Anna Katharina Emmerich
Visionen
über die Engel, die Armen Seelen im Fegfeuer,
die streitende Kirche u. a.
ANNA KATHARINA EMMERICH
VISIONEN
über die Engel, die Armen Seelen im Fegfeuer, die streitende Kirche u. a.
Aus den Tagebüchern Clemens Brentanos
herausgegeben von
P. Karl Erhard Schmöger
PATTLOCH VERLAG
Inhalt
2. Der heilige Erzengel Michael
SIEG DER STREITENDEN KIRCHE ÜBER IHRE FEINDE
durch Vermittlung der unbefleckt empfangenen Jungfrau Maria
HEILIGES MESSOPFER – PRIESTERTUM - SAKRAMENTALIEN
LOHN UND STRAFE IM ANDEREN LEBEN
1. Das Geheimnis vom Hochzeitsmahle und vom hochzeitlichen Gewande
3. Wohnungen im himmlischen Jerusalem
SÜHNUNGSLEIDEN FÜR DAS HEILGSTE SAKRAMENT
ANNA KATHARINAS LETZTE LEBENSTAGE UND TOD
Die folgenden Gesichte, welche in die Natur und Tätigkeit sowohl der guten als der bösen Engel einen überraschenden Einblick gewähren, hatte Anna Katharina am Feste der heiligen Schutzengel im Jahre 1820. Sie erzählte:
«Ich sah eine irdische Kirche und viele mir bekannte Menschen darin. Über derselben sah ich viele andere Kirchen, in welche man wie in die Stockwerke eines Turmes hineinsah. Alle diese Kirchen waren mit Chören von Engeln angefüllt und jede mit einer andern Art. In der höchsten Höhe sah ich die heilige Jungfrau vor dem Throne der heiligsten Dreifaltigkeit von der höchsten Ordnung umgeben. Unten sah ich die Kirche; hinauf war es wie ein Himmel über dem andern von lauter Engeln. Oben war eine unbeschreibliche Ordnung und Tätigkeit; unten in der Kirche war alles über die Maßen schläfrig und nachlässig; das fühlte man besonders, weil es das Engelfest war, und weil die Engel jedes Wort, das die Priester bei der heiligen Messe träge und zerstreut sprachen, so unbeschreiblich schnell hinauf zu Gott brachten und alle Mängel zu Gottes Ehren gut machten. Ich sah in der Kirche eine wunderbare Tätigkeit der Schutzengel neben den Menschen. Ich sah, wie sie andere Geister von ihnen scheuchten, indem sie ihnen bessere Gedanken zuführten, ihnen rührende Bilder vorstellten. Die Schutzengel gelüsten nach Gottes Befehl; das Gebet ihrer Schützlinge macht sie noch eifriger. ..» Später sagte sie: «Die bösen Geister sind nicht durchsichtig und lieblich wie die Engel; sie schimmern zwar auch, aber es ist nur ein trüber äußerer Glanz wie ein Widerschein. Sie sind entweder faul, müde, träumerisch, schwermütig oder heftig, zornig, wild, fest, starr oder leicht gaukelnd usf. Es ist, als seien sie Leidenschaften. Sie sind farbig, und ich habe dieselben Farben an ihnen bemerkt, welche ich bei Leiden und Gemütskämpfen durch die Menschen ziehen sehe, und welche ich in der Glorie der Märtyrer verklärt aus ihnen hervorstrahlen und sie leuchtend umgeben sehe. Es ist, als würden die Leidenschaften, durch Schmerzen aus ihnen getrieben, ihnen zur Siegesfarbe. Diese Geister haben scharfe, schneidende, heftige, eindringende Gesichter; sie sind außerordentlich andringend auf die menschliche Seele, wie Insekten auf gewisse Gerüche und Pflanzen. Sie erwecken im Menschen allerlei Gelüste und Gedanken. Sie sind über ihrer ganzen Gestalt wie mit feinen Stacheln, mit Ausstrahlungen, mit Reiz bedeckt; sie selbst bringen keine Sünde, keine Tat hervor, sie trennen aber den Menschen von göttlichen Einflüssen, sie öffnen ihn der Welt, betäuben ihn mit sich selbst, binden, drücken ihn an die Erde auf verschiedene Weise, und wenn er ihnen nachgibt, geht er in Finsternis, und nun naht der Teufel und drückt wie ein Siegel auf; es wird eine Tat, eine Sünde, es wird wie eine Geburt — es ist eine Trennung vom Göttlichen geschehen. Ich sah besonders, wie die Kasteiung und das Fasten den Einfluß dieser Geister sehr schwächt und die Nähe und Tätigkeit des Schutzengels stärkt, und wie besonders der Empfang der heiligen Sakramente ihnen widersteht. Ich sah, daß gewisse Neigungen und Abneigungen des Menschen, Gelüste und unwillkürlicher Ekel mit diesen Influenzen zusammenhängen, und daß besonders der Ekel vor gewissen Tieren, besonders Ungeziefer und Insekten, eine geheimnisvolle Bedeutung aus ihnen hat; und daß die Insekten, welche uns besonders zuwider sind, Bilder der Sünden und Leidenschaften sind, zu welchen wir durch den Zusammenhang mit diesen Geistern am meisten geneigt sind. Ich habe auch erkannt, man solle sich immer bei dem Ekel vor Ungeziefer an seine Sünden und bösen Eigenschaften erinnern, deren Gestalt sie hätten. Ich sah solche Geister in der Kirche manchen Leuten allerlei Schmuck und Tand vorhalten und sie nach allerlei Begierden hinwenden; dann sah ich oft wieder den Schutzengel mitten durch sie durchdringen und den Menschen aufrichten. Ich kann die unendliche Mannigfaltigkeit solcher Bilder gar nicht aussprechen. Ich sah, daß die Großen auf Erden auch Geister von größerer Gewalt dieser Gattungen haben, und sehe auch wieder Engel von großer Gewalt gegen sie auftreten. Ich hatte einen Blick auf die Schweiz und sah, wie der Teufel da in vielen Regierungen gegen die Kirche agiert. — Ich sah auch Engel, welche das irdische Gedeihen befördern und etwas über Früchte und Bäume ausstreuen. Ich sah auch Engel über Ländern und Städten schützend und wehrend, auch sie verlassend. — Ich kann nicht sagen, wie unzählige Geister ich gesehen. Die Luft würde sich verfinstern, so sie Körper hätten. Wo diese Geister großen Einfluß auf den Menschen haben, sehe ich auch immer Nebel und Nacht. — Ich sehe oft, daß ein Mensch einen andern Schutzengel erhält, wenn er eines andern Schutzes bedarf. Ich habe bei mehreren Gelegenheiten einen andern Führer gehabt.» Während Anna Katharina dies erzählte, wurde sie plötzlich entrückt; nach einiger Zeit sprach sie seufzend: «Es ist so weit, so weit, wo diese herkommen, diese heftigen, hartnäckigen, grausamen Geister, welche da niederstiegen!» Wieder zu sich gekommen, teilte sie mit: «Ich ward unendlich hoch emporgetragen und sah viele heftige, hartnäckige, unbeugsame Geister nach der Gegend hinsteigen, wo jetzt die Unruhe und der Krieg naht. Diese Geister kommen zu den Großen und machen das Annähern von Seelen an sie schier unmöglich. Ich habe aber auch die heilige Jungfrau ein ganzes Heer von Engeln nach der Erde erflehen sehen, und sie schwebten hinab; und gegen jene festen, unbeugsamen Geister ist ein großer feuriger Engel mit einem flammenden Schwerte ausgegangen. Die Geister sind es, welche das Annähern an Große für Seelen schier unmöglich machen.»
Einige Stunden danach sprach sie in der Ekstase: «Ach, wer das sehen könnte! Ein großer, feuriger Engel schwebte vom Throne Gottes nieder über die Stadt Palermo, wo der Aufruhr herrscht, und sprach Worte der Züchtigung, und ich sah unten in der Stadt Menschen tot niederfallen.»
«Die Menschen erhalten, so sie in ihrem Innern wachsen, Schutzengel einer höheren Ordnung. Die Könige und Fürsten haben auch Schutzengel einer höheren Ordnung. — Die vier geflügelten Engel Elohim, welche die göttlichen Gnaden austeilen, heißen Raphiel, Etophiel, Salathiel, Emmanuel. Es ist eine weit größere Ordnung selbst der bösen Geister und der Teufel als auf Erden. Wo ein Engel weicht, tritt gleich ein Teufel an die Stelle mit seinem Wirken ... In einem von den Körpern sind sie ganz trüb und traurig, im andern hitzig und heftig, im andern leicht, im andern genau und vorsichtig. Sie wirken auf alles, was auf Erden lebt, und auf die Menschen in der Stunde der Geburt.»
Alle diese Dinge sprach sie wie ein unschuldiges Kind, das etwa seine Gärten beschreibt. «Wie ich noch des Nachts», sagte sie, «als ein kleiner Wicht im Schnee auf dem Felde kniete und mich über alle die schönen Sterne freute, betete ich zu Gott: Du bist nun doch mein rechter Vater und hast so schöne Dinge im Haus, nun mußt du sie mir auch zeigen! Und er zeigte sie mir alle. Er nahm mich bei der Hand und führte mich überall hin, und das war ganz natürlich; denn ich schaute alles so herzlich froh an und sah auf gar nichts anderes.»
Am 2. September 1822 erzählte sie: «Ich kam über steile Höhen in einen schwebenden Garten. Da sah ich zwischen Mitternacht und Morgen, wie die Sonne am Horizont, die Gestalt eines Mannes aufsteigen mit langem, bleichem Angesicht. Sein Kopf schien mit einer spitzen Mütze bedeckt. Er war mit Bändern umwickelt und hatte einen Schild auf der Brust, dessen Inschrift ich vergessen. Er trug ein mit bunten Bändern umwickeltes Schwert und schwebte mit langsamem Taubenflug über der Erde, wickelte die Bänder los, bewegte sein Schwert hin und her und warf die Bänder auf schlafende Städte. Und die Bänder umfingen sie wie Schlingen. Auch fielen Blattern und Beulen von ihm nieder in Rußland, in Italien und Spanien. Um Berlin lag eine rote Schlinge, von da kam es zu uns. Nun war sein Schwert nackt, blutigrote Bänder hingen vom Griff, es träufelte Blut auf unsere Gegend; der Flug war Zickzack, die Bänder wie Kaidaunen.»
11. September. «Es steigt ein Engel auf zwischen Morgen und Mittag mit einem Schwert, und er hat am Griffe des Schwertes wie eine Scheide voll Blut, die er hier und da ausgießt, und er kommt bis hierher und gießt Blut aus in Münster auf dem Domplatz.»
Am 29. September 1820 erzählte Anna Katharina: «Ich hatte viele wunderbare Gesichte von Erscheinungen und Festen des heiligen Erzengels Michael. Ich war an vielen Orten in der Welt und sah seine Kirche in Frankreich auf einem Meerfelsen und sah ihn als Patron von Frankreich. Ich sah, wie er dem frommen König Ludwig zum Sieg verhalf, der sich auf eine Offenbarung der Mutter Gottes an Michael gewendet hatte und dessen Bild in einer Fahne trug. Der König errichtete einen Ritterorden zu Ehren des heiligen Erzengels. Ich sah, wie er jetzt das Tabernakel aus seiner Kirche dort hinwegnahm und emportrug. Ich sah auch eine Erscheinung von ihm in Konstantinopel und manche andere, welche ich nicht mehr weiß. Ich sah auch das ganze Wunder der Michaelskirche auf dem Berge Gargano und sah ein großes Fest dort, wo ich viele fremde geschürzte Pilger mit Knöpfen an ihren Stäben hinwandern sah. Hier diente der Engel am Altare mit andern.» (Sie erzählte das Wunder von Gargano im allgemeinen, wie es sonst berichtet wird; nur sagte sie, der Ort des Kirchenbaues sei durch die Abbildung einer Gestalt, die einen Kelch trug, am Felsen bezeichnet gewesen.)
Ich war hierauf mit ihm in Rom, wo auch eine Kirche wegen einer Erscheinung von ihm gebaut worden war, ich glaube von Papst Bonifazius, und zwar auf Offenbarung der Mutter Gottes. Ich folgte dem Engel überall; er schwebte über mir groß und herrlich. Er hatte ein Schwert und war vielfach gegürtet wie mit Schnüren. Es war bei dieser Michaelskirche ein Streit von sehr vielen Menschen; der größte Haufe bestand aus Katholiken, die nicht viel wert waren, auch aus Sekten und Protestanten. Es war, als stritten sie um den Gottesdienst; der Engel kam herab und jagte den großen Haufen mit seinem Schwerte hinweg, und es blieben etwa nur noch vierzig Menschen übrig, und es ward der Gottesdienst ganz einfach gehalten. Nachher nahm der Engel das Tabernakel mit dem Heiligsten oben beim Knopf und schwebte von dannen. Mein Führer gebot mir zu folgen, und ich wandelte immer unter dem schwebenden Engel hin nach Morgen. Ich bin auch bis an den Ganges gekommen und dann mehr gegen Mitternacht; und nun ging es immer mehr hinab, und es ward immer kälter und wüster und trüber, bis wir an eine unendliche Eisfläche kamen. Es ward mir da sehr bang in der Wüstenei; es kamen aber da noch andere Seelen zu mir, um mir Mut zu machen, meine Mutter, Antrienchen, der alte Söntgen und mehrere. Wir kamen da an eine große Mühle, durch welche wir durch mußten. Als ich aber hier ankam, blieben die Seelen meiner Freunde zurück. Das Eis brach immer unter meinem Weg, und das Wasser dampfte, und es war mir bang, mein Führer gab mir oft die Hand. Das Wasser, von welchem die Mühle getrieben wurde, kam unter dem Eise hervor; es war warm. Diese Mühle war voll von Regenten und andern großen Herren aus allen Zeiten und Ländern. Sie mußten eine Menge von Kröten, Schlangen und andern ekelhaften, giftigen Tieren und Gold, Silber und allerlei Kostbarkeiten zermahlen, welche dann in das Wasser fielen und unschädlich nach dem festen Lande zurückflössen. Diese Tiere und Dinge strömten ihnen immerfort vom festen Lande wieder zu. Sie arbeiteten in der Mühle wie Mahlknechte und mußten Ungeziefer immer unter den Mühlstein mit Besen fegen, sonst wurden sie davon sehr bedrängt. Sie lösten sich in der Arbeit ab. Es schien mir dieses als eine Art Bußort für solche Fürsten, welche viele schlechte Verwicklungen angezettelt und üble Verhältnisse in die Welt gebracht hatten, deren Folgen hier in der Welt noch fortleben, die darum nicht eher selig werden können, als bis die Folgen ihrer Handlungen aus der Welt getilgt sind. Diese nun kamen als so häßliche Tiere zu ihnen gelaufen, und sie mußten sie zerstören, damit sie sich nicht weiter fortpflanzten. Das Wasser, in welches dies alles zermahlen wurde, war warm und floß in die Welt zurück und war ganz unschädlich. — Wir mußten mitten durch die Mühle, und es nahte uns einer und fegte das Ungeziefer schnell unter den Mühlstein, daß wir vorüber konnten. Er sprach mit mir und erklärte mir diesen Ort und sagte, wie sehr sie sich freuen, daß wir hier durchkommen und etwas von der großen Eismasse, über die wir gehen würden, lostreten, denn sie müßten hier so lange mahlen, bis dies Eis alles zerschmolzen sei.
Als wir weiterzogen, kamen wir über das Eismeer, wie durch einen Hohlweg, denn es hatte tiefe Risse, und dann stiegen wir an einem Eisberge lange in die Höhe und freuten uns, daß wir doch eine ziemliche Spur für die armen Mahlenden hinter uns ließen.
Aufsteigend sah ich immer den Erzengel Michael über mir schweben, der Himmel ward immer heller und schöner blau, und ich sah die Sonne und andere Himmelskörper wie Gesichter. Er hat mich um die ganze Erde und durch alle himmlischen Welten geführt. Ich sah unzählige Gärten darin schweben und sah die Früchte und ihre Bedeutungen. Ich hoffe, daß sie mir noch einmal erschlossen werden, und dann will ich mir einige Arzneien ausbitten und einige Geheimnisse, fromme Leute zu heilen. Ich sah Chöre von Heiligen und sah oft hier und da einen Heiligen stehen mit seinen Unterscheidungszeichen und in seiner Welt. Wir kamen, immer höher schwebend, in eine unbeschreiblich wunderbare, herrliche Welt wie in eine Kuppel empor. Wir sahen sie wie eine blaue Scheibe, um die ein Ring von Licht war, auf welchem Ringe, wieder neue Lichtringe waren und auf jedem dieser Ringe ein Thron. Alle diese Kreise waren voll verschiedener Arten von Engeln, und von den Thronen der neun Ringe stiegen Bogenlinien von allerhand Farben, Früchten, Edelsteinen und kostbaren Gaben Gottes in die Höhe und bildeten eine Kuppel, über welcher wieder drei Engelsitze oder Throne waren, deren mittelster Michael war, und hier schwebte er mit dem Tabernakel der Kirche hin und stellte ihn über die Kuppel. Jeder der drei Engel, Michael, Gabriel, Raphael, stand über dem Wirkungsbogen von drei der neun Engelschöre unter ihnen. Außerdem bewegten sich vier lichte, ganz mit Flügeln bekleidete große Engel im Kreise um diese drei immerwährend. Sie sind die Elohim und heißen Raphiel, Etophiel, Emmanuel und Salathiel und sind die Verwalter oder Ausspender der überflüssigen Gnaden Gottes und streuen sie nach den vier Gegenden der ganzen Welt in die Kirche aus. Sie empfangen dieselben von den drei Erzengeln. Raphael und Gabriel waren in langen weißen Gewändern, mehr geistlich erscheinend. Michael hatte einen Helm mit einem Strahlenkamm auf dem Haupte. Sein Oberleib war wie gerüstet und mit Schnüren gegürtet; bis an die Knie ging sein Gewand wie eine krause Schürze. In einer Hand hatte er einen langen Stab, worauf ein Kreuz, unter dem ein Fähnchen mit einem Lamme war; in der andern Hand ein flammend Schwert. Seine Füße waren auch geschnürt.
Über dieser Kuppel sah ich eine noch höhere Welt. Ich sah in derselben die allerheiligste Dreifaltigkeit als drei Gestalten: den Vater als einen hohenpriesterlichen Alten, welcher dem Sohne zu seiner Rechten die Weltkugel reichte; dieser hatte das Kreuz in der andern Hand. Zur Linken des Vaters stand eine geflügelte Lichtgestalt. Um sie war ein Ring von 24 Ältesten, welche auf Stühlen saßen. Die Cherubim und Seraphim stehen mit noch vielen andern um den Thron Gottes in beständigem Lobgesang.
In der Mitte über Michael stand Maria, welche unzählige Kreise von lichten Seelen, von Engeln und Jung-frauen um sich hatte. Durch Maria hindurch geht die Gnade aus Jesus über auf die drei Erzengel. Ein jeder der Erzengel aber strahlt dreierlei Gottesgaben auf drei Engelchöre von den neun unteren Chören; und diese wirken dieselben wieder weiter in die ganze Natur und Geschichte.
Als dasTabernakel dastand, sah ich es durch Ausflüsse von oben durch Maria und mit mannigfaltiger Einwirkung aus allen Himmeln und durch tätige Arbeit aller englischen Chöre wachsen und erst eine Kirche und dann eine große leuchtende Stadt werden, welche sich nach und nach niedersenkte. Es war, als senke sie sich in einem Bogen an die Erde nieder, und ich weiß nicht, wie das war; aber ich sah ganze Scharen von Menschen wie mit dem Kopf zuerst, als drehe sich die Erde, worauf sie standen, gegen mich annahen, und dann standen sie auf einmal auf den Füßen im neuen Jerusalem, welches diese neue Stadt war, die sich über das alte Jerusalem niederließ und mir an die Erde zu kommen schien.
Als ich das neue Jerusalem hatte niedersteigen sehen, schloß sich dieses Gesicht, und ich sank immer weiter in Dunkelheit und bewegte mich nach Haus. Ein Bild sah ich noch von einer ungeheuren Schlacht. Das ganze Feld war voll Dampf; sie schossen überall aus Gebüschen, welche voll Soldaten lagen. Der Ort lag niedrig, in der Ferne lagen große Städte. Ich sah den hl. Michael mit einer großen Schar Engel niederkommen und die Streitenden auseinandertreiben. Das wird aber erst geschehen, wenn alles schon verloren scheint. Es wird ein Führer den hl. Michael anrufen, und dann wird der Sieg niederkommen.»
1. Sehr mannigfach und lehrreich sind die Gesichte, welche Anna Katharina über dieses wunderbare Geheimnis unseres heiligen Glaubens, über den inneren lebendigen Zusammenhang aller Glieder des geheimnisvollen Leibes Jesu Christi gehabt und bei verschiedenen Gelegenheiten erzählt hat. Wir beschränken uns darauf, unsern Lesern folgendes hierüber mitzuteilen Anna Katharina äußerte sich:
«Wenn ich die Gemeinschaft der Heiligen im Lichte (des Schauens) sehe und all ihr Wirken und Lieben, ihr Ziehen und Weben ineinander und durcheinander, und wie einer für und in dem andern und jeder alles und doch ein einzelner ist in dem unendlichen Glanze des Lichtes, so empfinde ich eine unaussprechliche Freude und Klarheit. Ich sehe dann nahe und ferne dunkle Gestalten, die Menschen. Ich werde mit unwiderstehlicher Liebe zu ihnen hingezogen, für sie zu rufen, zu flehen zu Gott und den Heiligen, die in so süßer, liebender Bemühung zu helfen bereit sind, daß mir das Herz vor Liebe springen möchte. Und da fühle ich lebendiger und deutlicher als der Tag, daß wir alle in der Gemeinschaft der Heiligen leben und im beständigen Verkehr mit ihnen sind. Und dann bin ich voll Schmerzen, daß die Menschen so blind sind und hart. Ich rufe kühn zum Heilande: <Du hast alle Macht, alle Liebe! Du kannst alles, lasse sie doch nicht verderben! Sieh doch auf dein kostbares Blut!> Und da zeigt er mir, wie er sich die rührendste Mühe um sie gibt. Sieh nur, spricht er, wie ich nahe bin, zu helfen, zu heilen, und wie sie mich zurückstoßen! Und da fühle ich seine Gerechtigkeit wie die Gnade in gleicher Süßigkeit und Liebe...»
2. Das Geheimnis der Gemeinschaft der streitenden mit der triumphierenden Kirche tritt uns ganz besonders in jenen Gesichten deutlich vor Augen, in welchen der gottseligen Anna Katharina der Rechnungsabschluß gezeigt wurde, welcher alljährlich am Ende des Kirchenjahres zwischen beiden stattfindet. Sie erzählte hierüber am 3. Dezember 1821:
«Ich hatte ein großes Bild vom Rechnungsabschluß zwischen der irdischen und himmlischen Kirche von diesem Jahre. Ich sah die himmlische Kirche nicht als ein Gebäude, sondern als einen Inbegriff von Erscheinungen. Die heilige Dreifaltigkeit sah ich oben und alles aus ihr strömend, Jesus stand zur Rechten, auch Maria etwas tiefer. Zur Linken sah ich die Chöre aller Märtyrer und Heiligen. Um Jesus her sah ich alle seine Leidensinstrumente und nachher sein Leben, Lehren und Leiden in einer Reihe aufeinander folgender Bilder, und zwar lauter Handlungen, welche Geheimnisse der Barmherzigkeit Gottes und Akte unserer Erlösung in sich enthalten und die Grundlage von Kirchenfesten der streitenden Kirche sind. Ich sah mit diesen Bildern in der triumphierenden Kirche die Grundlage und den ewigen Gnadenquell aller Hauptpunkte des erlösenden zeitlichen Lebens Jesu als ewig zu uns dringend und uns erquickend, indem die streitende Kirche in den Kirchenfesten sie geheimnisvoll feiernd in Anspruch nahm, dafür dankte und durch Opfer und Empfang des heiligen Sakramentes an der Gemeinde erneuerte. Ich sah die Ausströmungen und Wirkungen von der heiligen Dreifaltigkeit und dem Leiden Christi ganz unendlich und auf alles.
