen. Da müßte denn als Grund und Fundament des Ganzen ein neues Credo entworfen werden, der Art, daß alle vernünftigen Menschen sich zu ihm bekennen dürften. Nach den Fortschritten, die in neuerer Zeit die Wissenschaft gemacht, kann es nicht schwer seyn, ein solches Werk zu Stande zu bringen, um so mehr, da von manchen Seiten tüchtige Vorarbeiten schon vorliegen" (9). Görres selbst versucht sich dann an der Formulierung eines solchen neuen Glaubensbekenntnisses, wobei er die zeitgenössische hegelianische Philosophie unter Beschuss nimmt und sie der Lächerlichkeit preisgibt.
Es überschreitet den Rahmen unserer Einleitung, ausführlich auf den Inhalt des „Athanasius" einzugehen. Trotzdem können wir es uns nicht versagen, einiges zu zitieren und es dem Leser zu überlassen, Verwandtes mit unserer Zeit zu entdecken. Bestechend ist Görres' Schilderung des lügnerischen Zeitgeistes: „Es ist so weit gekommen, daß wir aller Orten von der Lüge, wie von einer Atmosphäre uns umfaßt und umgeben finden; sie wird eingeathmet und ausgeathmet ... So ist es denn geschehen, daß wir in den wichtigsten Dingen in einer fictiven Welt umhergehen; in einem künstlichen Fabelreiche, das wir uns nach unseren bornierten Ansichten, unseren vorgefaßten Meinungen, unseren flachen Gedanken und armseligen Leidenschaften selbst zusammenphantasiert haben; von der Wirklichkeit der Dinge so weit entfernt, daß diese in der schlechten Nachsudelei sich gar nicht wieder erkennen" (10).
Görres befasst sich indessen nicht mit dem Kölner Ereignis allein, sondern holt weit aus in der Vorgeschichte. An sich hätte der Beseitigung des alten Reichsoberhauptes, des Kaisers, auch die des Papstes folgen sollen. Aber weil dies nicht gelang, so sollten „wenigstens vorläufig ... die Glieder sich von ihm absondern ... Wie es nun Hofjuristen und Territorialdiplomaten gewesen, die das erste Werk eingefädelt und vollführt, so sind es Hofcanonisten und Metropolitantheologen gewesen, die dem anderen Geschäfte sich unterzogen, und katholische Pfaffen sind gekommen, und haben überall beim Entwurf mit zu Rath gesessen, und bei der Ausführung fleißig mit Hand angelegt" (11).
Soviel über den „Athanasius" des großen Görres, dessen 125. Todestag wir heuer begehen. In unserem Jahrhundert begegnen wir wieder dem Alexandriner und zwar in dem Roman des bei der Belagerung von Breslau verwundeten und verschollenen Schlesiers Cosmus Flam (eigentlich Dr. Josef Pietsch), der 1930 das Werk veröffentlichte: „Athanasius kommt in die Großstadt oder die Tiergrube" (12). In diesem utopischen Roman, dem man heute das Prädikat prophetisch zuerkennen muss (13), schildert der Dichter die Großstadt Teilopa, „in der man Gott, Geist, Seele, Natur radikal ausgeschaltet hat, wo Liebe zum Sexus entwürdigt ist und die Diktatur der Technik herrscht" (14). In dieser Stadt lebt ein kleines Häufchen von Menschen, die von Christus etwas gehört haben, und sich Christianer nennen. An diese Kompromisschristen richtet Athanasius unter anderem folgende Worte: „Ihr wollt Kinder des Lichtes sein, aber ihr möchtet die Kindschaft der Welt nicht gern aufgeben. Ihr solltet an die Buße glauben, aber ihr glaubt an das Glück der neuen Zeit. Ihr solltet von Gnade sprechen, aber ihr sprecht lieber vom menschlichen Fortschritt. Ihr solltet Gott verkünden, aber ihr predigt lieber den Menschen und die Menschheit. Ihr heißt euch nach Christus, aber ihr solltet euch lieber nach Pilatus nennen ... Ihr seid der große Verderb. Denn ihr ätzt in der Mitte. In der Mitte wollt ihr sitzen zischen Licht und Welt. Ihr seid Meister im Kompromiss und geht mit der Weit mit. Ich sage euch: geht lieber in die Welt fort und verlasst den Meister, dessen Reich nicht von dieser Welt ist" (15). Sind das nicht wirklich prophetische Worte? Aus alldem, was wir aus den erwähnten Werken zitierten, wird unsere Absicht klar. Der geistesgewaltige, unerschrockene Athanasius soll auch heute seine Stimme erheben, gegen das, was sich in der Kirche tut.
Kurz nach dem verhängnisvollen 30. Juni 1934, als die Schergen Hitlers den angeblichen Röhmputsch niederschlugen und dabei eine ganze Anzahl dem Regime missliebiger Personen, wie Klausener, Gerlich, Probst liquidierten, erschien im Liga-Verlag Luzern ein kleines, aber aufrüttelnd geschriebenes Heft: „St. Ambrosius und die deutschen Bischöfe". Mit beschwörenden Worten wurden die Bischöfe aufgerufen, das Beispiel des Mailänder Bischofs nachzuahmen, der im Jahre 390 dem Kaiser Theodosius entgegentrat und Buße von ihm verlangte, weil er im Zirkus von Thessalonich einen Lynchakt des Pöbels strafend 2000 Menschen hatte niedermetzeln lassen. So -und dies war der Mahnruf jener Schrift - sollten die Bischöfe auch gegen das, was am 30. Juni 1934 geschah, feierlich protestieren. Auch dieses Beispiel zeigt, wie sich die Menschen in Zeiten der Bedrängnis und Ratlosigkeit an jenen großen Männern der Vergangenheit orientierten, deren Mut und Wirkkraft die Jahrhunderte überdauern.
Bevor wir uns nun einem Hirtenbrief des Athanasius zuwenden, muss in einigen Strichen die Lage der Kirche zur Zeit des Athanasius gestreift werden.
Doch lassen wir hier einen Augenblick den hl. Basilius sprechen, der in einem Brief aus dem Jahr 371 schreibt: „Die längst vom Feinde der Wahrheit, von Arius, ausgestreute Häresie schoss empor bis zu unverschämter Höhe, und gleich einer bittern Wurzel treibt sie verderbliche Frucht und wird bereits übermächtig, weil die Bannerträger der wahren Lehre in den einzelnen Pfarreien infolge von Verleumdung und Kränkung aus den Kirchen vertrieben wurden und die Vollmacht in ihrer Verwaltung solchen übergeben ward, welche die Herzen der Einfältigen gefangen nehmen" (16).
In einem Brief gerade an Athanasius aus dem Jahr 371/72 stehen die vielsagenden Worte: „Die ganze Kirche ist in Auflösung" (17). Der Aufblick zu dieser Säule am Nil gewährt dem Bischof von Cäsarea Mut „aus der Tiefe der Verzweiflung zur Hoffnung aufbessere Tage" (18). Ein anderer Brief 372 geschrieben gilt den Bischöfen Italiens und Galliens, sie sollen zu Hilfe kommen, „ehe noch die Kirchen vollends Schiffbruch" leiden (19); denn „es ist ja nicht nur eine Kirche gefährdet, auch nicht zwei oder drei sind vom schweren Unwetter betroffen. Fast von den Grenzen Illyriens bis zur Thebais grassiert das Übel der Häresie. Den verderblichen Samen hat zuerst der berüchtigte Arius ausgestreut" (20). Im gleichen Jahr spricht er zu den Priestern von Tarsus, dass „die gegenwärtige Zeit eine starke Neigung zu einem Umsturz der Kirche" hat (21). Genau vor 1600 Jahren, im Todesjahr des Athanasius, wirft er in einem Brief an die Alexandriner die Frage auf: „Hat denn wohl der Herr seine Kirche ganz verlassen? Ist denn die letzte Stunde da, und nimmt der Abfall hiermit seinen Anfang, auf dass nunmehr offenbar wird der Mensch der Sünde, der Sohn des Verderbens, der Widersacher, der sich erhebt über alles, was Gott und Heiligtum heißt" (22). Diese kurzen Zitate, die natürlich vermehrt werden können, lassen ahnen, wie es damals in der Kirche aussah. Was nun der Kappadozier mehr allgemein schildert, das hat Athanasius in Einzelheiten aufgezählt in einem Hirtenbrief, der ob der grandiosen Wucht des Stils und des unsagbaren Schmerzes seines Schreibers einzigartig dasteht und der den Rahmen für unsere Abhandlung abgeben soll. Auch hier muss freilich der geschichtliche Hintergrund kurz skizziert werden. Wieder einmal hatte eine arianische Synode und zwar die von Antiochien 339 den „unsterblichen" (Athanasius) Bischof von Alexandrien abgesetzt und an seine Stelle den Kappadozier Gregor geschickt.
„Die Nachricht von der abermaligen Absetzung des Athanasius gab in Alexandrien das Zeichen zum Sturm. Mit harter Hand griff der kaiserliche Präfekt Philagrius ein. In der Nacht des 18. März 340 wurde Athanasius aus dem bischöflichen Palast vertrieben. Das Volk umstand mit drohender Gebärde die Kirchen. Athanasius wollte das Schlimmste verhüten, in Eile taufte er noch die Katechumenen, dann nahm er die Flucht, und unter dem Schutz einer Kriegerschar ritt Gregor in die Stadt ein. Die Juden, Heiden und Arianer jubelten dem Mietling zu. Durch die Gemeinde der Gläubigen ging ein dumpfes Murren und ein Schrei der Verzweiflung, als Gregor unter entsetzlichen Greueln von ihren Kirchen Besitz nahm. Es war am Karfreitag. Der vertriebene Vater hörte in seinem Versteck bei der Stadt, wie der Todesschrei der von Gregor Erschlagenen das Osteralleluja übertönte. Boten kamen und meldeten ihm in atemlosem Entsetzen, Hunderte hätte man aus den Kirchen in die Kerker geschleppt, heilige Jungfrauen hätte man auf den Plätzen vor den Heiligtümern entkleidet und mit Knütteln auf sie eingehauen, bis sie zusammenbrachen, und er sah am Himmel den Feuerschein verbrannter christlicher Gotteshäuser. Er kann sich nicht mehr halten, er schreibt einen Brief an alle seine Bischöfe, Zeilen voll von gewaltigem Schmerz und doch auch mächtig aufflammenden Kampfesdrang. Einst habe man einem Leviten sein Weib geschändet und gemordet. Da habe der Levit in seinem Schmerz den Leichnam zerstückelt und die Stücke an alle Stämme Israels geschickt, damit sie alle das Verbrechen als an sich selber geschehen betrachteten und wie ein Mann zur Rache aufständen und alle Stämme seien in Bewegung geraten, und es sei der heilige Krieg entbrannt. So hebt Athanasius an. Und er fährt fort: „Das Unglück des Leviten ist nichts im Vergleich zu dem, was jetzt gegen die Kirche gewagt worden ist", und er beschwört sie bei der Liebe zum Heiland: „Übersehet solche Frevel nicht, lasst nicht zu, dass die berühmte Kirche der Alexandriner von den Ketzern zertreten werde, - damit nicht in kurzem der Glaube der Kirche und die Gesetze zugrunde gehen" (23).
Diese Einleitung, der ein schauerliches Ereignis aus dem Buch der Richter (24) zugrunde liegt, übernehmen wir wörtlich und versuchen im Geiste des Athanasius das zu schildern, was über die zwölf Stämme des neuen Israel hereingebrochen ist, damit sich diese aufraffen zum entschlossenen Kampf gegen die drohende „Auflösung der Kirche", von der Basilius gesprochen hat oder gegen die „Selbstzerstörung", wie Papst Paul VI. es genannt hat (25).
„DEN MITBISCHÖFEN insgesamt, den geliebten Herren, entbietet Athanasius Gruß (Freude) im Herrn.
Was wir erlitten haben, ist furchtbar und schier unerträglich; es ist nicht möglich entsprechend darüber zu berichten. Damit die Furchtbarkeit der Ereignisse aber rascher bekannt werden kann, hielt ich es für gut, an einen Bericht der Heiligen Schrift zu erinnern. Ein Levit, dem an seiner Frau schwerste Schmach zugefügt worden war - sie war eine hebräische Frau aus dem Stamme Juda -, musste das Übermaß des Verbrechens erkennen. Erschüttert über die Untat, die man gegen ihn gewagt hatte, zerteilte er - wie die Heilige Schrift im Buch der Richter erzählt (Kap. 19) - den Leib der getöteten Frau und schickte Teile an die Stämme Israels. Nicht er allein, sondern alle sollten ein solch schweres Verbrechen miterdulden. Würden sie mit ihm daran leiden, so sollten es alle auch rächen. Wollten sie aber nichts davon sehen, so sollte sie alle die Schmach treffen, als wären sie selbst die Übeltäter. Die Boten meldeten nun das Geschehnis. Die es aber hörten und sahen, erklärten: nie sei solches geschehen seit den Tagen, da die Söhne Israels aus Ägypten heraufgezogen waren. Alle Stämme Israels gerieten in Erregung, und als hätten sie es selbst erlitten scharten sich alle gegen die Missetäter zusammen. Die Verbrecher wurden im Krieg besiegt und waren allen zum Abscheu. Denn die versammelten Scharen achteten nicht auf die Stammeszugehörigkeit, sondern blickten nur voll Verachtung auf das Verbrechen.
Ihr, Brüder, kennt die Erzählung und was die Schrift damit deutlich aufzeigt. Ich will mich darüber nicht weiter auslassen, da ich ja zu Wissenden schreibe, und dränge jetzt danach, eure Aufmerksamkeit auf das zu lenken, was jetzt geschehen ist, viel Schlimmeres als damals. Deshalb aber gedachte ich dieser Erzählung, damit ihr die jetzigen Ereignisse mit den damaligen vergleicht und erkennt, wie das Heutige die Grausamkeit des Früheren übertrifft. Ihr aber mögt in heftigerem Unwillen gegen die Missetäter entbrennen, als es damals geschah. Denn die Härte der Verfolgung gegen uns übertrifft dies auch. Gering ist das Unglück des Leviten im Vergleich zu dem, was man sich heute gegenüber der Kirche herausnimmt. Schlimmeres als das hörte man auf der ganzen Welt nicht, keiner hat größeres Leid erfahren. Damals war es eine einzige Frau, an der Unrecht geschah, ein einziger Levit, der Gewalt erlitt. Heute aber erduldet die ganze Kirche Unrecht, das Priestertum wurde übermütig geschmäht, und - was ärger ist - Gottesfurcht von Gottlosigkeit verfolgt. Damals geriet jeder Stamm in Schrecken beim Anblick eines Teiles einer einzigen Frau. Heute sieht man die ganze Kirche in Glieder zerstückelt. Man sieht die Boten, die zu euch und zu andern geschickt werden und melden, welchen Übermut und welches Unrecht sie erlitten haben. Lasst euch erschüttern, ich beschwöre euch, nicht als ob nur wir, sondern als ob auch ihr alle Unrecht erfahren hättet. Jeder soll helfen, wie wenn er selbst darunter litte. Sonst mag in kurzem kirchliche Ordnung und Glaube der Kirche zugrunde gehen. Beides droht nämlich, wenn Gott nicht rasch durch euch die Vergehen wieder in Ordnung bringt, das Leid an der Kirche sühnt.
