XXXI.
ER HAT EIN ANRECHT DARAUF
„Es ist Ihm ebensoviel an meiner Liebe gelegen, wie Er ein Anrecht darauf hat.“
Jesus hat ein Anrecht auf unsere Liebe.
Hat Er dieses Recht schon als Schöpfer und als Vater, der über den Sternen thront, so noch mehr als unser gekreuzigter Freund. In der Tat war es auch zu allen Zeiten das Andenken an das Leiden Christi, das die Seelen so in seinen Bann gezogen hat und am handgreiflichsten von der Liebe des Herrn erzählte. Hat ja doch niemand eine größere Liebe, als daß er sich hinopfert für seine Freunde und Feinde.
1. „Die ganze Karwoche war ich wieder recht krank. Meine Freundin mit mir. Wir durften mit dem Heiland etwas leiden. Gewiß war das eine liebe Aufmerksamkeit des Heilandes. Es waren vornehme Gnadenerweise, daß wir an den Kartagen nicht in die Kirche gegen konnten, aber der Heiland hat es halt so von uns verlangt. „Heiland, wie Du willst. Ich will Dir ganz geopfert sein.“ Am Karfreitag habe ich ein Bild vom göttlichen Herrn einige Zeit betrachtet, wie Er am Kreuz hing. Auf einmal konnte ich nicht mehr. Tränen traten mir in die Augen. Ich war so von Mitleid gerührt. Der arme Heiland, was hat Er ausgestanden! Könnte ich ihm doch recht viel Trost und Freude bereiten! Er ist ja so gut gegen uns und erweist uns eine Aufmerksamkeit um die andere.“ Die Interessen Jesu lassen uns nicht schlafen. Selbst Krankheiten geben uns willkommene Gelegenheit für die Bekehrung der Sünder, und das ist doch ein großes Herzensanliegen des Heilandes.“
2. Da schreibt eine ganz jugendliche Seele, fast noch ein Kind zu nennen, so vielsagend:
„Ich möchte so gern alle Heidenkinder zum Herzen Jesu führen. Ich denke viel an diese Heidenkinder und bete viel für diese armen Hascherl. Auch die Sünder vergesse ich nicht. Wie muß das Jesus in Seinem Leiden besonders weh getan haben, als Er in Seinem bitteren Leiden und Sterben so viele Seelen sah, die trotz Seiner Liebe verloren gehen, weil sie es so wollen.“
Wir sehen, die Freundschaft mit Christus macht diese Liebe bräutlich zart.
3. „Morgens bei der heiligen Kommunion habe ich mich Jesus besonders wieder als Opfer Seiner Liebe angeboten. Auch da war Jesus wieder sehr aufmerksam, da ich am Nachmittag vom Bruder, der mich verfolgte, einen Faustschlag ins Gesicht bekam. Wie glücklich war ich dabei! Durfte ich doch Jesus diesen Schlag abnehmen. Seitdem ich mich Jesus ganz als Schlachtopfer der Liebe weihen konnte, ist meine Seele übervoll von Freude; fast jeden Tag darf ich leiden, dem Geliebten meiner Seele Rosen streuen. O heiliges Kreuz, ich liebe dich, weil Jesus es auch geliebt hat. Selige Augenblicke, Stunden und Tage, wo ich leiden darf. Mit der Liebe kann man alles annehmen, alles tragen. Ich spreche immer von Leiden, doch nein, es ist ja nur Liebe, Liebe und für jeden Liebesbeweis will ich Jesus aus ganzer Seele danken.
Früher war mir das so schwer, wenn ich unschuldig leiden mußte, da hab’ ich immer geweint und war sehr empfindlich. Jesus, meine Liebe, versüßt mir das Kreuz so sehr und gibt mir soviel Freuden. Die Liebe Jesu zu mir ist wirklich groß. Er erbarmt sich meiner immer wieder. Oft muß ich mich zusammennehmen, daß niemand merkt, welche Seelenfreude ich in mir trage. Wie schön, wenn niemand es weiß, als nur der Heiland und mein Seelenführer. Ja, ich will schweigen aus Liebe.
Immer will ich Jesus lieben, Tag und Nacht, nur Ihn allein. Ich sag’ Ihm mein Liebstes, mein Geheimnis und bete für die Bekehrung der Sünder und will ihm durch Abkürzung des Schlafes für die Beleidigungen der Nacht Sühne leisten. O Liebe, wie wenig kennt man Dich! Wie wenig liebt man Dich! Jesus, verzehre mich ganz in der Glut Deiner heiligen Liebe und ziehe mich ganz an Dich!