Ich sah aber alle Kirchenfeste der Geheimnisse aus dem Leben Jesu bis zur Sendung des Heiligen Geistes und erhielt, daß die Kirche an dem heutigen Tage, als der Erneuerung ihres Arbeitskreises, den Heiligen Geist auf alle ihre reinen und vorbereiteten Glieder erhalte, wenn sie darum flehen, und daß jeder, der an Liebe und Eifer das zu ersetzen begehrt, was abgehen könnte, um diesen heiligen Geist allgemein zu empfangen, und der Leiden um Jesu willen erträgt und sie mit dessen Verdiensten vereinigend zu diesem Zwecke für die Kirche aufopfert, daß jeder ihr Ströme des Heiligen Geistes niederflehen kann, soviel seine Liebe und seine Selbstaufopferung in dem Opfer Jesu vermag. Ich sah danach die Ausgießung des Heiligen Geistes übergehend in die Wirkungen der Apostel, Jünger, Märtyrer und aller Heiligen und sah, wie sie um Jesu willen leidend in Jesu und seinem Leibe der Kirche litten und dadurch lebendige Adern des Gnadenstromes seines versöhnenden Leidens wurden; ja, da sie in Jesu litten, litt Jesus in ihnen, und aus Jesu war ihr Verdienst, das sie auf die Kirche niederbrachten. Ich sah, welche Menge Bekehrungen durch die Märtyrer geschahen; sie waren wie Kanäle, mit Schmerzen aufgerissen, welche das lebendige Blut der Erlösung zu tausend Herzen führten. Ich sah diese Marter, Lehr-, Bet- und Bußbilder auch, wie sie in der himmlischen Kirche als das Wesen vielfacher Kirchengnaden erschienen, die der streitenden Kirche zugute kamen und in den Festtagen der Heiligen erneuert oder in Besitz genommen wurden. Ich sah die Leiden in Bildern kurz und sah ihre zeitlichen Wirkungen und durch die Ewigkeit ihres Inhaltes und ihres Wertes aus Jesu Leiden ihre ewigen Wirkungen in der Kirche, und zwar durch den verbindenden Kanal der Feste, des lebendigen Glaubens, des Gebets, der Andacht und gottseliger Werke. Ich sah, welche unsägliche Schätze und Gnaden die Kirche hat, und wie übel einzelne Glieder mit ihnen wirtschaften. Es ist, als wenn ein herrlicher Garten über einem verwüsteten Lande stände und tausend und tausend Schätze niedersenkte, die unten nicht empfangen würden, so daß die Felder verwüstet und die Schätze verschleudert blieben. Ich sah die irdische Kirche, d. h. die irdische Gemeinschaft der Gläubigen, die Herde Christi in ihrem zeitlichen Zustande auf Erden, ganz dunkel und wüst; und wie ich da oben in der Höhe den vollkommenen Jahreskreis der Gnadenausteilung gesehen, so sah ich unten die Trägheit, den Unglauben und die Gottlosigkeit im Empfange. Alles war so schläfrig und leichtsinnig gefeiert, daß die Gnaden, welche in dieser Feier empfangen werden sollten, an die Erde fielen und viele Schätze der Kirche zu Schulden wurden. Ich sah dieses im allgemeinen und in unzähligen Bildern. Ich sah auch, daß alle solche Versäumnis durch Schmerzen gesühnt werden müsse, indem sonst die streitende Kirche nicht mit der triumphierenden für dieses Jahr abrechnen könnte und noch mehr fallen müßte. Ich sah aber, wie die heilige Jungfrau die Ausgleichung besorgte, und das war der Schluß jener Arbeit, welche ich am St. Katharinentag in dem Hochzeitshaus mit der heiligen Jungfrau unternommen hatte, welche in der Form eines mühsamen Einsammelns von allen Früchten und Kräutern und aller schweren Bereitung stand, und auch wieder in unzähligen Bildern von Kirchenwäsche und Reinigungen. Es ist dies schwer zu beschreiben, denn die ganze Natur und die Menschen sind so gefallen und in einem solchen gebundenen und verschlossenen Zustande, daß die Bilder, in welchen ich dort etwas ganz Wesentliches tue und ohne Verwunderung auch verstehe, was ich tue, sobald ich erwacht im natürlichen Zustande bin, mir so seltsam vorkommen als jedem andern Wachenden. So mußte ich z. B. Honig aus Disteln pressen mit meinen Händen und mußte diesen Honig zur Ausgleichung der Kirchenrechnung der heiligen Jungfrau bringen, welche ihn wieder beim Kochen brauchte und in einem erhöhten Zustande denen in der Speise zukommen ließ, welchen er fehlte. Dies aber bedeutete so viel als: Es ist von den Kirchengliedern während des Kirchenjahres von jener Gnade Gottes, welche durch Fleiß aus vielen Formen seiner Liebe gesammelt und zu einer erquickenden Süßigkeit bereitet werden sollte, vieles versäumt, verderbt und verschwendet worden, und viele Seelen, welche dieser also zubereiteten Gnade bedurft hätten, sind darum verschmachtet und verwildert; der Herr aber hatte aus der triumphierenden Kirche alles dazu gegeben, und die streitende muß sich nun ausweisen und muß die Gaben mit Zinsen und Wucher ersetzen. So fehlt ihr also in der Abrechnung über die Anwendung und Verwaltung der Schätze der triumphierenden Kirche so viel Honig; denn jene Gnade war aus Gott das, was in der Körperwelt als Honig erscheint, und dieser Honig muß herbei. Was aber in der Zeit der Blumen bei sorgsamer Bienenzucht mit leichter Mühe gesammelt werden konnte, wird, verabsäumt, jetzt mit Pein und Mühe herbeigeschafft. Die Blumen sind verschwunden, und nur die Distel steht noch da. Ein Glied des Kirchenleibes wird vom barmherzigen Jesus gebraucht und bringt seine Pein und Schmerzen zum Opfer für die Versäumnisse der andern und drückt mit blutenden Händen aus den stachlichsten Disteln den Honig heraus; und die heilige Jungfrau, die Mutter der Kirche, wendet in dem Kochen diesen Honig dahin, wo die Gnadengabe, die unter dem Honig begriffen ist, von der Kirche verschuldet worden ist in diesem Jahr. Auf diese Weise war meine Marter während dieser Tage und Nächte unter den mannigfaltigsten Arbeitsbildern gefaßt, und ich sah beide Kirchen und sah mit der Tilgung der Schuld die untere aus dem Dunkel hervorsteigen.
Ich sah auch ebenso, wie ich die Glieder der triumphierenden Kirche gesehen, die Glieder der streitenden. Wirkend für die Kirche, selbst auf die Weise, wie ich arbeite, sah ich mit mir sieben Personen, drei Frauen und drei Männer, die Stigmatisierte von Cagliari, die Rosa Maria Serra und eine sehr kranke Person mit großen Leibesgebrechen, den Franziskaner in Tirol, den ich oft mit mir in selber Intention gesehen habe, dann einen jungen Geistlichen in einem Hause, wo noch mehrere Priester sind in einer gebirgigen Gegend. Es muß dieser eine ausgezeichnete Seele sein, er hat unaussprechliches Leid über den Zustand der Kirche und hat ganz ungemeine Schmerzen durch die Gnade Gottes zu ertragen. Alle Abend schreit er mit herzlichem Gebet zu Gott, er wolle ihn doch für alle Mängel, die heute in der Kirche geschehen, leiden lassen. Der dritte war ein vornehmer, verheirateter Mann mit vielen Kindern, einer sehr bösen, verkehrten Frau und einem großen Hauswesen; er lebt in einer großen Stadt, in welcher Katholiken, Protestanten, Jansenisten[1] und Freigeister sind. Es ist alles bei ihm in der größten Ordnung, er ist sehr wohltätig gegen die Armen und erträgt sein Leid mit der bösen Frau auf eine sehr edle Weise. Es ist in jener Stadt eine abgesonderte Judenstraße, von einem Ende zum andern mit Toren geschlossen, es ist viel Gewerbe darin. Meine Arbeiten geschahen meist im Hochzeitshause und im Garten desselben.
Als ich mit meiner Arbeit fertig war, sah ich neben dem Heiland zwei große Tafeln aufgestellt, wo alles Versäumte und Getilgte darauf stand. Es war mir aber nun auch alle meine Arbeit figürlich vorgestellt, und ich sah da alles Verlorene, auf der einen Seite die schönsten Kronen, Ornate und Blumen, auf der andern zerrissene Kränze, halbfertige schlechte Gewänder und allerlei zerstücktes Gemüse und Kraut. Ich sah auf der einen Seite ein Ziergerüst der herrlichsten Gaben Gottes, auf der andern einen elenden Schutt- und Scherbenhaufen. Als ich diesen elenden Ersatz sah, der nichts war als ein Zusammentragen von Trümmern, wozu ich auch alle Kraft von ihm erhalten; als ich sah, was zerschlagen, zerrissen, verunreinigt war, überfiel mich eine entsetzliche Traurigkeit; ich sank auf mein Gesicht und weinte zwei Stunden lang mit solcher Heftigkeit, daß es mir war, als zerrinne das Herz in der Brust. Ich sah aber, daß alles dieses Stückwerk hinter Jesus erschien, und daß es so hinter seinem Rücken lag. Als ich so weinte, nahte mir der barmherzige Heiland und sagte: <Nur diese Tränen haben noch gefehlt. Ich ließ dich aber dieses sehen, damit du nicht denkst, es sei durch dich etwas getan; nun aber habe ich es auf meine Schultern genommen. Alle sechs andern Gehilfen sah ich ebenso weinen und vom Heilande ebenso getröstet werden. Ich sah nun die heilige Jungfrau sich der Kirche nähern und ihren Mantel über sie breiten und sah viele Arme, Kranke und Krüppel die Kirche wie heraufdrängen, und so stieg sie hell und leuchtend empor und ging in die andere über, oder vielmehr die andere vereinigte sich mit ihr. Ich sah aber Jesus und die Apostel im höheren Chor der Kirche erscheinen und sah das Abendmahl als eine neue Stärkung austeilen und sah aus Abrahams Schoß viele Seelen, auch von Fürsten und Königen, in die Kirche eingehen. Ich sehe überhaupt manche Seele, welche auf Erden schon für heilig gehalten wird, noch im Reinigungsort und nicht in der Anschauung; andere sehe ich nach einem oder zwei Tagen Reinigung gerade zum Himmel fahren. Ich sah aber in diesem Bilde auch das Fegefeuer als die leidende Kirche und sah ein düsteres weites Gewölbe, wohinein die Seelen ihrer Haft entlassen schienen. Es war ein roter Kerzenschein darin und wie ein Altar, und ich sah einen Engel kommen und die Seelen mit einer Darreichung erquicken. Dieses ist einigemal im Jahre; aber mit dem Engel weicht alles Kirchliche von dannen. Ich erfuhr auch, daß die armen Seelen, welche sich selbst nicht helfen können, doch für die Kirche beten. Wenn ich ein solches allgemeines Kirchenbild sehe, dann sehe ich immer zwischen Abend und Mitternacht eine tiefe schwarze Lücke, wo gar kein Lichtstrahl hineinfällt; und es ist mir, als sei dort die Hölle.
Ich sah nun ein großes Fest in der Kirche, auch viele, welche sich mit ihr vereinigten. Ich sah auch noch viele Kirchen oder vielmehr Bethäuser mit Wetterfahnen darauf und sah, daß die Leute ohne Ordnung und Zusammenhang mit der himmlischen Kirche nur dann und wann zusammenliefen wie Bettler, wo Brot ausgeteilt wird, aber ohne folgenden Zusammenhang mit der triumphierenden oder leidenden Kirche. Sie waren in keinem gegründeten und erwachsenen kirchlichen Baue eines Verbandes der streitenden, leidenden und siegenden Kirche und empfingen nicht den Leib des Herrn im Abendmahle, sondern nur Brot. Diejenigen aber, welche unschuldig im Irrtum fromm und heftig nach Jesu Leib verlangten, wurden geistlich, doch nicht durch dieses Abendmahl erquickt; die gewöhnlich ohne heftige Liebe Kommunizierenden empfingen nichts, wo das Kirchenkind noch eine große Stärkung erhält.»
1. Am 1. November 1819 erzählte Anna Katharina: «Ich habe eine große Reise mit meinem Führer gemacht. Es ist nicht auszusprechen, wie solches Wandeln ist. Ich denke dann nicht daran, wer und wie ich bin. Ich ziehe ruhig mit ihm durch die Orte hin, schaue und bin zufrieden. Wenn ich frage, bekomme ich Antwort, und krieg ich keine, bin ich auch zufrieden. Wir zogen über die Stadt mit den Marterplätzen (Rom), übers Meer, durch wüste Länder, bis hin, wo das Haus Annas und Marias gestanden; und hier kam ich von der Erde empor. Ich sah die unzähligen Scharen der Heiligen in unendlicher Mannigfaltigkeit. Und doch war in innerer Seele und Empfindung alles eins. Alle lebten und bewegten sich in einem Leben der Freude, und alle durchdrangen und spiegelten sich ineinander. Der Raum war wie eine unendliche Kuppel voll von Thronen, Gärten, Palästen, Bogen, Blumenkränzen, Bäumen, und alles war mit Bahnen und Wegen, die wie Gold und Edelsteine schimmerten, verbunden. Oben in der Mitte war unendlicher Glanz, der Sitz der Gottheit. Die Heiligen waren nach ihren geistlichen Verbindungen geschart. Alle Ordensgeistlichen standen nach ihren Orden zusammen und waren in diesen wieder nach ihren persönlichen Kämpfen geordnet, erhöht oder tiefer gestellt. Die zusammen Gemarterten standen beieinander, nach dem Grade ihres Sieges wieder gewürdigt. Die Stände aber, welche auf Erden keine geistliche Weihe hatten, waren nach ihrem inneren geistlichen Streben geordnet. Aus allen Ständen, nach ihrem heiligenden Streben geordnet, war dieses ihr Orden. Sie waren in wunderbarer Ordnung in die Gärten und Wohnungen verteilt. Die Gärten waren unaussprechlich leuchtend und lieblich. Ich sah Bäume mit kleinen gelben, leuchtenden Früchten. Diejenigen, welche durch Ähnlichkeit des heiligenden Strebens in Genossenschaft waren, hatten als übernatürliches Ordenskleid eine gleichförmige Glorie; sonst waren sie durch einzelne Siegeszeichen verschieden. Sie trugen Kronen und Kränze, in den Händen Zweige, und waren aus allen Ständen und Gegenden gemischt. Ich sah auch einen mir bekannten Priester, der mir sagte: <Deine Sache ist noch nicht aus!> Ich sah auch große Scharen von Soldaten in römischer Kleidung und viele mir bekannte Leute. Alle sangen zusammen, und ich sang mit ein süßes Lied. Ich sah auch auf die Erde herab und sah sie wie ein kleines Fleckchen Land zwischen dem Wasser liegen, um mich war alles unermeßlich. Ach, das Leben ist so kurz, so ein kleines Endchen; und man kann so viel gewinnen, daß ich nicht trauern darf! Gerne will ich freudig alles Leid von Gott annehmen!»
2. Am 1. November 1820 erzählte sie: «Ich hatte sehr deutlich ein unbeschreiblich großes, herrliches Bild, vermag es aber nicht auszusprechen. Ich erblickte einen unabsehbaren Tisch, rot und durchsichtig weiß überdeckt und mit den mannigfaltigsten Gerichten besetzt. Die Gefäße waren wie von Gold und hatten am Rande blaue Buchstaben. Es waren allerlei zusammengestellte Früchte und Blumen; sie lagen nicht tot und gebrochen, sie waren lebendig und wachsend; denn sie waren genossen doch ewig da. Ihre Erscheinung war der Genuß ihres Begriffs. Bischöfe und unter ihnen alle Arten Seelsorger waren Verwalter und Diener des Tisches. Rings um diese Tafel saßen und standen in Chören nach vielfacher Ordnung alle Scharen der Heiligen auf Thronen und in Halbkreisen. Stand ich an dem großen Tische, so sah ich diese unzähligen Chöre ihn alle umgeben und alles wie in einem Garten. Nahte ich aber einem einzelnen Chore oder sah ich nach diesem, so sah ich diesen in einem einzelnen Garten, und sah ich in diesem einen eigenen Tisch, und daß uns dieser Tisch der Ausfluß, der Genuß jenes großen Tisches aller war.
Und in allen diesen Feldern und Gärten und Beeten und Gewächsen und Zweigen und Blüten und Früchten lebte alles wieder, was in jenem lebte. Das Genießen der Früchte war kein Essen, sondern ein Innewerden derselben. Alle die Heiligen aber standen mit ihren Attributen. Viele Bischöfe hatten Kirchen auf den Händen, weil sie Kirchen gegründet; andere trugen nur Stäbe, weil sie allein gehütet. Es standen auch viele Bäume voll von Früchten bei den Heiligen, und ich war so begierig, den armen Menschen etwas davon zu geben, daß ich sie schüttelte[2], und sah, wie viele Früchte auf einzelne Gegenden der Erde fielen. Ich sah auch die Heiligen alle zusammen, jeden Chor nach seiner Art und Kraft, mancherlei an Gerüsten, Zierden, Blumen und Kränzen heranbringen, um am Ende der Tafel einen Thron zu bauen. Und all dieses geschah in einer unaussprechlichen Ordnung; es geschah wie in einer Natur ohne Mangel, Sünde und Tod. Es wuchs aus ihrem Wesen und Tun ohne Verabredung; und Wächter und geistige Soldaten hüteten den Tisch indessen.
Ich sah nun vierundzwanzig alte Männer sich auf köstliche Stühle um den Thron setzen; sie hatten teils Harfen, teils Rauchfässer, sie lobsangen und räucherten. Und nun sah ich eine Erscheinung auf den Thron schräg aus der Höhe niederkommen, wie ein alter Mann mit dreifacher Krone und weit ausgebreitetem Mantel. Auf seiner Stirn war eine dreieckige Lichtmasse und in derselben ein Spiegel von allem, was umher war. Es war, als sendete alles sein Bild hinein oder empfange es heraus. Aus seinem Munde ging eine Lichtbahn, in welcher ich eine Menge Worte sah. Ich unterschied Buchstaben und Zahlen, die ich ganz einfältig ansah; ich habe sie vergessen. Etwas tiefer vor seiner Brust sah ich einen gekreuzigten Jüngling unaussprechlich leuchtend, und aus den Wunden, welche große Glorien waren, strömten regenbogenfarbige Strahlenbahnen heraus. Diese umfaßten alle Heiligen mit einem großen Ringe, und die verschiedenen Glorien der Heiligen hatten nach ihren verschiedenen Farben einen Anteil in diesen Lichtergüssen und spielten darin ganz unaussprechlich in einer Ordnung und Freiheit. Ich sah aber aus diesen Strahlenströmen der Wunden wie einen Regen von verschiedenfarbigen Tropfen nach der Erde niederfallen, und sie waren wie lauter Edelsteine. All dieses hatte viele Bedeutungen und Wahrheiten, denn ich hatte Erkenntnisse von dem Werte, der Kraft, den Geheimnissen und Farben der Edelsteine dabei und von allen Farben überhaupt. Ich sah aber zwischen dem Kreuze und dem Auge der Stirne den Heiligen Geist in einer geflügelten Erscheinung und sah Lichtstrahlen von dem Auge und von dem Kreuze zu dieser Gestalt. Ich sah vor dem Kreuze etwas tiefer die heilige Jungfrau und viele Jungfrauen um sie. Ich sah einen Ring von Päpsten, Aposteln und Jungfrauen um die halbe Höhe des Kreuzes. Alle diese Erscheinungen und alle Heiligen und alle die unzähligen Engel in weiteren Ringen waren in steter Bewegung ineinander ganz einig und mannigfaltig. Die Vorstellung war übrigens weit reicher und größer als ein Sternenhimmel und doch ganz klar und deutlich; aber ich kann es nicht beschreiben.»
3. Die folgenden Bilder von dem Leben und der Glorie des hl. Ignatius, des hl. Franziskus Xaverius und des hl. Aloysius veranschaulichen uns die Macht der Fürbitte der Heiligen und zeigen, wie wichtig es ist, in allen Anliegen des Leibes und der Seele die Heiligen andächtig um ihre Hilfe anzurufen. Am 18. Juni 1820 erzählt Anna Katharina:
«Ich hatte in meinen Schmerzen die Reliquie bei mir, welche mir Overberg[3] gesendet. Ich sah sie leuchten, und da ich um ihre Erkenntnis betete, sah ich von oben einen Heiligen, leuchtend und mit weißer Glorie umgeben, zu mir niederkommen, und ich sah, wie immer, das Licht von seinem Gebein mit dem Lichte der Erscheinung ineinanderströmen und fühlte oder hörte innerlich die Worte: <Das ist von meinem Gebein. Ich bin Ignatius!> Ich hatte hierauf abermals eine lange Nacht voll entsetzlicher Peinigung, aber unter der Form der genugtuenden Schmerzen. Es war, als werde mir langsam ein Messer in die Brust gestoßen, kreuzweise damit geschnitten und herumgewühlt; zugleich hatte ich die heftigsten Schmerzen in den Wunden. Ich mußte laut wimmern und klagen und schrie endlich um Erbarmen und bat, der Herr möge mich doch nicht mehr leiden lassen als ich ertragen könne. Ich fürchtete, ich möchte ungeduldig gelitten haben. Ich genoß aber auf mein Flehen eine Erscheinung des Herrn in der Jünglingsgestalt meines Bräutigams und empfing unaussprechlichen Trost. Er sagte mir in wenigen Worten, die ich nicht so wiedergeben kann: <Ich habe dich auf mein Brautbett der Leiden gelegt und dich mit Gnaden der Leiden und mit Schätzen der Versöhnung und mit Kleinodien der Wirkung überhäuft. Du mußt leiden! Ich verlasse dich nicht. Du bist an den Weinstock gebunden, du sollst nicht verlorengehen!> Das war es etwa, was ich in der Annäherung des Herrn mit so viel Trost empfand, und nun litt ich den übrigen Teil der Nacht mit ruhiger Geduld, bis ich gegen Morgen noch einmal ein Gesicht von dem hl. Ignatius erhielt. Ich sah sein Gebein wieder leuchten und rief den lieben Heiligen, den ich nun kannte, an und hielt sein Gebein liebend und ehrend. Ich rief zu ihm durch das süße Herz Jesu und sah die Erscheinung des Heiligen wie das erste Mal niedersteigen, das Licht sich vereinen und hörte die Worte: «Das ist von meinem Gebein!> Ich hatte auch Trost von ihm; er sagte mir, wie er alles aus Jesus empfangen habe, und er versprach mir, mein Freund zu sein, mir in meiner Arbeit zu helfen und mir meine körperlichen Krankheiten zu erleichtern, und befahl mir, seine Andacht im folgenden Monat zu feiern. Nach dieser tröstlichen Erscheinung verschwand der Heilige wieder emporsteigend, und ich sah einige Bilder aus seinem Leben.
Ich glaubte, ich liege in einem Bettchen am Eingang einer Kirche; der Chor war von dem übrigen Teile durch ein Gitter getrennt. Ich sah mehrere, doch nicht viele Leute darin; ich sah im Chor etwa zwölf Männer von den Gesellen Ignatii, worunter ich Xaverius und Faber[4] mit ihren Namen kannte. Es war, als seien sie reisefertig, als wollten sie bald irgendwohin. Ich sah noch nicht alle als Priester; sie trugen zwar Kleider auf die Art wie Ignatius, doch nicht ganz übereinstimmend. Es schien sehr früh morgens, es war noch düster, die Lichter brannten auf dem Altar. Ich sah Ignatius noch nicht ganz zur Messe angekleidet, doch mit Stola über der Schulter, von einem andern begleitet, der das Weihwasser trug, zwischen seinen Gefährten durch die Kirche herabkommen und den Segen mit dem Weihwedel aussprengen. Ich bereitete mich auch, ihn zu empfangen, und er kam wirklich bis zu meinem Bettchen heran und besprengte mich reichlich, und ich ward in dem Augenblick mit Süßigkeit und Erquickung durch meinen vor Schmerzen matten Körper durchgossen. Als er wieder hinaufgegangen war in die Sakristei, kam er nachher im Meßgewand heraus und trat an den Altar, die Messe zu lesen. Diese Messe dauerte viel länger als unsere gewöhnlichen Messen, und ich erhielt innerlich, daß Ignatius immer fast eine Stunde zur heiligen Messe gebraucht. Einmal sah ich plötzlich eine Flamme über seinem Haupte wie einen dichten Busch emporlodern und sah einen von den Zwölfen auf ihn zueilen mit ausgebreiteten Armen, als wolle er ihn anfassen oder ihm helfen. Als er aber zu ihm kam, sah er sein Gesicht leuchten und wich ehrerbietig zurück. Ich sah aber, daß Ignatius, ganz von Tränen überronnen, von seinen Gesellen vom Altare zurückgeführt wurde, weil er so erschüttert schien, daß er kaum gehen konnte.
