VIII.
SO WIRD ES GEMACHT
Alle Leute atmen auf,
wenn in einem Museum, in einer Schatzkammer die Führung beginnt. Wie soll man sich denn sonst zurechtfinden?
So gehen wir in den ersten Saal, wo immer noch Jesus uns winkt, und finden allüberall in großen breiten Buchstaben angeschlagen: „Was hat denn der Heiland an mir für ein Interesse?“
Darüber wollen wir nun betrachten:
Vorgedanke: Ich will beten, will reden mit Gott — ich möchte mich jetzt in dieser stillen Stunde mit meiner Seele und mit meinem Gott befassen — ich will tief, tief eindringen in die Geheimnisse der Vorsehung Gottes. Jesus, mein guter Meister, lehre mich beten!
Leitgedanke: Ein großes, heißes Verlangen nach Fortschritt befällt meine Seele. Nun muß es vorwärtsgehen. Ich ruhe nicht mehr. Du weißt es, was mein großes Herzensanliegen ist: ich möchte eine schöne, tiefe Seele werden.
Hauptgedanke: Der Gegenstand meiner heutigen Betrachtung heißt: „Was hat der Heiland an mir für ein Interesse?“ Hat Er mich bloß ins Dasein gesetzt, damit ich auch da bin? Hat Er überhaupt an mir ein Interesse? Kümmert Er sich um mich? Nimmt Er sich die Mühe, bei den Millionen von Menschen an mich zu denken? — Gerade an mich? Eine merkwürdige Frage! Aber beantwortet muß sie werden.
Wenn es wahr ist, was die katholische Kirche sagt, was der Heiland sagt — und das ist wahr, dafür haben wir Zeugnisse in Menge —, dann ist jeder aus uns zur ewigen Seligkeit, zur Anschauung Gottes berufen.
Was haben schließlich Vater und Mutter in letzter Linie ein Interesse an mir? Mich glücklich zu wissen. Und Gott — der Heiland — mein Heiland? Auch das gleiche: Mich glücklich zu wissen. Und weil irdisches Glück keinen Bestand hat, irdische Freuden wieder aufhören, verblassen, Ekel und Überdruß übriglassen, darum muß es sich um ein Glück handeln, das alle irdischen Freuden weit übersteigt: es handelt sich um Ewigkeitsglück.
Und wie ein Freund bemüht ist, seinen Freund an einen guten Posten zu bringen, so — und noch mehr — gibt sich der Heiland Mühe, mir das Ewigkeitsglück zu verschaffen: Er will mich unter allen Umständen glücklich sehen — später einmal — wenn die Schleier fallen —. Er will — aus Liebe zu mir —, daß ich die Sünde meide. Er will — aus Liebe zu mir —, daß ich Opfer bringe. Er will — aus Liebe zu mir — mein Freund werden. Er will mich unter allen Umständen glücklich sehen; selbst wenn ich tief in Sünden verstrickt wäre, selbst wenn ich — wie der gute Schächer — jahrelang Verbrechen begangen hätte —, wie eine Magdalena oder Margareta von Cortona gesündigt hätte — ja auch dann noch, ja dann erst recht wünscht Er mit heißem Verlangen, mich endgültig einmal ganz glücklich zu sehen. Das merke ich ganz deutlich an seiner Fügung und Führung. Das merke ich an den vielen Aufmerksamkeiten, die Er mir ständig erweist. Er liebt mich tief — und will mich glücklich sehen.
Das ist jetzt schon der zündende Funke.
Funke: Heiland, was sagst Du dazu? — — Der letzte Blick am Kreuz aus den brechenden Augen — auf mich gerichtet — sagt es mir: Du liebst mich tief und willst mich glücklich sehen.
Flamme: Was soll ich dazu sagen? — — Ich bin nun sprachlos vor Staunen. Ich kann’s nicht fassen. Das hab ich noch nie gewußt, daß Du ein solches Interesse an mir hast. Du hast mich lieb und willst mich glücklich sehen!
So sage ich jetzt: Ich hab Dich lieb und will Dich mit mir zufrieden sehen.
Feuer: Jetzt verstehe ich Dein Interesse an mir. Du zielst ab auf meine Liebe. Ja, diese will ich Dir geben, reichlich geben. Damit hast Du mich wieder an mein kleines Geheimnis erinnert ... Ich fühle es auf- und ablodern.
Es brennt in Herzen und Händen. Deine Liebe ist überwältigend! Beschämung erfüllt mich, daß ich erst jetzt erkannt habe: Deine Liebe zu mir! Du liebst mich ja wie Deinen Augapfel — — und ich war blind — blind! Wie es mich reut, daß ich Dich so spät erkannte. Du hochgelobte Schönheit, Du!