Nicht erst jetzt hat ja die Kirche Ordnung und Satzung erhalten. Von den Vätern wurden sie ihr gut und sicher übergeben. Auch nicht erst jetzt nahm der Glaube seinen Anfang, sondern vom Herrn ist er durch die Jünger auf uns gekommen. Möge doch nicht das, was von Anfang bis auf unsere Zeit in den Kirchen bewahrt worden ist, in unseren Tagen preisgegeben werden; möge nicht, was uns anvertraut worden ist, von uns veruntreut werden. Brüder, als Verwalter der Geheimnisse Gottes lasst euch bewegen, da ihr seht, wie alles das von den andern geraubt wird. Von den Briefboten werdet ihr mehr hören; mich drängt es, dies in knapper Kürze aufzuzeigen, damit ihr wirklich erkennt, dass solches niemals gegen die Kirchen geschehen ist seit dem Tag, da der Herr, zum Himmel erhöht, den Jüngern seinen Auftrag gab mit den Worten: „Ziehet hinaus; lehret alle Völker und tauft sie auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes" (26).
WAS DAMALS vor über 1600 Jahren geschah, wiederholt sich heute, nur mit dem zweifachen oder dreifachen Unterschied: Alexandrien ist heute die ganze Weltkirche, die in ihrem Bestand erschüttert ist, und was damals an physischer Gewalt und Grausamkeit erfolgte, verlagert sich auf eine andere Ebene. Verbannung wird durch Totschweigen und die Tötung durch Rufmord ersetzt. Den Eindringling Gregor von damals auf den Bischofsstuhl von Alexandrien hat unser Heiliger Vater charakterisiert als den „Satan, der durch einen Spalt in den Tempel Gottes eingedrungen ist" (27). Wenn wir ihn für die Verwirrung in der Kirche verantwortlich machen, so bedeutet das keine Entschuldigung für jene Menschen, die sich zu seinen Werkzeugen hergeben oder gar glauben, seine Existenz leugnen zu können, sondern es soll nur klar und eindeutig die biblische Wahrheit ausgesprochen werden, dass es einen Teufel gibt, der der Vater der Lüge (Jo 8,44) und der Mörder von Anbeginn (ebd.) ist und der bei der Versuchung Jesu von sich behaupten konnte, dass ihm Macht und Herrlichkeit über alle Reiche des Erdkreises verliehen sei und dass er sie gibt, wem er will (Lk 4, 5f). Schon die damalige Zeit erkannte, von wem die Häresie stammt, und Basilius schrieb 373: „Als nämlich der Teufel sah, dass bei den von den Heiden ausgegangenen Verfolgungen die Kirche wächst und noch mehr blüht, da änderte er seinen Plan und führte den Kampf nun nicht mehr offen, sondern bereitet uns heimlich Nachstellungen und verbirgt seine Hinterlist unter dem Namen, den sie tragen, so dass wir dasselbe erleiden, was dereinst unsere Väter, aber nicht um Christi willen zu leiden scheinen, da ja auch die Verfolger den Christen-Namen tragen" (28). Trifft dieses Wort nicht haargenau unsere Situation? Die blutigen Verfolgungen scheinen vorüber zu sein, man macht es heute eleganter und feiner und -teuflischer. Es existiert tatsächlich ein luziferischer Plan (29), den Papst Leo XIII. andeutet, wenn er sagt: „In solchen wahnwitzigen und finsteren Bestrebungen scheint sich gewissermaßen zu offenbaren des Satans unaustilgbarer Hass und Rachedurst gegen Jesus Christus" (30).
Diesem Plan müssen wir nachspüren, und damit berühren wir die Frage nach den Ursachen der heutigen innerkirchlichen Krisis.
Papst Pius X. hat in seinem Rundschreiben über den Modernismus diesen als „das Sammelbecken aller Häresien" („omnium haereseon conlectum") (31) bezeichnet. Und in der Tat, wenn wir auf die Kirche des Altertums zurückblicken, so sehen wir jene Irrlehren von damals in neuem Gewand erstehen. Arius, der die Gleichwesentlichkeit des Logos mit dem Vater leugnete, lebt. Er lebt überall dort, wo man sich um das eindeutige Bekenntnis herumdrückt, Christus ist wahrer Gott, und auf die verschiedensten menschlich vielleicht schönen Bezeichnungen ausweicht. Aber das Kerndogma unseres Glaubens ist praktisch geleugnet. Pelagius, der die Erbsünde in Abrede stellte und die Kraft des menschlichen Willens so übersteigerte, dass die Gnade kaum mehr eine Rolle spielt, lebt. Eigenartig, wie diese Irrlehren wieder virulent werden. Und der Grund? Es ist die Flucht vor dem Mysterium in die Selbstmächtigkeit des Menschen mit seiner ratio, für die die arianische Lösung des Christusgeheimnisses einleuchtend, weil verständlich ist; es ist das stolze Pochen auf die Willenskraft des Menschen, der alles vermag, was er will, und sich nicht gängeln lassen muss von gnadenhaften übernatürlichen Kraftströmen. Das alles ist vermischt mit einer Art Gnosis, die in einer ihrer Richtungen das junge Christentum in die Welt zu integrieren suchte (32), also ein aggiornamento damals schon bewerkstelligen wollte. Aber lassen wir das. Wir überspringen ein ganzes Jahrtausend und stehen nun in der Aufhellung des luziferischen Planes bei der größten geistigen Umwälzung der Geschichte, beim Humanismus und der Renaissance. Hier setzt nämlich der säkulare Prozess ein, der seitdem die Richtung der Geschichte und des Lebensgefühls bestimmt. Hier erfolgt die „kopernikanische Wende" im umgekehrten Sinn. Während bisher Mensch und Geschichte sich auf Gott hin ausrichteten, .steht nunmehr der Mensch im Mittelpunkt, dem dann vier Jahrhunderte später die Materie an die Seite tritt oder ihn sogar überflügelt. Der Mensch ist von nun an das Maß aller Dinge. Müssen wir hier Belege aus der Gegenwart anführen? Die „Gott-ist-tot-Theologie" ist - ganz gleich, wie man sie interpretiert - doch nur der letzte Schrei. Und dieser Trend macht auch nicht vor dem Heiligsten Halt. Gott ist auf die Seite gestellt, und selbst in den Gebeten dominiert der Mensch.
DIE AUFKLÄRUNG ist ein weiterer Schritt zur Verwirklichung des luziferischen Planes. In der Festgabe für Hans Lilje zu seinem 65. Geburtstag (am 20. August 1964) „Abschied vom Christentum, 17 Antworten von Publizisten und Theologen auf eine zeitgemäße Herausforderung" findet sich ein Beitrag von Hans Jürgen Baden, betitelt „Die zweite Aufklärung" (33). Der evangelische Autor ist der Meinung, wie übrigens manche unserer Zeitgenossen, dass wir heute in eine neue Aufklärungsperiode eingetreten bzw. dass die typischen Symptome der Aufklärung vor rund 250 Jahren wiedergekehrt sind (34). Auch das ist zur Genüge bekannt. Aber es verlohnt sich, im „Athanasius" des Görres einmal nachzulesen, wie er den Klerus in der letzten Aufklärungsphase kurz vor der Französischen Revolution schildert, und wir fragen uns, ob - vom Stil abgesehen — das von Görres Angeprangerte heute nicht weithin anzutreffen ist.
»Es läßt sich nämlich weder leugnen, noch verbergen, daß viele Angehörige dieses Clerus schon in den vorletzten Zeiten, ehe denn die Umwälzungen der letzten eingetreten, sowohl massenweise in vielen seiner edelsten Institutionen, als persönlich in vielen seiner Glieder einer, im immer steigenden Verhältnisse zunehmenden Schlaffheit sich hingegeben; die zuletzt damals schon dahin geführt, daß, wie sie achtlos in den Domen aus- und eingegangen, die die Begeisterung der Väter ihrem Glauben gebaut, und in den Bildern, mit denen ihre kunstreiche Hand das Innere derselben geschmückt, nichts mehr als alten Trödel gesehen: so auch kaum mehr eine Ahnung von dem reichen Schatze gehabt, dessen Hüter und Ueberlieferer zu seyn, ihnen zum Berufe geworden. Neben der scheidenden Generation, die noch die Reste alter lebendiger Ueberlieferung im früheren Ernste und mit der alten Strenge, zu bewahren suchte, erhob sich eine neue, die, jene gering haltend, den ihr zugewendeten Ernst als finstere Möncherei, die Strenge als unnütze Selbstplage sich ausredete, und, beide als fortan nicht mehr zeitgemäß erklärend, mit der Zeit mancherlei Abkommen suchte. Der Protestantism stand als leuchtendes Vorbild vor Augen, dem man sich nur anzunähern hatte, um das veraltete in schneller Umbildung zu verjüngen. Man entschloß sich zum Werke, das jedoch anfangs in Züchten und Ehren, dem Wesentlichen unbeschadet, sich vollziehen sollte. Zuerst wurde zur Dogmatik vorgegangen. Die befasste so Manches, dessen Verständniß in der zunehmenden Flachheit der Zeiten allmählich sich verloren; es wurde jetzt für absolut unverständlich erklärt, und als Solches aus dem Gebiete des einzig Wissenswerthen verwiesen. Das Mysterium, das in seinem stillen Leuchten zu seiner Würdigung und Erkenntnis einen geistigen Seherblick erfordert, und in seiner Tiefe eine geistige Tiefe, gründlich genug es aufzunehmen, fand diesen Blick blöde, die Tiefe aber mit der Weisheit der Welt ausgefüllt: sein geistiges Licht erbleichte daher in dem Glänze des physischen; und da es also gänzlich den Fassungskräften der Zeit sich entzogen, wurde es auch kaum noch in seinen äußerlichen Zeichen geduldet und beibehalten. Die alte Lehre hatte ihre innere Fülle in eine Menge solcher Äußerlichkeiten ausgegossen, die gleichsam ihre Vorwerke gegen die Welt bildeten: nun aber, da mit dem inneren Leben im Kerne auch die Extremitäten erkalteten, wurden auch diese aufgegeben, und als überflüssig, wo es thunlich war, ausgeschieden. So, nachdem die hohe Burg in der Mitte geräumt, die Außenwerke sich verlassen fanden, war die Lehre auf die tägliche Nothdurft, und die Region des gewerbsamen Lebens beschränkt, und in dieser ihrer simplificirenden Beschränkung durch und durch verweltlicht. Mit der Zucht wurde auf den gleichen Wegen vorgeschritten. Auch hier war der Sinn für die Bedeutung der Aszese gänzlich verkommen, und die Ueberzeugung ihrer unausweichlichen Nothwendigkeit für den Geistlichen hatte gänzlich sich verloren. Die alte Disziplin musste daher als eine unverzeihliche Härte gegen die Natur erscheinen, die deßwegen auch, wie alles Uebertriebene, statt zum Ziele, vielmehr durch den Aufstand der Misshandelten von ihm hinweg führte. So fand man sich überall geneigt, zur Befreiung der Unterdrückten mitzuwirken; die scharf angezogenen Bande der Zucht wurden daher überall aufgelockert und theilweise gelöst; während gleichzeitig selbst im äußeren Dienst die alte faltenreiche Toga der bequemeren Chlamys zu weichen hatte. Das Alles verbreitete sich aus derPraxis des Einzelnen bald auch auf die der Institutionen aus; die Ordensregel und das Herkommen durch alle Gliederungen des Standes hindurch wurde überall gemildert, die laxe Observanz allerwärts an die Stelle der stricten eingeführt, und in den Seminarien bald auch der Nachwuchs in ihr erzogen" (35).
IN DER AUFKLÄRUNGSZEIT entstand eine Reihe von antikirchlichen Vereinigungen, von denen nur zwei genannt werden sollen, die Freimaurerei, 1717 in London gegründet, und der Illuminatenorden, gegründet am 1. Mai 1776 von dem Kirchenrechtsprofessor Adam Weishaupt in Ingolstadt (36). Damit berühren wir das Problem der geheimen Gesellschaften und ihren Einfluss auf Gesellschaft und Kirche. Immer wieder kann man lesen, dass die Französische Revolution auf das Konto der Freimaurerei zu setzen ist. Ein neues Werk jedoch stellt die Formel auf: „Die Freimaurerei macht nicht die Revolutionen; sie bereitet sie vor und sie setzt sie fort" (37). Wie dem auch sei, im Schoss dieser und ähnlicher Geheimgesellschaften wurden die Keime für das gelegt, was man später Synarchie nannte, d.h. einen einheitlichen Weitstaat mit einer einheitlichen Regierung, die als Gegenkirche geplant ist. Doch davon später Jedenfalls stellt die Französische Revolution ein wichtiges Glied dar im luziferischen Plan. Es ist nicht zuviel behauptet, wenn man sagt, dass manche Katholische Bereiche heute erst sich ihre Haupt-ideen zu eigen machen, die Freiheit in der Auflehnung gegen die Herrschaftsstrukturen in der Kirche, die Gleichheit in der Demokratisierung mit dem Rätesystem und die Brüderlichkeit in der horizontalen Mitmenschlichkeit, wo die Vertikale, Gott und überhaupt die Transzendenz, ausgeklammert ist. Wie sehr das 2. Vatikanische Konzil mit der Französischen Revolution in Verbindung gebracht wird, beweisen Äußerungen auf dem 11. Kongress der Kommunistischen Partei Italiens 1964, auf die wir noch zu sprechen kommen.
Damit aber stehen wir schon dicht vor den unmittelbaren Ursachen der innerkirchlichen Krisis in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Hier ist zu beachten, dass „die großen Revolutionen - und wir stehen in einer solchen - nicht spontan erfolgen, sie haben ihre Vorläufer, oft nur im Geheimen, ihre Propheten säen um sich den Samen der Revolte, schließlich die Führer und die Ausführenden. Eine unterirdische Phase geht ihnen voraus, eine andere, die der lnkubation folgt darauf (38), bis es dann zur Eruption kommt. Damit haben wir schon einen Einwand erledigt, der uns gemacht werden könnte, wenn wir nun auf gewisse Geheimgesellschaften und ihre Wortführer im 19. Jahrhundert zu sprechen kommen. Es ist richtig, dass viele dieser Namen nicht einmal in den Lexika zu finden sind (39), aber das ändert nichts an der Tatsache, dass der vergiftete Samen weiterwirkte und im Modernismus am Anfang des 20. Jahrhunderts zum ersten Mal an die Oberfläche drang, allerdings vom heiligen Papst Pius X. sofort mit tatkräftiger Hand niedergehalten wurde.