Ich sah danach die Männer, die ich in der Stadt am Meere gesehen, bei dem Papste einführen. Der Papst saß neben einem behängten Tische, auf dem Schriften und Schreibzeug waren, auf einem prächtigen Stuhl in einem großen Saale. Er hatte ein Mäntelchen um, ich glaube rot; ein rotes Käppchen weiß ich gewiß. An der Türe standen andere Geistliche, und die Ignatiusgesellen traten ein und fielen vor dem Papst nieder. Einer sprach für alle; ich weiß nicht mehr, ob Ignatius dabei war. Ich sah auch, daß der Papst sie segnete und ihnen Papiere gab. Ich sah noch andere Bilder aus dem Leben des hl. Ignatius. Ich sah ihn einem schlechten Priester eine so reumütige Generalbeichte seines verflossenen Lebens ablegen, daß dieser in Tränen zerfloß und sich besserte. Ich sah ihn auf der Reise seine Gefährten plötzlich verlassen und abseits nach einem Hause gehen, wo ein Mensch schlechten Leidenschaften nachging. Ich sah diesen Menschen herausfliehen und Ignatius ihm nacheilen und seine Knie umarmend ihn um sein Seelenheil bitten. Ich sah, wie dieser sich besserte und ihm folgte. Ich sah ihn einsam im Bettleraufzug durch wüstes, dunkles Gebirgsland ziehen und den Teufel ihm in Gestalt eines dünnleibigen Drachen und am Kopfe dicht und kraus entgegentreten. Ignatius stieß ihm seinen Stock in den Hals und Feuer schoß heraus; dann spießte er ihn fest, zog seinen Stock zurück und ging ruhig seines Weges fort.»
Am Abend desselben Tages fand der Pilger die Kranke mit halblauter Stimme das Offizium des hl. Ignatius in Latein und ohne Buch betend. Als sie geendet, erzählte sie ihm:
«Ich habe von Ignatius solche Linderung und Liebe empfangen, und ich sah ihn von so feuriger Liebe zu Jesus durchdrungen, daß ich mich zu ihm wendete, ihn innig zu verehren. Da trat auf einmal sein Bild aus der Höhe in einer Bahn von Licht vor mich; aus seinem Herzen glänzte der heiligste Name Jesus gleich einer Sonne. Als ich nun mein Gebet zu ihm beginnen wollte, strömten mir aus dem Bilde alle Worte und Antiphonen zu, und ich empfang eine große Süßigkeit in dieser Gabe des Gebets.»
Sie schloß ihre Andacht mit der bekannten Oratio recitanda ante imaginem sancti Ignatii[5]. Als in der Nacht darauf die Pein in ihrem Herzen mit neuer Heftigkeit sich einstellte, nahm sie ihre Zuflucht wieder zu Ignatius, der sie stärkte, dieselben mit Geduld zu ertragen. Sie erhielt auch ein Gesicht, aus dem sie am andern Tage dem Pilger folgendes mitteilte:
«Ich sah Ignatius und Xaverius in ihrer innigen Herzensverbindung in Jesus Christus. Ich sah sie überall Trost und Linderung verbreiten, sah sie lehren und helfen und verzweifelnden Kranken dienen. Indem ich diese ihre Tätigkeit und ihre so große Wirksamkeit unter den Völkern betrachtete, wendete sich mein Herz zu ihnen, und ich sagte: <Habt ihr in eurem Leben als gebrechlichen Menschen aus Gottes Kraft so geliebt und geholfen, oh, so müßt ihr ja jetzt noch viel mächtiger helfen, da ihr ganz in Licht und Liebe steht! Seht, da ist euer heilig Gebein, das auf Erden so sehr für eure Mitmenschen gearbeitet! Oh, so helft nun auch; wirket und gießet Gnade aus, ihr vollkommenen Gefäße am Brunnen der Gnade!> Nun verschwanden mir die irdischen Bilder, und ich sah die beiden Heiligen nebeneinander in der Höhe in einer Lichtwelt stehen. Ignatius hatte eine ganz weiße Glorie, Xaverius hatte einen rötlichen Schein, er hatte etwas vom Märtyrerlichte. Indem ich sie aber sah und Licht und Leben durch sie auf mich niederströmte, ward meine ganze Seele lebendiger, und es war, als wenn ich ihnen das Licht und den Trost, den sie mir aus Gott niedergossen, in einer großen und innigen Fülle des Gebetes wiedergäbe. Denn ebenso, wie ich gestern das Gebet zu Ignatius empfangen hatte, erhielt ich innerlich einen Zufluß von Worten der Liebe und Freude und rief alle Kreaturen zum Lobe und Flehen an; und mein Herz wuchs und ward vielfach sich ergießend, und ich flehte und lobte alle Chöre der Heiligen durch, und sie wurden nah und fern bewegt, und mein Gebet war doch alles zu Gott durch unsern Herrn Jesus Christus und zu unserem Herrn Jesus Christus durch die heilige Mutter Gottes und zur heiligen Mutter Gottes durch alle Heiligen, und zu allen Heiligen durch Ignatius und Xaverius. Es war aber nicht anders, als wenn ich wüßte, welche Blumen, Gerüche und Farben und Edelsteine und Perlen und Früchte meinem Gott am liebsten und am reinsten wären, und als machte ich mit unendlichem Zufluß dieser Geschöpfe in großer Innigkeit einen Kranz, eine Pyramide, einen Thron daraus und reichte sie ihm hinauf, und als fließe mir dies alles von oben zu, und zwar in dem Lichte, das ich aus beiden Heiligen empfange.» Als der Pilger[6] ihr nachmittags ein altes Lied auf die beiden Heiligen vorlas, worin alle Kreaturen zu ihrem Lobe aufgefordert werden, sagte sie: «So, so gerade habe ich zu ihnen hinaufgebetet.»
«Unter diesem Jubel des Gebetes und des Lobes und Hilfeflehens trat das Gesicht mehr in meiner Seele auseinander. Es war aber nicht so, es war, als ginge ich durch die Erscheinung der beiden Heiligen in das himmlische Jerusalem hinein. Ich kann aber die Freude und Wonne und Herrlichkeit gar nicht aussprechen, welche ich hier sah. Es war hier nicht, als wenn ich das himmlische Jerusalem mit seinen Mauern und Toren als eine am Gipfel des Lebensweges daliegende Stadt erblickte, sondern ich war mitten darin wie in einer großen Licht- und Glanzwelt. Man sieht da keinen Himmel über sich, sondern es laufen die Straßen auf- und abwärts ganz unendlich nach allen Richtungen; und doch ist alles regelmäßig und in Ordnung und in unendlicher Harmonie und Liebe. In der Mitte, in der Höhe, sehe ich in unbegreiflichem Lichte die allerheiligste Dreifaltigkeit und die vierundzwanzig Ältesten um sie her, und unter ihr in einer eigenen Lichtwelt die Chöre der Engel. Ich sehe aber alle Heiligen in ihren Ordnungen, Orden und Genossenschaften in ihren eigenen Palästen, Thronen und Zusammenstellungen, und die, welche mich gerade beschäftigen, die ich verehre oder deren Gebeine ich bei mir habe, sehe ich deutlicher, oder vielmehr, ich bin ihnen näher, gehe durch sie zu den andern. Ich sah auch die Wirkung der Heiligen auf eine wunderbare Weise. Als ich sie anflehte, sah ich, daß sie sich zu der heiligsten Dreifaltigkeit wendeten, und daß die Strahlen von dieser zu ihnen ausgingen; und ich sah, daß die Heiligen dann zu einigen wunderbaren Bäumen und Stauden gingen, welche an einzelnen Orten zwischen den Palästen standen, und daß sie Früchte und Tau und Honig von denselben niedersendeten. Ich sah aber die Engel dabei wirken; sie waren schnell wie Blitze, schnell hin und her bewegt, und als brächten sie den Segen nieder und als mehrten sie, was jene erflehten.
Ich sah Ignatius und Xaverius Gutes zu meiner Gegend und zu allem, für was ich sie anrief, herabsenden. Ich sah sie auch ungemein viel Tau und Honig nach weit entfernten Landen senden. Ich sehe dann einzelne Bilder von Notleidenden, die erquickt sind, die innig werden, ich sehe plötzlich Menschen gerührt sich besinnen, ich sehe in dunkeln, fernen Landen Licht erwachen, dies Licht um sich greifen; ich sehe Betende in diesem Lichte sich sammeln. Ich sehe zwar die Heiligen immer wohltätig wirken, besonders dahin, wo ihre Gebeine ruhen, welche in demselben Lichte und gleicher Farbe leuchten wie sie selbst und immer wie ein Teil von ihnen erscheinen; vor allem aber dahin, wo sie angefleht werden.
Ich sah viele heilige Männer um Ignatius herum: Franziskus Borgias, Karolus Borromäus, Aloysius, Stanislaus Kostka, Franziskus Regis; ich sah sehr viele. Ich sah auch den da.» Unter diesen Worten zeigte Anna Katharina gerade vor sich hin, als weise sie auf eine plötzlich vor ihr stehende Erscheinung. Der Pilger verstand sie im ersten Augenblick nicht und glaubte, sie meine den hl. Franziskus von Assisi; allein sie sah den hl. Franziskus Salesius vor sich, angeregt durch seine in der Nähe befindliche Reliquie. «Ich sah ihn aber nicht bei Ignatius, sondern wieder in einem andern Chore von Bischöfen. Ich sah unbeschreiblich viele, die ich kannte, und näherte mich vielen im Gebet. Anfangs, da ich besonders auf Ignatius schaute, sah ich sie ferner, doch auch alle lieblich bewegt und freundlich, aber ich kam endlich von einem zum andern.
Die Wege zwischen den Palästen waren mit Perlen in allerlei Gestalten und Figuren und Sternen belegt, und ich dachte da in meiner Einfalt, denn da dachte das dumme Fleisch mit: nu gick es, dat sinn de Steernkes, de man up de Erd seit. — Ich habe auch Augustinus und alle seine Ordensreiche gesehen und auch den Bischof Ludgerus, der hatte eine Kirche auf der Hand, wie man ihn abbildet. So sah ich viele und alle mit vielen Zeichen bei sich, die ich kannte und nicht kannte. Ich sah auch den hl. Joachim und die hl. Anna, gewiß weil heute Dienstag ist, wo ich die heilige Mutter Anna immer verehre. Sie hatten beide einen grünenden Zweig in der Hand, und da ich nicht wußte, was das bedeute, kriegte ich eine innere Mahnung, es sei dies ihre Sehnsucht nach dem Messias, es sei dieses, daß er aus ihrem Stamme entsprossen im Fleische. Ich hatte auch ein Bild von ihrer Sehnsucht auf Erden, ihrem Flehen, ihrer Abtötung und Reinigung.
So habe ich die ganze Nacht hindurch meine Schmerzen in dem Troste dieser Anschauung getragen. Ich kann nicht sagen, welche herrlichen Dinge ich gesehen, und welche Wahrheit und Klarheit von allem; die Gestalten und Erscheinungen waren nicht zufällig zusammengestellt, alles war eins und wie gewachsen, und eines erklärte das andere und lebte und liebte im andern. Während des ganzen Bildes war mein Herz voll Freude und mein Mund voll Lobgesang.» Sie war bei dieser Erzählung ganz bewegt und bis zu Tränen der Freude gerührt, während sie körperlich todesschwach war.
Am 21. Juni fand sie der Pilger voll Freude über den hl. Aloysius, dessen Fest sie in einer himmlischen Kirche gefeiert hatte. Sie erzählte darüber:
«Ich war in der geistlichen Festkirche. Es war eine große Feier mit vielen Prozessionen. Weißgekleidete Mägdlein mit Lilien in der Hand trugen die Mutter Gottes auf einem Throne; Knaben, auch einerlei gekleidet, trugen den hl. Aloysius, welcher über sein schwarzes Ordenskleid ein weißes Chorhemd mit goldenen Fransen trug; auch hatte er, wie die andern Knaben, eine Lilie in der Hand.
Aloysius ward auf einem Throne über den Altar gesetzt, und über ihm war der Thron der Mutter Gottes; er hatte sich mit ihr verlobt. Ich sah die Kirche in der Höhe sich mit heiligen Chören füllen; um Aloysius sah ich Ignatius, Xaverius, Borgias, Borromäus, Stanislaus, Regis und noch sehr viele heilige Jesuiten, höher hinauf noch viele andere heiligen Ordensleute. Sonst war die Kirche voll von Seelen von Jünglingen und Jungfrauen und Kindern, welche am Beispiel des hl. Aloysius entzündet Gnade vor dem Herrn gefunden. Es waren lauter Selige in der Kirche.
Nachdem Aloysius mit Kränzen und Kronen und allerlei Ehre war geehrt worden, diente er den andern wieder, denn dies ist immer bei solchen Festen. Der Geehrte wird nach der Ehre immer Diener. Ich kann die Herrlichkeit dieses Festes gar nicht beschreiben, es war ein Kirchenfest der Keuschheit und Unschuld, der Demut und Liebe. — Ich sah auch sein Leben. So erblickte ich ihn als ein noch kleines Knäblein allein in einem großen Saal, wo allerhand Waffen an der Wand hingen, auch eine Soldatentasche. Ich sah, daß der Knabe zu ihr ging, an ihr etwas losschnallte und eine breite, lange Büchse herausarbeitete. Er war scheu dabei; es war, als sei es etwas zum Schießen. Ich sah ihn damit fortgehen und bald wiederkommen und heftig weinen und die Büchse wieder in die Tasche stecken, als reue ihn seine Mauserei. Er weinte heftig und legte sich unter der Tasche an die Wand. Dann sah ich eine große Frau hereinkommen, die ihn zu trösten schien. Sie führte ihn fort, und er weinte immer, auch als sie ihn zu seinem Vater und zur Mutter brachte, welche in einer schönen Stube saßen. Er erzählte seinen Fehler und weinte immerfort. Ich sah, daß man ihm nachher einen Mann zugesellte, der immer bei ihm war. Ich sah ihn in seiner Kindheit lange krank im Bette und unbeschreiblich geduldig, und wie alle Diener ihn liebten. Ich sah, wie sie ihn krank auf den Armen trugen, und wie er blaß und fieberkrank immer lieblich lächelte. — Ich sah ihn an einem andern Orte, aber auch in einem vornehmen Hause. Er war ein sanfter, ernster Knabe. Ich sah, daß viele Geistliche um ihn waren, und daß er in ihrer Mitte saß und sprach, und daß sie alle sehr erbaut zuhörten. Es war, als sei es, daß er zum heiligen Sakrament vorbereitet werde, und daß er, von Gott erleuchtet, sie wieder belehre. Ich sah ihn in dieser Zeit in einer wunderbaren Andacht und Sehnsucht. Wo er war und ging, sah ich ihn sich nach der Gegend wenden, wo das heiligste Sakrament in der Kirche stand. Ich sah, daß er sich oft einen Kelch mit einer Hostie oder eine Monstranz an die Wand zeichnete und davor mit unaussprechlicher Andacht betete, und wenn jemand kam, es geschwind auslöschte. Ich dachte dabei an die hl. Barbara, welche ich dies in ihrem Kerker auch habe tun sehen. Ich sah ihn dann, wie er das heilige Abendmahl in der Kirche empfing, und sah die heilige Hostie leuchtend vor ihm und als eile sie in seinen Mund. Ich sah ihn, als er im Kloster war, und sah seine Zelle sehr klein, außer seinem Bett wenig Raum. Ich sah oft, wie er sich geißelte, betete, und sah ihn leuchtend. Es wurde mir gesagt, seine größte Sünde sei gewesen, daß er nach tagelangem Gebet ein Ave lang zerstreut gewesen. Er ließ keinen seiner Gefährten zu sich. Ich sah, daß sie ihn sehr liebten, ihm bis zur Türe folgten, und wie er sie nicht zu sich ließ, damit sie seine Armut nicht erleben sollten.
Ich sah ihn von Jugend auf immer die Augen niederschlagen und nie einem weiblichen Wesen ins Gesicht schauen. Es war dieses keine falsche Scheinheiligkeit, sondern eine Enthaltung, die ihn rein hielt. Ich habe mich oft verwundert darüber, wenn ich es früher in Lebensbeschreibungen gelesen.»
4. Wie heilsam es ist, die in der Taufunschuld verstorbenen seligen Kinder anzurufen, erhellt aus dem folgenden Gesicht, in welchem Anna Katharina in ihren Bedrängnissen einst von seligen Jugendgespielen Trost und Hilfe empfing. Sie erzählte eines Tages:
«Selige Gespielen meiner Jugend holten mich ab. Wir gingen nach unsern alten Spielplätzen und von da zur Krippe. Der Esel stand vor der Höhle. Ich holte einen Tritt, stieg auf und setzte mich auf ihn und sagte den Kindern: <So hat die Mutter Gottes darauf gesessen.> Der Esel ließ sich streicheln und um den Hals fassen. Da gingen wir an die Krippe und beteten. Die Kinder reichten mir danach eine Menge Äpfel, Blumen und einen Rosenbusch mit Dornen umgeben. Immer wies ich sie wieder ab. Sie fragten mich, warum ich sie denn in meiner Not nie anrufe; sie wollten mir auch schon viel helfen; die Menschen riefen die Kinder so wenig an, und sie vermöchten doch viel bei Gott, besonders die gleich nach der Taufe verstorbenen. Ein solches Kind war auch dabei; es sagte mir, daß ich ihm seinen glücklichen Tod erfleht habe, und wenn dies die Eltern wüßten, sie sollten böse auf mich sein. Ich erinnerte mich, daß es mir nach der Taufe gebracht worden war; ich hob es in die Höhe und betete von ganzem Herzen, Gott möge es doch lieber im Stande seiner Unschuld zu sich nehmen, ehe es sie verlieren könnte. Es dankte mir nun, daß ich ihm den Himmel erbeten, es wolle auch für mich beten. Die Kinder haben mir gesagt, besonders solle man doch beten, daß die Kinder nicht ohne Taufe sterben; wenn man darum flehe, so sende Gott gerne Hilfe. Ich habe oft Bilder von so erflehter Hilfe.»
Später rief sie in der Ekstase nach dem Beichtvater, flehte um sein Gebet und sprach: «Es sterben in diesem Augenblicke an 5000 Menschen. Es sind viele Priester darunter. Man muß beten, sie kommen im Tale Josaphat alle wieder zu uns, sie gedenken es uns. Gott gebe ihnen die ewige Ruhe, und der Herr leuchte ihnen! Es sei eine erstaunliche Menge in den verschiedensten Lagen. Ich stehe auf einem Bogen über der Erde. Von vielen Punkten kommen wie Strahlen zu mir, und durch sie sehe ich die Lage und Umstände der Sterbenden wie durch eine Röhre. Einige sterben ganz verlassen.»
1. Im bisherigen war schon mannigfach von dem tiefen Mitleiden gegen die armen Seelen die Rede, welches Anna Katharina ohne Unterlaß zu Gebet und jeder Art von Opfern und Liebeswerken für sie hinriß; nun sollen aber auch ihre umfassenderen Anschauungen von den verschiedenen Leidenszuständen der Abgeschiedenen und einzelne Hilfsarbeiten für dieselben hier zusammengestellt werden, damit der Leser ein möglichst vollständiges Bild ihrer unermeßlichen Tätigkeit gewinnen möge. Als der Pilger[7] das erste Fest Allerheiligen und Allerseelen in ihrer Nähe zubrachte, und sie ihn die allgemeine Gleichgültigkeit gegen Verstorbene teilen sah, welche so leicht mit der Vorstellung sich beruhigt, als wären diese unserer Hilfe nicht mehr oder nicht in dem hohen Grade bedürftig, wie sie es doch in Wirklichkeit sind, da jammerte sie oftmals:
«Es ist traurig, wie jetzt so wenig den armen Seelen geholfen wird. Und ihr Elend ist doch so groß, sie selber können sich gar nicht helfen. Wenn aber jemand für sie betet, etwas für sie leidet, ein Almosen für sie spendet, das kommt ihnen augenblicklich zugute. Sie sind dann so froh, so selig wie ein Verschmachtender, dem ein frischer Trunk gereicht wird.»
Und nahm sie wahr, daß ihre Worte auf den Pilger Eindruck machten, so wies sie ihn auch darauf hin, welche Kraft der Tröstung und Hilfe in verdienstlichen Handlungen liege, die in reiner Absicht für die armen Seelen aufgeopfert werden, wie in den Übungen ernster Selbstverleugnung, der Abtötung des Eigenwillens, der Überwindung verkehrter Neigungen und Affekte, in Akten der Geduld, Sanftmut, gründlicher Demütigung, herzlicher Vergebung, wahrhaftigen Wohlwollens u. dgl.
«Ach», pflegte sie zu sagen, «es haben die armen Seelen so viel zu leiden wegen ihrer Nachlässigkeit, wegen bequemer Frömmigkeit, wegen Mangels an Eifer für Gott und das Heil des Nächsten. Wie soll ihnen geholfen werden, wenn nicht durch genugtuende Liebe, welche für sie jene Tugendakte aufopfert, die sie selbst im Leben besonders vernachlässigt hatten? Die Heiligen im Himmel können nicht mehr für sie büßen und genugtun; das haben sie von den Kindern der streitenden Kirche zu erwarten. Und wie sehr sehnen sie sich danach! Sie wissen, daß kein guter Gedanke, kein ernster Wunsch, den ein Lebender für sie hat, ohne Wirkung ist; und doch, wie wenige kümmern sich um sie! Ein Priester, der sein Brevier mit Andacht in der Meinung betet, die Versäumnisse damit gutzumachen für welche die armen Seelen noch zu büßen haben, vermag unglaubliche Tröstung zu bereiten. Ja die Kraft des priesterlichen Segens dringt bis in das Fegefeuer und erquickt wie Himmelstau die Seelen, denen er in festem Glauben gesendet wird. Wer dies alles so sehen könnte wie ich, der würde gewiß nach Kräften zu helfen suchen.»
Am meisten bedauerte sie jene Verstorbenen, welche von den Überlebenden über Gebühr gelobt und um natürlicher Eigenschaften und Vorzüge willen bis zum Himmel erhoben werden; oder von welchen die Überlebenden aus weichlicher, überspannter Liebe den Gedanken nicht ertragen können, als seien sie noch im Stande der Peinen und der Läuterung; denn solche sah sie als die ärmsten und verlassensten Seelen.
«Unmäßiges Lob», äußerte sie oft, «sehe ich immer als eine wesentliche Beraubung und Zurücksetzung dessen, dem das unverdiente Lob gespendet wird.»