Nun hast Du mich verpflichtet für immer zur Dankbarkeit. Ja, dankbar will ich sein. Bitte, bitte zeig mir, wie ich dankbar sein kann — nicht bloß in Worten, nein, auch in Taten.
Das Vertrauen ist wieder mächtig groß geworden. Heiland, ich glaube jetzt wieder an Deine Liebe zu mir. Hingabe, Gegenliebe, Opferliebe will ich Dir erzeigen. Vorsätze dabei einflechten. Heiland, Du weißt es: Die ungerechte Behandlung, die ich manchmal erfuhr, und das andere alles hat mich immer so erbost, gereizt, unlieb gemacht. Das will ich jetzt unterdrücken. Ich hab Dich lieb und will Dich zufrieden sehen. Das und jenes ... Du weißt es — kam über mich. Ich will’s ertragen, muß es ertragen mit Deiner Gnade. Du weißt, was mir droht — aber ich bleibe treu. Sicherlich, soweit es in meinen Kräften steht. Und Du hilfst mir ja, ich weiß es.
Bewahren: In einer Stunde kommt wieder diese unangenehme peinliche Arbeit, die mir immer soviel zu schaffen gemacht hat. Da will ich tapfer sein, will mir nichts anmerken lassen. Ja, eher lustig und guter Dinge, wie wenn es die mir liebste Arbeit von der Welt wäre.
Und in ein paar Stunden kommt wieder der Mensch, der mich immer geärgert hat. Ich darf gar nicht daran denken. Nein, falsch! Grade extra will ich jetzt schon daran denken und mich rüsten. Es soll und muß auch so gehen. Es muß gehen. Ich lasse mir nichts anmerken. Und wenn zehn solcher Menschen kommen. Wofür habe ich denn mein starkes Geheimnis. Das muß mir darüber hinweghelfen. Ich will es fleißig erwecken, nicht darauf vergessen, dann wird’s schon gehen.
Bewähren: Als Dein tapferer Jünger will ich mich bewähren. Da muß ich immer an mein großes Vorbild denken, meinen Mitarbeiter. Einfach ein großartiger Mensch. Der kann das mit einer Gelassenheit hinnehmen, die ganz staunenswert ist. Immer hab ich mir eingeredet: der hat halt eine andere Natur. Nein, jetzt mag ich nicht mehr im alten Schlendrian fortfahren, sonst müßte jeder zeitlebens so bleiben, wie er ist. Es gäbe keine Bekehrung, keine Besserung auf dieser Welt.
Und mit mir will ich anfangen. Ich muß mich bewähren als ein Nachfolger meiner großen Vorbilder.
Bewachen: Erst vor einer halben Stunde ist mir ein Wort entschlüpft. Das steht nicht im Einklang mit dem, was ich anstrebe. Freilich, andere würden darüber lachen und nichts daran finden. Aber andere wissen auch nicht, wie ich ständig kämpfen muß. Und sicher ist, daß derartige unbeherrschte Neigungen mit dem Streben nach vorwärts nicht zusammenpassen. Ich weiß nur zu gut, daß es immer ein verborgener Ehrgeiz und Stolz ist, der solche Früchte hervorbringt. Drum wird der Kampf bis aufs Messer mit meiner verderbten Natur fortgesetzt. Und wenn ich auch zweihundertmal noch unterliege, ich gebe nicht nach.
Schluß: Heiland, Du weißt, was mich der ständige Kampf kostet. Aber jedes Kämpfen sagt Dir auch, daß ich Dich liebe. Ich will nicht mutlos werden, sondern ermutigt und erfrischt wieder ans Werk gehen.
Die Liebe ist stark, sie überwindet alles, selbst den Tod. Jesus, sei Du mein Sieg! Füll Du die Herzensschale an mit Opferblut! Du bist die Krone der Überwinder! Amen. — Das war geglüht und gehämmert!
Nun
gibt es aber auch
noch
eine ganz einfache Art, sozusagen die
einfachste Art der
Betrachtung.
Das ist die Zwiesprache mit Gott. Ich meine nicht die einfache Art der vorwiegend beschaulichen Seelen. Bei dieser einfachsten Art der Betrachtung habe ich alle jene Seelen im Auge, die da sagen: „Ich kann nicht betrachten. Ich kann mich nicht sammeln. Die Betrachtung ist mir zu schwer. Mein Geist ist zu schwerfällig. Ich habe nicht die Geistesgaben und Anlagen zu hohem Geistesflug. Ein Schema mit vielen Punkten — ist mir ein Greuel. Lieber laß ich das Betrachten sein.“
All diesen — und wären es die einfachsten Landkinder oder Dienstboten von der Welt — sage ich:
„Ihr dürft nicht denken: ich kann nicht betrachten. Erstens habt ihr Augen, um zu sehen; zweitens ein Herz, um zu lieben. Und das brauchen wir, denn die Betrachtung ist nicht Verstandessache, sondern Herzenssache.
