XXIX.

EBENSO GROSS WIE WAHR

 

„Seine Liebe ist ebenso groß, wie sie wahr ist.

 Nur Erfahrene können darüber sprechen.

Zugleich ist dieses Gebiet der Freundschaftsliebe des Heilandes ein so feines, zartes, hoheitsvolles, daß ich mir fast Bedenken darüber mache, solche lieben Geheimnisse preiszugeben. Aber ich habe ja das Ganze für Strebsame geschrieben und diese dürfen es wissen. Jene, für die es nicht bestimmt ist, werden es nicht verstehen oder darüber hinweglesen, — die Eingeweihten aber jedes Wort ausschöpfen und sagen: „Ja, so ist es auch bei mir schon gewesen.“

Hören wir:

„Wochenlang hatte ich um eine Gnade gebetet — um das Seelenheil meines Mannes — da traf eines Tages gerade das Gegenteil von dem ein, um was ich den Heiland so innig, so ganz aus tiefstem Herzen gebeten hatte, es abzuwenden.

Was tat ich da in meiner Verblendung? Verbittert und verdrossen sprach ich: „Jetzt will ich überhaupt nicht mehr beten, denn mein Beten hilft doch nichts!“ Oh, daß ich so töricht war, dem Heiland Seinen Gnadenweg gleichsam vorschreiben zu wollen und so kleinlich und so ungeduldig! Wie aber hat mich der gute Heiland so tief beschämt! Er hat mich nicht bestraft für mein Mißtrauen an Seine Allmacht, hat mich nicht zutiefst niedergedrückt in Trostlosigkeit, wie ich’s wohl verdient hätte. War ich doch ein trotziges Kind, das nichts als die Rute verdiente! Aber nein, so ein nachsichtiger, gütiger Erzieher war der Heiland! Er hat mir mehr gegeben, unendlich mehr, als worum ich ihn gebeten hatte:

Gänzlich unerwartet kam eine ausschlaggebende Wendung in unserem Leben, die nicht nur eine bedeutend verbesserte Lebensstellung mit sich brachte, sondern auch einer mir nahestehenden lieben Person Gelegenheit bot, schlimmen Gefahren für ihr Seelenheil aus dem Weg zu gehen, die ihren Charakter festigte und sie seelisch gewaltig förderte. Mir aber hat diese Gnade viel weiter vorwärts geholfen, als wenn ich nach meinem Beten gleich Erhörung gefunden hätte; denn durch diese Wendung hat mich der Heiland in Seiner Noblesse nicht nur tief beschämt, sondern mir auch aus meiner kleinlichen Erfolgbeterei emporgeholfen zu einem unbedingten Vertrauen auf den Weisesten (der uns die besten Wege führt) und zu einer schrankenlosen Ergebung in Seinen Willen.

Mein Beten ist seitdem kein Bitten und Betteln mehr, nur noch ein Danken. Und mein kleines Geheimnis ist jetzt erst wahr geworden: „Heiland, Dir schenke ich meine ganze Herzensliebe.“

 

„Seine Liebe ist ebenso heiß, wie sie wahr ist“

Der Hauch Gottes: „Es geht oft etwas ganz Eigentümliches in meinem Innern vor, besonders an Tagen, an denen ich das kleine Geheimnis fleißig geübt habe. Es überkommt mich oft ganz plötzlich, sogar während ich mich mit den anderen unterhalte, eine ganz eigentümliche, geheimnisvolle Rührung, wobei ich mich der Tränen nicht erwehren kann. Ich habe dann das Gefühl und den Drang, zu flüchten, um mit Gott allein zu sein. Es ist mir dann, als ob der Heiland mit einer unbeschreiblich großen Gewalt mich an Sich ziehen würde. Ich möchte sterben und zum Heiland hin, kann aber nicht, weil sich die Seele vom Leib nicht scheidet. Es ist gerade wie bei einem Gewitter, wenn die Blitze leuchten. Auf einmal ist’s dann wieder ganz dunkel, stürmisch und kalt.

Diese Vorgänge wiederholen sich jetzt schon längere Zeit. Nur habe ich Sorge, ob ich mich nicht etwa bei diesen außerordentlichen Vorgängen in meinem Innern täusche. Können solche geistlichen Tröstungen auch vom bösen Feind kommen? (Wenn die Seele Ruhe und Stärkung dadurch erfährt, kommen sie nicht vom bösen Feind.)

Soviel ich mit meiner schwachen Kraft vermag, will ich den Priestern durch Gebet und Opfer unter die Arme greifen, um auch einen kleinen, ganz kleinen Anteil an der Rettung unsterblicher Seelen zu haben.“

Priesterliche Freundschaft: „Als Priester habe ich zuweilen schon so viel Freundschaftsbeweise vom Heiland erhalten, daß ich staunen muß. Warum führt Er mir oft gerade die und die Sünder zu? Warum hat Er mich die rechten Worte finden lassen, um auf diese und jene Sünder einwirken zu können? Und diese seligen Stunden, wenn wieder ein Sünder, eine Sünderin zurückgefunden hat zum Herzen Jesu! Wie herrlich ist es doch, den Menschen erzählen zu können von der Liebe des Herrn, die ebenso heiß wie wahr ist.“

„Nach Wochen voll bitterer Leiden und Tränen wollte der Heiland mir wieder manch liebe Aufmerksamkeit erweisen. Ja, der Heiland ist so gut und Seine Liebe ist ebenso heiß wie wahr. Er führt mich noch immer durch die Wüste, Er wirft mich hinein ins Feuer und macht mich mit sanfter Gewalt immer und mehr los vom eigenen ,Ich‘. Es ist ein hartes, schweres Ringen und Kämpfen; die inneren Leiden nehmen zu, Versuchungen, hauptsächlich gegen den Glauben und die Reinheit, toben oft so mächtig und scheinen mein Inneres vollständig zu durchwühlen. Ich komme mir oft vor, als wäre ich von lauter bösen Geistern umgeben, die mich ganz in ihre schwarzen Hüllen wickeln und mit Finsternis umgeben.