Als einmal Anna Katharina mit dem durch solche Hinweisungen tief bewegten Pilger in eine längere Unterredung über das Verhältnis der Überlebenden zu den Abgestorbenen sich einließ, faßte er danach die ihm bemerkenswertesten Äußerungen in folgendem zusammen:
«Alles, was der Mensch denkt, spricht und tut, hat in sich etwas Lebendiges, das fortwirkt zum Guten oder zum Bösen. Wer Böses getan, muß eilen, seine Schuld durch Reue und Bekenntnis im Sakrament der Buße zu tilgen, sonst kann er die Folgen des Bösen in ihrer ganzen Entwicklung nur schwer oder gar nicht mehr verhindern. Ich habe dies bei Krankheiten und Leiden mancher Menschen und bei dem Unsegen mancher Orte oft körperlich gefühlt, und es ist mir immer gezeigt worden, daß ungebüßte und unversöhnte Schuld eine unberechenbare Nachwirkung hat. Ich sah die Strafen mancher Sünden bis an den späten Nachkommen wie als etwas Natürlich-Notwendiges, ebenso wie die Wirkung des Fluches, der auf ungerechtem Gute liegt, oder den unwillkürlichen Abscheu vor Orten, wo große Verbrechen geschehen sind. Ich sehe dies als so natürlich und notwendig, wie der Segen segnet und das Heilige heiligt. Solange ich denke, habe ich ein lebendiges Gefühl für Gesegnetes und Ungesegnetes, für Heiliges und Unheiliges. Das Heilige zieht mich an, und unwiderstehlich folge ich ihm, das Unheilige stößt mich zurück, ängstigt mich, macht mich schaudern, ja ich muß mit Glauben und Gebet dagegen kämpfen. Besonders klar und lebendig war mir immer diese Empfindung bei menschlichen Gebeinen, ja bei den kleinsten Stäubchen eines Leibes, der einmal eine Seele bekleidet hatte. Ich habe durch die Stärke dieses Gefühles in mir immer glauben müssen, es sei ein gewisser Zusammenhang zwischen allen Seelen und ihren Leibern; denn ich fühlte und sah ja ganz deutlich die verschiedensten Zustände und Wirkungen bei Gebeinen auf Gräbern und Kirchhöfen. Ich hatte bei einzelnen Gebeinen das Gefühl von Licht, überfließendem Segen und Heil; bei andern empfand ich verschiedene Grade von Armut und Bedürftigkeit, und ich fühlte mich um Hilfe durch Gebet, Fasten und Almosen angefleht. Es erfüllte mich aber an manchen Gräbern auch Schiecken und Entsetzen. Wenn ich in der Nacht auf dem Kirchhof zu beten hatte, empfand ich auf solchen Gräbern eine noch tiefere Finsternis als die Nacht selbst, es war da noch schwärzer als schwarz, es war, als wenn man ein Loch in ein schwarzes Tuch schneidet, was dann noch dunkler aussieht. Manchmal sah ich wie einen schwarzen Qualm aus solchen Gräbern steigen, der mich schaudern machte. Es ist mir auch geschehen, daß ich, wenn mich die Begierde zu helfen hinriß, in diese Finsternis einzudringen, das Zurückstoßen der dargebotenen Hilfe mir entgegendringen fühlte. Die lebendige Überzeugung von der allerheiligsten Gerechtigkeit Gottes war mir dann wie ein Engel, der mich aus den Schrecknissen eines solchen Grabes wieder zurückführte. An andern Gräbern sah ich eine hellere oder trübere graue Schattensäule, auf manchen eine Lichtsäule, einen stärkeren oder schwächeren Strahl; auf vielen aber sah ich gar nichts erscheinen, was mich immer am tiefsten betrübte. Ich erhielt die innere Überzeugung, daß die helleren oder trüberen Strahlen aus den Gräbern Äußerungen der armen Seelen über den Grad ihres Bedürfnisses seien, und daß jene, die gar kein Zeichen zu geben vermöchten, am weitesten zurück und ohne alle Hilfe im Fegefeuer seien, daß niemand ihrer gedenke, daß sie ohne alle Fähigkeit zu wirken und am weitesten im Verkehr mit dem Kirchenleibe zurückgesetzt seien. Wenn ich betend auf solchen Gräbern lag, hörte ich oft eine mühsame, dumpfe Stimme aus der Tiefe zu mir herauf seufzen: <Hilf mir heraus!> und ich fühlte die Angst eines ganz hilflosen Menschen deutlich in mir selbst. Ich betete für diese Hilflosen, Vergessenen immer mit größerem Eifer und andauernder als für andere, und ich habe öfter über solchen leeren, stummen Gräbern nach und nach graue Schattensäulen hervorsteigen und sich durch fortgesetzte Gebetshilfe immer mehr aufhellen sehen. Die Gräber, auf denen ich hellere oder trübere Schattensäulen sehe, wurden mir als die Gräber solcher Verstorbenen erklärt, deren arme Seelen nicht ganz vergessen, nicht ganz gebunden seien, und welche durch den Grad ihrer Reinigungspein oder durch Hilfe und Gebet lebender Freunde in einem mehr oder weniger tröstlichen Verhältnis zu der streitenden Kirche auf Erden stehen. Sie haben noch die Gnade, ein Zeichen von sich in der Gemeinde zu geben, sie sind in einem Wachsen zum Licht und zur Seligkeit begriffen, sie flehen uns an, denn sie können sich nicht selbst helfen, und was wir für sie tun, das bringen sie unserem Herrn Jesus für uns dar. Sie erscheinen mir immer wie arme Gefangene, welche noch durch einen Schrei, durch ein Flehen, durch eine vorgestreckte Hand aus dem Kerker das Mitleid ihrer Mitmenschen anregen können. Wenn ich so einen Kirchhof ansah, und diese Erscheinungen mir vor die Seele traten in ihrem verschiedenen Grade von Licht und Finsternis, war das Ganze wie ein Garten, der nicht in gleicher Pflege steht oder teilweise ganz wüst liegt; und wenn ich dann recht betete und arbeitete und auch andere dazu antrieb, so war es, als richteten sich die Pflanzen auf, als lockerten und erquickten wir die Erde und ganz verborgener Same dringe zutage, — und Tau und Regen komme über den Garten. Ach wenn alle Menschen das so sähen wie ich, sie würden gewiß noch viel fleißiger in diesem Garten arbeiten als ich.
Wenn ich auf Kirchhöfen in solche Anschauungen komme, kann ich ebensosehr von dem christlichen Fleiß und der Liebe einer Gemeinde mich überzeugen, als man aus dem Zustande der Felder und Gärten um einen Ort auf den Fleiß und die zeitliche Betriebsamkeit der Einwohner schließen kann. Gott hat mir oft in meinem Leben die Gnade verliehen, daß ich viele Seelen vor meinen Augen aus dem Fegefeuer mit unendlicher Freude in den Himmel aufsteigen sah.
Wie aber keine Arbeit, kein Helfen in der Not ohne Mühseligkeit, Kampf und Anfechtung ist, so bin ich als ein junges, gesundes Kind und als eine rüstige Jungfrau oft in meinem Gebet bei Gräbern und auf den Kirchhöfen auf eine arge Weise gestört, geschreckt und mißhandelt worden von unseligen Geistern oder vom bösen Feinde selbst. Getöse und furchtbare Erscheinungen umgaben mich, oft ward ich auf Gräbern umgeworfen, oft ward ich hin und her geschleudert, ja manchmal wollte mich eine Gewalt zum Kirchhof hinausdrängen. Ich habe aber von Gott die Gnade gehabt, mich nie zu fürchten und nie ein Haar breit dem Feinde zu weichen, und wo ich gestört wurde, verdoppelte ich mein Gebet. O wie vielen Dank habe ich von den lieben armen Seelen gehabt; ach, wenn doch alle Menschen diese Freude mit mir teilen wollten! Welch ein Überfluß von Gnaden ist auf Erden, aber wie werden sie vergessen und verschleudert, während die armen Seelen so sehr nach ihnen seufzen! In ihren mannigfachen Räumen mit verschiedenen Qualen sind sie voll Angst und Sehnsucht, so schmachtend nach Hilfe und Erlösung. Und wie groß auch ihre Not ist, sie loben doch unsern Herrn und Heiland. Alles, was wir für sie tun, gebiert unendliche Wonne.»
2. Am 2. November 1819 erzählte Anna Katharina: «Ich kam mit meinem Führer in einen düstern Ort. Ich ging weit darin umher und tröstete. Die Seelen sah ich teilweise wie zur Hälfte, teils bis an den Hals, überhaupt mehr oder weniger in Finsternis getaucht. Sie waren nebeneinander, aber jede wie in einem getrennten Kerker. Einige litten Durst, andere Kälte, andere Hitze, sie konnten sich nicht helfen und waren in unendlicher Qual und Sehnsucht. Ich sah sehr viele erlöst werden; ihre Freude ist unaussprechlich. Emporschwebend in großer Zahl in einer bloß grauen seelischen Gestalt, erhielten sie während des kurzen Überganges nach einem höheren Ort auf kleine Zeit die Kleider und Insignien ihres Standes, den sie auf Erden bekleidet hatten. Der Ort aber, in welchem sie sich sammelten, war ein großer Raum über dem Fegfeuer, welcher wie mit einem Zaune von Dornen umgeben war. Hier sah ich nun viele Ärzte erlöst, sie wurden von einer Art Prozession ihrer Standesgenossen empfangen und emporgeführt. Ich sah auch sehr viele Soldaten abgeholt werden, was mich sehr für die armen geschlachteten Leute freute. Ich sah wenige Klosterfrauen, noch weniger Richter; aber viele Jungfrauen, welche sich dem Klosterstande bei Gelegenheit würden gewidmet haben, und sah sie von seligen Nonnen abholen. Ich sah auch einige alte Könige und Seelen aus königlicher Familie, mehrere Geistliche, auch viele Bauern. Unter allen diesen Seelen sah ich viele aus meiner Bekanntschaft, viele aus fremden Gegenden ihrer Kleidung nach. Jeder Stand war von Seelen seinesgleichen nach verschiedenen Richtungen emporgeführt, und in diesem Emporführen verloren sie wieder ihre irdischen Kennzeichen und erhielten ein lichtes, seliges Gewand. Ich kannte im Fegfeuer nicht nur meine Bekannten, sondern auch Anverwandte meiner Freunde, die ich nie gesehen. Am verlassensten sah ich jene guten armen Seelen, welche niemand haben, der an sie denkt, und deren gibt es so viele von jenen unserer Glaubensgenossen, welche das Gebet nicht üben. Ich bete immer für solche am meisten.
Hierauf kam ich in ein anderes Gesicht. Ich stand auf einmal als ein Bauernmächen gekleidet da, wie ich im früheren Leben ging. Ich trug eine Binde vor der Stirne und eine Mütze auf dem Kopfe. Mein Führer brachte mich einer Schar entgegen, die leuchtend vom Himmel herzog. Es waren lauter gekrönte Gestalten, über welchen der Heiland mit einem weißen Kreuzstabe, an dem ein Fähnchen, schwebte. Es waren etwa hundert, meistens Jungfrauen, nur ein Drittel Männer. Alle waren in glänzenden königlichen Gewändern von vielerlei durcheinanderstrahlenden Glorienfarben, wodurch die Erscheinung gar wunderbar wurde. Sie trugen offene Ringkronen und auch geschlossene Kronhauben. Unter ihnen waren viele sichtbar mit den Wunden ausgezeichnet, die um die Malstellen einen roten Glanz verbreiteten. Ich wurde von meinem Führer zu ihnen herangeführt und war entsetzlich blöde und wußte nicht, wie ich als ein Bauernmädchen zu diesen Königen sollte. Mein Führer sagte: <Du kannst dies alles auch noch werden>, und es wurde mir statt des Bauernkleides ein weißes Nonnenkleid angezogen. Ich sah nun um mich alle, die bei meiner Einkleidung im Kloster zugegen waren und besonders die seligen Nönnchen unseres Klosters. Ich sah, wie manche, die ich im Leben gekannt und mit denen ich zu tun hatte, aus dem Fegfeuer nach mir sahen. Ich erkannte wahre und falsche Teilnahme. Viele sahen mir traurig nach, und es reute sie manches, da ich wieder von ihnen fort mußte. Es waren Bürger aus dem Städtchen.»
3. Am 24. September 1820 erzählte sie: «Ich hatte im Hochzeitshause eine schwere Arbeit, mit der ich nicht fertig werden konnte. Ich sollte mit einem ganz unbrauchbaren, steifen Besen vielen Unrat hinausfegen; ich konnte aber nicht damit zustande kommen. Da kam meine Mutter zu mir und half, und auch eine Freundin, der ich vor ihrem Tode ein Bild der hl. Katharina geschenkt, welches ich übernatürlicherweise empfangen hatte. Sie trug das Bildchen auf der Brust und sprach viel mit mir. Ich ward von meiner Mutter nach vielen Aufenthaltsorten von Seelen geführt und entsinne mich, daß ich auf einen Berg gebracht wurde, als welchem ein Geist, kupferrot schimmernd, mit einer Kette, an die er angeschlossen war, mir entgegentrat. Er war hier seit sehr langer Zeit und von aller Hilfe verlassen. Niemand gedachte seiner, niemand half und betete für ihn. Er redete nur wenige Worte, und doch erfuhr ich seine ganze Geschichte, wovon ich noch einiges in Erinnerung habe. Er war zur Zeit eines Königs von England, der Krieg mit Frankreich führte, englischer Kriegsoberster in diesem Lande, wo er arg wütete und alle Grausamkeiten verübte. Er war so schlecht erzogen, und es war mir, als sei dies Schuld seiner Mutter; doch trug er immer eine geheime Ehrfurcht vor Maria. Er zerstörte alle Bilder, und als er einmal vor einer sehr schönen Bildsäule der Mutter Gottes vorüberkam, wollte er sie auch zerstören; aber es überkam ihn eine Rührung, und er tat es nicht. Hierauf fiel er in ein hitziges Fieber und hätte gern gebeichtet, er kam aber von Sinnen; doch starb er mit einer heftigen Reue. Er fand dadurch Barmherzigkeit und ward nicht verdammt. Es konnte ihm noch geholfen werden, aber er war ganz vergessen. Er sagte, daß durch heilige Messen ihm besonders geholfen werden könnte; ja daß er durch weniges viele Zeit früher befreit würde. Es sei dieser Ort das (gewöhnliche) Fegfeuer nicht. Ich sah ihn immer wie von Hunden angebellt und zerfleischt, weil er die Leute so gepeinigt hatte. Er lag oft in verschiedenen Stellungen angeschlossen, auch wie im Block, und wurde mit siedendem Blute durchgossen, das ihm durch alle Adern rann. Er sagte, die Hoffnung der Erlösung sei ihm ein großes Labsal. Als er mit mir gesprochen, sank er wieder wie in den Berg hinein. Der Platz, wo er stand, war wie mit flammendem Gras überzogen. Er hatte auch schon früher mit mir geredet, es war jetzt das dritte Mal.»
27. September 1820. «Ich habe heute nacht viel für die armen Seelen gebetet und viele wunderbare Strafzustände von ihnen gesehen und die ganz unbegreifliche Barmherzigkeit Gottes. Ich habe auch den unglücklichen englischen Kriegsmann wiedergesehen und für ihn gebetet. Ich sah eine unendliche Barmherzigkeit und Gerechtigkeit Gottes und wie nichts wirklich Gutes im Menschen, das noch übrig in ihm, verlorengeht. Ich sah das Gute und Böse aus den Vorfahren in den Kindern fortwirken und durch ihren Willen und ihr Mitwirken ihnen zum Heil und Unheil gerichtet werden. Ich sah aus den Schätzen der Kirche und der Liebe der Kirchenglieder auf wundervolle Weise den Seelen Hilfe leisten. Und alles dieses war ein wirkliches Ersetzen und Vollmachen ihrer Mängel. Die Barmherzigkeit und Gerechtigkeit verletzten sich nicht, und doch sind beide unendlich groß. Ich sah viele Zustände der Reinigung; besonders sah ich jene bequemen, still sitzenden Priester gestraft, welche zu sagen pflegen: <Ich bin mit einem kleinen Plätzchen im Himmel zufrieden, ich bete, ich lese Messe, ich sitze Beicht usw.> Sie müssen unsägliche Qual und Sehnsucht nach Liebeswerken empfinden; und alle Seelen, welche ihrer Hilfe entbehrt haben, müssen sie vor sich sehen und müssen still sitzen mit zerreißender Begierde zu helfen und zu wirken. Alle ihre Trägheit wird eine seelische Pein, ihre Ruhe wird eine Ungeduld, ihre Untätigkeit eine Fessel, und alle diese Strafen sind keine Erfindungen, sondern sie gehen wie die Krankheit aus dem Übel verständlich und wunderbar hervor.
Bei dieser Gelegenheit habe ich vieles vom Fegfeuer und besonders vom Stande der Kinder, der vor und nach der Geburt getöteten, gesehen, was ich nicht deutlich genug sagen kann und deswegen übergehe. So viel war ich mir immer gewiß, daß alles Gute, sei es in der Seele oder im Leibe, zum Lichte dringt, wie alles Böse zur Finsternis, so es nicht gesühnt und getilgt wird, daß die Gerechtigkeit und Barmherzigkeit in Gott Vollkommenheiten sind, und daß der Gerechtigkeit aus seiner Barmherzigkeit, aus den unerschöpflichen Verdiensten Jesu Christi und der mit ihm vereinigten Heiligen in der Kirche durch die Mitwirkung und glaubende, hoffende, liebende Arbeit der Glieder seines geistlichen Leibes genug geschieht. Ich sah immer, daß nichts verloren ist, so es in der Kirche in Vereinigung mit Jesus geschieht; daß jeder fromme Wunsch, jeder gute Gedanke, jedes Liebeswerk um Jesu willen der Vollendung des Kirchenleibes zugute kommt, und daß ein Mensch, der nichts tut, als in voller Liebe zu Gott beten für seine Brüder, in großer, heilbringender Arbeit begriffen ist.»
6. Oktober 1820. «Ich hatte ein Bild von einem frommen Franziskaner in Tirol. Ich sah, daß er ein Vorgesicht von einer großen, der Kirche aus einem politischen Zusammentritt, der seiner Vollziehung sich nähert, drohenden Gefahr hatte. Es ward ihm befohlen, fortwährend für die Kirche zu beten; und ich sah ihn bei seinem Kloster, das nicht groß war, nahe bei einem Städtchen beten. Er kniete in der Nacht vor einem wundertätigen Muttergottesbild, und ich sah, daß der Teufel großen Lärm, ihn zu stören, in der Kirche machte mit Brausen und schrecklichem Geprassel gegen die Fenster, indem er in Gestalt von schwarzen Raben dagegen stürzte. Der fromme Ordensmann aber ließ sich nicht stören und betete mit ausgebreiteten Armen fort. Infolge dieses Gebetes sah ich nachher drei Gestalten an mein Lager treten. Eine war ein Wesen wie mein Führer; sie trat mir näher; die beiden andern waren Seelen, welche Gebet verlangten. Ich erfuhr, daß es die Seele eines katholischen Fürsten von Brandenburg und eines frommen österreichischen Kaisers sei, und daß sie mir zur Vorbitte durch das Gebet des Franziskaners gebracht wurden, welcher dieselbe Gefahr wie ich gesehen. Sie flehten um eine höhere Beförderung ihres Zustandes, um auf ihre jetzigen Nachfolger auf Erden wirken zu können. Ich erfuhr, daß solche Seelen mehr Bezug auf sie haben als andere. Merkwürdig war mir, daß der führende Geist selbst meine Hände nahm und sie emporrichtete. Seine Hand fühlte sich weich und luftig wie von zarten Federn; so oft ich aber meine Hände sinken ließ, hob er sie wieder und sagte: <Du mußt noch länger beten!> Das ist, wessen ich mich entsinne.»
4. An Allerseelen 1820 war Anna Katharina, wie gewöhnlich an diesem Tage, in schweren Genugtuungsleiden für die armen Seelen. Sie verschmachtete, berichtet der Pilger, vor Durst in Fieberhitze, trank aber nicht, um die Pein jener zu lindern. Sie war voll Begierde zu helfen, ganz sanft und geduldig in ihren Schmerzen. Sehr erschöpft erzählte sie das Folgende: «Ich wurde von meinem Führer emporgeführt. Ich hatte nicht das bestimmte Gefühl einer Richtung nach einer Weltgegend; aber es war ein sehr mühsamer Weg. Er war immer aufsteigend und ganz schmal und führte wie eine lichte Brücke steil in eine ungeheure Höhe. Es war Nacht an beiden Seiten; ich mußte seitwärts gehen, so schmal war der Pfad. Unter mir sah ich die Erde voll Nacht und Nebel und die Menschen in Elend und Morast wühlend. Ich war schier die ganze Nacht in diesem schweren Aufklimmen; oft sank ich nieder und meinte herabzustürzen, dann reichte mein vorauswandelnder Führer mir die Hand und brachte mich weiter. Es ist möglich, daß ich in einer Weltrichtung reiste, denn mein Führer zeigte mir einigemal links und rechts wüste Orte an der Erde, wo gewisse Geheimnisse der Führungen des Volkes Gottes geschahen. Ich sah allerlei Orte, wo die Patriarchen und dann die Kinder Israels gewandelt sind. Es war, als träten diese Orte, wenn mein Führer darauf hinzeigte, hell aus Nacht und Ferne gegen mich heran. Es waren Wüsten, zerfallene dicke Türme, Sümpfe, große übergebeugte Bäume. Er sagte mir, wenn diese Orte alle wieder angebaut und von Christen bewohnt sein würden, dann würde die letzte Zeit sein. Auf diesem Pfade schwebten viele Seelen, von ihren Führern begleitet, als graue Gestalten aus der Nacht zu uns heran. Es war, als flögen sie aus einer weiten Nacht nach diesem schmalen lichten Faden, auf dem ich peinlich unter stetem Flehen und Gebete hinanklomm. Sie kamen nicht auf den Pfad selbst, sondern schwebten links und rechts in halber Höhe neben und hinter mir längs dem Pfade. Es waren Seelen in diesen Tagen Verstorbener, für welche ich zu leiden und zu beten berufen war, denn vor einigen Tagen waren Theresia, Augustinus, Ignatius und Xaverius mir erschienen und hatten mich zu Gebet und Arbeit aufgefordert, ich solle es an diesem Tage erfahren, wozu.
Mein Pfad führte nicht in das eigentliche Fegfeuer; dieses lag unter demselben, und ich sah diese Seelen auf acht und mehrere Tage in dasselbe eingehen durch mein Gebet, welches ich noch fortzusetzen hatte. Der Ort, in welchen ich einging, war eine große Gegend ohne Himmel; es war, als sei oben alles zugewachsen wie mit einem Gewölbe, einer Laube. Es waren hier wohl Bäume, Früchte und Blumen, aber alles war trüb und leid- und freudelos. Es waren hier unzählige Abteilungen wieder mit besonderen Arten von Dunst, Nebel, Wolken oder Scheidungen getrennt, nach verschiedenen Ideen von Ab- und Einschränkung; und ich sah in diesen Räumen wenige oder mehrere Seelen beieinander wohnen. Es war dieses ein Aufenthalt zwischen dem Fegfeuer und dem Himmel.
Ich sah daselbst bei meiner Ankunft eine Menge Seelen, immer drei und drei von einem Engel begleitet, nach einer Seite hinschweben und aufsteigen, wo wie ein Licht aus hoher Ferne niederschimmerte. Sie waren ungemein freudig. Ich sah diese Seelen alle schon farbig schimmernd; indem sie ausgingen, ward die Farbe ihrer Glorie reiner. Ich hatte auch eine Weisung über die Bedeutung ihrer Farben: rot leuchtete die feurige Liebe, welche sie auf Erden nicht rein geübt, und quälte sie; weiß leuchtete die Reinheit der Gesinnung, welche sie durch Faulheit brachliegen ließen; grün die Geduld, welche sie durch Unwillen getrübt; gelb und blau habe ich vergessen. Die Seelen gingen immer drei und drei aus, grüßten mich und dankten. Es waren sehr viele, die ich kannte, meistens Leute vom Mittelstande und Bauern. Ich sah auch vornehmere Leute, doch nur wenige. Wenngleich kein Rang hier ist, so ist doch eine feinere Bildung zu unterscheiden. Es ist ein wesentlicher Unterschied in den Stämmen, und man kann es in der Erscheinung unterscheiden. Das Geschlecht unterscheidet sich durch Stärke, Strenge, Bestimmtheit in dem Wesen bei Männerseelen, in den weiblichen ist etwas Weiches, Leidendes, Empfängliches, man kann es nicht beschreiben. In diesem Raume halten sich Engel auf, welche die Seelen nähren mit den Früchten des Ortes; auch wirken sie bereits auf das Fegfeuer und auf die Erde, haben auch ein Bewußtsein des himmlischen Genügens, und das Sehnen und Harren ist die letzte Pein. Ich ging aus diesem Ort weiter an dessen Ende und sah durch eine lichter werdende Öffnung einen Raum, der heller und mit schöneren Bäumen geziert war. Ich sah, wie eine Bewegung von Engeln darin; es wurde mir gesagt, hier seien die Altväter vor Christi Höllenfahrt gewesen, und es wurde mir gezeigt, wo Adam, wo Abraham, wo Johannes gewesen. Ich kam von da links durch einen beschwerlichen Weg nach Hause. Ich kam auf den Berg, wo ich den von Hunden gehetzten Mann gesehen; er war nicht mehr hier, sondern im Fegefeuer.»