Pierre Virion vor allem gebührt das Verdienst, auf diese Geheimgesellschaften in seinen Schriften aufmerksam gemacht zu haben. Wenn man nur einen Bruchteil dessen liest, was Virion aus all den heute so ziemlich verschwundenen Schriften der geheimen Wortführer zusammengetragen hat, so ist man überrascht, erstaunt und entsetzt, dass hier gegen Ende des vorigen Jahrhunderts bereits alle Ideen auftauchen, die heute in der nachkonziliaren Zeit die Kirche auf eine Zerreißprobe stellen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass alle diese destruktiven Gedanken insgeheim auf ein einheitliches Ziel ausgerichtet sind, nämlich die Gegenkirche oder die „neue" Kirche zu schaffen, indem man die alte Kirche unterminiert und umfunktioniert und zwar weniger durch einen von außen kommenden Angriff, sondern, wie man heute im politischen Räume sagt, durch den „Marsch durch die Institutionen". Wir haben den französischen Ausdruck für alle diese Bestrebungen schon einmal genannt, nämlich Synarchie. Es handelt sich hier um die Summe von geheimen Mächten aller „Orden" und Schulen, die sich zusammengetan haben, um eine unsichtbare Weltregierung zu bilden. Politisch gesehen erstrebt die Synarchie die Integration aller sozialen und finanziellen Mächte, die diese Weltregierung unter sozialistischer Führung natürlich zu tragen und zu fördern hat. Der Katholizismus würde folglich wie alle Religionen von einem universellen Synkretismus absorbiert werden. Er würde beileibe Sicht unterdrückt, sondern integriert werden, wobei das Prinzip der Kollegialität dies bereits deutlich anvisiert. Man sieht gerade hier, welch unterirdische Konsequenzen die Prägung solcher neuer Worte hat. Im Letzten würde die Synarchie, voll verwirklicht, die Gegenkirche bedeuten (40). Wieder müssen wir dem Einwand begegnen, dass doch solche Beziehungen rein äußerlich auf einer Wortgleichheit beruhen und sachlich weit hergeholt sind. Aber hören wir, was Alphons Rosenberg dazu sagt: „ ... Alle diese (und andere) Gruppen üben, wenn auch zumeist auf unsichtbare Weise, Einfluss auf den Gang der kirchlichen Reform aus. Meist wird ihr Gedankengut, ohne dass es eigens genannt wird, auf dem Wege der Evolution und in vorsichtiger Siebung von den Theologen und Hirten (!) in den geistigen Blutkreislauf der Kirche aufgenommen ..." (41). Diese Worte müssten als einer der stärksten und eindeutigsten Nachweise für die von der Feindseite her gezielten Infiltrationsmethoden gewertet und die notwendigen Konsequenzen daraus gezogen werden. Werden sie gezogen?
Der Plan der Synarchie wurde in den Jahren 1880-1890 ausgearbeitet. Ohne auf die verschiedenen Gruppierungen, wie z. B. auf den kabbalistischen Orden der Rosenkreuzer, der Martinisten und der Symbolisten (42) näher hin einzugehen, sei nur erwähnt, dass der Jesuit Riquet und d'Alec Mellor (43), die für eine Annäherung der Kirche an die Freimaurer eintreten, enge Beziehungen mit diesen Gruppen unterhalten (44). Vom Gründer der ersten Gruppe, dem Expriester Stanislas de Guaita (1861-1897) stammt übrigens eine Satanshymne (45).
Eine besondere Erwähnung verdient indessen der Exkanonikus Roca (1830-1893), dessen Name weder im Lexikon für Theologie und Kirche, noch im Freimaurerlexikon zu finden ist. Er war zu Perpignan in Frankreich geboren, wo er die Schule der Karmeliter besuchte, 1858 zum Priester geweiht und 1869 zum Ehrenkanonikus ernannt wurde. Er machte Reisen nach Spanien, in die Vereinigten Staaten von Amerika, in die Schweiz und nach Italien. Sehr bewandert in den okkulten Wissenschaften entfaltete er eine ausgedehnte Propaganda vor allem unter der Jugend. Dadurch geriet er in Konflikt mit Rom. Trotz seiner Exkommunikation fuhr er in seiner Tätigkeit fort, predigte die Revolution, verkündete das Kommen der „göttlichen Synarchie" unter einem zum wissenschaftlichen Christentum bekehrten Papst. Er spricht von einer neuen erleuchteten Kirche, die vom Sozialismus Jesu und der Apostel beeinflusst ist. Roca ist nach dem Urteil von Virion „ein Apostat der stärksten Art", und man möchte das, was er fordert und voraussagt fast für prophetisch halten (46).
Um seine Sprache einigermaßen zu verstehen, muss man wissen, dass er die gebräuchlichsten katholischen Begriffe beibehält, ihnen aber einen anderen Sinn unterlegt (übrigens wie heute). Unumwunden erklärt er: „Mein Christus ist nicht der des Vatikans." Oder wenn er von Gott spricht, so meint er damit den Menschen, der eben an die Stelle Gottes tritt. Das Wort Reform bedeutet für ihn Revolution: »Keine Reform, sondern ... ich wage es nicht recht *tt sagen, weil das Wort so anrüchig ist ..., eine Revolution." „Die neue Sozialordnung wird (deshalb) außerhalb Roms, trotz und gegen Rom Grund gelegt werden." Aber nun folgt eine Feststellung, die uns, wie jemand gesagt hat, bis ins Innerste erschüttern und erstarren lässt: „Die neue Kirche, die vielleicht nichts mehr von der scholastischen Lehre und von der Urform der früheren Kirche bewahren wird können, wird nichtsdestoweniger von Rom die Weihe und die kanonische Jurisdiktion empfangen." Noch vor wenigen Jahren konnten wir uns dies nicht vorstellen, aber heute... ?
Wir zitieren im Folgenden verschiedene Sätze aus den Werken Rocas, die unsere gegenwärtige Krisis beleuchten. Bezüglich der zukünftigen Liturgie glaubt er, „dass der göttliche Kult, so wie ihn die Liturgie, das Zeremoniell, das Ritual und die Vorschriften der römischen Kirche regeln, demnächst auf einem ökumenischen Konzil (!) eine Umwandlung erfahren wird, die ihm die verehrungswürdige Einfachheit des goldenen apostolischen Zeitalters zurückgeben wird in Übereinstimmung mit dem Gewissen und der modernen Zivilisation" (47). Und Roca fährt fort: „Eine Opferung bahnt sich an, die eine feierliche Sühne darstellt... Das Papsttum wird fallen; es wird sterben unter dem geheiligten Messer, das die Väter des letzten Konzils schmieden werden. Der päpstliche Cäsar ist eine für das Opfer gekrönte Hostie" (48).
Es fällt uns auf, dass damals schon von einem Konzil die Rede ist. Der Rosenkreuzer Dr. Rudolf Steiner, der Begründer der anthroposophischen Gesellschaft, erklärte im Jahr 1910: „Wir brauchen ein Konzil und einen Papst, der es ausruft." Ob die Begeisterung, mit der die Welt das Konzil begrüßte, nicht auch von daher ihre Nahrung erhielt? - Der beherrschende Begriff ist das Wort „neu". Roca verkündet eine „neue Religion", ein „neues Dogma", ein „neues Ritual", „ein neues Priestertum". Die neuen Priester bezeichnet er als „Progressisten", er spricht von der „Unterdrückung" (suppression) der Soutane und von der Heirat der Priester (49) und versteigt sich zum Geständnis: „Der religiöse, politische und soziale Erlöser wird durch unpersönliche Institutionen („institutions impersonelles") über die Menschheit herrschen." Im Anschluss an dieses Wort hat man mit Recht darauf hingewiesen, wie sich das heute allenthalben zeigt in der Kollegialität, in der Unsumme von „Konferenzen, Kommissionen, Komitees und Sitzungen" (50). Fast ist man versucht zu sagen, die Person ist zurückgedrängt, es herrscht das Anonyme. Hier tritt der luziferische Plan deutlich zu tage. Nichts mehr von der Person, die ihre höchste Weihe durch die Trinität und den Gottmenschen erhält, und die nun ausgelöscht ist durch das Kollektiv, ganz gleich in welcher Form.
Hier ist eine Zwischenbemerkung notwendig. Es wäre verfehlt zu meinen, es handle sich hier nur um die Gedanken eines Einzelgängers, wie Roca; nein, das alles wird von einer ganzen Reihe von geistesverwandten Personen ausgesprochen in einer Unmenge von Schriften, die wenigstens damals der ganzen Weltöffentlichkeit zugänglich waren. Und deshalb die Frage: Warum hat die Kirche von diesen Dingen keine Kenntnis genommen? Sicherlich hat es Pius X. getan. Aber das war auch alles. In dem Buch des Abbe Melinge (mehr bekannt unter seinem Pseudonym Dr. Alta) „L'evangile de l’Esprit-Saint, Jean traduit et commente" (1907) ist das ganze Programm entwickelt, nach dem heute „gearbeitet" wird:
„1. Der Appell an den Esoterismus;
2. die Revolte gegen die Strukturen der Kirche;
3. die Ersetzung (Substitution) des römischen Papsttums durch ein „pluri-konfessionelles" Pontifikat, das fähig ist, sich einem allseitigen (polyvalent) Ökumenismus anzugleichen, den wir heute in der Interzelebration von Priestern und protestantischen Pastoren etabliert sehen.
4. die Verherrlichung Christi durch eine neue Menschheit;
5. die Umkehr (inversion) aller von Christus gelehrten Wahrheiten" (51).
Deutlicher kann man wohl nicht mehr sprechen. Dabei blieb Dr. Alta als Priester in der Kirche und es wurde von ihm gesagt: „Anstatt aus der Kirche zu fliehen wie Luther, blieb er, um im Schoss der Kirche (temple) zu reformieren (52). Alles schon da gewesen.
Doch zurück zu Roca. Aus all den Zitaten, die sich zu Büchern erweitern ließen, ersieht man jetzt schon unschwer die Taktik: Die Kirche ihres übernatürlichen Charakters zu entkleiden, sie mit der Welt zu amalgamieren, das konfessionelle Nebeneinander zu einem ökumenischen Ineinander zu machen und so die Welt-Einheits-Religion im einheitlichen Weltstaat vorzubereiten. Das Prädikat der Kirche „alleinseligmachend" ist aus dem Sprachschatz des Dialogs verschwunden, so wie ein gnostischer Vortragender es ausdrückte: „Wir bieten der Kirche noch einmal eine Chance, sie reihe sich ein unter die anderen Religionen." Dazu gehört natürlich die „Depretrise" (53) der Kirche, die Entpriesterlichung zu Gunsten einer Laienkirche, und als Übergangsform - wiederum nach Roca - das Nebeneinander von zölibatären und verheirateten Priestern. Nun die Entpriesterlichung der Kirche hat in erschreckendem Ausmaß bereits begonnen. Es erübrigt sich, all die Priester aufzuzählen, die in den Bahnen Rocas (und Loisy's) wandelten. Virion stellt die Frage: „Wie viele Priester mögen es gewesen sein, die ostentativ in der Kirche verblieben, aber nur deshalb, weil sie dort im Geheimen den Virus des Umsturzes säen konnten"? Roca, der zur Übertreibung neigt, antwortet „tausend". Aber Saint-Yves sagte maßvoller: „Ich kenne viele, und sogar heilige Priester, die (aus Ignoranz) auf dem Weg zum synkretistischen Christentum wandelten" (54).
Eine andere moderne Idee, die damals allenthalben in diesen okkultistischen Kreisen vertreten wurde, war eine Art Mystik der Demokratie. Damals schon wurde ein Sozial-Christus gepredigt, und Roca schreibt: „Ich glaube, dass diese soziale Erlösung des Volkes in der neuen Gesellschaft . durch die Thronbesteigung der Demokratie erfüllt , wurde." Und noch schärfer am 26. Juli 1891: „Das u, reine Christentum ist der Sozialismus (Le christianisme pur, c'est le socialisme)". Deswegen erwarteter vom „Bekehrten des Vatikans" die kanonische Urbi- et Orbi-Erklärung, dass die gegenwärtige Zivilisation die legitime Tochter des heiligen Evangeliums der sozialen Erlösung ist" (55).
Das Ganze rundet sich ab durch das bedeutsame Werk des Freimaurers Yves Marsaudon „L'oecuménisme vu par un Franc-Maçon de Tradition" (56), das er mit einer überschwenglichen Widmung an Papst Johannes XXIII. versehen hat und das dem schon erwähnten Brückenschlag zwischen Kirche und Freimaurerei dienen soll. Bemerkenswert ist hier vor allem die Schwenkung in der Strategie, die man ungefähr in das Jahr 1908 setzen kann (57): „Nicht mehr die Vernichtung der Kirche ist das Ziel, sondern man sucht sie zu benützen, indem man in sie eindringt." Mit Papst Johannes XXIII. glaubt man den Anfang gemacht zu haben: „Von ganzem Herzen wünschen wir den glücklichen Ausgang der Revolution Johannes' XXIII." (.~>8). „Eines Tages muss die dogmatische Kirche verschwinden oder sich angleichen und, um sich anzugleichen, zu den Quellen zurückkehren" (59). Dies zeigt sich heute schon bei den Priestern: „Der Priester ist heute nicht mehr dieses besondere Wesen... im Gegenteil, er strebt (progressivement) danach, sich mit der modernen Gesellschaft zu vermischen" (60). In diesem Amalgamierungsprozeß spielt die Freimaurerei die größte Rolle: „Wir Freimaurer der Tradition gestatten uns das Wort eines berühmten Staatsmannes zu verdeutlichen und zu akzentuieren (transposer), indem wir es den Umständen angleichen: Katholiken, Orthodoxe, Protestanten, Muselmanen, Hinduisten, Buddhisten, Freidenker und gläubige Denker sind bei uns nur Vornamen. Unser Familienname ist Freimaurerei" (61).
An diesem Punkt zeigt sich deutlich, wie nahe hier Echtes und Falsches beieinander liegen. Was gibt es für uns Erstrebungswerteres als den Ökumenismus in der Befolgung des Wortes Christi „auf dass sie alle eins seien (Jo 17, 21). Aber nur hauchdünn ist die Grenze zum synkretistischen Okumenismus hin, der die Wahrheit relativiert und im Letzten auf die Super-„Kirche" hinsteuert, das große Ziel der Geheimgesellschaften.