Nach solch heftigen Versuchungen bin ich meist so verwirrt, und es kommt mir vor, als hätte ich die schrecklichsten Sünden begangen. Ich wäre dann nicht imstande, zu unterscheiden, ob ich die Versuchung überwunden oder ob ich schwer gefehlt habe. (In diesen Fällen bedarf es der sicheren Hand des Seelenführers, damit dieser mit einem Wort sofort den Sturm stille.)

Dann beginnt ein neuer Sturm und nur der Gedanke:`‚Heiland, Du kennst mein Verlangen, weißt ja alles, was in mir vorgeht, weißt auch, wie ich mich sehne, ganz rein, ganz Dein zu sein’ — dieser Gedanke gibt mir wieder Ruhe. Ja, mit allen Fasern meines Herzens verlange ich näher zum Heiland zu kommen, und deshalb ist es mir oft so wehe, weil ich glaube, Ihn noch zu verlieren und immer weiter von Ihm mich zu entfernen.

Ich sehe mich mehr als je voll Elend, voll Armseligkeit, voll Unbeholfenheit. Ich habe noch einen weiten Weg zu gehen, bis ich das Ziel erreicht, das ich im Auge habe. Immer deutlicher zeigt mir der Heiland, was ich bin ohne Seine Hilfe. Oft denke ich mir, es ist schon viel, mit welcher Geduld der Heiland mich erträgt. Immer wieder sage und verspreche ich: Heiland, ich will, ich muß besser werden, das ,Ich’ muß sterben, wenn es auch noch so schmerzt, aber gleich darauf schon stoße ich mich wieder an einem Steinchen, das am Wege liegt. Aber ich glaube, der Heiland läßt es zu, weil Er mich liebt, und daß Er mich liebt, glaube ich fest, sonst hätte Er mich schon längst von sich gestoßen und mir nicht solch außerordentlich große Barmherzigkeit erwiesen. Auch heute noch, und gerade in den größten Stürmen erweist der Heiland mir unendlich viel Liebe; denn wenn Er mich nicht halten würde, müßte ich untergehen. Herr Pater, ich glaube, der Heiland hat mir das Verlangen nach Leiden ins Herz gelegt, denn wenn ich einige Tage weniger zu leiden habe, bin ich gar nicht so glücklich und ein förmlicher Leidenshunger überkommt mich. Ja, lieben und leiden soll meine einzige Freude sein.“

 

„Seine Liebe ist großartig.“

„Es ist ein ganz anderes Leben jetzt, ein Leben der Liebe — seit einem Jahre ungefähr.

Ich bin jetzt fast immer mit Jesus vereint, fühle Seine Nähe und denke an Ihn, außer wenn ich durch vieles Reden oder zerstreuende Arbeiten und durch meine Fehler selbst die Verbindung mit Ihm verliere. Es ist auch meine tägliche Bitte nach der heiligen Kommunion und eigentlich auch die einzige: Sein ständiges Bei-mir-bleiben. Und ich fühle, daß dazu zwei Dinge notwendig sind: Tiefe Sammlung (also möglichst wenig reden, ruhig bleiben, sich durch nichts Äußeres ablenken lassen) und völlige Hingabe. Ich habe das alles noch nicht erreicht. Mein ganzes Streben aber geht dahin. Bei der heiligen Kommunion macht Er mich jetzt oft wieder so tief selig. Im Oktober hatten wir an den Sonntagen fast immer Aussetzung des Allerheiligsten im Hochamt. Da hat Er mich jedesmal gerade mit Wonne überschüttet. Auch heute morgen im Hochamt war es wieder besonders ergreifend. Und doch kann und darf ich mich Ihm nicht völlig hingeben. (Gemeint sind die mystischen Gnaden, die auch auf den Leib einwirken.) Ich muß mich beherrschen, und das ist fast eine Qual, aber eine süße.

Und auch nachts gibt Er mir wieder soviel in letzter Zeit. Man fühlt unwillkürlich, daß Seine Liebe ebenso heiß wie wahr ist: Jesus ist einfach großartig in Seiner Freundschaft!“

„Wer es fassen kann, der fasse es!“

 

In den Berichten so vieler,

die das kleine Geheimnis so treu üben — selbst von Jugendlichen in aller Welt — heißt es immer wieder:

„Wir sind so glücklich und werden immer glücklicher:“ Dieses Beglücktsein hat nichts mit dem Gefühl zu tun — sonst würden die Opfer nicht gebracht —, sondern es ist dies, nach einer neuen theologischen Studie von Weihbischof Dr. Zimmermann:

eine Beschenkung durch den Heiligen Geist. Und wir erinnern uns an das Wort Jesu: „Wer Mich liebt, dem werde Ich Mich offenbaren“ (Joh. 16, ...), (im Sinn von Kundtun).

Ja, wer es fassen kann, der fasse es!