X.

VORAUSSETZUNGEN — SCHWIERIGKEITEN

 

Wer mit dauerndem Erfolg

sich die göttlichen Schatzkammern zunutze machen will, muß bestimmte Voraussetzungen kennen und darf Schwierigkeiten, die sich einstellen können, nicht scheuen.

 

Voraussetzungen

1.   Zur Nahrung des Feuers gehört Holz. Dieses „Holz“ für die Betrachtung soll gesammelt werden durch die geistliche Lesung, z. B. der Heiligen Schrift, besonders des Neuen Testaments, durch gute Zeitschriften und Bücher. Das alles ist Nahrung für die Betrachtung. Je größer der „Holzvorrat“, desto stärker das Feuer. Jede Predigt, die man hört; jedes gute Wort, das man empfängt, kann so „Brennmaterial“ abgeben.

2.   Das Holz muß trocken sein, d. h. nasses Holz brennt nicht. Und wenn die Seele voller Fehler ist, voll Ausgegossenheit, voll Zerstreutheit, voll freiwilliger Fehler, dann kann das Feuer der Betrachtung nicht entstehen.

Die Seele muß auch abgetötet sein, ebenso wie das Holz abgelagert sein muß.

3.   Der Betrachtungsstoff kann aus einem Betrachtungsbuch genommen werden. Es muß nicht die ganze Betrachtung genommen werden, sondern es genügt auch ein Abschnitt oder sogar ein Satz, wenn aus demselben der Funke hervorgeht.

Der Betrachtungsstoff kann auch mehrmals der gleiche sein, ohne daß man weitergeht. Solange das Holz brennt, nützt man es natürlich aus. Man wirft das brennende Holz nicht weg. Auch Katechismus, Biblische Geschichte, das Neue Testament selbst können zur Betrachtung benützt werden. Ferner, was sehr zu empfehlen ist: Man denkt sich: „Über dieses oder jenes will ich einmal betrachten“:

Z. B.: Ich will eine Betrachtung halten über die „Innerlichkeit“. Man braucht gar kein Buch dazu, sondern sucht sich alles zusammen. Oder über „die Interessen Jesu“ — über „die Liebe, die uns aus dem Kripplein entgegenstrahlt“, — über „Herr, den ich tief im Herzen trage, sei Du mit mir“, — über „Ich will nur das denken, was dem Heiland Freude macht“, — „Ich will nur das sagen und tun, was dem Heiland Freude macht“ —, über „die schöne Seele“, — über „das Schlachtopfer“.

Alle großen Gedanken können zugleich Betrachtungsstoff und Betrachtungsgegenstand sein. Wer kein Buch zur Vorlage braucht, der ist um so besser dran. Wer aber eines nehmen will, tue es.

Ich möchte auch jene nicht tadeln, die in Zeiten der Trockenheit — nach der Weisung der heiligen Theresia von Avila — nachdenkend lesen, den Geist (Verstand) in der Betrachtung göttlicher Dinge bereichern und das Herz dann dankbar beten lassen.

4.   Änderungen im Gang der Betrachtungen können sich sehr wohl ergeben. Wer bei Beginn der Betrachtung schon durch einen großen Gedanken gefesselt wird, hingerissen ist z. B. zur großen Opferliebe, oder entzündet ist von den Aufmerksamkeiten des Heilandes, der braucht nicht erst lange den I. Teil (die Erwägung) durchzunehmen; dieser Teil hat den Zweck, die „Zündung“, den Funken hervorzubringen. Wenn aber statt des „Funkens“ schon „Feuer“ in der Seele ist, kann man sofort auf II., 2 und 3, also auf Flamme und Feuer, übergehen und die ganze Betrachtungszeit ausfüllen mit Anmutungen, Bitten und Vorsätzen. Diese Gnadenzeit, in der die Seele so mächtig entzündet wird, soll man gut ausnützen.

Es kann sein, daß man in einer halben Stunde mit der Betrachtung, beziehungsweise mit der Auswertung des „Feuers“ nicht fertig wird. Man lasse alsdann ruhig das „Feuer“ weiter brennen bis zum nächsten Tag und halte es durchs kleine Geheimnis fleißig warm, glühe weiter, solange „Holz“ da ist. Das gibt dann Vorrat für spätere Zeiten, zumal für Zeiten der Trockenheit, da man froh ist, schon Betrachtungsstoffe gesammelt zu haben.

Was in unserer Seele gut „durchgekocht“ ist, das haben wir sofort zur Hand, etwa zur Zeit der Versuchung oder Prüfung.

So oft also in der Seele schon „Feuer“ glüht, soll man sich nicht erst lange mit der Erwägung befassen; denn es gilt nicht eine eigentliche „Verstandesarbeit“ zu leisten, sondern es handelt sich um eine Herzenssache! Doch dürfen trockene Verstandesmenschen auch ihre mehr verstandesmäßige Beschäftigung mit göttlichen Dingen als Betrachtung gelten lassen, wenn sie dabei das (Bitt-)Gebet pflegen.

5.   Man kann bei Betrachtungen über die verschiedensten Gegenstände dennoch auf dasselbe Resultat, auf die gleichen Vorsätze zurückkommen. Z. B. daß man sich im Schweigen üben, daß man dies tun, jenes unterlassen, daß man einer bestimmten Hauptleidenschaft energisch beikommen wolle.

 

Schwierigkeiten.

Wenn sich keine rechte Betrachtung einstellen will, wenn man keine Betrachtung „zusammenbringt“, dann können folgende Mängel vorliegen:

1.   Körperliche Müdigkeit und Abgespanntheit. Alsdann versuche man die Zeit auszunützen durch einige kleine Stoßgebete und Anmutungen oder lese ruhig in einem Erbauungsbuch weiter.

2.   Seelische Müdigkeit und Schlaffheit, an der man nicht schuld ist. Man betet langsam den Namen „Jesus, mein Jesus“, oder man wiederholt das kleine Geheimnis oder irgendein anderes Gebet; oder man sagt: „Jesus, ich bin da; ich opfere Dir die Betrachtung auf, bei der ich nichts zustandebringe. Ich sehe, daß ich nichts aus mir kann, sondern alles nur mit Deiner Gnade. Jesus, ich will warten, bis Deine Gnade kommt. Ich will versuchen, das meinige zu tun."

3.   Wenn das Feuer im Ofen nicht brennt, so kann „nasses Holz“ schuld sein: Ausgegossenheit, Zerstreutheit, freiwillige Fehler, Eigensinn, Launenhaftigkeit, grobe Lieblosigkeit usw., oder recht viel „Ruß im Ofen“: freiwillige Fehler, Unabgetötetheit. Dies alles sind freiwillige Hindernisse, die man selbst beseitigen kann.

4.  Es kann auch sein, daß der Ofen nicht „zieht“, obwohl am Ofen selbst nichts fehlt. Der Grund liegt in der Luftveränderung; mitten im Winter weht z. B. eine wärmere Luft. Der Ofen zieht deshalb nicht. Bei der Betrachtung kann es auch Vorkommen, daß wir ohne unsere Schuld einfach nichts fertigbringen. Dann warte man ruhig und demütig das Wehen der Gnade ab.