Wir sind indessen weit vorausgeeilt. Noch ein Phänomen unserer Tage müssen wir unter die Lupe nehmen, die sexuelle Ausschweifung und Zerrüttung. In einer Geheiminstruktion schon aus dem Jahr 1819, die wahrhaft luziferischen Geist atmet, steht die Anweisung: „Schmeichelt allen Leidenschaften, den schlechtesten ebenso wie den hochherzigsten ..." (62). In einem Brief vom 9. August 1839 lesen wir die Worte: „Wir dürfen das Laster nicht individualisieren; damit es ansteigt zu den Proportionen des Patriotismus und des Hasses gegen die Kirche, müssen wir es verallgemeinern. Der Katholizismus hat nicht mehr Furcht vor einem spitzen Dolch als die Monarchie, aber diese beiden Grundfesten der sozialen Ordnung können unter der Korruption zusammenbrechen; wir jedenfalls lassen uns niemals verderben (corrompre). Machen wir also keine Märtyrer, aber popularisieren wir das Laster in den Massen. Was nur immer sie mit den fünf Sinnen erstreben, das soll seine Befriedigung finden... Schafft Herzen voll Laster und ihr werdet keine Katholiken mehr haben. Das ist die Korruption, im Großen, die wir unternommen haben, die Korruption des Volkes durch den Klerus, die des Klerus durch uns, die Korruption, die uns dazu führt, der Kirche das Grab zu schaufeln" (63).
In diesem Zeitraum wurde ein Gedanke ausgesprochen, der heute erst seine volle Verwirklichung erlebt. Um all diese Ziele zu erreichen, von denen die Rede war, muss eine „neue Generation geschaffen werden, würdig des Reiches, das wir erträumen. Lasst das Greisenalter und das reifere Alter beiseite; geht zur Jugend und wenn es möglich ist zu den Kindern. Hat sich einmal euer Ruf (reputation) festgesetzt in den Kollegien, Gymnasien, in den Universitäten und Seminarien, habt ihr einmal das Vertrauen der Professoren und Studierenden gewonnen, dann sorgt dafür, dass diejenigen, die sich in erster Linie im klerikalen Dienst engagieren, gerne zu euren Zusammenkünften kommen. Dieser gute Ruf wird euch den Zugang verschaffen zu den Lehrmeinungen im Schoss des jungen Klerus genau so wie im Innern der Klöster. In einigen Jahren wird dieser junge Klerus dank der Kraft der Dinge alle Funktionen übernehmen ... So verkündet ihr eine Revolution an der Tiara und beim Chorrock... eine Revolution, die nur ein ganz klein wenig angestachelt werden muss, um das Feuer an vier Winkeln der Welt anzuzünden" (64).
RÜCKSCHAUEND auf dieses 19. Jahrhundert muss man feststellen, dass die Kirche als Ganzes von diesen Vorgängen wenig Notiz genommen hat. Die Welt war zu sehr mit den Errungenschaften der Naturwissenschaften und der Technik beschäftigt. Man träumt selbst heute nach zwei Weltkriegen noch von ewiger Evolution und einem irdischen Paradies. Und die Kirche? Sie war das Haus, das wohl gegründet war mit starker Türme Wehr. Der Felsen Petri war im 1. Vatikanischen Konzil so zementiert und abgeschirmt nach allen Seiten, dass kein Sturm ihn erschüttern konnte - so meinte man. Nur einer sah tiefer, es war der heilige Papst Pius X., mit dem wir uns jetzt eingehender beschäftigen müssen in seinem Kampf gegen den Modernismus und zwar schon deswegen, weil Papst Paul VI. in seiner Antrittsenzyklika „Ecclesiam suam" (65) sagt, dass wir es heute mit „einem Wiederaufleben der modernistischen Irrtümer" zu tun haben (66). Was uns die Beurteilung des Modernismus erschwert, ist dies, dass Berechtigtes und Unberechtigtes, gesunde Reformbestrebungen und revolutionär Zerstörerisches so dicht nebeneinander liegen, genau wie heute. Sehr instruktiv ist in diesem Zusammenhang ein Artikel von Georg Freiherr von Hertling im „Hochland" (67) überschrieben „Römische Reformgedanken", wo er in der Einleitung darlegt: „Unter den nachgelassenen Papieren des Bischofs Ketteler von Mainz befand sich, wie sein Biograph, P. Pfülf SJ, berichtet, ein hastig skizzierter Entwurf zu einem Reformplan. Ketteler wollte ihn den deutschen Bischöfen unterbreiten und sodann mit ihrer Hilfe in Rom die Durchführung anregen. «Die Reform sollte sich auf die ganze Hierarchie erstrecken, angefangen von der Papstwahl und den römischen Gebräuchen bis herab zu den Landdechanten und Pfarrern» (68). Im weiteren Verlauf des Artikels zeigt der Verfasser auf, wie die berechtigte Kritik und Reform beschaffen sein muss und was sie zu berücksichtigen hat: „Nörgelnde Kritik, Erschütterung des Vertrauens in den guten Willen der leitenden Persönlichkeiten, abschätzige Beurteilung bestehender Einrichtungen, übereifriges Hervorkehren wirklicher oder vermeintlicher Schäden sind darum auf dem kirchlichen Gebiete in ihren Folgen weit gefährlicher als auf dem staatlichen. Nicht freilich für den Einsichtigen. Er weiß zu scheiden zwischen Ideal und Wirklichkeit, zwischen dem, was von Rechts wegen sein sollte, und dem, was die Schwäche der Menschen immer wieder daraus macht. Er verzweifelt nicht an der Wahrheit der christlichen Heilslehre, weil er erfahren muss, dass sie gelegentlich durch abergläubische Übungen verzerrt, von unwürdigen Priestern entehrt, in schnödem Erwerbsinne missbraucht wird. Er weiß, mit wie starken Banden uns alle das von den Vorfahren Überlieferte festhält, weiß, wie schwer es ist, geschichtlich Gewordenes zu beseitigen, nachdem ihm Herkommen und Gewohnheit ein Recht der Existenz verliehen zu haben scheinen, welches grundsätzliche Beurteilung ihm absprechen muss. Aber nicht alle haben diese Einsicht. Weiten Kreisen fehlt sie ganz und gar. Dazu kommt dann noch, dass sich das Leben der modernen Welt vielfach in Bahnen bewegt, welche dem übernatürlichen Christenglauben fremd, wenn nicht direkt feindlich sind. Darum pflegen die Halben, die Schwankenden, die Kleingläubigen von einer scharfen Anklage gegen kirchliche Persönlichkeiten oder einer rücksichtslosen Kritik innerhalb der Kirche da oder dort bestehender und geduldeter Einrichtungen widerstandslos betroffen zu werden. Die letzte lose Verbindung reißt, die sie noch innerlich mit der Kirche verknüpfte. Über die ganze katholische Frömmigkeit meinen sie den Stab brechen zu sollen, wenn sie erleben, dass irgendeine abgeschmackte Erfindung frommer Toren dem Fluche der Lächerlichkeit preisgegeben wird. Warum ich das alles sage? Weil ich den Gedanken feststellen möchte, dass als Kritiker oder Reformator seiner Kirche vor der Öffentlichkeit nur auftreten soll, wer den Willen und die Macht hat, das von ihm als besserungsbedürftig Erkannte auch wirklich zu bessern, oder zum mindesten in der Lage ist, seinen Ausstellungen und seinen Vorschlägen an maßgebender Stelle Gehör zu verschaffen. Andernfalls wird er bei der besten Gesinnung nur den Schwachen Ärgernis geben und den Feinden eine Freude bereiten" (69).
Aber leider hat man diese mahnenden Worte wenig oder nicht beachtet. In dem indizierten Roman „IISanto" von Antonio Fogazzaro (1842-1911) finden wir folgende Stellen, die zurückblenden auf das, was wir über die geheimen Gesellschaften gesagt haben: „Wir sind", sagt Don Paolo, „eine Anzahl Katholiken in Italien und außerhalb Italiens, Geistliche und Laien, die eine Reform der Kirche erstreben. Wir wollen diese Reform ohne Empörungen, durch die gesetzmäßige Autorität herbeigeführt sehen. Wir wünschen Reformen des Religionsunterrichtes, Reformen des Kultus, Reform der Disziplin des Klerus, ja auch Reformen des höchsten Regiments. Daher müssen wir eine öffentliche Meinung schaffen, die die gesetzmäßige Behörde veranlasst, dementsprechend zu handeln, wenn auch erst in zwanzig, dreißig oder fünfzig Jahren (!). Nun sind wir, die wir so denken, in Wirklichkeit einzelne von einander getrennt lebende Menschen. Wir wissen einer vom anderen nichts, die wenigen ausgenommen, die Aufsätze oder Bücher veröffentlichen. Sehr wahrscheinlich gibt es in der katholischen Welt eine sehr große Anzahl religiöser und fein gebildeter Menschen, die denken wie wir. Ich habe nun geglaubt, dass es für die Propaganda unserer Ideen sehr nutzbringend sein würde, uns wenigstens zu kennen. Heute Abend versammeln wir uns hier, nur wenige, zu einer ersten Verständigung ..." (70). „Er fügte hinzu, indem er die Stimme hob und langsamer sprach, die Augen auf den Abbe Marinier geheftet, dass er es vorläufig für angebracht halte, sowohl über die Versammlung wie über die Beschlüsse, die gefasst würden, nichts verlauten zu lassen, und er bäte alle, sich als durch Ehrenwort zum Schweigen verpflichtet zu betrachten. Dann entwickelte er noch einmal seinen Gedanken und den Zweck dieser Versammlung etwas ausführlicher, als beim Abendessen geschehen war" (71).
„Darin sind wir wahrscheinlich einig, dass die katholische Kirche einem alten Tempel vergleichbar ist, der, ursprünglich von edler Einfachheit, von großer religiöser Geistigkeit, durch das siebzehnte, achtzehnte und neunzehnte Jahrhundert mit allerlei Schnörkel und Stuckwerk verunziert und überladen wurde. Vielleicht werden die Übelwollenden unter ihnen bemerken, dass nur eine tote Sprache darin laut gesprochen wird, dass lebende Sprachen kaum leise gesprochen werden, und die Sonne durch die Fenster gefärbt hinein scheint. Aber ich kann nicht glauben, dass wir alle einig sind über die Qualität und Quantität der Abhilfsmittel. Und ich würde es daher für richtiger halten, dass man, bevor man zu der Gründung dieser katholischen Freimaurerei schreitet, sich über die Art der Reformen verständigte. Ja, ich will noch weiter gehen. Ich glaube, selbst wenn unter ihnen eine völlige Übereinstimmung der Ideen herrschte, würde ich ihnen nicht raten, sich durch ein fühlbares Band zu binden. Mein Bedenken ist sehr delikater Natur. Sie glauben zuversichtlich, dass sie gut unter Wasser schwimmen können wie vorsichtige Fische, und sie denken nicht daran, dass das scharfe Auge des erhabenen Fischers oder eines seiner Stellvertreter sie sehr wohl entdecken und ein gut gezielter Schlag der Harpune sie fangen kann. Nun, ich würde niemals den feinsten, schmackhaftesten, gesuchtesten Fischen raten, sich einander zu binden. Sie verstehen, was geschehen muss, wenn einer gefangen und an die Oberfläche gezogen wird. Und sie wissen recht gut, der große Fischer in Galiläa tat die Fischlein in seinen Fischteich, aber der große Fischer in Rom backt sie" (72).
Man erstrebte also einen geheimen Zusammenschluss aller Gleichgesinnten, eine katholische Freimaurerei, wobei das Wort fiel, das fast prophetisch klingt: „Die Reformen werden sich schon eines Tages verwirklichen, die Gedanken sind stärker als die Menschen und machen ihren Weg" (73). Sie haben ihren Weg gemacht genau in fünfzig Jahren. Aber auch das andere ist eingetreten: Der große Fischer in Rom hat die Fische an die Oberfläche gezogen. Es war Pius X., der in seiner Enzyklika „Pascendi" vom 8. September 1907 (74) die Verurteilung des Modernismus aussprach. Es ist tief zu bedauern, dass dieses Rundschreiben nicht neu aufgelegt wurde, so dass jeder Leser sich sofort überzeugen kann, wie all das, was heute als neu und fortschrittlich bezeichnet wird, damals schon ausgesprochen wurde, also weder neu noch fortschrittlich ist.
Beginnen wir nunmehr mit einer kurzen Skizzierung des Rundschreibens. Der Papst bedauert, dass die modernistischen Irrtümer „im Schöße der Kirche, sogar innerhalb des Klerus aufgetreten sind. Diese Feinde der Kirche werfen sich zu „Reformatoren der Kirche" auf und drücken die göttliche Person des Erlösers in einer blasphemischen Frechheit zu einem bloßen armseligen Menschen herab". Die Modernisten sind deswegen „schlimmer als alle anderen Feinde der Kirche", weil sie „an die Wurzel ihre Hand anlegen, an den Glauben und an die tiefsten Fasern des Glaubens. Sie sind äußerst gewandt und schlau". „Abwechselnd spielen sie die Rolle des Rationalisten und des Katholiken mit solcher Fertigkeit, dass sie jeden Harmlosen mit Leichtigkeit zu ihren Irrtümern herüberziehen." Sie erkennen keine Autorität mehr an und wollen „sich keine Beschränkung mehr gefallen lassen. Der katholische Glaube selbst ist gefährdet. Länger schweigen wäre Sünde. Wir müssen reden, wir müssen ihnen vor der ganzen Kirche die Maske herunterreißen."
Nach dieser temperamentvollen Einleitung greift der Papst die Irrtümer im einzelnen auf. Da man nach den Modernisten Gott nicht aus den sichtbaren Dingen erkennen kann, so kommen die sog. motiva credibilitatis in Wegfall – auch heute ist von ihnen kaum mehr die Rede. Was die Geschichte betrifft, so müsste man sie so erklären, „als habe Gott tatsächlich nicht eingegriffen". Auch aus der Geschichte Christi ist deshalb „alles zu streichen, was nach Göttlichem aussieht". „Es gibt Katholiken, es gibt sogar manche Priester, die sich öffentlich hierzu bekennen, und mit solchem Wahnsinn wollen sie die Kirche erneuern. Gründlicher «ton man gewiss nicht mit aller übernatürlichen .Ordnung aufräumen." Was nun die Dogmen überhaupt betrifft, so „sind sie nur unzulängliche Zeichen für seinen Inhalt, Symbole", die in keiner Weise „die Wahrheit absolut enthalten". Sie unterliegen dem „Wechsel" und sind „notwendig veränderlich, kurzlebig". „Um lebendig zu sein, müssen sie dem Glauben und den Gläubigen gleichmäßig angepasst sein und bleiben" (accomodatae).
Der Papst schließt diesen Abschnitt mit den scharfen Worten: „Diese blinden Blindenführer haben im Taumel ihres hochmütigen Wissensdünkels sogar die ewig wahren Begriffe von Wahrheit und Religion verkehrt; sie haben ein neues System begründet, und in wilder, zügelloser Jagd nach Neuem vergessen sie, die Wahrheit da zu suchen, wo ihre sichere Stätte ist; die heiligen, apostolischen Überlieferungen werden verachtet und dafür andere Lehren zu Hilfe gerufen, die eitel und nichtig und ungewiss sind und die Billigung der Kirche nicht haben; und damit glauben sie in ihrer Verblendung die Wahrheit selbst stützen und halten zu können."