Eine Schülerin des Heilandes sein, Ihm nachfolgen dürfen, wie mich das freut! Überall will ich dem Geliebten meiner Seele folgen, ob Kalvaria aber Tabor, ganz gleich, nur will ich Ihn recht innig um Seine Gnade bitten. In der Liebe zu Jesus will ich alles dulden, alles annehmen mit freudigem Herzen, aus reiner, tiefer Liebe. Jesus will ich recht innig bitten, daß ich in der Ewigkeit zu Ihm kommen und Ihm sagen darf: „Heiland, Dir hab’ ich meine ganze jungfräuliche Liebe geschenkt! Nur Dich allein hab’ ich geliebt.“
So macht mich mein kleines Geheimnis glücklich. Jesus möge doch recht viele Seelen ins kleine Geheimnis einführen und sie recht glücklich machen. Nie kann ich dem Heiland genug danken für die vielen großen Geschenke Seines liebenden Herzens.“
4. Gelegentlich einer Brucknerfeier schrieb ein bedeutender Schriftsteller:
„Sooft wir das Lebenswerk eines ganz Großen im Reiche der Töne an uns vorüberziehen lassen, ergreift uns von neuem das Wunder, das im letzten Grunde auch das Geheimnis der großen Persönlichkeit ist: der Mensch scheint das Werkzeug einer höheren Macht zu sein. Nicht er wirkt, spricht, musiziert: es wirkt, spricht, tönt aus ihm, und sein ganzes Leben ist nur ein Ringen mit den Armseligkeiten des Alltags um Licht, Luft und Freiheit zur Erfüllung einer heiligen Sendung, die wortlos und doch so ungeheuer wesenhaft von jenem geheimnisvollen Wesen, das wir als Gott erkennen, in sein Lebenszentrum gelegt ist.“
Keine der Künste,
die wir kennen, ist so rätselvoll wie die Musik; keine ergreift so unmittelbar als Sprache des höheren Geistes unser Wesen. Und erst heute beginnt den hellsten Köpfen langsam eine Ahnung aufzudämmern davon, was die anscheinend so willkürlich entstandenen Formen und Systeme der Tonkunst eigentlich an Sinn und Leben bergen.
Wie ein tiefer Strom rauscht die Musik durch das Leben der neueren Menschen und Völker und sagt ihnen durch ihre Auserwählten, was sie bedrückt, berauscht, erlöst. Ist sie für die Vielen so recht die Sprache des Menschenherzens, so gewinnt sie erst ihre ganze und eigentliche Weltbedeutung als symbolisches Deutungsmittel für die Religion im weitesten Sinne, d. h. für die Auseinandersetzung des Menschen mit Schicksal und Unendlichkeit außer ihm und in ihm.
Sie ist ein Teil jenes göttlichen Funkens, der in jedem Menschen schlummert. Wunderbar ist es, wenn diese ungreifbare Macht ein Menschenkind zur Sendung ruft, die Flamme in ihm erweckt: Nicht in die Paläste der Großen und Reichen leuchtet der Strahl der Gnade, sondern mehr in die Hütten der Armen, und da hat sie einen Bruckner erweckt.
Wie ein Moses hat er an den Felsen geschlagen, und es quoll mächtig, übermächtig hervor.
Und dort, wo er am mächtigsten rauscht, der Strom seiner Tonwelt, dort hat das Göttliche aus ihm gesprochen. Dort hat ihn die geheimnisvolle Macht gezwungen, Riesengebäude aufzuführen, den Chor der Posaunen und Tuben machtvoll schwellen zu lassen: in Harmonie, Melodieführung und Kontrapunktik Unerhörtes zu wagen, wovor er in seinem Theorieunterricht selbst ängstlich die Augen schloß: es war stärker als er, der als unbeholfener Kleinbürger durchs Leben dienerte.
So ähnlich hat auch Richard Wagner Großes, ganz Großes geschaffen, Überwältigendes, Musikdramen, die weit über seine Persönlichkeit hinausgingen. — Er stand im Bann des Schöpferischen und — war nur Werkzeug. Das kommt uns besonders bei Parsifal zum Bewußtsein, wo alle Umdeutungsversuche ins Buddhistische den wunderbaren Zusammenklang echt katholischer und urchristlicher Gedanken vom Priestertum und vom Priesterleiden nicht wegleugnen können.
So ähnlich hat auch der Heiland
— freilich, es ist nur ein schwacher Vergleich, was ich vorhin sagte — in ganz anderem Maßstabe den göttlichen Funken im Menschen hervorgezaubert bei seinem Liebeswerben. So großartig und einzigartig, daß alle Gottesleugner, Gotteshasser und Spötter die grandiose Liebe heiligmäßiger Seelen aus der Welt nicht hinwegdisputieren können, die nun einmal in zahllosen Heiligen geschichtliche Tatsache geworden ist.
Wie die Musik die sprechendste aller Künste ist, so möchte ich es mit einer hinreißenden Musik vergleichen, was da in Seinem Liebeswerben der Heiland in die Seelen hineingießt. Und edle, herrliche Kunstwerke wahrlich schafft Er Sich da.
Jesus hätte ein Anrecht auf unsere Liebe, auch wenn Er uns nicht den ewigen Himmel gäbe. Aber — nun kommt das Großartige — Er kann sich in Seinen Liebesbeweisen nicht genug tun.
Dem Heiland ist so sehr an unserer Liebe gelegen, daß Er nichts von dem verlorengehen lassen will, was einmal dieser Liebe gedient hat.
Das ist der tiefste Grund unserer Auferstehung: Es soll unser Leib, der die Liebe des Herrn mitgeatmet hat, der von dieser Liebe zu Jesus durchdrungen war, auch teilnehmen dürfen an der Herrlichkeit im Himmel.
Jesus findet es Seiner nicht würdig, daß Er Wesen, die Ihn persönlich geliebt haben, bis zum Tode geliebt haben, nur auf eine Zeitlang Seiner Liebe würdigt. Er hat ein großartiges Mittel gefunden, das einzig und allein Seiner wert ist: — unsere Berufung zur Liebe ohne Ende — zur Freundschaft ohne Ende! Das ist der Himmel. Ja, das und nur das ist der Himmel!!