3. November. «Ich habe heute nacht kühn zu allen Heiligen gerufen, deren Gebeine bei mir sind, und habe besonders meine lieben seligen Schwestern Madlenchen von Hadarnar, Columba von Bamberg, Juliana von Lüttich und Lidwina eingeladen, mit mir ins Fegfeuer zu kommen und jenen Seelen herauszuhelfen, welche Jesus und Maria die liebsten seien. Ich hatte auch die Freude, viele befördert und erlöst zu sehen.»
4. November. «Ich kam heute nacht fast durch die ganze Diözese und war besonders im Dom, wo ich alle Versäumnis und Nachlässigkeit der Geistlichkeit als einen mit Kot gefüllten und künstlich zugedeckten Raum erblickte. Ich mußte den ganzen Unrat nach einem Wasser tragen, das ihn fortschwemmte. Ich schleppte mich ganz zuschanden. Unter dieser Arbeit kam die Seele der Tochter einer Frau aus meiner Gegend zu mir und sagte, daß ich doch ihrer Mutter im Fegfeuer zu Hilfe kommen sollte. Sie begleitete mich auch dahin. Ich sah die Mutter, welche eine sehr geschwätzige und naschige Frau gewesen war, ganz einsam, ohne Gesellschaft in einem Raum sitzen wie eine kleine Küche, voll Langerweile, und sie mummelte immer mit dem Munde, als nasche und kaue sie. Sie bat mich sehr, bei ihr zu bleiben heute nacht. Sie kam auch in einen höheren, besseren Raum vor dem ihrigen, und ich war bei ihr, sie zu trösten.
Die armen Seelen sind unterrichtet von dem, was im Himmel und auf Erden in bezug auf das Heil geschieht, sie werden von Engeln unterrichtet. So war die Seele der Tochter, welche mich zu ihrer Mutter hierher rief. Ich tröstete diese Frau. Wirken können diese Seelen gar nicht. Im Fegfeuer ist keine Natur, kein Baum, keine Frucht. Alles ist farblos, heller und dunkler nach dem Grade der Reinigungen. Die Aufenthaltsorte sind auch in einer Art Ordnung.
Das Gericht über eine Seele sehe ich augenblicklich über dem Sterbeort des Menschen. Ich sehe Jesus, Maria, den Patron der Seele und ihren Engel dabei; auch bei Protestanten sehe ich Maria zugegen. Dieses Gericht ist in sehr kurzer Zeit vollendet.»
6. November. «Ich dachte am Abend, die armen Seelen seien doch ihrer Hoffnung gewiß, und die bösen Menschen seien in Gefahr, ganz verlorenzugehen, darum wolle ich für diese beten. Da trat der hl. Ignatius vor mich und hatte auf seiner einen Seite einen hoffärtigen, freien, gesunden Menschen, den ich kannte, und auf der andern Seite einen Menschen, der bis über den Hals im Sumpf stak, elend schrie und sich nicht helfen konnte; er reichte mit einer Hand seine Finger ein wenig heraus. Es war dieser ein verstorbener Geistlicher, den ich nicht kannte. Ignatius fragte mich nun: <Für wen willst du Hilfe erflehen, für den hoffärtigen Bösewicht, der Buße wirken kann, wenn er will, oder hier für den Hilflosen, der sich nicht helfen kann?> Ich erbebte vor Schrecken an allen Gliedern und mußte heftig weinen. Ich ward auch bald zum Fegfeuer auf einer mühsamen Reise geführt und betete für die Seelen. Hernach ward ich noch in ein großes Zucht- und Arbeitshaus gebracht. Vielen, welche durch Verführung und Not in Verbrechen gefallen, konnte ich bemerkbar werden und sie rühren; Bösewichter waren unbeweglich. Es war dieses Zuchthaus in meinem Vaterland. Ich war noch an vielen solchen Orten, auch in Kerkern, worin Leute mit langen Bärten unter der Erde lagen. Sie waren in gutem Seelenzustand und büßten; ich tröstete sie. Ich sah alle diese Orte als ein Fegfeuer der Erde. — Danach mußte ich noch zu einigen Bischöfen. Einen sehr weltlichen traf ich bei einem Schmause, zu dem auch Frauen geladen waren. Ich rechnete die Kosten der Tafel zusammen, und wie viele Arme davon hätten leben können. Das hielt ich ihm vor, und da er gegen mich darüber sehr unwillig wurde, sagte ich, dies alles werde von einem Engel aufgeschrieben, der mit einem Buche und einer Rute über ihm stehe. Er sagte aber, das sei nichts, da gehe es anderwärts noch ärger her. Ich sah dies auch wirklich, aber überall auch den Strafengel.»
In diese mit so großer Pein verknüpften Gebetsarbeiten für die armen Seelen trat am Schlusse der Oktave ein Tröstungsbild ein, in welchem sie die Wirkung aller Liebeswerke erblickte, welche sie von Kindheit an für dieselben vollbracht hatte. «Ich fand mich in der elterlichen Hütte, und es war, als sollte ich vermählt werden. Alle Seelen, für die ich je gebetet, kamen herbei und brachten allerhand Geschenke, die sie auf den Brautwagen packten. Das Brauthaus aber war das Schulhaus, in das ich als Kind gegangen war; es war nun viel schöner und größer. Die zwei alten heiligen Nönnchen waren meine Brautjungfern. Nun kam auch mein Bräutigam und der Brautwagen. Ich dachte noch in dem Schulhause: <Nun bin ich zum dritten Male hier; das erste Mal, da ich als Kind zur Schule gebracht wurde und mir unterwegs die Mutter Gottes mit dem Jüngsten erschien und sagte, so ich gut lerne, solle es mein Bräutigam werden; das zweite Mal, da ich in das Kloster ging und in dem Schulhause in einem Gesicht verlobt ward, und jetzt zum dritten Male, da ich Hochzeit halten sollten Alles ward jetzt voll von Pracht und Früchten; und Haus und Garten stieg über die Erde empor, und ich sah auf die wüste, trübe Erde herab.»
9. November. «Ich hatte mehrere Weinberge durchzuarbeiten, wo es übel aussah mit der Bedeckung der Reben vor dem Frost. Ich kam auch nach Koblenz und hatte in der Nähe mit vieler Mühe in drei Weinbergen zu arbeiten. Da ich nun gedachte, zu den armen Seelen mich zu wenden, traten neun Gestalten um mich her, welche Packe auf dem Nacken hatten. Eine zehnte Gestalt hatte ihren Pack abgelegt und war fortgelaufen; ich aber mußte ihren schweren langen Pack über die Schulter und unter den Arm nehmen und mit ihm, umgeben von den neun andern Gestalten, immer gegen Morgen aufsteigen. Der Weg war kein natürlicher; er ging schnurgerade gegen Morgen und war schimmernd, zu beiden Seiten Nacht und Nebel. Wenn ich unter meinem Bündel erlag und nicht mehr weiter konnte, erschien am Weg eine Bank, wohin ich meine Last dann ablegte. In dem Pack war eine große menschliche Gestalt, und zwar jene, welche mir vor ein paar Tagen St. Ignatius als im Schlamm versunken gezeigt hatte; und ich erfuhr, es sei dies einer der letzten Kurfürsten von Köln. Er hatte auch einen Kurhut am Arme befestigt. Die neun andern waren wie Läufer, wie sie diese Fürsten hielten. Es war, als könnte er nicht selbst wie die andern gehen, und als habe ihn einer, der ihn bis jetzt geschleppt, im Stiche gelassen, und ich mußte nun dafür eintreten. Immer aufsteigend gelangten wir endlich an einen ganz wunderbaren Ort. Wir kamen an ein Tor, wo Geister wie zur Wache standen. Die Neune gingen geradedurch hinein, mein Pack aber wurde mir abgenommen und in Verwahr gebracht, ich selbst aber wurde nach rechts auf einen hohen Wall gewiesen. Es waren Bäume da, wo ich hinkam. Ich konnte von da aus weit umhersehen; ich erblickte aber nichts als eine erstaunlich große, von allerlei Wällen und Hügeln, an denen unzählige Gestalten arbeiteten, durchschnittene Wasserfläche. Es waren dies Könige, Fürsten, Bischöfe und sonst Leute aller Art, besonders Dienerschaft. Manche Fürsten hatten ihre Kronen am Arme, noch schlechtere hatten sie an den Beinen. Sie alle mußten auf den Wällen arbeiten mit Graben, Karren, Aufklettern u. dgl. Ich sah viele, die immer von den Wällen wieder niederstürzten und wieder hinan mußten. Die Seelen der Diener hatten hier die Seelen ihrer ehemaligen Herren zu treiben. Soweit ich sah, sah ich alles aus Wasser und Wällen bestehen, und nur bei mir waren einige Bäume, aber ohne Früchte. Ich sah den, welchen ich getragen, auch schanzen; ich meine, er mußte immer unter der Erde wühlen. Die neun Gesellen sprachen mit mir; ich mußte ihnen an etwas helfen, was ich nicht mehr weiß. Es waren hier keine weiblichen Seelen. Es schien dieser Aufenthalt ein anderer Ort als das Fegfeuer; denn es war ein Bewegen und Wirken darin; es war auch, als müßten die Seelen hier etwas ebnen und ausfüllen. Ich sah zu meiner Verwunderung keine Grenze des Gesichtskreises, ich sah nur den Himmel oben und die Arbeitenden unter mir links und rechts, wie eine unendliche Wasser- oder Luftfläche.
Nun wurde mir weit jenseits ein anderer Raum oder Körper gezeigt, auf dem nur Frauen waren. Mein Führer sagte, ich solle hinübergehen. Da ich anfangs nicht wußte wie, sagte er: <Auf deinem Glauben!> Da wollte ich mein Tuch nehmen, auf das Wasser breiten und darauf hinüberfahren; es kam aber sogleich ein kleines Floß gefahren, auf dem ich hinüberschiffte, ohne zu rudern. Mein Führer schwebte neben mir auf der Flut. Auf jenem Körper sah ich wie einen großen viereckigen Aufenthalt und nichts als weibliche Seelen aller Art, auch Nonnen und andere Seelen, welche ich kannte. Sie hatten sehr viele Gärten zu bauen; die Dienerinnen hatten auch hier den ehemaligen Herinnen zu befehlen. Sie wohnten in Laubhütten. An den vier Ecken dieses Aufenthaltes schwebten vier wachende Geister. Sie hatten an hohen Bäumen wie kleine Wachthäuser an den Zweigen hängen. Die Seelen hier bauten mancherlei Obst, aber es ward nicht ganz reif, denn es war hier so viel Nebel und ein niederer, gedrückter Himmel. Was sie erarbeiteten, erhielten andere Seelen von ihnen, die ich an einem andern Orte zwischen hohen Eisbergen klein und unansehnlicher wandeln sah. Sie luden die Früchte auf Flöße, und sie kamen zu jenen Leuten, welche sie nochmals aussuchten und die besten wieder an andere Seelenorte sendeten.
Diese auf den Eisbergen waren Seelen von nichtchristlichen Völkern, die noch halb wild waren. Die Frauen fragten mich, welches Jahr jetzt sei, und wie es auf der Erde jetzt stehe. Ich sagte es ihnen und meinte, es müßten wohl wenige hierher zu ihnen kommen, da so viele Sünden begangen würden. Ich erinnere mich nicht mehr, was ich noch außerdem hier tat.
Der Rückzug ging auf schmalem Pfade immer niedersteigend. Nun sah ich die Spitzen der Erde hervorstechen, sah Flüsse wie silberne Fäden und Meere wie Spiegel, erkannte Wälder und Städte und kam endlich an die Erde bei dem Ganges nieder. Als ich auf meinem Weg zurücksah, erschien er als ein feiner Strahl, der sich wie ein Flämmchen in die Sonne verlor. Die guten Inder, welche ich neulich vor einem Kreuze beten sah, hatten nun von Flechtwerk eine grünende Laubkirche gebaut, die sehr schön war. Es waren mehrere zusammengezogen, und sie hatten Gottesdienst. Ich kam von da durch Persien nach dem Ort, wo Jesus um diese Zeit vor seiner Kreuzigung lehrte; es war nichts mehr von dem Orte da als schöne Fruchtbäume und auch die Spuren von dem Weinberg, den der Herr hier angelegt. Ich zog von da nach Ägypten und kam dann durch Abessinien. Ich machte noch einen ganz wunderbaren Weg und kam übers Wasser nach Sizilien, wo ich viele Orte verwüstet und verlassen sah. Dann kam ich über Gebirge nicht fern von Rom. Später sah ich in einer Sandebene bei einem Tannenwalde einen Trupp Räuber, welche in der Nähe eine Mühle überfallen wollten. Als mein Führer und ich ihnen nahten, ergriff einen von ihnen große Furcht; er sagte zu den andern: <Es überkommt mich ein solcher Schrecken; es ist mir, als sei man hinter uns her!> und hierauf ergriffen sie alle die Flucht. Ich bin von dieser Reise, besonders von dem Schleppen der schweren Seele, so müde, daß ich voll Schmerzen bin. Ich habe ungemein viel auf der Reise gesehen und getan, das ich vergessen habe.»
31. Dezember. «Ich hielt Rechnung mit mir über das abgelaufene Jahr. Ich sah, wieviel ich versäumt, wieviel ich zu flicken habe. Es sah erbärmlich mit mir aus, ich habe mich sehr zerweint. Ich hatte auch viele Bilder von armen Seelen und von Sterbenden. Ich sah einen Priester, der gestern abend 9 Uhr starb, und der sehr fromm und wohltätig war. Es kam aber doch, weil er Zeit versäumt mit allerlei Scherzen, drei Stunden ins Fegfeuer. Er hätte sollen mehrere Jahre hineinkommen; er war aber durch kräftiges Beten und viele Messen so gefördert. Ich sah seinen Leiden drei Stunden zu, und als er frei wurde, hörte ich, was mich lächerte (zum Lachen reizte), als sage er zu dem Engel: <Nun sehe ich doch, daß einen auch Engel anführen können; ich sollte nur drei Stunden hier sein und war nun so lange, so lange hier!> Dieser Geistliche war mir sehr bekannt.»
5. Am 28. Oktober 1821 erzählte Anna Katharina: «Ich sah heute nacht die heilige Jungfrau Ermelindis[8]. In ihrem zwölften Jahre hatte sie einen unschuldigen Umgang mit einem Jünglinge, mit welchem ihre Eltern sie vermählen wollten. Ich sah sie vornehm und reich in einem großen Hause und wie sie einmal dem Jüngling unter die Türe entgegengehen wollte. Da erschien ihr Jesus und sagte: <Liebst du mich nicht mehr als jenen?> Mit tausend Freuden sprach sie: <Ja>; und Jesus ging mit ihr auf ihre Kammer und gab ihr einen Ring, sich mit ihr vermählend. Ich sah, daß sie gleich die Haare sich abschnitt und ihren Eltern und dem Jüngling sagte, daß sie sich Gott verlobt habe. Ich bat die Heilige, mich zu Sterbenden und zu den armen Seelen zu führen, und es war, als wenn ich mit ihr durch Holland reiste. Ich mußte mühsam durch Wasser, allerlei Niederungen und Torfmoor und Gruben mit großer Mühe und Arbeit. Ich war bei armen Leuten, welche keinen Priester erlangen konnten, da diese so weit über Wasser mußten. Ich tröstete, half und betete in allerlei Umständen.
Von da ging ich immer weiter nach Mitternacht. Ich kann mir nicht recht denken, in welcher Gegend das Fegfeuer eigentlich ist. Meistens gehe ich gegen Mitternacht, aber ich verliere dann den natürlichen Grund und muß durch einen dunkeln Übergang und muß viele Schwierigkeiten, Hindernisse, Peinen überwinden, wie sie von Wasser, Schnee, Dornen, Morast u. dgl. kommen können. Ich arbeite sie für die armen Seelen durch; und dann ist es oft wieder, als steige ich auf dunkeln, grundlosen Wegen nieder, wie unter die Erde, und komme dann in Räume von verschiedener Düsterheit, Nebel, Kälte, Unheimlichkeit aller Art und da aus einem Raume in den andern zu Seelen, die höher oder tiefer, mehr oder weniger zugänglich sind. Ich bin auch heute nacht von einem Raum zum andern gegangen, habe getröstet und dabei Aufträge zu verschiedenen Arbeiten erhalten. So mußte ich gleich die Litanei aller Heiligen und die sieben Bußpsalmen beten. Mein Führer sagte mir, ich solle mich wohl in acht nehmen, mich nicht ärgern und jeden Verdruß den armen Seelen aufopfern. Ich dachte am andern Morgen nicht mehr an diese Ermahnung und war schon im Begriff, über eine Sache in Ärger zu kommen, aber ich unterdrückte ihn und bin sehr froh darüber und danke meinem lieben Schutzengel, der mir dazu geholfen. Es ist nicht zu sagen, welch großen Trost die armen Seelen durch eine kleine Aufopferung und Überwindung erhalten.»
2. November 1821. Sie war schon seit vierzehn Tagen immer mit den armen Seelen in mancherlei Gebet, Abtötung, Almosen und geistiger Arbeit beschäftigt, um zu vollbringen, was zur Erlösung der leidenden Seelen noch fehlte. Es war, als rüste sie viele aus, um sie an ihrem Gedächtnistage vollendet darstellen zu können.
Alles, was sie litt und tat, hatte sie mit größter Geduld und Liebe beständig für sie aufgeopfert. Sie erzählte: «Ich habe wieder Reisen mit den Heiligen zum Fegfeuer gemacht. Die Straforte der Seelen sind nicht auf einer Stelle; ich finde sie sehr verschieden und muß von einem Ort zum andern reisen. Der Weg geht dann oft so, daß man Meere, Eisgebirge, Schnee, Wolken unter sich sieht. Oft ist es, als müsse ich um die Erde herum hinabsteigen. Die Heiligen gehen leicht neben mir her, sie haben einen Grund wie Lichtwolken unter sich, der mit ihnen fortzieht. Diese Bahnen sind bei dem einen von anderer Farbe als bei dem andern, je nachdem die Arten der Trost- und Hilfsquellen sind, welche sie durch ihre Lebensarbeit hervorgerufen haben. Ich muß dabei immer schwere, trübe Wege wandern, die ich als Arbeit für die Seelen betend zurücklege. Ich erinnere dabei die Heiligen an ihre Leiden und opfere sie mit Jesu Leiden Gott auf für die Seelen. Die Orte der Seelen finde ich verschieden nach ihren Zuständen. Ich kann sie mit nichts anderem vergleichen als mit den Orten, welche ich Gärten nenne, da ich in ihnen bestimmte Gnaden und Wirkungen wie Früchte bewahrt sehe. So sind auch die verschiedenen Seelenorte wie Gärten, Behälter, Welten von verschiedenen Arten von Ungnade, Mangel, Entbehrung, Pein, Not, Angst usw.; es sind auch kleinere darunter. Wenn ich zu ihnen komme, sehe ich wohl auf einen Lichtstrahl auf einem Punkte einfallen oder eine Dämmerung um den Gesichtskreis. Diese Orte sind die besseren. An keinem sieht man den blauen Himmel, es ist überall mehr oder weniger grautrüb und dunkel. An vielen Orten sind die Seelen sehr dicht zusammen, und da ist große Angst. Einige Orte sind tiefer und dunkler, andere höher und heller. Die Räume, worin sie abgeschlossen und getrennt sind, sind auch verschiedener Gestalt. Die auf Erden vereint waren, sind nur dann beisammen, wenn sie Reinigung desselben Grads bedürfen. An manchen Orten ist das Licht gefärbt, z. B. feurig, trüb, rot. Es ist nicht zu sagen, welche Freude, welcher Trost es den Zurückbleibenden ist, wenn Seelen erlöst werden. Es sind auch Seelenorte, wo sie arbeiten, wie ich einst die Sturmlaufenden und Schanzenden gesehen, und die Insel, wo Frauen waren und Früchte bauten, die auf Kähnen fortfuhren. Das sind solche, welche für andere, geringere, etwas wirken (nicht verdienen!) können, sie sind in einem besseren Grade. Es mag dieses bildlich sein; aber es ist doch wirklich. Es ist aber dort eine schwache, welke, unkräftige Natur, und die Früchte sind auch so; doch sind sie noch Ärmeren ein Trost. Oft sind Könige und Herren bei denen, welche von ihnen gequält worden, und dienen im Leiden demütig. Ich sah Seelen, wenn einige frei wurden, aus niedern Graden in bessere Zustände eintreten. Manche können wandeln und haben Verkehr des Trostes. Große Gnaden sind, erscheinen zu können, um zu flehen um Hilfe und Fürbitte. Ich sah auch Orte, wo Seelen, die auf Erden heilig gesprochen wurden, beim Scheiden aus der Welt aber ihre Heiligkeit noch nicht vollendet hatten, gereinigt wurden. Ich war auch an vielen Orten und Kirchen und bei Priestern und bestellte Messen und Andachten. Ich war zu Rom in der St.-Peters-Kirche bei vornehmen Priestern, ich meine Kardinale. Es mußten da sieben Messen gelesen werden für gewisse Seelen, und ich weiß nicht mehr, warum dies unterblieben war. Als sie gelesen wurden, sah ich ganz dunkle, trübe, verlassene Seelen zum Altare herandringen. Sie sprachen wie Hungernde: <Wir sind so lange nicht gespeist.> Ich glaube, es waren fundierte Messen[9], welche vergessen waren. Das Einziehen der Stiftungen für Seelenmessen ist eine unbeschreibliche Grausamkeit und ein Diebstahl an den ärmsten Armen, wie ich es so sehe. Wenige oder keine lebenden Personen sah ich auf meinen Wegen gehen; doch begegneten mir Seelen, Engel und Heilige, und ich sah viele Gebetswirkung. Ich habe in diesen Tagen viele Leute zur Beichte und zur Kirche geschleppt, welche sonst nicht gekommen wären.»
Sie war nun den ganzen Tag über im Gebet für die armen Seelen, betete für sie das Totenoffizium und schwitzte aus dem Seitenmal und der Brust so heftig Blut, daß es durch die Kleider drang. — Als der Pilger am Abend wieder kam, fand er sie erstarrt im Gebet. Sie mochte eine halbe Stunde so gelegen sein, als der Beichtvater in die Stube kam; da hob die Betende sich plötzlich in die Höhe, ging sichern, festen Schrittes wie eine Gesunde auf den erstaunten Beichtvater zu, warf sich mit dem Angesicht auf die Erde und suchte seine Füße, die er scheu zurückzog, zu küssen. Endlich ließ er dies geschehen; da hob sie sich auf die Knie und bat für sich und für alle Seelen, die mit ihr seien, um den Segen. Sie kniete noch einige Minuten betend, bat nochmals um den Segen für Seelen, dann stand sie auf und ging raschen Schrittes nach ihrem Lager. Der Schweiß stand ihr auf der Stirne, und ihr Angesicht hatte einen sehr heitern Ausdruck. Während des ganzen Auftrittes und nachher war sie fortwährend in tiefer Ekstase. Als der «Pilger» des andern Tages ihr den Vorgang erzählte, wollte sie kaum glauben, daß alles wirklich so geschehen sei; sie wußte sich aber deutlich zu erinnern, daß sie von verstorbenen Beichtkindern des P. Limberg gebeten worden sei, ihm die Füße zu küssen und seinen Segen zu erflehen. «Es ist mir dies», sagte sie, «sehr schwer geworden, da er nicht gleich gewollt und mich nicht recht verstanden hatte. Er hatte auch nicht im festen Glauben den Segen gegeben, weshalb ich für die Seelen in der Nacht noch etwas zu leisten hatte.»