Es würde uns überraschen, wenn man nicht damals schon die Behauptung ausgesprochen hätte, „alle Religionen seien wahr". Das gleiche gilt von der Frage, „ob Christus wirkliche Wunder gewirkt, wirklich Zukünftiges vorausgeschaut, ob er wirklich auferstanden und in den Himmel aufgefahren sei". Genau so wie heute wurde damals schon Gott in den Menschen hineinverlegt: „Gott ist im Menschen immanent." Wie vorhin die Dogmen, so sind auch die Sakramente „bloß Symbole oder Zeichen". An dieser Stelle fügt der Papst eine Bemerkung ein, die heute geschrieben sein könnte: „Als Beispiel, um die Art ihres Wirkens zu zeigen, wird auf gewisse Schlagwörter hingewiesen, die, wie man zu sagen pflegt «ziehen», weil sie für die Propaganda gewaltiger und aufregender Ideen große Zugkraft besitzen."
Die Parallelität zu unserer Zeit zeigt sich vor allem in den modernistischen Auslassungen über die Kirche: „In früheren Zeiten herrschte der Irrtum, die Autorität sei von außen, nämlich direkt durch Gott, in die Kirche eingeführt worden. Deshalb konnte man sie auch für autokratisch halten. Diese Ansicht ist nunmehr überwunden. Die Autorität wie die Kirche entspringt also aus dem religiösen Bewusstsein und muss sich deshalb demselben unterordnen. Entzieht sie sich ihm, so wird sie zur Tyrannei. Wir leben aber jetzt in einer Zeit, in der das Freiheitsgefühl (sensus libertatis) seinen Höhepunkt erreicht hat. Im staatlichen Leben hat sich die Demokratie (populäre regimen) durchgesetzt ... Deshalb muss auch die kirchliche Autorität demokratische Formen annehmen (auctoritati Ecclesiae officium inest democraticis utendi formis) und dies um so mehr, weil sonst ihr Untergang besiegelt ist. Denn es wäre ein Wahnsinn, bei der heutigen Entwicklung des freiheitlichen Gedankens an reaktionäre Maßregeln zu denken. Ein gewaltsames Zurückdrängen und Einengen würde zu einer Explosion führen, die Kirche und Religion hinwegfegen." Hier liegen bereits Elemente für die heutige Theologie der Revolution. Es würde überraschen, wenn man nicht schon damals gegen den angeblichen Triumphalismus der Kirche Front gemacht hätte. So wird die Forderung erhoben, die Kirche „solle allen äußeren Prunk, der als gar zu großartig in die Augen fällt, darangeben, weil sich ja die Aufgabe der Kirchengewalt nur auf das Geistliche beziehe". Zusammenfassend sagt der Papst: „Hier gilt der allgemeine Grundsatz: In einer Religion, die lebt, ist alles verständlich, darum muss es sich ändern. So kommen sie also auf die Entwicklung (evolutio), sozusagen die Quintessenz ihrer ganzen Lehre. Dogma, Kirche, religiöser Kult, die Bücher, die wir als heilige verehren, ja auch der Glaube selbst, müssen, wenn wir sie nicht alle für abgestorben erklären wollen, unter den Gesetzen der Entwicklung stehen." Diese Entwicklung entspringt „aus dem Widerstreit zweier Kräfte, einer zum Fortschritt drängenden und einer konservativ zurückhaltenden. Das konservative Element ist in der Kirche sehr stark; es liegt in der Tradition. Ihre Vertreterin ist die religiöse Autorität, und das sowohl von Rechts wegen, denn der Autorität kommt es zu, die Überlieferung zu schützen, als auch tatsächlich; denn die Autorität steht abseits von dem wechselnden Leben und wird von allem, was zum Fortschritt treibt, kaum oder gar nicht berührt. Im Gegensatz dazu webt und wirkt die zum Fortschritt drängende, den tiefsten Bedürfnissen sich anpassende Kraft im Bewusstsein der Laien, besonders jener, die, wie man sagt, mitten im Strudel des Lebens stehen." Wiederum wie zugeschnitten auf unsere Zeit ist folgende Feststellung des Papstes: Die Modernisten sind der Ansicht, „ihr Platz sei und bleibe innerhalb der Kirche, um allmählich das allgemeine Bewusstsein umzustimmen", also die heutige subversive Umfunktionierung.
Im Abschnitt über die Heilige Schrift lesen wir wörtlich: „Daher ist den Modernisten die Unterscheidung zwischen dem Christus der Geschichte und dem Christus des Glaubens ganz geläufig."
Noch ein Wort über die Reformanliegen der Modernisten, die der Papst in einer Art von Katalog wiedergibt. Er erklärt: „Schon das bisher Gesagte ist reichlich genug, um die schrankenlose, brennende Neuerungssucht dieser Leute zu zeigen. Dieselbe geht auf gar alles, was die Katholiken besitzen. - Die Philosophie soll erneuert werden, besonders in den Klerikalseminarien; die scholastische Philosophie soll in die Geschichte der Philosophie zu den übrigen überwundenen Systemen verwiesen und dafür den jungen Leuten die einzig richtige und unserer Zeit entsprechende moderne Philosophie vorgetragen werden (heute Existenzialismus). Die Dogmen und ihre Entwicklung müssen mit der Wissenschaft und der Geschichte versöhnt werden. - Was die Katechese betrifft, so sollen katechetische Schriften nur diejenigen Dogmen behandeln, die modernisiert sind und der Fassungskraft des Volkes entsprechen ... Das kirchliche Amt (regimen) soll in jeder Beziehung, besonders nach der disziplinaren und dogmatischen Seite reformiert werden. Es hat sich innerlich und äußerlich ihrem modernen Bewusstsein, das ganz und gar zur Demokratie neigt, anzupassen; deshalb muss der niedere Klerus und ebenso die Laienwelt ihren Anteil am regimen erhalten, und die über alles Maß zentralisierte Autorität muss dezentralisiert werden. Die römischen Kongregationen für die verschiedenen kirchlichen Geschäfte, besonders die des heiligen Offizium und des Index, müssen gleichfalls geändert werden. In der Moral eignet man sich den Grundsatz des Amerikanismus an, dass die aktiven Tugenden den passiven vorgehen, und dass ihre Übung vor den anderen gefördert werden müsse. – Vom Klerus verlangt man Demut und Armut, wie sie in der Vorzeit herrschten; dabei soll er in Tat und Gesinnung den modernistischen Ideen anhängen. Es gibt sogar solche, die als gelehrige Schüler der Protestanten auch den Zölibat des Priesters aufgehoben wünschten. - Es bleibt rein nichts in der Kirche, das nicht, und zwar nach ihrem Rezepte, reformiert werden müsste." Der Papst untersucht dann, wie es zum Modernismus kam und sagt dazu folgendes: „Drei Dinge sind es vor allem, die die Modernisten ihrem Beginnen entgegen wissen: die scholastische Methode in der Philosophie, die Autorität und die Tradition der Väter und das kirchliche Lehramt. Diesen gilt der heißeste Kampf. Die scholastische Philosophie und Theologie wird darum durchweg verhöhnt und verachtet. Mag das nun aus Unwissenheit oder aus Furcht oder wohl richtiger aus beiden Gründen geschehen, das eine steht fest: Neuerungssucht ist immer mit Hass gegen die Scholastik verbunden; und es gibt kein sichereres Zeichen für eine beginnende Hinneigung zu den modernistischen Lehren, als wenn man anfängt, Widerwillen gegen die scholastische Methode zu empfinden."
Und hier ist wieder ein Punkt, der uns sehr bekannt vorkommt, wenn wir an die Massenmedien denken: „Ihre eigenen Parteigänger überschütten die Modernisten mit maßlosen, nicht enden wollenden Lobsprüchen und deren Bücher, die von Anfang bis zum Ende von Neuerungen strotzen, begrüßen sie mit lautem Beifall; je kühner jemand das Alte umstößt, die Überlieferung und die kirchliche Lehre von sich weist, für um so gelehrter gilt er; und wenn schließlich die kirchliche Verurteilung einen getroffen hat, so wird er nicht nur, zum Entsetzen aller guten Katholiken, von der ganzen Schar laut und öffentlich belobt, sondern fast als ein Märtyrer der Wahrheit verehrt. - Von all dem Lärm, diesen Lob- und Schmähreden lassen dann die jungen Leute sich verwirren und berücken; sie wollen nicht als Ignoranten gelten und sind gierig nach dem Lob der Gelehrsamkeit, und so geben sie sich, unter dem Drange ihres eigenen Vorwitzes und Stolzes, nur zu oft gefangen und schließen sich dem Modernismus an.
Doch das gehört bereits zu den Kunstgriffen, womit die Modernisten ihre Ware an den Mann bringen. Nichts lassen sie unversucht, um die Zahl ihrer Anhänger zu vermehren. An den Klerikalseminarien und Universitäten lauern sie auf Professuren, um sie zusehends in Lehrstühle des Verderbens zu verkehren. Bei Predigten in der Kirche tragen sie ihre Lehren, wenn auch vielleicht bloß versteckt, vor; freier sprechen sie in Versammlungen. Kurz, in der Agitation, in Wort und Schrift, überall entfalten sie eine wahrhaft fieberhafte Tätigkeit."
Wenn man auf diese Weise die ganze Enzyklika durchstudiert, ist man betroffen von der - fast möchte man sagen - prophetischen Hellsichtigkeit dieses heiligen Papstes, mit der er im Blick auf seine Zeit bereits unsere vorausgesehen hat. Ja, es scheint beinahe, als ob mit jener Enzyklika viel stärker der heutige Modernismus getroffen werden sollte, als jener zu Beginn des Jahrhunderts, der lange nicht so tief und so umfassend in das gläubige Volk eingedrungen war, und was Pius X. als abschließendes Urteil über den Modernismus sagte, erfüllt sich eigentlich erst heute: „Der Protestantismus war der erste Schritt; dann folgt der Modernismus; das Ende ist der Atheismus." Wir erleben es heute in der „Gott-ist-tot-Theologie". Ja, Paul VI. hat recht, wenn er heute ein Wiederaufleben der modernistischen Irrtümer wahrnimmt. Papst Johannes XXIII. hatte klar gesehen, wenn er 1907 über den Modernismus sagte: „Wehe jenem Tag, da diese Lehren sich durchsetzen" (75).
Ebenso aber hatte auch Fogazzaro recht: Es hat immerhin rund 50 Jahre gedauert, bis die im kleinen Kreis damals geäußerten Gedanken sich durchsetzten und zu jener Krise in der Kirche führten, die jene zur Zeit der Reformation weit hinter sich lässt.
Das Echo auf die Enzyklika spiegelt sich wider in einem Hirtenbrief der in Köln versammelten deutschen Bischöfe vom 10. Dezember 1907, in dem es u. a. heißt: „Zu solchen und ähnlichen, auch bei uns zuweilen hervortretenden Symptomen und Ansätzen des Modernismus werden wir noch hinzuzurechnen haben jene leider sich steigernde Sucht, ohne Beruf, ohne richtiges Urteil und ausreichende Kenntnisse zu kritisieren und zu reformieren, die so recht die Krankheit unserer Zeit ist und vor keiner Autorität Halt macht, die ehrwürdigsten Institutionen nach dem «modernen Bewusstsein» umformen, in die Organisation und Verwaltung der Kirche einen mit ihr unverträglichen Parlamentarismus und Demokratismus einführen möchte und sich nicht scheut, in öffentlichen Blättern und Zeitschriften, sogar in kirchenfeindlichen, zur größten Freude der Gegner ihre urteils- und pietätlosen Äußerungen über kirchliche Obern und Institutionen feilzubieten" (76).
Trifft dies nicht haargenau auf unsere Zeit zu? Mit der Enzyklika „Pascendi" hängt der Syllabus „Lamentabili" vom 3. Juli 1907 aufs engste zusammen. 65 modernistische Sätze oder Lehren sind hier verworfen. Wir greifen nur einige davon heraus, bei denen die Gegenwartsnähe besonders in die Augen springt.
Satz 1 lautet: „Die von der Kirche gegebene Auslegung der heiligen Bücher ist zwar nicht zu verachten, unterliegt jedoch der genaueren Beurteilung und Berichtigung von Seiten der Exegeten."
Satz 30: „In allen Texten des Evangeliums ist der Name «Sohn Gottes» lediglich gleichbedeutend mit dem Namen «Messias», keineswegs aber besagt er, dass Christus wirklich und wesenhaft der Sohn Gottes sei."
Satz 36: „Die Auferstehung Christi ist nicht eigentlich eine Tatsache geschichtlicher Ordnung, sondern eine weder bewiesene noch auch beweisbare Tatsache, rein übernatürlicher Ordnung, welche das christliche Bewusstsein aus anderen allmählich abgeleitet hat."
Satz 37: „Der Glaube an die Auferstehung Christi galt anfangs nicht so sehr der Tatsache der Auferstehung als vielmehr dem unsterblichen Leben Christi bei Gott."
Satz 49: „Indem das christliche Abendmahl allmählich die Gestalt einer liturgischen Handlung annahm, erlangten die, welche dem Abendmahl gewöhnlich vorzustehen pflegten, den priesterlichen Charakter."
Satz 53: „Die organische Verfassung der Kirche ist nicht unveränderlich, sondern die christliche Gesellschaft ist, gleichwie die menschliche, einer steten Entwicklung unterworfen."
Satz 58: „Die Wahrheit ist nicht unveränderlicher als der Mensch selbst, da sie mit ihm, in ihm und durch ihn zur Entfaltung kommt."
Das möge genügen. Wenn man das alles überblickt - eigentlich müssten alle 65 Sätze zitiert werden — erfasst uns ein heiliger Zorn, weil man es wagt, das alles als neu und modern und fortschrittlich dem Geist des 2. Vatikanischen Konzils entsprechend vorzulegen, während es nur aufgewärmter, sprachlich neu formulierter und modern frisierter 50 Jahre alter Modernismus ist. Es bleibt unbegreiflich, dass ausgerechnet in unseren Tagen der Antimodernisteneid aufgehoben wurde, der am 1. September 1910 vorgeschrieben worden war. Und dies alles, obwohl der altlutherische Theologe Dr. Dr. Cornelius Freiherr von Heyl sagte: „Trotzdem ist unverkennbar, wie weitgehend der Katholizismus lehramtlich vor Schwärmertum und Subjektivismus geschützt ist. Einzelne katholische Autoren reden heutzutage über die Antimoderni-stenentscheidung Pius IX. und Pius X. so, als ob dies ein peinlicher Punkt wäre! Dem gegenüber nutze ich die Gelegenheit, um einmal auszusprechen, wie wohl es mir wäre, wenn die wesentlichsten Antimodernistenformulierungen mutatis mutandis auch in den nichtrömischen Kirchen überall Schutzartikel wären. Es mag im übrigen sein, dass ich hier katholischer bin als der zeitgenössische Katholizismus, wenn mich auch die Erklärungen der Kurie gegen Teilhard de Chardin gefreut haben ... Insoweit der Katholizismus kraft innewohnender Durchschlagskraft der papalen Struktur antimodernistisch ist (und bleibt), und insoweit er (nach der formellen Seite) den Begriff des Gehorsams in der Kirche der Gegenwart hinüberrettet, müsste er den Altlutheranern, den Altreformierten, Teilen des Anglikanismus und fundamentalistischen Sekten näher stehen als jene Kirchen und Gemeinschaften mit wucherndem Freiheitsprinzip und uferlosem Progressismus und Individualismus" (77).