Und möget ihr noch so einfache Kinder des Volkes sein, versteht ihr die Sprache der Liebe nicht? Ein Beispiel wird das klar machen.
Wenn wir die obige Betrachtung zugrunde legen, so wickelt sich die einfachste Betrachtung ab in Form der Zwiesprache mit Gott, und zwar so, wie zwei Liebende oder zwei Freunde sich unterhalten: eben in Frage und Antwort.
Seele: Heiland, was sagst Du dazu? Was sagst Du mir?
Jesus: Ja, ich habe ein großes Interesse an dir!
Seele: Darauf habe ich noch nicht geachtet.
Jesus: Du warst eben zu zerstreut, zuviel mit andern Dingen, zu wenig mit Mir beschäftigt.
Seele: Ja, das ist wahr, Heiland. Aber die viele Arbeit!
Jesus: Selbst der vielbeschäftigte Mensch hat noch immer ein bißchen Ruhe, so daß er sich auch mit Mir befassen kann. Man denkt doch gern an das, woran man Interesse hat. Hättest du auf dem Nachhauseweg oder in der Straßenbahn nicht Zeit dazu gehabt?
Seele: Ja, ich sehe es ein und will wieder Deine Liebe zu mir, Deine Aufmerksamkeiten betrachten, ihnen nachgehen.
Jesus: Bist du nicht davon überzeugt, daß ich dich innig liebe, daß ich dich glücklich sehen möchte, glücklich machen möchte?
Seele: O ja, Heiland. Drum bin ich so tief beschämt.
„Heiland! Magst Du Dich mit mir überhaupt abgeben, magst Du Dich mit mir befassen? Wie armselig bin ich! Und Du wirbst um meine Liebe — Du bettelst gleichsam um meine Liebe!
Die Liebe sagt mir, daß ich Dir Beweise meiner Liebe geben soll. Die will ich Dir geben. Vor allem gebe ich Dir meine Hand: Ich will Dir treu bleiben. Du weißt, wie schwer ich in diesen Versuchungen zu kämpfen habe, aber ich will treu bleiben — um Deiner Liebe willen. —
Und die Opfer, die mir so schwer Vorkommen, will ich Deinetwegen auf mich nehmen. Du weißt es, wie ich darunter leide. Aber Dein Blick sagt mir, daß Du es mir nicht vergessen willst.
Jesus, bleib in meiner Seele — bitte — — ich muß jetzt gehen. Hier meine Hand. Ich will Dir Freude machen. Und nun, Jesus — gelt, wir halten gut zusammen — —.“
War das nicht auch eine schöne Betrachtung?
Wenn nun jemand
daran Anstoß nehmen sollte, daß man von Jesus Antworten entgegennimmt, den verweise ich auf die ganze mystische Literatur. Den verweise ich auf die kirchliche Lehre von den Einsprechungen des Heiligen Geistes und von der Einwohnung Jesu in der Seele.
Gerade die einfachen Seelen, die nur diese Art der einfachsten Betrachtung fertigbringen, verfallen nicht auf Hirngespinste, halten diese Zwiesprache nicht für Privatoffenbarungen und wollen keine falsche Mystik (Ansprachen Jesu auf den höheren Stufen der Mystik) züchten. Gerade die einfachen Seelen sind sehr vernünftig und klug und verfallen nicht der Schwärmerei.
Sollte aber doch jemand dieser Art von direkter Zwiesprache ein Mißtrauen entgegenbringen, dem empfehle ich das einfache Reden mit Gott.
Ein Vergleich wird es anschaulich machen: Eine gute Mutter sitzt am Nähtischchen und flickt. Das Kindchen kommt zur Mutter, spricht, fragt, lächelt, freut sich, nimmt vertrauensvoll und lieb das Ende der Schürze in die Hand und ist zufrieden, wenn die Mutter nur manchmal aufs Kind einen Blick der Liebe oder des Lächelns — gleichsam als Zustimmung wirft. Es redet in einem fort mit sich selbst, spricht sich an, gibt sich Antworten, stellt sich Fragen. Die Mutter hört nur zu.
Diese kindliche Art meine ich. Und die ganze Verteidigung dieser Methode finde ich in dem Heilandswort: „Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder . . .“
Es braucht keine Antworten. Das einfache Reden mit Gott genügt. Man betrachte nur einmal den letzten Teil der vorigen Art, wo die Seele allein spricht, ohne irgendwelche Fragen zu stellen. Manche sonst hochstehende Seelen, denen das Betrachten eine Qual war, werden mit dankbarer Freude dieser einfachsten Art sich bedienen und Erfolg haben.