2. November 1822. «Ich hatte heute nacht sehr viel im Fegfeuer zu tun. Ich reiste immer mitternachtwärts hin, und es ist mir, als liege es oben, wo die Spitze der Weltkugel ist. Wenn ich dort bin, habe ich die Eisberge wie über mir. Von außen kommt es mir vor wie ein halbmondförmiger, schwarzer, glimmeriger Wall; inwendig sind unzählige Gänge und Räume, hoch und nieder, hinab und hinauf. Im Anfang ist es noch besser, da wandeln und schleichen die Seelen umher, tiefer aber sind sie mehr eingesperrt. Hier und dort liegt eine in einer Höhle, einer Grube; oft auch mehrere zusammen in einem Raume in verschiedenen Lagen, höher und tiefer. Manchmal sitzt eine hoch, wie auf einem Stein. Weiter darin im Hintergrund ist es schrecklicher.
Ich sehe im Fegfeuer auch einen Ort der Andacht, eine Art Kirche, in welcher sie manchmal getröstet werden. Sie schauen danach, wie wir nach unserer Kirche. Vom Himmel haben die Seelen keine Hilfe unmittelbar, sie empfangen alles von der Erde und den lebenden Menschen, welche Gebet und gute Werke, Abtötung und Entsagung und besonders das heilige Meßopfer für ihre Schuld dem Richter aufopfern. Wenn ich von hier gegen Mitternacht gehe und über das Eis komme, da sieht man den Ort des Fegfeuers, wie wenn die Sonne oder der Mond ganz niedrig steht; man kommt dann über eine Wulst, Gasse, Ring (sie findet nicht das rechte Wort), und dann liegt das Fegfeuer wie ein halber Zirkel vor einem. Zur Linken, weiter vor, ist die Mühle, rechts sind die vielen Arbeiten und Schanzen. Wenn ich in dem Fegfeuer bin, sehe ich außer meinem Führer niemand andern, der es besucht, wohl aber hie und da in der Ferne auf der Erde einzelne betende, kasteiende Eremiten, Klosterleute, arme Leute, welche für die armen Seelen arbeiten. Dieses Fegfeuer ist das der katholischen Kirche; die Sekten sind dort abgesondert wie hier und leiden viel mehr, weil sie keine Betenden auf Erden haben und keine heiligen Messen. Ob die Seelen von Männern oder Frauen sind, unterscheidet man erst, wenn man näher in ihre Umstände eingeht. Man sieht hellere und trübere Gestalten mit unendlich abgehärmtem, schmerzvollem, aber geduldigem Angesicht. Es ist nicht zu sagen, wie rührend sie erscheinen. Nichts ist tröstlicher als ihre Geduld, und wie eine sich der Erlösung der andern erfreut und das Leiden der andern und der Ankommenden bejammert. Auch Kinder habe ich darin gesehen.
Die meisten Menschen sind darin wegen jenes Leichtsinnes, den man gegen sogenannte kleine Sünden hat, mit welchem man kleine Gefälligkeiten, Wohltaten und Überwindungen unterläßt. — Der Zusammenhang der Seelen mit der Erde ist so zart, daß sie schon eine große Linderung von der Sehnsucht und der Begierde, ihnen Hilfe und Linderung zu bringen, haben. Wie wohltätig wird der, welcher sich immer für sie überwindet, immer nach ihrer Hilfe sich sehnt!» Sie litt in diesen Tagen und Nächten sehr an Durst und überwand sich auf alle Weise.
Wir schließen die Erzählung dieser so überaus wichtigen Geschichte über die leidende Kirche mit einer kurzen Mitteilung, welche Anna Katharina im Jahre 1813, zur Zeit der geistlichen Untersuchung, an Dechant Rensing gemacht hat. Sie erzählte ihm auf sein Befragen: «Ich war heute nacht im Fegfeuer. Es war mir, als werde ich in einen tiefen Abgrund geführt. Ich sah einen großen Raum. Es ist rührend anzusehen, wie die armen Seelen darin so still und traurig sind! Sie haben aber doch etwas im Gesicht, als tragen sie noch Freude im Herzen im Andenken an die Barmherzigkeit Gottes. Ich sah auch auf einem herrlichen Thron die Mutter Gottes so schön, wie ich sie noch nie gesehen[10].» An diese Mitteilung knüpfte sie die Bitte: «Belehren Sie doch die Leute im Beichtstuhle, daß sie eifrig für die armen Seelen im Fegfeuer beten; denn diese werden aus Dankbarkeit gewiß viel auch für uns beten. Und es ist das Gebet für die armen Seelen Gott sehr angenehm, weil sie dadurch desto eher zu seiner Anschauung gelangen.»
1. Die Mitteilung der Anschauungen Anna Katharinas über die streitende Kirche beginnen wir mit der Erzählung eines Gesichtes, in welchem ihr der Plan und die Wege der Erlösung, die Geschichte und die Geheimnisse des Reiches Gottes auf Erden gezeigt wurden, und wovon sie folgendes erzählte:
«Ich darf mich», sagte sie, «über meine Peinen nicht wundern; ich hatte ein unbeschreiblich großes Bild von der Sünde und der Heilung durch Jesus und von dem Zustand der Priesterschaft und erkannte, wie mit tausend und tausend Mühen alles ersetzt, geheilt und umgearbeitet werden muß, um das Verdorbene, Zerstörte, Verlorene, das Losgerissene wieder anzuknüpfen und in den Heilsbezug zu bringen. Ich habe ein unermeßliches, zusammenhängendes Bild von aller Sünde und allem Heile gehabt. Ich brauchte ein Jahr, um alles zu sagen, denn ich sah alle Geheimnisse klar und deutlich und verstand sie; aber ich kann es nicht wieder ausdrücken. Ich war im Hochzeithause und sah in seinen unzähligen Kammern in sinnbildlichen Handlungen alle Arten der Schuld und der Herstellung. Ich sah die Sünde vom Sturze der Engel und von Adams Sündenfall an bis auf heute in ihren unzähligen Verzweigungen und zugleich alle Vorbereitungen des Heilens und Herstellens bis zu Jesu Ankunft und Kreuzestod. Ich sah seine den Priestern übergebene Kraft in Beziehung auf Heilung, und wie jeder Christ aus Jesus empfängt. Ich sah die Mängel und den Verfall des Priestertums und dessen Ursachen. Ich sah die Strafen, die bevorstehen, und die Wirkung der Genugtuung durch Leiden für andere. Ich empfand das Geflecht von Schuld und Strafe im Geflechte meiner Schmerzen. Ich sah künftigen Krieg und manche Gefahren und noch viele drohende Leiden für mich.
Alle diese Erkenntnisse und Einsichten der verschiedensten Art in die Geschichte, die Natur und die Geheimnisse des Reiches Gottes auf Erden waren mir im genauesten, auseinander folgenden, gewachsenen Zusammenhängen klar und verständlich; denn es wurde mir alles in Arbeiten, Geschäften und Verrichtungen wie in Parabeln erklärt. Dieses alles sah ich in großen Bildern der heiligen Geschichte, wie noch einmal vor meinen Augen sich zutragend; doch war es mir, als erblicke ich es wie in einem Spiegel, der ich selber war.
Mein Bräutigam zeigte mir die ungemeine Vermischtheit und innere Unlauterkeit aller Dinge und alle seine Handlungen zur Herstellung von Anfang. Im Sturz der Engel kamen viele böse Geister auf die Erde und in die Luft, ich sah vieles von ihrem Grimm verschiedener Art gesättigt und besessen.
Der erste Mensch war ein Ebenbild Gottes, er war wie der Himmel; alles war eins mit ihm und in ihm, seine Form war ein Abdruck göttlicher Form. Er sollte die Geschöpfe haben und genießen, aber aus Gott und dankend. Er war aber frei und darum der Prüfung ausgesetzt. — Der Paradiesgarten und alles, was ihn umgab, waren die vollständige Bildlichkeit eines ebenbildlichen Gottesreiches, und so war auch der Baum der Erkenntnis, dessen Frucht nach ihrem Inhalte, nach ihrer Eigenschaft und Wirkung im Menschen nicht aufgehen durfte, weil er durch dieselbe ein Selbst und ein aus sich selbst Schaffender wurde und somit außer Gott in sich selbst eintrat, so daß alle Dinge, die unendlich sind, in ihm, dem Endlichen, gefangen wurden. Ich kann es nicht so sagen, wie ich es sah. Darum ward ihm verboten, von dem Baume zu essen. Anfangs war alles gleich und eben. Als der schimmernde Hügel, auf dem Adam im Paradiese stand, aufstieg und sich erhöhte, und als das weiße blütenstaubige Tal, an dem ich Eva stehen sah, sich senkte, nahte schon der Verderber. Nach dem Falle waren sie anders. Alle Formen des Schaffens waren zerstreuend in ihnen, alles Einige war uneins, aus eins ward viel, und sie lebten nicht mehr aus Gott allein, sondern nur aus sich. Nun waren sie erst recht zwei und wurden drei und endlich eine Unzahl. Da sie wie Gott werden wollten, wie alles in einem, wurden sie eine Unzahl, eine Trennung von Gott, in unendlicher Trennung sich wiederholend.
Ebenbilder Gottes waren sie und wurden nun Eigenbilder, welche Ebenbilder ihrer Sünde hervorbrachten. Sie waren nun mit dem Kreise der gefallenen Engel in Bezug; sie empfingen aus sich und aus der Erde, mit denen beiden die gefallenen Engel Bezug hatten. Und es entstand in der unendlichen Vermischung und Zerstreuung der Menschen mit sich und der gefallenen Natur eine unendliche Mannigfaltigkeit der Sünde, der Schuld und des Elends.
Mein Bräutigam zeigte mir alles das ganz klar, deutlich und verständlich, klarer als man das tägliche Leben sieht. Und ich meinte damals, es könne das ein Kind verstehen und kann jetzt nichts mehr davon vorbringen. Er zeigte mir den Plan und die Wege der Erlösung von Anfang an und alles, was er getan. Ich sah auch, es sei nicht vollkommen richtig zu sagen, Gott habe nicht Mensch zu werden gebraucht und nicht zu sterben für uns am Kreuz, er habe es durch seine Allmacht anders machen können. Ich sah, daß er es aus unendlicher Vollkommenheit und Barmherzigkeit und Gerechtigkeit tat, daß zwar kein Muß in Gott ist, aber daß er tut, was er tut, und ist, der er ist.
Ich sah Melchisedech als ein Vorbild Jesu als Priester auf Erden; insofern das Priestertum in Gott ist, war er ein Priester der ewigen Ordnung. Ich sah sein Vorbereiten, Gründen, Bauen, Sondern der Menschenstämme, sein Einleiten. Auch Henoch und Noe habe ich in ihrer Bedeutung und Wirkung gesehen und neben allem diesem das wirkende Reich der Hölle und die tausendförmigen Erscheinungen und Wirkungen eines irdischen, fleischlichen, teuflischen Götzendienstes und darin überall gewisse ähnliche, aber verpestete, zur fortgesetzten Zerstreuung führende und verführende, weil aus geheimer, innerer Notwendigkeit ähnliche Formen.
So sah ich alle Sünden und alle Einleitungen und Vorbilder der Herstellung, welche ihrer Art nach den Gotteskräften ebenso ebenbildlich waren, als der Mensch selbst Gottes Ebenbild war. So wurde mir von Abraham auf Moses, von Moses auf die Propheten alles gezeigt und immer mit Bezug und in Ebenbildern von allem in unserer nächsten Mitwelt. Hier trat z. B. die Unterweisung ein, warum die Priester nicht mehr helfen und heilen, und warum es ihnen gar nicht mehr oder doch so verschieden gelingt. Es wurde mir diese Gabe des Priestertums unter den Propheten gezeigt und die Ursache ihrer Form. Ich sah z. B. die Geschichte, wie Elisäus dem Giezi seinen Stab gibt[11], ihn auf das tote Kind der Frau aus Sunam zu legen. In diesem Stabe aber war des Elisäus Kraft und Sendung geistlicherweise inliegend. Er war sein Arm oder die Fortsetzung seines Armes. Ich sah hier die innere Ursache des Stabes der Bischöfe, des Zepters der Könige und ihrer Macht, so sie der Glaube trägt, der sie gewissermaßen mit dem Aussendenden verbindet und von allem andern trennt. Giezi aber glaubte nicht fest genug, und die Mutter glaubte nur von Elisäus selbst Hilfe erhalten zu können; und so waren zwischen Elisäus Kraft aus Gott und dessen Stab Zweifel aus menschlichem Eigendünkel unterbrechend getreten, und der Stab heilte nicht. Ich sah aber Elisäus sich Hand auf Hand, Mund auf Mund, Brust auf Brust über den Knaben strecken und beten und die Seele des Knaben in den Leib zurückkehren. Ich hatte auch die Erklärung dieser Form der Heilung, ihren Bezug und ihre Vorbildlichkeit auf Jesu Tod. In Elisäus waren durch den Glauben und die Gabe Gottes alle Pforten der Gnade und Sühnung am Menschen eröffnet, die nach der Sünde in Adam verschlossen wurden, Haupt, Brust, Hände, Füße. Und er legte sich wie ein lebendiges, vorbildliches Kreuz über das tote, verschlossene Kreuz der Gestalt des Knaben und strömte durch sein Gebet und seinen Glauben das Leben, die Heilung wieder in ihn ein und sühnte und büßte für die Sünden der Eltern, welche sie mit Haupt, Herz, Hand und Fuß begangen hatten. Ich sah bei all dem immer Gegenbilder vom Kreuzestod und den Wunden Jesu und wie in allem eine Harmonie und auseinanderwachsende Gleichheit ist. Seit Jesu Kreuzestod aber sah ich im Priestertum seiner Kirche im vollen Maße diese Gabe der Herstellung und Heilung; und insofern wir in ihm leben und mit ihm gekreuzigt sind, sind die Gnadenpforten seiner heiligen Wunden in uns eröffnet. Ich hatte vieles über Handauflegung und auch über Segenwirkung und Wirkung der Hand in die Ferne, und zwar wurde mir dieses mit dem Beispiel des Stabes von Elisäus erklärt. Daß die heutigen Priester so selten heilen und segnen, wurde mir in einem Beispiel gezeigt, das auch aus der Ebenbildlichkeit, auf welcher alle solche Wirkungen mitgegründet sind, hergenommen war. Ich sah dreierlei Maler, welche Figuren auf Wachs eindrückten. Einer hatte schönes, weißes Wachs und war selbst sehr klug und geschickt; aber er hatte den Kopf voll von sich selbst und hatte das Bild Christi nicht in sich, und sein Bild ward gar nichts. Der andere hatte bleiches Wachs, und er war lau und eigensinnig und vermochte gar nichts. Ein anderer war ungeschickt und arbeitete mit großem Ungeschick, aber mit Fleiß und Einfalt an ganz gelbem, gemeinem Wachs, und seine Arbeit ward ganz gut und ein redliches Ebenbild, wenngleich mit rohen Zügen. So sah ich auch die vornehm redenden, mit Weltweisheit prahlenden Priester nichts wirken und manche arme Einfalt allein noch die Macht des Priestertums in Segnung und Heilung fortpflanzen.
Es war mir bei allem, was ich sah, als gehe ich in dem Hochzeithause als wie in die Schule, und mein Bräutigam zeigte mir, wie er von seiner Empfängnis an bis zu seinem Tode gelitten und immer gesühnt und genuggetan habe. Und ich sah dieses in lauter Bildern seines Lebens. Ich sah auch, wie durch Gebet und Aufopferung von Schmerzen für andere manche Seele, welche auf Erden gar nicht gearbeitet, noch in der Todesstunde zur Bekehrung gebracht und gerettet werden kann.
Ich sah auch, daß die Apostel über den größten Teil der Erde gesendet wurden, um die Macht des Satans alldort zu brechen und Segen hinzubringen, und daß jene Gegenden, wo sie wirkten, am heftigsten vom Feinde vergiftet waren; daß aber Jesus mit seiner vollkommenen Genugtuung den Priestern, die seinen Heiligen Geist empfingen und noch empfangen, diese Gewalt erworben und ewig gegründet hat. Und es wurde mir gezeigt, daß diese Gabe, die Erde und Gegenden der Macht des Satans durch priesterliche Kraft und Segnung zu entziehen, in dem Ausdruck <Ihr seid das Salz der Erde> bezeichnet ist, und daß ebendeswegen auch das Salz eine Ingredienz des geweihten Wassers ist. Daß jene Länder aber im Christentum nicht fortbestanden und jetzt brachliegen, sah ich auch als weise Vorsicht. Sie sollten gesegnet werden für die Zukunft und sind brach, auf daß sie, neu besät, herrliche Früchte trügen, wenn die andern wieder verwildert sind.
Ich sah auch, daß David die Art der Erlösung verstand, Salomon aber nicht, weil er zu sehr Wohlgefallen an seiner Weisheit hatte; daß auch viele Propheten und besonders Malachias das Geheimnis des Christentums kannten, und sah noch unzähliges andere. Und alles war ganz innerlich zusammenhängend und folgte natürlich aufeinander.
Während ich so unterrichtet wurde, sah ich noch etwa zwanzig andere Menschen in verschiedenen Zuständen gehend und liegend, mir fern an sehr verschiedenen Orten, mehr Frauen als Männer, welche an demselben Unterricht teilzunehmen schienen. Ich sah Bezugsstrahlen auf sie aus dem Umfang dieser Vorstellungen; aber jeder empfing es auf eine andere Weise. Ich hätte gern mit ihnen gesprochen, konnte aber nicht an sie hinan. Ich dachte: <Nun möchte ich doch wissen, ob alles dieses unvermischt von ihnen empfangen wird.> Aber ich sah leider, daß sie alle etwas davon trübten. Ich dachte: <Ich vermische es doch wohl nicht.> Da kam auf einmal eine verstorbene Frau zu mir und brachte mir ein Hemd, das sie genäht. Um den Hals und die Ärmel war es schön ausgenäht, aber sonst sehr nachlässig und schlecht ausgearbeitet. Da dachte ich gleich: <nun sieh, welche Arbeit; nein, so schlecht arbeite ich doch nicht!> Da fühlte ich auf einmal, daß ich auch vermischte, daß ich eitel war, und daß eben die schöne, geränderte, innerlich schlechte Arbeit ein Sinnbild meiner Aufnahme dieser Lehre war. Das betrübte mich. Ich sah übrigens in diesem Bilde auch an seiner Stelle, daß der Zeremoniendienst des fleischlichen Weltlebens höchst skrupulös ausgeübt wird, daß der Fluch, der umgekehrte Segen und die Wunder im Reiche des Satans, daß Naturdienst, Aberglauben, Zauberei, Magnetismus, weltliche Wissenschaft und Kunst und alle Mittel, den Tod zu schminken, die Sünde zu schmücken und das Gewissen einzuschläfern, mit strenger, abergläubischer Gewissenhaftigkeit selbst von jenen ausgeübt werden, welche in den Mysterien der katholischen Kirche lauter Formen des Aberglaubens finden wollen, die auf jede andere Weise ebensogut gefeiert würden; während diese Leute doch ihr ganzes weltliches Treiben und Leben in entsprechenden Formen höchst gewissenhaft feiern, so daß nur das Reich des menschgewordenen Gottes vernachlässigt werden soll. Und ich sah auch den Dienst der Welt vollkommener geübt, den Dienst Gottes aber oft so ärgerlich versehen! Ach wenn die Seelen einmal ihre Rechte von der Geistlichkeit einfordern werden, die ihnen durch Sorglosigkeit und Gleichgültigkeit so vieles vergeudet, es wird ein furchtbarer Schrecken sein!»
2. Bevor wir die umfassenden Gesichte über die Erneuerung der heiligen Kirche auf Erden erzählen, führen wir zunächst einige Gesichte an, in denen der gottseligen Anna Katharina das Treiben und Wirken der Mächte der Finsternis gegen das Reich Gottes gezeigt wurde. In der ersten Adventwoche des Jahres 1819 erzählte sie:
«Ich habe heute nacht immerwährend kämpfen müssen und bin noch ganz ermüdet vom Wehren gegen die traurigen Bilder, welche ich gehabt. Mein Führer brachte mich um die ganze Erde, und zwar fortwährend durch weite Höhlen, von Finsternis erbaut, in welchen ich unzählige Menschen durcheinander irren und in den Werken der Nacht begriffen sah. Es war, als ginge ich unter allen bewohnten Stellen der Erde her und sehe nichts als die Lasterwelt. Manchmal sah ich neue Scharen in diese Blindheit der Laster wie aus der Höhe herunterfallen. Besserung sah ich keine.
Ich sah im ganzen mehr Männer als Frauen, Kinder schier gar keine. Oft, wenn ich es gar nicht mehr aushalten konnte vor Betrübnis, brachte mich mein Führer ein wenig ans Licht herauf. Da war ich auf einer Wiese oder sonst in einer schönen Gegend, wo die Sonne schien; aber da waren keine Menschen. Dann mußte ich wieder in die Finsternis und mußte wieder die Tücke, Blindheit, Bosheit, die Fallstricke, die Rachgier, Hoffart, Betrug, Neid, Geiz, Zank, Mord, Hurerei und gräßliche Gottlosigkeit ansehen, wobei sie doch gar nichts gewannen und immer blinder und elender wurden und immer in tiefere Finsternis versanken.
Oft hatte ich die Empfindung, als stehen ganze Städte nur über einer sehr dünnen Erdrinde und könnten bald in die Tiefe stürzen. Ich sah sie selbst Gruben für andere bereiten und leicht bedecken; ich sah aber keinen Guten hier in der Nacht und also auch keinen in die Gruben fallen. Ich sah alle diese Bösen wie in großen, breiten, hin und her sich ziehenden dunklen Räumen, wie in einem Marktgetümmel durcheinander sündigen in allerlei Gruppen und sich durchziehenden Massen, und wie eine Sünde sich in die andere verschlang. Oft war es, als sänke ich noch tiefer in die Nacht. Die Bahn ging stürzend abwärts, es war ein ungeheurer Greuel, und das zog sich um die ganze Erde. Ich sah Völker von allen möglichen Farben und Kleidungen und alle in solchem Greuel.
Oft erwachte ich vor Angst und Schrecken und sah den Mond so ruhig in die Fenster scheinen und jammerte zu Gott, er solle mich doch die schrecklichen Bilder nicht sehen lassen. Allein bald mußte ich wieder in die fürchterlichen Nachtträume hinab und den Greuel ansehen. Einmal war ich in einer so schrecklichen Sündenwelt, daß ich glaubte, ich sei in der Hölle, und laut zu jammern anfing. Da sagte mein Führer: <Ich bin bei dir, und wo ich bin, da ist die Hölle noch lange nicht.> Ich wendete mich nun mit großer Begierde in meiner Seele zu den armen Seelen im Fegfeuer und sehnte mich, lieber bei denen zu sein. Und ich ward zu ihnen versetzt. Es war, als sei der Ort neben der Erde. Ich sah auch dort unaussprechliche Qual, aber es waren doch Gott geweihte Seelen, sie sündigten doch nicht. Ich sah eine unendliche Sehnsucht, Hunger, Durst nach Erlösung. Alle konnten sehen, was sie entbehren mußten, und mußten in Geduld harren. Ihr geduldiges Leiden bei der Anerkennung ihrer Schuld und die gänzliche Unfähigkeit, sich zu helfen, war unaussprechlich rührend.