SO WAR DENN nach den Worten des Papstes „der Feind des Menschengeschlechtes" in den innersten Bereich der Kirche eingebrochen ins „Blut der Kirche, in ihr tiefstes Innere". Der heilige Papst hat die große Gefahr erkannt und den Feind niedergeschlagen. Aber es wiederholte sich, was Lukas am Schluss der Versuchungsgeschichte sagt: „Als der Teufel mit allen Versuchungen zu Ende war, ließ er von ihm (Christus) ab bis zu seiner Zeit" (4,13).
Bis zu seiner Zeit. Und die ist heute angebrochen. Das bedeutet nicht, dass sich in dem halben Jahrhundert zwischen Pius X. und Paul VI. nicht da und dort modernistische Ideen aus dem Untergrund an die Oberfläche gedrängt hätten. Es sei nur auf das 1937 erschienene Buch der ungenannten katholischen Theologen und Laien hingewiesen: „Der Katholizismus, sein Stirb und Werde" (78), das stellenweise modernistischen Geist atmet und die Gegenschrift der Paderborner Theologen auf den Plan rief: „Reformkatholizismus" (79), worauf dann jene Theologen und Laien mit der Schrift antworteten: „Der Katholizismus der Zukunft, Aufbau und kritische Abwehr" (80). In diesem Buch wird Pius X. stark angegriffen, wobei man auf die Intrigen der Integralisten gegen Ende der Regierung Pius X. hinwies, worüber Näheres in der Papstgeschichte von Schmidlin nachzulesen ist (81). Noch bedenklicher waren Strömungen, die auf dne Kritik der Frömmigkeitsformen und eine gewisse Aufweichung der christlichen Lebensauffassung abzielten. Zwei wertvolle Bücher müssen hier genannt werden, das „Sentire cum Ecclesia" von August Doerner (82) und „Irrwege und Abweg» im Frömmigkeitsleben der Gegenwart" von Max Kassiepe (83). Verhängnisvoll wirkten sich die Abstiche aus, die man in der Marienverehrung machte. Über Fatima ging man zur Tagesordnung über bei der Dogmatisierung der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel bezweifelte man die Opportunität, und die Weihe Deutschlands an das unbefleckte Herz Mariens begegnete kritischen Stimmen. Der marianische Papst Pius XII. ahnte das schwelende und kommende Unheil. Er versuche es aufzuhalten vor allem in der Enzyklika „Humani generis" vom Jahre 1950, wo er fast in Voraussicht der kommenden Krisis auf die Bedeutung des kirchlichen Lehramts zu sprechen kam und bezüglich der päpstlichen Rundschreiben folgendes sagte: „Keineswegs darf man meinen, dass dies, was in den Enzykliken vorgelegt wird, keine Zustimmung erfordere, weil darin die Päpste nicht die höchste Gew all ihres Lehramtes ausüben. Diese Enzykliken sind nämlich Äußerungen des ordentlichen Lehramtes, von dem ebenso das Wort Christi gilt: «Wer euch hört, der hört mich» (Lk 10, 16). Meistens gehört das, was die Enzykliken vorlegen und einschärfen, sonst wie schon zum katholischen Lehrgut. Wenn die Päpste also in ihren Schriftstücken nach gründlicher Prüfung ein Urteil über eine bislang umstrittene Frage aussprechen, dann ist es für alle klar, dass diese Sache nach der Absicht und dem Willen dieser Päpste nicht mehr der freien Erörterung der Theologen unterliegen kann" (84).
Damit aber stehen wir schon dicht vor dem Konzil. Fast wie ein Resümee der subkutanen Tendenzen ist der am Vorabend des Konzils erschienene Sammelband „Häresien der Zeit - Ein Buch zur Unterscheidung der Geister", herausgegeben von Anton Böhm (85), ein Buch, das völlig in Vergessenheit geraten ist, obwohl es auch heute noch ein Wegweiser durch die Wirren unserer Zeit sein könnte. Kein Geringerer als Karl Rahner hat hier den Begriff von den kryptogamen Häresien geprägt, die es heute, wie er meint, in einem wesentlich erheblicheren Umfang als früher gibt. Rahner sagt dazu wörtlich: Unser ganzer „Daseinsraum ist aber zweifellos auch mitgestaltet durch Haltungen, Lehren, Tendenzen, die als häretisch, als der Lehre des Evangeliums widersprechend qualifiziert werden müssen" (86). Diese kryptogamen Häresien sind schwer festzustellen; z.B. „die Achtung des Leiblichen und seine Vergötzung sind in ihrer Objektivation schwer auseinander zu halten". Man kann sogar sagen: ,Jeder ist heute durch die Bakterien und Viren der kryptogamen Häresie infiziert, auch wenn er darum noch nicht notwendig als durch sie erkrankt qualifiziert werden muss": „diese kryptogame Häresie" verträgt sich durchaus mit „expliziter Rechtgläubigkeit". Natürlich versucht diese Häresie gleichsam aus dem Verborgenen an die Oberfläche zu dringen, so dass sie faßbar und feststellbar werden könnte. Aber dem steht entgegen, dass „der Mensch von heute eine Scheu hat vor der begrifflichen Festlegung in religiösen Fragen". Man kann nun fragen, worin die Taktik dieser Häresie besteht, „um latent zu bleiben". Rahner antwortet darauf: „Häufig besteht sie einfach in einer Haltung des Misstrauens und des Ressentiments gegenüber dem kirchlichen Lehramt, jenem weit verbreiteten Gefühl, in Forschung und Lehre argwöhnisch und engherzig vom kirchlichen Lehramt kontrolliert zu werden." Diese kryptogame Häresie ist dort gegeben, „wo man z.B. das Wort von der Hölle geflissentlich meidet, wo von den evangelischen Räten, von Gelübde und Ordensstand nicht mehr oder höchstens noch unsicher und betreten gesprochen wird, wenn es gar nicht mehr anders geht. Wie oft predigt der Prediger für Gebildete in unseren Landen seiner Zuhörerschaft noch von zeitlichen Sündenstrafen, vom Ablass, von den Engeln, vom Fasten, vom Teufel (höchstens noch vom »Dämonischen' im Menschen), vom Fegfeuer, vom Gebet für die armen Seelen und ähnlichen altmodischen Dingen?" Am schlimmsten wirkt die Häresie in der Form der „Gleichgültigkeit" sich aus. Wenn wir alle diese Beispiele auf uns wirken lassen, so ersteht vor unserem Auge haargenau das Bild unserer gegenwärtigen Situation. Aus dem Ganzen ergibt sich aber auch, dass das kirchliche Lehramt „nur relativ wenig mit den bisher üblichen Mitteln gegen diese Gefahr einer kryptogamen Häresie unternehmen kann. Das Lehramt kann die Wahrheit verkünden, es kann solche häretische Tendenzen zur begrifflichen Formulierung bringen, wie es zum ersten Male in der Modernismus-Enzyklika Pius X. geschah. Es kann aber wenig gegen die stumme Häresie selbst tun." Um sie einigermaßen zurückzuweisen, müsste sie „aus der inneren Natur der Sache heraus" überwunden werden und nicht „auf dem bloßen Verwaltungsweg". Hier liegt der Grund dafür, dass der Modernismus zur Zeit Pius X. nicht innerlich überwunden wurde, oder wie Rahner sagt: „Nicht aus der inneren Natur der Sache heraus, sondern einfachhin durch disziplinare Maßnahmen unterdrückt wurde". Die Frage ist natürlich die, ob derartige kryptogame Häresien überhaupt aus der inneren Natur der Sache heraus überwunden werden können.
Karl Rahner behauptet weiterhin, dass der Kampf gegen die kryptogame Häresie deswegen vor allem dem Gewissen der Einzelnen aufgegeben ist. Er macht in diesem Zusammenhang eine Feststellung, die geradezu prophetischer Art ist, wenn wir die heutige Entwicklung in der Kirche betrachten. Er sagt: „Alle oder die meisten Postulate der Zeit von heute oder morgen werden etwas durchaus Richtiges oder Vertretbares oder geschichtlich Zwangsläufiges an sich tragen, auch sogar noch insofern sie eine Distanzierung gegenüber dem Lebensstil früherer, auch christlicher Generationen bedeuten." Er meint, dass „die kryptogame Häresie, gerade wo sie latent bleiben will, gerne eine Häresie der falschen Dosierung, der Übertreibung, der Einseitigkeit" ist und wie es „heute auf die Akzentsetzung, die Dosierung und Gewichtsverteilung ankommt und wie schwer es dieser Aufgabe gegenüber das kirchliche Lehramt hat" (87). Soviel aus dieser ausgezeichneten Einleitung.
UND NUN sind wir beim 2. Vatikanischen Konzil angelangt. Wir haben schon gesehen, wie sehr man in den geheimen Gesellschaften ein Konzil herbeiwünschte. In der Hochstimmung der ersten Zeit hat man dies überhaupt nicht beachtet (88) und sich auch viel zu wenig um die Beurteilungen des Konzilsgeschehens von Seiten der Gegner gekümmert. Und doch werden solche Dinge von außen oft schärfer und zutreffender beurteilt als von den Handelnden selber. Ungemein aufschlussreich ist hier ein Heft der Zeitschrift „Ost-Probleme" (89), wo ein aus der Moskauer Zeitschrift „Kommunist" (90) entnommener Artikel über „Religiöse «Erneuerung» und katholische Kirche" handelt. Allein schon die Zwischenüberschriften dieses Artikels sind beachtenswert, so z. B. „Die gegenwärtige Krise der Religion", „Der Modernismus (!) in der Politik der Kirche und in der Theologie", „Die soziale Funktion des «Erneuerertums»". Tenor des umfangreichen Artikels ist, die Änderung in der Kirche als „opportunistische Taktik der Kirchenmänner und all ihrer Schliche" hinzustellen. - Aber nicht dies interessiert uns eigentlich, sondern die Tatsache, dass man drüben deutlich die Krise sieht und dass man nahezu erschöpfend all ihre Symptome aufzählt. S o ist die Rede von der „Krise der religiösen Ideologie", von der „Modernisierung der kirchlichen Position sowohl bei den im eigentlichen Sinn theologischen, religiösen Fragen, als auch bei den aktuellen Problemen der Weltpolitik". „Auf dem innerkirchlichen, dem eigentlich religiösen Gebiet vollzieht sich eine Modernisierung des ideologischen Arsenals, des Kultes und der Organisation selbst. Hier ist der Prozeß einer eigentümlichen Reformation in vollem Gange, wird nach neuen Möglichkeiten gesucht, den Einfluss der Religion in unserem Zeitalter der zunehmenden Gottlosigkeit, des erstarkenden Antiklerikalismus und Freidenkertums aufrechtzuerhalten." „Schweren Herzens lösen sich die Theologen von dem traditionellen militanten Obskurantismus, versuchen sie die Fragen des Verhältnisses von Glauben und Vernunft, Wissenschaft und Religion neu zu beleuchten" ... „Die Dialektik des vor unseren Augen sich abspielenden Prozesses der religiösen Erneuerung besteht darin, dass diese Erneuerung ein Zeichen für die Schwäche der Religion, gleichzeitig aber ein Mittel zur Verstärkung ihres Einflusses ist. Deshalb erfordert die Entlarvung der neuesten Methoden zur Verteidigung der reaktionären religiösen Theologie die energischen Anstrengungen aller Anhänger der materialistischen Weltanschauung, der Verfechter der wissenschaftlichen Ideologie."
Gerade dieser letzte Satz sollte wiederholt von jenen gelesen und überdacht werden, die mit ihrem aggiornamento eine innere Wandlung jener atheistischen Ideologien herbeiführen wollen. Die Tätigkeit Johannes XXIII. und des 2. Vatikanischen Konzils werden als Wege zur Umwertung der Werte beurteilt - ein Wort, das uns zu denken gibt (91).
Das war 1964. Noch deutlicher äußert sich die Kommunistische Partei Italiens auf ihrem 11. Parteikongress. In der Einführung zu einer Spezialnummer der „Propaganda" „dedicato al dialogo con Cattolici" wird eindeutig von der „Krise" der Kirche gesprochen: „Der außergewöhnliche Aufbruch des Konzils, der zurecht mit den Generalständen von 1789 verglichen wird, hat der ganzen Welt gezeigt, dass die alte politisch-religiöse Bastille in ihren Fundamenten erschüttert ist. So entstand eine neue Lage, der man mit angemessenen Mitteln begegnen müsste. Es ergab sich eine bis dato unvorhergesehene Möglichkeit, mit einem geeigneten Manöver unserem Endsieg näher zu kommen." Diese Einleitung skizziert sodann die verschiedenen Abschnitte dieses ,Speciale' und sagt z. B. im Abschnitt ,Dokumentation', dass hier ,alle Möglichkeiten ins Licht gesetzt werden, die uns durch die innere Evolution der Kirche geboten sind'." Der Abschnitt «Dialog» beweist, dass die Praxis die kühnsten Prognosen der Theorie bereits übertroffen hat und wir inzwischen vor einem Phänomen stehen, das sich von Tag zu Tag verwirklicht. Angesehenste katholische Persönlichkeiten enthüllen ganz offen die Ergebnisse, zu denen das Konzil gelangt ist, und machen den Dialog zu einer unerwarteten Form eines neuen Humanismus. Paul VI. empfängt im Vatikan den Genossen Gromyko und spricht mit ihm über die Probleme des Friedens. Der Marxismus-Leninismus passt sich der neuen Lage der Dinge an, und er ist je nachdem geschmeidig oder gewaltsam... Der Abschnitt «Argumente» ... enthält zahlreiche Hinweise auf die vom Konzil ausgesprochenen Beschlüsse. „Das Konzil selbst gibt uns auf diese Weise gratis die besten Mittel in die Hand, um die katholische Öffentlichkeit zu erreichen." Und der Schluss dieser Einführung lautet: „Mai la situazione ci e stata cosi favorevole, die Lage war für uns noch nie so günstig."
Man wird zugeben müssen, dass diese Texte eine klare Sprache sprechen. Es wäre empfehlenswert, dass alle, die sich über die warnenden und mahnenden Äußerungen des Papstes hinwegsetzen, sich gründlich diese eben zitierten Auslassungen zu Gemüte führen.