Ich sah auch alle ihre Sünden. Sie saßen in verschiedener Tiefe im Leid oder in der Hilflosigkeit, einige bis an den Hals, andere bis an die Brust usw., und sie flehten so um Hilfe. Als ich für sie gebetet hatte und erwachte, hoffte ich, von den schrecklichen Bildern frei zu sein, und bat Gott herzlich darum. Aber kaum schlief ich ein, so ward ich wieder in die finstern Wege geführt. Ich hatte unzählige Drohungen und Schreckensbilder vom Satan. Einmal trat mir ein frecher Teufel entgegen und sagte mir ungefähr: <Es ist auch wahrlich gar nötig, daß du da herunterkommst und alles ansiehst, da kannst du oben damit prahlen und es etwa aufschreiben lassen.> Ich sagte ihm, er solle mich mit seinen Lappalien in Ruhe lassen. An einem Orte war es mir, als würde eine große Stadt, die besonders voll Bosheit war, ganz unterminiert. Da waren viele Teufel bei der Arbeit. Sie waren schon weit darunter hin, und ich glaubte, sie müßte, wo schwere Gebäude ständen, bald sinken. Von Paris habe ich oft schon die Empfindung gehabt, es müsse sinken; ich sehe so viele Höhlen darunter, doch nicht solche mit Bildhauerarbeit wie in Rom.
Endlich war es, als sähe ich einen Ort, der sehr groß war, und als liege er mehr zutage. Es war wie das Bild einer Stadt aus unserem Weltteil. Da wurde mir ein schreckliches Schauspiel gezeigt. Ich sah unsern Herrn Jesus Christus kreuzigen. Ich zitterte durch Mark und Bein; denn es waren lauter Menschen aus unserer Zeit. Es war eine weit ärgere und gräßlichere Marter des Herrn als zur Zeit der Juden. Gott sei Dank, es war nur ein Bild. <So würden sie>, sagte mein Führer, <jetzt mit dem Herrn umgehen, wenn er noch leiden könnte.> Ich sah zu meinem Entsetzen sehr viele Leute dabei, die ich kannte, selbst Priester. Es zogen sich nach diesem Orte sehr viele Linien und Adern der Finsterwandelnden hin. Auch sah ich meine Verfolger, wie sie mit mir umgehen würden, wenn sie mich in ihre Macht bekämen. Sie würden mich mit der Tortur zu zwingen suchen, ihre verkehrte Meinung mit Lügen zu bestätigen.»
Arn Schluß dieses schrecklichen Gesichtes, bei dessen Erinnerung ihr das Herz konvulsivisch schlägt, und das ganz auszusprechen sie auf keine Weise sich bewegen läßt, sagt sie:
«Mein Führer sagte mir: <Nun hast du die Greuel der Blindheit und Finsternis der Menschen gesehen; nun murre nicht mehr über dein Geschick; nun bete! dein Geschick ist sehr mild.»>
Die Gemeinschaft der Freimaurer, die Afterkirche oder Widerkirche, kennzeichnet Anna Katharina mit folgenden Worten: «Diese Kirche ist voll Kot, Nichtigkeit, Plattheit und Nacht. Schier keiner kennt die Finsternis, in der er arbeitet. Es ist alles hohler Dünkel. Die Wände sind steil, es ist Leerheit. Ein Stuhl ist Altar. Auf einem Tisch ist ein Totenkopf, bedeckt, zwischen den Lichtern. Manchmal wird er aufgedeckt; bei ihren <Weihen> brauchen sie bloße Degen. Es ist alles böse durch und durch, die Gemeinschaft der Unheiligen. Ich kann nicht sagen, wie abscheulich, verderblich, nichtig all ihr Treiben ist, das viele von ihnen selbst nicht kennen. Sie wollen in etwas anderem ein Leib werden als im Herrn. Durch die Abtrennung eines von ihnen wurden sie so ergrimmt auf mich. Als die Wissenschaft sich vom Glauben trennte, ist die Verbindung dieser Kirche ohne Heiland, die Werkheiligkeit ohne Glauben, die Gemeinschaft glaubensloser Werkheiliger entstanden, die Widerkirche, deren Zentrum die Bosheit, der Irrtum, die Lüge, die Heuchelei, die Schwachheit, die List jedes Zeitdämons einnehmen kann. Es entstand ein Leib, eine Gemeinschaft außer dem Leibe Jesu, der Kirche, eine heilandslose Afterkirche, deren Geheimnis es ist, kein Geheimnis zu haben, und darum ist ihr Treiben überall ein anderes, zeitliches, endliches, hoffärtiges, selbstgefälliges und somit verderbliches und mit aller Werkheiligkeit zum Unheil führendes. Ihr Gefährliches ist ihre scheinbare Unschuld. Sie tun und wollen überall anderes, tun an manchen Orten ganz harmlos, an andern in wenigen Wissenden Verderben bereitend; und so kommen alle mit ihrem Treiben in einem Zentrum, im Bösen von Ursprung, zusammen, im Handeln und Wirken außer Jesus Christus, durch welchen allein jedes Leben geheiligt ist, und außer welchem jedes Tun ein Wirken in Tod und Teufel bleibt.»
Daß Anna Katharina richtig geschaut hat, wird durch die Enzyklika Leos XIII.: Humanum genus, vom 20. April 1884 aufs vollkommenste bestätigt.
Die nächstfolgenden Gesichte geben uns ein Bild von dem furchtbaren Kampfe, welchen die Feinde Gottes in unsern Tagen gegen die heilige Kirche Jesu Christi führen, aber auch von dem Sieg, welchen zur Beschämung der Gottlosen diese durch die Gnade Gottes und durch die Vermittlung der unbefleckten Jungfrau über ihre Bedränger davontragen wird. Der Kampf ist so allgemein, so wohl organisiert, so heftig, daß die heilige Kirche unterliegen müßte, hätte nicht Jesus Christus dem Wüten der Hölle für alle Zeiten Schranken gesetzt mit den Worten: «Die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen[12].» Jesus Christus hat seine Kirche nicht verlassen; er hilft ihr und hilft ihr durch seine heiligste, unbefleckte, jungfräuliche Mutter Maria. Daß aber Jesus Christus in unsern Tagen vornehmlich durch Maria hilft und helfen will, hat er so deutlich, so offen kundgetan, daß darüber kein Zweifel obwalten kann. Nachdem sechs Jahrhunderte um die Ehre gestritten, den Tag zu sehen, an welchem die heiligste unbefleckte Empfängnis Maria als Glaubenssatz ausgesprochen würde, nachdem christliche Könige und Kaiser seit Jahrhunderten es sich zur Aufgabe gemacht, diesen Tag herbeizuführen, nachdem viele Heilige nach diesem Tag geseufzt und zahllose Ordenspersonen seit langer, langer Zeit zum Zeugnis der Wahrheit dieses Geheimnisses Blut und Leben Gott zum Opfer angeboten in dem sicheren Vertrauen, daß die Dogmatisation dieses Geheimnisses der Kirche Hilfe bringen werde, ist durch Gottes unendliche Barmherzigkeit dieser Tag gekommen. Am 8. Dezember des Jahres 1854 hat Papst Pius IX. «in Kraft der Autorität Jesu Christi, zur Ehre der heiligen, unteilbaren Dreieinigkeit, zum Ruhme und zur Verherrlichung der jungfräulichen Gottesgebärerin, zur Erhöhung des katholischen Glaubens und Mehrung der christlichen Religion» erklärt, daß die Lehre von der unbefleckten Empfängnis Maria «eine von Gott geoffenbarte Lehre und daher von allen Gläubigen fest und standhaft zu glauben sei»[13].
Indem Papst Pius IX. diese Lehre als Glaubenssatz verkündete, hatte er «die sicherste Hoffnung und das vollste Vertrauen», die seligste Jungfrau werde in diesen höchst betrübten Zeiten der Kirche ganz gewiß zu Hilfe kommen, sofern nur die Kinder der Kirche die Stimme ihres obersten Hirten hören und durch innige Andacht und inbrünstiges, anhaltendes Gebet zur unbefleckten Jungfrau ihrer Hilfe sich würdig und fähig machen. «Unser Antlitz ist mit Freude erfüllt», sagt Papst Pius IX. in der Dogmatisationsbulle Ineffabilis, «und Wir bringen Unserem Herrn Jesus Christus die demütigsten und innigsten Danksagungen dar und werden sie ihm immer darbringen dafür, daß er Uns, obwohl ohne Unser Verdienst, durch seine besondere Güte gewährt hat, diese Ehre, diesen Ruhm und dieses Lob seiner heiligsten Mutter darzubringen. Wir haben die sicherste Hoffnung und das vollste Vertrauen, die seligste Jungfrau selbst, welche den giftigen Kopf der grausamen Schlange zertreten und der Welt das Heil gebracht hat, sie, welche da ist der Preis der Propheten und Apostel, die Ehre der Märtyrer, aller Heiligen Freude und Krone, die sicherste Zuflucht und treueste Helferin aller Gefährdeten und für den ganzen Erdkreis die mächtigste Mittlerin und Fürsprecherin bei ihrem Sohne, der heiligen Kirche herrlichster Schmuck und herrlichste Zierde, und welche als der festeste Schutz immer alle Häresien entfernt, die rechtgläubigen Völker und Nationen den größten Nöten aller Art entrissen und Uns selbst von so vielen Gefahren befreit hat — dieselbe seligste Jungfrau werde durch ihre mächtigste Vermittlung bewirken, daß die heilige Mutter, die katholische Kirche, nach Entfernung aller Schwierigkeiten, nach Beseitigung aller Irrtümer, bei allen Völkern und an allen Orten täglich mehr gedeihe, blühe und herrsche von Meer zu Meer, von dem Flusse bis zu den Grenzen des Erdkreise; daß sie Frieden, Ruhe und Freiheit genieße; daß die Schuldigen Verzeihung, die Kranken Heilung, die Kleinmütigen Stärke, die Betrübten Trost, die in Gefahr Stehenden Hilfe erlangen, und daß alle Irrenden, befreit von der Finsternis des Geistes, zu dem Wege der Wahrheit und Gerechtigkeit zurückkehren, und daß eine Herde und ein Hirt sei.»
Von demselben Vertrauen beseelt, hat auch Papst Leo XIII. die Kinder der katholischen Kirche wiederholt aufgefordert, die Trösterin der Betrübten, die Helferin der Christen, die Königin des heiligen Rosenkranzes in inbrünstigem, anhaltendem Gebete anzurufen, auf daß durch ihre Vermittlung der Kirche Ruhe, Friede und Freiheit wiedergegeben werde. Er hat befohlen, daß alle Priester des katholischen Erdkreises, nach Darbringung des hochheiligen Meßopfers, an den Stufen des Altares kniend, als Diener der heiligen Kirche sich an die Mutter desjenigen wenden, dessen Fleisch und Blut sie geopfert und in der heiligen Kommunion genossen haben, und daß sie die Königin und Mutter der Barmherzigkeit, unser Leben, unsere Süßigkeit und unsere Hoffnung, für sich und die ganze Kirche um Hilfe anrufen.
Alle diese Tatsachen sind unzweideutige Beweise, daß Jesus Christus seiner heiligen Kirche helfen will durch seine unbefleckte, jungfräuliche Mutter, und dies Beweise sind um so klarer, da Jesus Christus das Wort seiner sichtbaren Stellvertreter bekräftigt hat durch zahlreiche Wunder und Zeichen. Wer weiß nicht von den unzählbaren Wundern, die durch die Vermittlung der unbefleckten Jungfrau von Lourdes bis auf diese Stunde gewirkt werden, und welche alle laut Zeugnis geben, daß der dreieinige Gott den elenden Kindern Evas helfen will durch diejenige, die da in Wahrheit genannt wird und ist die auserwählte Tochter des himmlischen Vaters, die Mutter des göttlichen Sohnes, die Braut des Heiligen Geistes, die Wohnstätte der allerheiligsten Dreieinigkeit, die Mutter und Mittlerin aller göttlichen Gnaden, die Mutter von der immerwährenden Hilfe, die Mutter aller Gläubigen, die einzige Zuflucht der Sünder, unser aller sicherste Hoffnung! Es wird demgemäß keinem unserer Leser auffällig erscheinen, wenn die gottselige Anna Katharina Emmerich in ihren Gesichten die Hilfe daher kommen sieht, woher die Oberhirten der Kirche mit allen gläubigen Christen sie in unsern Tagen erwarten, von der reinsten, heiligsten, unbefleckten Jungfrau und Gottesmutter Maria.
Es ist zu bemerken, daß Anna Katharina bei Errettung der heiligen Kirche aus den furchtbaren Drangsalen unserer Tage ganz besonders auch den glorreichen heiligen Erzengel Michael hilfreich tätig sieht. Der hl. Michael ist es, der durch seine Demut den Geist der Hoffart überwunden und ihn in die Hölle geschleudert hat, denselben Geist, der heutzutage in so vielen seiner Werkzeuge den Kampf führt gegen den Felsen Petri und gegen die auf ihm gegründete Kirche. Der hl. Michael ist das Haupt aller himmlischen Heerscharen, der Schutzengel der Kirche Gottes auf Erden, der Beschützer aller Kinder Gottes, und darum erwarten wir auch von ihm ganz besonders Schutz und Hilfe.
In der Osterzeit des Jahres 1820 hatte Anna Katharina das folgende Gesicht, in welchem ihr die ganze Verheerung des Unglaubens an der Kirche und die künftige Erneuerung gezeigt wurde. Es ward ihr dabei gesagt, daß das Gesicht sieben Zeitabschnitte umfasse; sie war jedoch bei der Erzählung nicht imstande, diese Abschnitte näher zu bezeichnen. Sie sagte:
«Ich sah die Erde wie eine runde Fläche, die von Dunkelheit und Finsternis überzogen wurde. Alles verdorrte und war im Absterben. Ich sah dies in unzähligen Einzelheiten an allen Geschöpfen, an Bäumen, Gesträuchern, Pflanzen, Blumen und Feldern. Ja, es war, als werde selbst das Wasser in Bächen, Brunnen, Flüssen und Meeren aufgesaugt oder ziehe in seinen Ursprung sich zurück. Ich wandelte über die verwüstete Erde und sah die Flüsse wie feine Linien, die Meere als schwarze Abgründe, in deren Mitte nur noch schmale Streifen Wassers zu erblicken waren. Alles andere war ein trüber, dicker Schlamm, in welchem ich allerlei ungeheure Tiere und Fische stecken und mit dem Tode ringen sah. Ich kam so weit herum, daß ich deutlich das Meeresufer erkennen konnte, wo ich einmal St. Clemens versenkt werden sah. Ich sah auch Orte und Menschen in trübem, traurigem Gewühl und Verderben und sah mit dem Bilde der wüst und wasserlos werdenden Erde gleichmäßig die dunklen Werke der Menschen wachsen. Ich sah sehr viele Greuel ganz im einzelnen, erkannte Rom und sah die Bedrängnis der Kirche und ihr Sinken von innen und außen. Ich sah nun aus mehreren Gegenden große Scharen gegen einen Punkt hinströmen und alles im Kampf. Ich sah in der Mitte zwischen ihnen einen großen schwarzen Fleck wie ein ungeheures Loch, und die Kämpfenden um dasselbe immer dünner werden, als stürzten sie ganz unvermerkt hinein. Währenddessen sah ich wieder mitten in dem Verderben die zwölf Menschen[14] in den verschiedensten Gegenden getrennt, ohne voneinander zu wissen, Strahlen des lebendigen Wassers empfangen. Ich sah, daß sie alle dasselbe von verschiedenen Seiten bearbeiteten, und daß sie nicht wußten, woher sie es bekamen, und daß, wenn das eine vollendet war, sie das andere erhielten. Es waren wieder zwölf, keiner über vierzig Jahre alt, und drei Geistliche darunter und einige, die es werden wollten. Ich sah auch, als berühre ich mich manchmal mit einem, oder er sei mir bekannt oder nah. Sie waren nicht bedeutend gekleidet, sondern ein jeder nach seiner Landesart und jetziger Sitte, und ich sah, daß sie alles von Gott wieder erhielten, was verlorengegangen, und daß sie nach allen Seiten zum Guten wirkten. Ich sah auch bei den dunkeln Verderbern falsche Propheten und Leute, welche gegen die Schriften dieser zwölf neuen Apostel arbeiteten. Ich sah sie oft im Getümmel verschwinden und immer wieder heller hervortauchen. Ich sah auch wohl an hundert Weibspersonen wie in Entzückung sitzen und Männer bei ihnen, welche an ihnen magnetisierten, und sah, daß sie prophezeiten. Aber ich hatte einen Greuel an ihnen und Abscheu. Als die Reihen der um den schwarzen Abgrund her Streitenden immer mehr sich lichteten, und da während des Streites eine ganze Stadt verschwunden war, gewannen die zwölf apostolischen Männer immer größeren Anhang, und aus der andern Stadt (d. i. der wahren Stadt Gottes, Rom) ging wie ein leuchtender Keil in die dunkle Scheibe hinein. Ich sah über der klein gewordenen Kirche eine herrliche Frau in weit ausgebreitetem himmelblauen Mantel mit einer Sternenkrone auf dem Haupte. Von ihr aus ging das Licht und drang immer weiter in die trübe Finsternis. Wo dies Licht eindrang, wurde alles neu und blühend. In einer großen Stadt sah ich eine Kirche, welche die geringste war, die erste werden[15]. Die neuen Apostel kamen alle in dem Lichte zusammen; ich glaubte mich mit andern, die ich kannte, vorne in der Spitze zu sehen (d. i. mit jenen, welche ähnlich wie sie Anteil an dem Verdienst der Erneuerung hatten). Es blühte nun alles wieder auf. Ich sah einen neuen, strengen Papst und den schwarzen Abgrund immer enger werden. Zuletzt sah ich noch drei Scharen oder Gemeinden mit dem Lichte sich vereinigen. Sie hatten gute, erleuchtete Leute bei sich und gingen in die Kirche ein. Nun war alles neu. Die Wasser füllten sich wieder. Alles ward grün und blühend. Ich sah Kirchen und Klöster bauen.»
Am 28. August 1820 hatte Anna Katharina das folgende tröstliche Bild über die Erneuerung der heiligen Kirche. Sie erzählte: «Ich hatte ein Bild von der Peterskirche, als schwebe sie über der Erde, und als eilten viele Leute heran, um unter sie zu treten und sie zu tragen. Groß und klein, Priester und Laien, Frauen und Kinder, ja sogar alte Krüppel sah ich dies tun. Es war mir dabei ganz ängstlich; denn ich sah, wie der Kirche überall der Einsturz drohte. Die Grundmauern und der ganze untere Teil schienen auseinanderzufallen. Da stellten aber die Leute überall ihre Schultern unter, und indem sie dieses taten, waren sie alle gleicher Größe. Es war jeder an seiner Stelle, die Priester unter den Altären, die Laien unter den Pfeilern und die Frauenzimmer unter dem Eingang. Sie alle trugen so gar große Lasten, daß ich meinte, sie müßten zerquetscht werden. Über der Kirche aber war der Himmel offen, und die Chöre der Heiligen sah ich durch ihre Gebete und Verdienste die Kirche aufrecht halten und den unten Tragenden helfen. Ich befand mich zwischen beiden schwebend und flehend. Ich sah aber, daß die Tragenden die Kirche eine Strecke vorwärts trugen, und daß eine ganze Reihe von Häusern und Palästen ihr gegenüber wie ein Ährenfeld, über das man hinschreitet, in die Erde sank, und daß die Kirche da niedergesetzt wurde. Hier sah ich nun wieder ein anderes Bild. Ich sah die heilige Jungfrau über der Kirche und Apostel und Bischöfe umher. Ich sah unten große Prozessionen und Feierlichkeiten. Ich sah alle schlechten Kirchenvorsteher, welche geglaubt hatten, sie könnten aus sich etwas tun, und welche nicht Christi Kraft aus den Gefäßen ihrer heiligen Vorfahren und der Kirche zu ihren Arbeiten empfingen, vertrieben und andere genommen werden. Ich sah große Segenspendung von oben und viele Veränderungen. Ich sah auch den Papst, welcher alles dieses veranstaltete. Ich sah ganz arme, einfältige Männer und auch junge emporkommen.»
Umfassend sind die Gesichte, welche Anna Katharina in der Festoktave von Weihnachten 1819 dem Pilger erzählte. «Ich sah», berichtete sie, «die Peterskirche und eine ungeheure Menge Menschen, welche beschäftigt waren, sie niederzureißen; aber auch andere, welche wieder an ihr herstellten. Es zogen sich Linien von handlangenden Arbeitern durch die ganze Welt, und ich wunderte mich über den Zusammenhang. Die Abbrechenden rissen ganze Stücke hinweg, und es waren besonders viele Sektierer und Abtrünnige dabei. Den Papst sah ich betend und von falschen Freunden umgeben, die oft das Gegenteil von dem taten, was er anordnete. Ich sah einen kleinen schwarzen, weltlichen Kerl in voller Tätigkeit gegen die Kirche. Während die Kirche auf der einen Seite so abgebrochen wurde, ward auf der andern Seite wieder daran gebaut, aber sehr ohne Nachdruck. Ich sah viele Geistliche, die ich kannte. Der Generalvikar machte mir viel Freude. Er ging, ohne sich stören zu lassen, gerade durch die Abbrechenden durch und ordnete zur Erhaltung oder Herstellung an. Ich sah auch meinen Beichtvater einen großen Stein auf weitem Umweg herbeischleppen. Andere sah ich träge ihr Brevier beten und dazwischen etwa ein Steinchen als große Rarität unter dem Mantel herbeitragen oder andern hinreichen. Sie schienen alle kein Vertrauen, keine Lust, keine Anweisung zu haben und gar nicht zu wissen, um was es sich handle. Es war ein Jammer. Schon war der ganze Vorderteil der Kirche herunter, und nur das Allerheiligste stand noch. Ich war sehr betrübt und dachte immer: wo bleibt denn der Mann, den ich sonst mit rotem Kleide und weißer Fahne rettend auf der Kirche stehen sah? Da erblickte ich aber eine majestätische Frau über den großen Platz vor der Kirche wandeln. Ihren weiten Mantel hatte sie mit beiden Armen gefaßt und schwebte leise in die Höhe. Sie stand auf der Kuppel und breitete weit über den ganzen Raum der Kirche ihren Mantel, der wie von Gold strahlte. Die Abbrechenden hatten eben ein wenig Ruhe gegeben. Nun wollten sie wieder heran, konnten aber auf keine Weise sich dem Mantelraume nähern. Aber von der andern Seite entstand eine ungeheure Tätigkeit der Aufbauenden. Es kamen ganz alte, krüppelige, vergessene Männer und viele kräftige, junge Leute, Weiber und Kinder, Geistliche und Weltliche, und der Bau war bald wieder ganz hergestellt. Nun sah ich einen neuen Papst mit einer Prozession kommen. Er war jünger und viel strenger als der vorige. Man empfing ihn mit großer Feierlichkeit. Es war, als solle er die Kirche einweihen, aber ich hörte eine Stimme, es brauche keine neue Weihe, das Allerheiligste sei stehen geblieben. Es sollte eben ein doppeltes, großes Kirchenfest sein, ein allgemeines Jubiläum und die Herstellung der Kirche. Ehe der Papst das Fest begann, hatte er schon seine Leute vorbereitet, welche aus den Versammelten ganz ohne Widerspruch eine Menge vornehmer und geringer Geistlichen ausstießen und forttaten. Und ich sah, daß sie mit Grimm und Murren die Versammlung verließen. Und er nahm sich ganz andere Leute in seinen Dienst, geistliche und auch weltliche. Dann begann die große Feierlichkeit in der St. Peterskirche.»
30. Dezember. «Wieder sah ich die Peterskirche mit ihrer hohen Kuppel. Michael stand auf ihr leuchtend in blutrotem Gewand, mit einer großen Kriegsfahne in der Hand. An der Erde war großer Streit. Grüne und Blaue kämpften gegen Weiße, und diese Weißen, welche ein rotes, feuriges Schwert über sich stehen hatten, schienen ganz zu erliegen; alle aber wußten nicht, warum sie kämpften. Die Kirche war ganz blutrot wie der Engel, und mir wurde gesagt: <Sie wird im Blute gewaschen.> Je länger der Kampf währte, um so mehr wich die rote Blutfarbe von der Kirche, und sie ward immer durchscheinender. Der Engel aber stieg nieder und trat zu den Weißen, und ich sah ihn vielfach vor allen Haufen. Da ergriff sie ein wunderbarer Mut, sie wußten nicht woher; er war es, der unter die Feinde schlug, und diese flohen nach allen Seiten. Über den siegenden Weißen war nun das feurige Schwert verschwunden. Während des Kampfes liefen fortwährend Haufen der Gegner zu ihnen über und einmal eine ganz große Menge. Über dem Kampfe erschienen auch Scharen der Heiligen in der Luft, welche zeigten und mit Händen deuteten und winkten, alle verschieden und doch aus und in und zu einem Geiste.