Aufhellend und erschreckend zugleich ist somit die Tatsache, dass man das Konzil mit dem Sturm auf die Bastille von 1789 verglichen hat, also mit der Französischen Revolution, und wir haben ja schon einmal gezeigt, dass dies gar nicht so abwegig ist. Jedenfalls sind die tragenden Ideen der Revolution Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit so stark ins Bewusstsein gerückt worden, dass man sich eine Reduzierung auf das Wichtige und berechtigte Maß kaum vorstellen kann. Noch ist es zu früh, ein endgültiges Urteil über das Konzil abzugeben. Aber das Verhängnisvolle ist dies, dass derartig große Ereignisse verschiedene Ebenen berühren, ja sich auf verschiedenen Ebenen abspielen. Sicherlich sind die Texte durchaus orthodox, stellenweise geradezu klassisch formuliert, und unsere Aufgabe wird es auf lange Zeit hinaus sein, mit den Worten des Konzils gegen seine Unterminierung, vor allem gegen den berühmten „Geist" des Konzils anzukämpfen. Aber da das Konzil in erster Linie eine pastorale Ausrichtung anstrebte (92) und damit verzichtete dogmatisch verbindliche Erklärungen abzugeben und sich, nicht wie die früheren Kirchenversammlungen durch klare Anathematismen gegen Irrtümer und Irrlehren abzugrenzen, erhielt vieles eine schillernde Ambivalenz, die denen, die vom Geist des Konzils sprechen, eine gewisse Berechtigung gab. Dazu traten, wie wir schon gesehen haben, eine Reihe von Begriffen in den Vordergrund, wie z. B. Kollegialität, Ökumene, Religionsfreiheit, die zweifellos gut begründet werden konnten, die aber, je nachdem, sich auch als Bumerang auswirkten. Wieder müssen wir auf den Begriff des „Kryptogamen" zurückkommen. Lauerte nicht in der Kollegialität der kryptogame Angriff auf die „alte politisch-religiöse Bastille" des Papsttums? Bewies das nicht der Kampf um die „nota explica-tiva praevia", die der Kirchenkonstitution angefügt wurde (93)? Auch dazu gibt der Gegner eine Erklärung, die deutlich und aufschlussreich ist. Die „Stimmen der Zeit" (94) brachten einen Artikel unter der Überschrift „Haben sich die Freimaurer gewandelt"? Der Verfasser beruft sich auf die Europäische Freimaurerzeitung (95), die in ihrer Septembernummer 1964 das Problem des Papsttums erörterte und vom Konzil von Konstanz (1414 bis 1418) sagte: „Die Reformer kamen damit nicht durch, die hierarchische Verfassung der Kirche mit dem omnipotenten Papst an der Spitze blieb bis auf den heutigen Tag bestehen." Nach diesem konzilsgeschichtlichen Ausflug kehrt der Verfasser zurück zum Vaticanum II: „Den persönlichen Primat des Papstes zu brechen, wäre die Voraussetzung für die Unio sancta und für die Zusammenführung der Kirche. - Mit ziemlicher Sicherheit glauben wir sagen zu können, dass die Unfehlbarkeit des Papstes und sein Primat gegenüber dem Konzil auch 1964 nicht gebrochen werden wird. Das Mittelalter wird auf dem Gebiet der kirchlichen Verfassung nach wie vor in unsere Zeit hineinragen — wir meinen: nicht zum Nutzen der Kirche und der modernen Probleme, die zu bewältigen sind. Und solange die persönliche Vorherrschaft eines einzelnen in der Kirchen Verfassung nicht beseitigt ist, solange wird unserer Ansicht nach auch jede Reform auf anderen Gebieten scheitern. Die verfassungsmäßige Macht des Papstes und seiner von ihm ernannten Kardinäle ist das institutionelle Hindernis jeder besseren Einsicht und Reform. Andererseits kann die Kirche - wenn das Vorrecht und die Unfehlbarkeit des Papstes beseitigt werden - nicht mehr die suggestive Gewalt auf die Massen der gläubigen Bevölkerung ausüben wie bisher. Kirche und Konzil befinden sich also hier in einem unauflöslichen Dilemma. Wir glauben nicht daran, dass das Konzil in Rom in diesem Jahre mit diesen Dingen fertig wird, so sehr auch an den Symptomen geflickt werden wird."
WAS DAMALS vor rund zehn Jahren noch mit einem Fragezeichen versehen wurde, hat inzwischen ganz deutliche Konturen angenommen. Der Primat des Papstes hat schwere Einbußen erlitten und die „Pforten der Hölle", die gegen den Felsen ankämpfen, sind heute schon so weit vorgeschoben, dass sie an die porta di bronzo des Vatikans heranreichen. Der Papst hat recht: Der Teufel ist in die Kirche eingebrochen. Noch fehlt uns freilich eine Analyse seiner Methoden, die man jedoch leicht erkennen könnte, wenn man sich nur an die Aussagen des Neuen Testamentes über ihn hielte. Es seien nur einige dieser seiner Methoden genannt. Er versteht es wunderbar, sich als „Engel des Lichtes" (2 Kor 11,14) zu tarnen, indem er die Gottesgabe der Vernunft in die Waagschale wirft: Alles, was heute an Reformen in der Kirche geschieht, lässt sich vernünftig begründen. Die Not der Zeit tut noch ein Übriges, und was nur als Ausnahme etwa für Missionsgebiete gestattet wurde, wird unter der Hand auch für uns zur Gewohnheit. Warum auch nicht? Ängstlich vermeidet man im allgemeinen den offenen Kampf gegen Glaubenswahrheiten, man macht es eleganter, man redet nicht mehr davon, oder man verstümmelt sie zu halben Aussagen im sicheren Wissen, dass halbe Wahrheiten schlimmer sind als ganze Lügen. Schließlich bringt man das Neue in eine so unmittelbare Nähe zu den „alten" Wahrheiten, dass schon eine starke Dosis der Geistesgabe der „discretio spirituum, der Unterscheidung der Geister" (1 Kor 12, 10) dazugehört, um hier Echtes vom Unechten und Wahres vom Falschen zu unterscheiden. Wenn man diese Methoden studiert, kommt man zur Überzeugung, dass der Teufel heute gar nicht so viel Wert darauf legt unerkannt zu bleiben und „kryptogam" sein Zerstörungswerk zu betreiben, sondern dass er sich offen und öffentlich manifestieren will. So schrieb die Pariser Zeitschrift des Grand Orient de France „L'Humanisme" (96) im Jahre 1968 ganz offen: „Unter den Pfeilern, die am leichtesten einstürzen, vermerken wir die Lehrgewalt; die Unfehlbarkeit, die man vom Ersten Vatikanischen Konzil für fest begründet hielt und die soeben die Stürme der Verheirateten anlässlich des Erscheinens der Enzyklika «Humanae vitae» ertragen muss; die reale eucharistische Gegenwart, die die Kirche den mittelalterlichen Massen auferlegen konnte und mit dem Fortschreiten der Interkommunionen und Interzelebrationen der katholischen Priester und der protestantischen Pastoren verschwinden wird; der geheiligte Charakter des Priesters, der von der Einsetzung des Sakraments der Priesterweihe herrührt und der einer Wahl auf Zeit Platz machen wird; die Unterscheidung zwischen der Weisung gebenden Kirche und dem schwarzen (niederen) Klerus, wo von nun an die Bewegung von der Basis (!) aus nach oben erfolgt wie in jeder Demokratie; das allmähliche Verschwinden des ontologischen und metaphysischen Charakters der Sakramente und dann gleich der Tod der Beichte, nachdem in unserer Zeit die Sünde zu einem völlig anachronistischen Begriff geworden ist, den uns die strenge mittelalterliche Philosophie, dieses Erbstück des biblischen Pessimismus, vermacht hatte." In „erfreulicher" Offenherzigkeit wird hier die ganze Strategie entwickelt, und man fragt sich nur, warum geschieht nichts oder so wenig, um diese Pfeiler abzusichern und vor dem Zusammensturz zu bewahren. Wer heute angesichts dieser eindeutigen Geständnisse noch meint, es handle sich bei den Vorgängen in der Kirche um Randerscheinungen oder Übergangsschwierigkeiten, die von selbst nach einiger Zeit abebben, dem ist einfach nicht zu helfen. Aber um so größer ist die Verantwortung der führenden Männer in der Kirche, wenn sie sich nicht mit diesen Fragen beschäftigen und meinen - vergleiche das vorhin Gesagte - mit einem Herumflicken alles reparieren zu können. Nein, es geht um das Ganze, es geht um die Kirche, es geht, wie die Zeitschrift „L'Humanisme" vom Mai-Oktober 1968 schreibt (97) um „eine Art kopernikanischer Revolution", die über die Kirche hereingebrochen ist; es geht um eine „gigantische Revolution in der Kirche" (98), die „das Präludium des Sieges, prelude de la victoire" (99) bereits in sich trägt.
Und nun sind wir am Höhepunkt angekommen, und wir möchten nur wünschen, dass das folgende Zitat aus „L'Humanisme" in seiner ganzen Tragweite erkannt würde (100): „Wenn die traditionellen Strukturen einstürzen, wird der ganze Rest folgen. Die Kirche hat eine solche Kontestation nicht vorausgesehen; sie ist auch lange nicht mehr vorbereitet diesen revolutionären Geist aufzunehmen und sich zu assimilieren... Es ist nicht das Schafott, das den Papst erwartet, es ist das Emporkommen der örtlichen Kirchen, die sich demokratisch organisieren, die Schranken zwischen Klerikern und Laien ablehnen, die sich ihr eigenes Dogma schaffen und die in einer völligen Unabhängigkeit in Bezug auf Rom leben."
Wir kehren zum Anfang zurück. Athanasius zählt in seinem Hirtenschreiben auf, was damals in Alexandrien geschah: „Kirchenraub, Brandstiftung, Gotteslästerung, Schändung von Jungfrauen, Auspeitschung und Mord." Das alles ist nichts im Vergleich zu dem, was heute in der Gesamtkirche sich zuträgt, ohne dass man dessen eigentlich so richtig gewahr wird. Sind die örtlichen Kirchen nicht im Entstehen oder bereits in voller Aktivität, wenn sie auf Synoden durch demokratische Abstimmungen sich der Majorität und damit der oft willkürlichen Zahl und nicht der Wahrheit unterordnen? „Es wird bald dem Vatikan nicht mehr möglich sein", sagt die erwähnte Zeitschrift (101) „die inneren Bewegungen eines großen Körpers, den man für homogen hielt, unter Kontrolle zu halten ... Wäre es nicht an der Zeit zu mehr «nationalen» Kirchen zurückzukehren?" — Den Papst erwartet also nicht das Schafott. Wie human doch unsere Zeit geworden ist! Nur die örtlichen Kirchen erwarten den Papst, mit ihnen muss er sich eben abfinden. Man kann auf Beispiele der Vergangenheit hinweisen, es fällt das Wort von der gallikanischen Kirche. Hier lässt man Geschichte wieder zu, wenn man sonst auch von ihr und der ganzen Tradition geflissentlich schweigt. Am Ende der Entwicklung aber ist der Papst überflüssig, weil ja die örtlichen Kirchen „in völliger Unabhängigkeit in Bezug auf Rom leben". Also doch Schafott in Form der Annihilierung.
Wir sind sehr dankbar für diese offene Sprache. Wir wissen nun, woran wir sind. Der luziferische Plan liegt klar und offen vor uns.
Bei Athanasius
„DESHALB dürft ihr aber nicht deren Bosheit fürchten, sondern müsst... euch empören über die neuen Machenschaften gegen uns. Denn wenn ein Glied leidet, leiden alle mit, und nach dem Wort des Apostels muss man mit den Weinenden weinen. Da die große Kirche leidet, muss jeder mitduldend sorgen, dass das Vergehen seine Strafe erhalte. Für alle ist ja der Erlöser, der von ihnen geschmäht wird, aller Gesetze sind es, die von ihnen aufgelöst werden ... Aus all diesen Gründen bitte ich euch... die Gottlosen zu verurteilen, damit auch jetzt die Priester hier und das Volk euern rechten Glauben und euere entschiedene Ablehnung sehen und sich so über eueren einhelligen Glauben an Christus freuen können, diejenigen aber, die sich so sehr an der Kirche verfehlt haben, zur Umkehr veranlasst werden und - wenn es auch erst spät möglich sein sollte — zur Sinnesänderung kommen. Grüßet die Gemeinschaft der Brüder bei euch! Alle mit mir versammelten Brüder grüßen euch. Der Herr möge euch unversehrt und in treuem Gedenken für uns bewahren..."
Bei Görres
(1) Berthold Altaner, Patrologie (Freiburg i. Breisgau 19502), S. 230.
(2) Konrad Kirch, Helden des Christentums (Paderborn 19365): Aus dem christlichen Altertum S. 12 f.
(3) Joseph Görres, Athanasius (Regensburg 1838), 4. Ausgabe.
(4) Joseph Lortz, Geschichte der Kirche in ideengeschichtlicher Betrachtung (Münster i. W. 1941) § 111 B (IV, 52).
(5) Franz Schnabel, Deutsche Geschichte im 19.Jahrhundert, IV. Band, Die Religiösen Kräfte (Freiburg 1937) S. 139.
(6) aaO, S. VI.
(7) ebd.
(8) ebd. S. VII.
(9) ebd. S. VIII; vgl. Roman Bleistein, Suche nach einem neuen Bekenntnis, in „Deutsche Tagespost" v. 12./13. Januar 1973.
(10) ebd. S. 113.
(11) ebd. S. 118.
(12) Bergstadtverlag Breslau. - Über den Verfasser vgl. Gerhard Kukofka, „Staunen und Sehnsucht" in „Urbild und Abglanz"; Festgabe für Herbert Doms, hrsg. von Johannes Tenzler (Regensburg 1972) I, S. 489-497.
(13) ebd. vgl. 491, Anmerkung 1: „Man beachte die eminent prophetische Gabe des Schriftstellers Flam ... Ist nicht fast alles, was der Dichter damals vorausschaute, inzwischen z. T. weit übertroffene Wirklichkeit geworden?"
(14) aaO, S. 489.
(15) K. Flam, aaO, S. 84.
(16) Des heiligen Kirchenlehrers Basilius des Großen ausgewählte Schriften, in Bibliothek der Kirchenväter (Kösel-Pustet, München 1925) I. Band, S. 121.
(17) ebd. S. 129.
(18) ebd.
(19) ebd. S. 139.
(20) ebd. S. 137.
(21) ebd. S. 143.
(22) ebd. S. 163; Zitat 2 Thess 2, 3-4.
(23) K. Kirch aaO, Band I, 2; S. 23 f.
(24) Ri 19, 29-20, 11.
(25) „Osservatore Romano" vom 8. Dezember 1968;
vgl. auch Helmut Kuhn in seinem Beitrag zum Sonderheft der Zeitschrift „Wort und
Wahrheit" (März/April 1972): „Der Zustand der römisch-katholischen Kirche": „Im
Sommer 1970 unterhielt ich mich in Paris mit Raymond Aron, dem wohl
bedeutendsten Soziologen Frankreichs, über die Studentenunruhen an den
europäischen und amerikanischen Universitäten. Wir einigten uns darüber, dass
diese Vorgänge, so verhängnisvoll sie auch sein mögen, in den Schatten gestellt
werden durch ein anderes Geschehen von weltweitem Umfang und epochaler Bedeutung
- durch den Zerfall der römischkatholischen Kirche" (S. 155).
(26) Migne, Patr. Graec. Band 27 (Athanasius I) col. 219-240; vgl. Bar-denhewer, Geschichte der altchristlichen Literatur (Freiburg 1902/ 1932) Band III, S. 70; Reallexikon für Antike und Christentum (Stuttgart 1950) Band I Athanasius col. 863. Die Übersetzung dieses Rundschreibens verdanke ich Herrn P. Dr. Benedikt Busch, Abtei Metten.
(27) KNA Nr. 194 vom 21. November 1972: „Die Sache mit dem Teufel", Reaktionen auf die Papstrede vom 15. November 1972, vgl. deutsche Ausgabe des „Osservatore Romano", 2. Jahrgang Nr. 74 vom 24. November 1972, S. 1.
(28) aaO, S. 162 f.
(29) Marquis de la Franquerie, L'infallibilite pontificale - Le syllabus et la crise actuelle de l'Eglise (als Manuskript gedruckt, o. J.) S. 41 ff.
(30) „In hujusmodi voluntate vesana et tetra recognosci propemodum videtur posse illud ipsum, quo Satanas in Jesum Christum ardet, inexpiabile odium ulciscendique libido", in Enzyklika „Humanuni genus" vom 20. April 1884 über die Freimaurer.
(31) in seinem Rundschreiben „Pascendi" vom 8. September 1907.
(32) Albert Erhard, Urkirche und Frühkatholizismus (Bonn 1935) S. 194.
(33) Furche-Verlag 1964 S. 15-39.
(34) vgl. „Neue Zürcher Zeitung" vom 20. August 1966: „Kirchlich-theologische Auseinandersetzungen in der Bundesrepublik; die Bekenntnisbewegung als Krisensymptom" und darin als Zwischenüberschrift „Aspekte der Aufklärung".
(35) aaO, S. 119-121.
(36) Max Spindler, Handbuch der Bayerischen Geschichte Band II, 1028-1032 (München 1966) S. 1028: „Die Geschichte des Illuminatenordens ist ein Phänomen von europäischer Bedeutung und Wirkung"; vgl. Serge Hutin, Gouvemants invisibles et societes secretes (EditionsJ'ai lu 1971) kommt immer wieder auf das Illumi-natentum zu sprechen.
(37) Bernhard Fay, La Franc-Maconnerie et la Revolution intellectuelle du XVIIF siecle (Paris 1961) S. 203.
(38) Pierre Virion, Le Complot (Paris o.J.) S. 46.
Serge Hutin aaO, S. 4 zitiert Pierre Mariel, L'Europe pai'enne duXXe siecle, p. 170: „En realite, de tous temps-et maintenant plus que jamais-, les societes secretes menent le monde".
(39) Eugen Lennhoff/Oscar Posner, Internationales Freimaurerlexikon (unveränderter Nachdruck der Ausgabe 1932), Amalthea-Verlag München-Zürich-Wien; - Horst E. Miers, Lexikon des Geheimwissens (Freiburg i. Breis'gau 1970); - Kurt Seligmann, Das Weltreich der Magie (Stuttgart 1958).
(40) Pierre Virion, Mystere d'iniquite (Editions St. Michel, St.-Cenere [53] o.J.) S. 2 ff; vgl. auch Virion, Bientot un gouvernement mon-dial?, im gleichen Verlag 1968; vgl. auch Leon de Poncins, Christia-nisme et F.-. M.-. (L'Ordre Francais, Decembre 1969); La F.-, M.-. d'apres ses documents secrets Diffusion de la Pensee Francaise 1972).
(41) in der Schweizer Zeitung „Der Republikaner" Nr. 39 vom 26. September 1963.
(42) vgl. diese Namen in den erwähnten Lexika.
(43) bei Virion, Mystere aaO, S. 81-108.
(44) Alec Mellor, Unsere getrennten Brüder Die Freimaurer (deutsche Übersetzung) (Styria Graz-Wien-Köln 1964). - Michel Dierickx SJ Freimaurerei, Die Große Unbekannte (Bauhüttenverlag Frankfurt/ Hamburg 1968).
(45) bei Virion, Mystere aaO, S. 15 f; die Satanshymne von Giosue Car-ducci findet sich bei Gerhard Zacharias, Satanskult und Schwarze Messe (ein Beitrag zur Phänomenologie der Religion) (Limes-Verlag Wiesbaden 1964), S. 133-138.
(46) Virion, Mystere aaO, S. 19 ff. Die folgenden Zitate sind insgesamt diesem Buch und der erwähnten Schrift von Franquerie entnommen.
(47) bei Franquerie aaO, S. 48.
(48) ebd. S. 48.
(49) ebd. S. 51, Anmerkung 20.
(50) ebd. S. 50, Anmerkung 14.
(51) ebd. S. 53, Anmerkung 24.
(52) bei Virion, Mytere aaO, S. 41.
(53) ebd. S. 32.
(54) ebd. S. 42.
(55) ebd. S. 52 f.
(56) Yves Marsaudon, L'Oecumenisme vu par un Franc-Macon de Tradition (Editions Vitiano Paris-IXe) 1964.
(57) J. M. Jourdan, L'oecumenisme vu par un Franc-Macon de Tradition (tire ä part de la revue „Permanences" 1965), S. 11.
(58) Marsaudon aaO, S. 26.
(59) ebd. S. 120.
(60) bei Jourdan aaO, S. 27.
(61) Marsaudon aaO, S. 126.
(62) Franquerie aaO, S. 46.
(63) ebd.
(64) Franquerie (S. 44) verlegt die erwähnte Geheiminstruktion in das Jahr 1819; G. M. Pachtler (Der stille Krieg gegen Thron und Altar oder das Negative der Freimaurerei, nach Dokumenten, Amberg, 2. Auflage 1876, S. 83) und nennt den vollständigen Titel „Istruzione permanente, Codice e quida pratica dei Preposti all'alta massoneria" (Originaltext in der „Civiltä cattol." 4 sett. 1875 quod. 605, p. 598 e segg.).
Es heißt da: Unser „Gedanke ist die Befreiung Italiens, von welchem am bestimmten Tage die Befreiung der ganzen Welt, die Bruder-Republik und die Einigung der Menschheit ausgehen muss ... Unser Ziel ist vielmehr schließlich das Voltaire's und der französischen Revolution: d. h. vollkommene Vernichtung des Katholizismus und selbst der christlichen Idee ... Der Papst, wer er auch immer sei, wird nie zu den Geheimbünden kommen; darum müssen die geheimen Verbindungen den ersten Schritt zum Papste und zur Kirche tun, mit der Absicht, beide in Fesseln zu schlagen. Das Werk, an welches wir uns machen, ist nicht die Arbeit eines Tages, eines Monats oder Jahres. Es kann viele Jahre, vielleicht ein Jahrhundert dauern. Wir beabsichtigen ja nicht, den Papst für unsere Sache zu gewinnen, aus ihm einen Neophyten unserer Grundsätze oder einen Apostel unserer Ideen zu machen. Das wäre ein lächerlicher Traum. Und wie sich auch die Ereignisse gestalten mögen, selbst wenn möglicher Weise ein Kardinal oder Prälat mit vollem Herzen oder aus List der Eingeweihte unserer Geheimnisse würde, so dürften wir doch darum noch nicht seine Erhebung auf den Stuhl Petri wünschen. Ja diese seine Erhebung wäre auch unser Ruin. Denn wie er aus bloßem Ehrgeize zur Apostasie gekommen wäre, ebenso müsste ihn das Bedürfnis der Macht dazu bestimmen, uns zu opfern. Was wir suchen, und worauf wir harren müssen, wie die Juden auf ihren Messias, das ist ein Papst nach unseren Bedürfnissen ... Um also einen Papst nach unserem Herzen zu machen, handelt es sich vor allem darum, diesem künftigen Papste ein Geschlecht zu erziehen, welches des von uns gewünschten Regimentes würdig ist. Die Greise und die gereiften Männer muss man ganz bei Seite lassen. Statt dessen gehet geradewegs auf die Jugend und wo möglich sogar auf die Kindheit los ... Ist einmal euer guter Ruf in den Kollegien, Gymnasien, Universitäten und Seminarien fest gegründet, habet ihr einmal das Vertrauen der Professoren und Jünglinge gewonnen, so sorget dafür, dass besonders die Kandidaten des geistlichen Standes eueren Umgang aufsuchen ... In etlichen Jahren wird dieser junge Klerus durch die Macht der Umstände alle Ämter bekleiden. Er wird regieren, verwalten, richten, den Rath des Souveräns-(Papstes) bilden, und berufen sein, den künftigen Papst zu wählen ... Spannet euere Netze aus, wie Simon Barjona, im Inneren der Sakristeien, der Seminare und Konvente, nicht in der Meerestiefe. Und wenn ihr nichts überstürzet, so versprechen wir euch einen noch wunderbareren Fischzug, als jenen des hl. Petrus. Der Fischer wurde Menschenfischer, und ihr werdet sogar zu den Füßen des apostolischen Stuhles Freunde fischen. So habet ihr dann im Netze eine Revolution in Tiara und Mantel, an deren Spitze das Kreuz und die große päpstliche Fahne getragen wird; eine Revolution, die nur kleiner Hilfe bedarf, um das Feuer in allen vier Weltgegenden anzustecken ..." (bei Pachtler, aaO, S. 84,87,91 f, 92,94 f).
(65) vom 6. August 1964; vgl. meinen Beitrag „Ecclesiam suam - die Antrittsenzyklika Pauls VI." in Wilhelm Sandfuchs, Das Wort der Päpste (Würzburg 1966), S. 212-224.
(66) „reviviscere cernimus".
(67) 3. Jahrgang 1905/6,1. Band, S. 553-567.
(68) ebd. S. 553.
(69) ebd. S. 555 f.
(70) ebd. S. 422.
(71) ebd. S. 522.
(72) ebd. S. 524 f vgl. auch Emmanuel Barbier, Les infiltrations maconni-ques dans l'eglise (Mont-Notre-Dame Aisne 1910) S. 8 f.
(73) Hochland aaO, S. 525.
(74) Für das Folgende benützen wir die bei Herder (Freiburg) erschienene Sammlung der „Rundschreiben unseres Heiligsten Vaters Pius X., 2 Bände 1909 und 1916, hier Band I, S. 185-305.
(75) Franz Michel Willam, Vom jungen Angelo Roncalli 1903-1907 zum Papst Johannes XXIII. 1958-1963 (Innsbruck 1967) S. 90.
(76) Pastoralschreiben der Kölner Bischofskonferenz vom 10. Dezember 1907, in „Rundschreiben" Pius X. aaO, Band II, S. 27.
(77) aus Zeitschrift „Una Sancta" (Kyrios Verlag Meitingen 1964) S. 250.
(78) herausgegeben von Gustav Mensching.
(79) Reform-Katholizismus, Eine Antwort auf das Buch: Der Katholizismus. Sein Stirb und Werde (Paderborn 1938).
(80) herausgegeben von Hermann Mulert (Leopold Klotz Verlag, Leipzig 1940).
(81) Josef Schmidlin, Papstgeschichte der neuesten Zeit (München 1936) Band III, S. 162-169.
(82) August Doerner, Sentire cum Ecclesia (als Manuskript gedruckt) 1941.
(83) Max Kassiepe, Irrwege und Umwege im Frömmigkeitsleben der Gegenwart (Würzburg 1940).
(84) Acta Apostolicae Sedis 42 (1950) S. 568.
(85) Freiburg-Basel-Wien 1961; Karl Rahner, Was ist Häresie? S. 9-44.
(86) ebd. S. 34.
(87) ebd. S. 34 f; 36, 38 f, 40 f;
Es ist auffallend, dass das Inhaltsverzeichnis der Herder-Korrespondenz bis 1968 nach den Leitartikeln die Äußerungen des kirchlichen Lehramtes brachte: a) der Papst b) die Kurie c) der Episcopat, während von 1968 an die Verlautbarungen des Papstes unter dem Stichwort „Papst" beim Buchstaben P angeführt werden.
(88) Wie wenig Eindruck machte z. B. die nur an die Konzilsväter verteilte anonyme Schrift: „L'azione Guidaico-Massonica nel Concilio"
(89) 18. Jahrgang Nr. 14/15 (Bonn 29. Juli 1966). Das ganze Heft behandelt die Stellung des Kommunismus zu den Weltreligionen (Islam, Katholische Kirche, Evangelische Theologie, Einsturz des biblischen Weltbildes usw.).
(90) Nr. 15, 1964.
(91) Ostprobleme aaO, S. 452.
(92) Karl Rahner - Herbert Vorgrimler, Kleines Konzilskompendium (Herderbücherei Band 270/71/72/73; 1966) S. 26: „Das Konzil war ein pastorales Konzil".
(93) ebd. S. 197-200.
(94) von Franz Hillig Band 175 1965, S. 97-106.
(95) Herausgegeben von Wolfgang Stammberger (Baden-Baden/ Straßburg).
(96) zitiert bei Virion, Le Complot, aaO, S. 109.
(97) ebd. S. 102.
(98) ebd. S. 104.
(99) ebd.
(100) ebd.
(101) ebd. S. 105.
(102) S. 197 f.
Würdige dich uns voranzugehen, du unbeugsamer Verteidiger der Gottheit Christi. Höre auf unser Rufen; denn du bist gütig und hilfsbereit.
Begeistere uns, leite uns, bitte für uns die heiligste Dreifaltigkeit, dass wir wie du bis zum Ende standhalten.
Gedenke des christlichen Ostens.
Möchtest du doch in der Todesstunde uns entgegenkommen mit den heiligen Engeln, das Angesicht vom Heiligen Geist erleuchtet, im Glanz deiner Jugend und deines Wissens, so wie du dem Volk von Alexandrien erschienen bist, das dich als Bischof freudig begrüßte.
Führe uns ein bei Christus, unserem Gott. Wir erwählen dich als Führer in jenem Kampf, den wir an deiner Seite für den nizänischen Glauben bestehen.
Imprimatur: Kairo, 12. Juli 1971 Stephanos I Sidarouss, Kardinal-Patriarch von Alexandrien
Durch die Fürbitte des hl. Athanasius rette die Kirche, o Erlöser!
15. Auflage (37. Tausend), Januar 2000
Übersetzungen liegen vor in englischer, französischer, italienischer, portugiesischer und spanischer Sprache.
J. Kral, Verlagsdruckerei • 93326 Abensberg