Als der Engel vom Dach der Kirche niedergestiegen war, sah ich über demselben im Himmel ein großes, leuchtendes Kreuz, an welchem der Heiland hing, aus dessen Wunden leuchtende Strahlenbüschel sich über die Welt verbreiteten. Die Wunden waren rot wie glänzende Tore mit sonnengelber Mitte. Er trug keine Dornenkrone; aber aus allen Kopfwunden schossen Strahlen horizontal in die Welt. Die Strahlen aus den Händen, der Seite und den Füßen schossen regenbogenfarbig und teilten sich haarfein und auch mehrere vereint nach Dörfern, Städten, Häusern durch die ganze Welt. Ich sah sie hie und da, fern und nah, auf allerlei Strebende fallen und die Seelen einsaugen, welche in einer dieser Farben hinanglitten in die Wunde des Herrn. Die Strahlen der Seitenwunde strömten auf die unten stehende Kirche in einem sehr reichen und breiten Strom nieder. Die Kirche leuchtete ganz davon, und durch diesen Strahlenguß sah ich die meisten Seelen eingehen in den Herrn.
Ich sah aber auch ein rotes, leuchtendes Herz am Himmel schweben, aus welchem eine weiße Strahlenbahn in die Seitenwunde führte, und von welchem sich eine andere Strahlenbahn über die Kirche und viele Gegenden ausbreitete; und diese Strahlen saugten sehr viele Seelen ein, welche durch das Herz und die Lichtbahn in die Seite Jesu eingingen. Es wurde mir gesagt, MARIA sei dieses Herz. Außer diesen Strahlen sah ich aus allen Wunden Leitern sich gegen die Erde senken; einige reichten nicht ganz hinab. Diese Leitern waren verschieden gestaltet, schmal, breit, nah- und weitsprossig. Sie standen einzeln und auch gehäuft, es mögen wohl an dreißig gewesen sein. Sie waren von den Farben des Reinigungsortes dunkel und heller, grau, bis hinan immer mehr sich lichtend. Auf diesen sah ich viele Seelen mühsam hinanklettern. Manche stiegen rasch, als hätten sie Hilfe in stetem Fortschreiten, andere drängten sich verwirrt und fielen darüber wieder auf niedrigere Stufen, und einige fielen ganz in Nacht. Das mühsame Aufklettern war sehr rührend gegen das freudige Einsaugen zu betrachten. Es schien, als ob die stets und mit Hilfe Aufsteigenden der Kirche verwandter seien als die Gehinderten und Stockenden, Harrenden, Verlassenen, Stürzenden. Ich sah auch viele jener Seelen, welche in dem Kampfe blieben, jede ihre Bahn in den Leib des Herrn nehmen. Hinter dem Kreuz aber, in den tiefen Himmel hinein, sah ich ganze Scharen von ferner und ferner vorbereitenden Bildern des Erlösungswerkes, die ich nicht aussprechen kann. Es war, als wären sie die Stationen des Weges der göttlichen Gnade durch die Geschichte der Welt bis zu ihrer Erfüllung in der Erlösung. Ich stand nicht auf einem Punkt. Ich bewegte mich durch und zwischen den Strahlen umher und sah alles. Ach, ich sah Unermeßliches, Unbeschreibliches.
Als der Kampf auf Erden getilgt war, waren die Kirche und der Engel, der nun verschwand, weiß und leuchtend geworden. Auch das Kreuz verschwand, und an seiner Statt stand eine hohe, leuchtende Frau auf der Kirche und breitete ihren goldenen, strahlenden Mantel weit über sie aus. Unter der Kirche erschien gegenseitige Demütigung und Versöhnung. Ich sah Bischöfe und Hirten sich nähern und ihre Bücher auswechseln, und die Sekten erkannten die Kirche durch den wunderbaren Sieg und durch die Lichter der Offenbarung, welche sie selbst auf sie hatten strahlen gesehen. Diese Lichter waren aus den Strahlen des Springquells des Sees, der aus Johannes war. Als ich diese Vereinigung sah, kriegte ich eine tiefe Empfindung von der Nähe des Reiches Gottes. Ich fühlte einen Glanz und ein höheres Leben in der Natur und eine heilige Bewegtheit in allen Menschen, wie zur Zeit der nahen Geburt des Herrn, und ich fühlte die Nähe des Reiches Gottes so, daß ich ihm entgegenzulaufen und zu jauchzen gezwungen war[16]. Ich habe von der Ankunft Maria schon in ihren frühesten Vorfahren ein Gefühl gehabt. Ich sah ihren Stamm dieser und keiner andern Blüte entgegen sich veredeln. Ich sah Maria kommen; wie, das kann ich nicht aussprechen; ebenso habe ich immer eine Empfindung von größerer Annäherung des Reiches Gottes. Ich kann es nur mit jenem Gefühle vergleichen. Ich sah es nahen durch die Sehnsucht von vielen demütigen, liebenden, glaubenden Christen; die Sehnsucht zog es heran. Ich sah viele kleine, leuchtende Haufen von Lämmern über der Erde, geweidet von Hirten, und ich sah alle Hirten als die Hirten desjenigen, der als ein Lamm sein Blut für uns gegeben, und es war eine ganz unendliche Liebe und Kraft Gottes in den Menschen. Ich sah aber Hirten, die ich kannte und die mir nahe waren, die aber nichts ahnten von allem; und ich wünschte heftig, sie aus dem Schlaf zu erwecken. Ich freute mich so kindisch, daß die Kirche meine Mutter sei, daß mir ein lebhaftes Bild aus meinen Kinderjahren von unserem Schulmeister kam, der oft sagte: <Wer die Kirche nicht für seine Mutter hält, der hält Gott nicht für seinen Vater.> Ich war gleich wieder ein Kind und dachte wie damals: <Die Kirche ist ja von Stein, wie kann sie denn meine Mutter sein? Aber es ist doch wahr, sie ist deine Mutter!> Und so glaubte ich dann redlich, ich gehe in meine Mutter, wenn ich in die Kirche gehe. Darum sagte ich auch hier im Gesichte laut: <Ja, sie ist doch gewiß deine Mutter.> Hier sah ich auf einmal die Kirche als eine schöne und prächtige Frau und hielt ihr vor, daß sie sich so vernachlässigen und so von ihrem Gesinde mißhandeln lasse. Ich bat sie auch um ihren Sohn, und sie reichte mir das Jesukind in die Arme, mit welchem ich lange redete. Da erhielt ich eine schöne Gewißheit, wie Maria die Kirche sei, und die Kirche unsere Mutter, und Gott unser Vater, und Jesus unser Bruder. Nun war ich recht froh, daß ich als Kind in die steinerne Mutter, in die Kirche, gegangen, und daß ich durch Gottes Gnade gedacht: <So gehe ich ein in meine heilige Mutter.>
Ich sah nun in der Kirche, welche nach dem überstandenen Kampfe ganz wie eine Sonne strahlte, ein großes Fest. Ich sah viele Prozessionen hineinziehen. Ich sah einen neuen, sehr ernsten und strengen Papst. Ich sah vor dem Beginn des Festes sehr viele Bischöfe und Hirten verstoßen von ihm, weil sie schlecht waren. Ich sah dieses Fest in der Kirche besonders von den heiligen Aposteln mitfeiern. Da sah ich das <Herr, zukomme uns dein Reich> recht nahe. Es war, als sehe ich himmlische, leuchtende Gärten von oben niedersteigen und sich mit auf Erden entzündeten Plätzen vereinigen und unten alles in ein ursprüngliches Licht eintauchen. Die Feinde, welche aus dem Kampfe geflohen waren, wurden nicht verfolgt, aber sie schieden sich ab.» Diese Kirchenbilder gingen nun in ein großes Gesicht vom himmlischen Jerusalem über.
«Ich sah in die schimmernden Straßen der Gottesstadt voll glänzender Paläste und Gärten, in denen zahllose Scharen von Heiligen Gott lobend und auf die Kirche einwirkend sich bewegen. Im himmlischen Jerusalem ist keine Kirche; Christus selbst ist die Kirche. Maria thront über der Gottesstadt und über ihr Christus und die heiligste Dreifaltigkeit. Von ihr fällt wie Tau des Lichtes auf Maria, das sich von ihr niederbreitet über die ganze heilige Stadt. Ich sah unter der Gottesstadt die Peterskirche und frohlockte, daß sie trotz aller Nachlässigkeit der Menschen doch immer das wahre Licht von oben in sich empfängt. Ich sah die Wege, die zum himmlischen Jerusalem führen, und sah die heiligen Hirten, welche aus ihren Herden die vollendeten Seelen dahin geleiten. Diese Bahnen waren nicht sehr voll.
Ich sah auch meinen Weg nach der Stadt Gottes und sah von ihm aus wie aus der Mitte eines weiten Kreises alle, denen ich irgendwie geholfen habe. Da sah ich alle Kinder und Arme, denen ich Kleidungsstücke verfertigt hatte, und wunderte und freute mich besonders über die vielerlei Moden, in denen ich schon geschneidert hatte. Dann sah ich auch alle Bilder aus meinem Leben, in welchem ich nur irgendeinem Menschen genützt hatte durch Rat, Beispiel, Unterstützung, Gebet, Leiden; und ich sah den Vorteil, den sie daraus gezogen hatten, in Form von Gärten vorgestellt, welche ihnen daraus erwachsen waren. Sie hatten diese Gärten auf verschiedene Weise bewahrt, fortgepflegt oder verderben lassen. Und ich sah einen jeden, dem ich jemals einen Eindruck gemacht, was daraus geworden sei.»
Vom Anfang August bis Ende Oktober 1820 war Anna Katharina in zusammenhängenden Gebeten und Fürbitten für den Heiligen Vater, welche durch ein umfassendes Gesicht eingeleitet wurden. Der Zustand der ganzen Kirche wurde ihr, wie immer in solchen Gesichten, im Bilde der Peterskirche gezeigt, und das in ununterbrochenem Vernichtungskampfe gegen sie begriffene, über den ganzen Erdkreis verzweigte Reich des Widerchrists. Dieses empfängt seine Signatur von dem apokalyptischen Tiere, das, aus dem Meere gestiegen, zum Kampfe gegen die Herde Christi antreibt. Der Pilger bemerkte bei Aufzeichnung des Gesichtes: «Es ist gewiß voll Lücken, weil die Erzählende dasselbe in lauter Formen gesehen hat, die sie nur schwer beschreiben kann. Wunderbar ist, daß dieses Gesicht mehrere Formen der Offenbarung Johannis hat, welche sie gar nicht kennt, wie überhaupt sehr weniges aus der Schrift und aus Büchern. Scheint sie auch manchmal in einem Buche zu lesen, so ist sie doch alsogleich im Schauen und sieht ganz andere Dinge.» Als sie mit der Erzählung des Gesichtes begann, sagte sie:
«Ich sehe neue Märtyrer, nicht von jetzt, sondern in der Zukunft; aber ich sehe sie schon drängen. Ich sah», fuhr sie weiter, «Leute immerfort an der großen Kirche herunterbrechen und sah ein abscheuliches Tier, aus dem Meere gestiegen, bei ihnen. Es hatte einen Schweif wie ein Fisch und Pratzen wie ein Löwe und viele Köpfe, die um einen großen Kopf so kraus wie eine Krone standen. Sein Maul war groß und rot. Es war gefleckt wie ein Tiger und war ganz vertraut mit den Abbrechenden. Es lag oft mitten unter ihnen, während sie arbeiteten; auch gingen sie zu ihm in die Höhle, in welcher es sich manchmal verbarg. Währenddessen sah ich hie und da durch die ganze Welt viele gute, fromme Leute und besonders Geistliche gequält, eingekerkert und gedrückt werden, und hatte die Empfindung, sie würden einstens neue Märtyrer werden. Als die Kirche schon weit herabgerissen war, so daß nur der Chor mit dem Altare noch stand, sah ich diese Abbrecher mit dem Tiere in die Kirche dringen, und hier fanden sie ein großes, herrliches Weib. Es war, als sei es gesegneten Leibes, denn es ging nur langsam; die Feinde erschraken sehr darüber, und das Tier konnte keinen Schritt weiter. Es streckte seinen Hals ganz grimmig nach dem Weibe aus, als wollte es dasselbe verschlingen. Das Weib aber wendete sich und fiel nieder auf sein Antlitz. Ich sah nun das Tier wieder gegen das Meer fliehen, und die Feinde liefen verwirrt durcheinander; denn ich sah nun rings um die Kirche aus der Ferne große Kreise sich herannahen auf der Erde und auch oben im Himmel. Der erste bestand aus Jünglingen und Jungfrauen, der zweite aus Eheleuten jeden Standes, Königen und Königinnen, der dritte aus Ordensleuten, der vierte aus Kriegsleuten. Vor diesen sah ich einen auf einem weißen Pferde. Und der letzte Kreis bestand aus Bürgern und Bauern, unter denen viele mit einem roten Kreuz an der Stirne gezeichnet waren. Während sie nahten, wurden Gefangene und Bedrängte befreit und zogen mit ihnen; aber alle die Abbrechenden und Verschworenen wurden von allen Orten vor ihnen zusammengetrieben und waren, ohne zu wissen wie, auf einem Haufen nun beisammen und ganz verwirrt und voll Nebel. Sie wußten weder, was sie getan, noch was sie tun sollten, und rannten mit den Köpfen gegeneinander, wie ich sie oft tun sehe. Als sie alle auf einem Haufen waren, sah ich sie ihre Arbeit am Kirchenabbruch aufgeben und sich in die Kreise verlieren. Ich sah aber nun die Kirche schnell wieder aufgebaut und in schönerem Glanze als je; denn es reichten sich die Leute aus allen Kreisen von einem Ende der Welt bis zum andern Steine zu. Als die Kreise unten sich näherten, trat der innere zurück hinter die andern. Es war, als stellten sie verschiedene Arbeiten des Gebetes vor, und der Soldatenkreis die des Krieges. Es schienen mir in diesem Kreise Feind und Freund aller Völker. Es waren lauter Kriegsleute unserer Art und Farbe. Der Kreis war aber nicht geschlossen, sondern hatte gegen Mitternacht eine breite, dunkle Lücke wie ein Loch, einen Absturz. Es ging so ins Dunkel abwärts wie im Paradies, wo Adam hinauseilte. Es war mir, als liege dahin ein finsteres Land. Ich sah auch einen Teil aus diesem Kreise zurückbleiben, er wollte nicht vorwärts, und alle standen dicht und finster aufeinander. Unter allen diesen Kreisen sah ich viele Menschen, welche für Jesus Märtyrer werden würden; denn es waren noch viele Böse darunter, und es würde noch eine andere Scheidung kommen.
Ich sah aber die Kirche ganz hergestellt und über ihr das Lamm Gottes auf einem Berge und einen Kreis von Jungfrauen mit Palmen darum, und ebenso die fünf Kreise von himmlischen Scharen, wie unten von irdischen; sie waren mit diesen zugleich herangezogen und wirkten mit ihnen. Um das Lamm standen die vier apokalyptischen heiligen Tierbilder.»
Am 10. August berichtete sie: «Ich sehe den Heiligen Vater in großer Bedrängnis. Er bewohnt einen andern Palast und läßt nur wenige Vertraute vor sich. Würde die schlechte Partei ihre große Stärke kennen, sie wäre schon losgebrochen. Ich fürchte, der Heilige Vater wird vor seinem Ende noch große Drangsale leiden müssen. Die schwarze Afterkirche sehe ich im Wachsen und in üblem Einfluß auf die Gesinnung. Die Not des Heiligen Vaters und der Kirche ist wirklich so groß, daß man Tag und Nacht zu Gott flehen muß. Es ist mir viel zu beten aufgetragen für die Kirche und den Papst... Ich ward diese Nacht nach Rom geführt, wo der Heilige Vater in großer Bedrängnis noch verborgen ist, um üblen Zumutungen zu entgehen. Er ist sehr schwach und von Trauer, Sorge und Gebet ganz erschöpft. Er hat sich hauptsächlich verborgen, weil er vielen nicht mehr trauen kann. Es ist aber ein alter, einfältiger, sehr frommer Priester bei ihm, der sein Freund ist, und den man als einfältig gar nicht der Mühe wert gehalten, ihn aus seiner Nähe wegzuschaffen. Dieser Mann aber hat viele Gnade von Gott. Er sieht und merkt vieles und teilt es dem Heiligen Vater treulich mit. Diesem mußte ich mehreres im Gebet eröffnen über Verräter und schlecht Gesinnte unter den vertrautesten hohen Beamten des Heiligen Vaters, das er ihm hinterbringen mußte. Auf diese Weise ist er vor dem gewarnt, der bis jetzt alles machte, und er wird nichts mehr machen. Der Papst ist so schwach, daß er allein nicht mehr gehen kann.»
25. August. «Ich weiß nicht mehr, wie ich heute nacht nach Rom kam, aber ich befand mich bei der Kirche Maria Major und sah viele arme und fromme Leute, welche in großer Angst und Sorge waren wegen der Verborgenheit des Papstes, der Unruhen und besorgniserregenden Reden in der Stadt, sich der Kirche nahen, um zur Mutter Gottes zu flehen. Die Leute schienen nicht zu erwarten, daß die Kirche sich öffnen würde; sie wollten nur draußen flehen. Ein innerer, gemeinsamer Antrieb hatte sie hergeführt. Ich war aber in der Kirche und öffnete die Türe, die Leute gingen bange und erstaunt über die sich öffnende Türe hinein. Und es war mir, als stände ich dahinter, und sie sähen mich nicht. Es war kein Gottesdienst in der Kirche, es brannten nur die ewigen Lampen. Die Leute aber beteten ganz ruhig. Und ich sah die Mutter Gottes erscheinen, welche sagte, die Not werde groß sein; die Leute sollten eifrig beten und mit ausgestreckten Armen, wenn sie es auch nur drei Vaterunser lang vermöchten. Ihr Sohn habe am Kreuze auch so für sie gebetet. Sie sollten um Mitternacht aufstehen und so beten. Sie sollten immer hierher in ihre Kirche kommen, die Türe sollten sie offen finden. Sie sollten besonders beten, daß die finstere Kirche hier wegkomme. Die Soldaten, welche herannahten, würden auch kein Heil bringen, sondern Not und Verwüstung, denn der Krieg würde ohne Gebet und ohne Priester geführt. Sie sagte vieles und was nur schwer zu sagen ist, daß, wenn nur ein Priester das unblutige Opfer ganz in der Würde und Gesinnung darbrächte, wie die Apostel getan, so könnte er alle Not abwenden. Ich weiß nicht, daß die Leute in der Kirche diese Erscheinung sahen, aber sie mußten doch durch etwas Übernatürliches bewegt sein; denn als die heilige Jungfrau sagte, sie sollten mit ausgebreiteten Armen zu Gott flehen, hoben sie alle die Arme empor. Es waren alle diese Leute gut und fromm und wußten keinen Rat noch Hilfe. Es war kein Verräter, kein Feind unter ihnen, und doch waren sie bange und scheu voreinander.»
10. Oktober. «Ich sah die Peterskirche, welche bis an den Chor und den Hauptaltar abgebrochen war. Michael stieg geschnürt und gerüstet in die Kirche nieder und wehrte mit seinem Schwerte vielen schlechten Hirten, die in sie eindringen wollten. Er trieb sie in einen dunkeln Winkel, da saßen sie nun und schauten sich an. Das Abgebrochene an der Kirche ward in wenigen Augenblicken mit leichtem Flechtwerk wieder zugebaut, so daß der Gottesdienst vollkommen gehalten werden konnte. Von außen her aber wurden von Priestern und Laien aus der ganzen Welt die Mauern wieder von Steinen aufgeführt, denn die festen Grundsteine hatten die Abbrechenden nicht erschüttern können.» Anna Katharina brachte nun ganze Nächte im Gebet mit ausgespannten Armen zu und hatte dabei sehr heftige Anfälle vom bösen Feinde zu bestehen. Dreimal stürmte er in der ersten Nacht auf sie ein, sie zu erwürgen. «Er warf mir», sagte sie, «von meiner Jugend an allerlei Fehler vor, welche ich nicht von ihm annahm. Ich faßte alle meine Reliquien zusammen und focht mit denselben gegen den Feind. Endlich saß ich in meinem Bette aufrecht und segnete nach allen Seiten mit der Kreuzpartikel, worauf ich Ruhe bekam.» Die darauffolgende Nacht brachte sie in gleichem Gebet zu, kämpfte aber so siegreich gegen den Feind, daß sie mehrmals das Te Deum sang.
Am Abend des 1. Oktober fand sie der Pilger tropfnaß von Schweiß, da sie ohne Aufhören in mühseligster Gebetsarbeit begriffen war. Sie wiederholte, daß ihr vom hl. Michael nebst andern Arbeiten für die Kirche Almosen befohlen seien, welche sie an sieben Tagen vollziehen solle. Die Kinder seien ihr alle gezeigt worden, und sie wisse auch unter allen ihren Sachen, was sie jedem geben solle.
«Die Kirche», jammerte sie, «ist in großer Gefahr, ich muß auf Befehl jeden, der zu mir kommt, um ein Vaterunser in dieser Intention bitten. Man muß flehen, daß der Papst Rom nicht verläßt, es entstände ungeheurer Schaden dadurch. Man muß flehen, daß er den Heiligen Geist erhält.»
Als der Pilger am Morgen des 4. Oktober zu ihr kam, fand er sie in gänzlicher Erschöpfung von nächtlicher Anstrengung.
«Ich habe so entsetzlich kämpfen müssen wie nie zuvor. Ich bin schier erlegen; ich kann nicht sagen, wie verzweifelt ich gelitten habe. Es ist mir dieser Streit seit langem vorhergezeigt worden. Ich sah eine Person, welche von vielen Teufeln angefallen wurde und gegen sie kämpfte. Nun erkenne ich wohl, daß ich selbst diese Person war. Gegen eine ganze Schar von Teufeln muß ich streiten; sie reizen, wen und wie sie können, gegen mich an. Ich habe zu viel Gebet übernommen.
Wenn mir die Heiligen nicht beiständen, könnte ich es nicht aushalten, ich werde dann ganz kraftlos in den Kampf gestellt und soll siegen, und da wird es mir so schwer. Ich sehe den Teufel alles tun, um mich zuschanden zu machen. Er schickt mir dann auch immer Leute und Besuch von weit her, mich zu quälen und zu schwächen.
Als ich heute nacht den hl. Franziskus in einem Gesicht des Papstes die Kirche tragen sah, sah ich hernach die Peterskirche von einem kleinen Manne auf den Schultern tragen, welcher etwas Jüdisches im Gesichte hatte. Es schien ganz gefährlich. Maria stand auf der Nordseite auf der Kirche und breitete schützend ihren Mantel aus. Der kleine Mann schien zusammenzubrechen. Er schien noch ein Laie und mir bekannt. Es sollten die Zwölfe, welche ich immer als neue Apostel sehe, ihm tragen helfen; aber sie kamen etwas zu langsam. Er schien schon zu sinken, da kamen sie endlich alle und traten unter, und es halfen viele Engel. Es war nur noch der Boden und das Hinterteil, das andere war alles von der geheimen Sekte und den Kirchendienern selbst abgebrochen. Sie trugen die Kirche auf einen andern Platz, und es war, als sänken mehrere Paläste wie Ährenfelder vor ihnen nieder.
Als ich die Peterskirche in ihrem abgebrochenen Zustande sah und wie so viele Geistliche auch an dem Werk der Zerstörung arbeiteten, ohne daß es einer vor dem andern öffentlich wollte getan haben, da empfand ich solche Betrübnis darüber, daß ich heftig zu Jesus schrie, er solle sich erbarmen. Und ich sah meinen himmlischen Bräutigam vor mir wie einen Jüngling, und er sprach lange mit mir. Er sagte auch, dieses Wegtragen der Kirche bedeute, daß sie scheinbar ganz sinken werde; daß sie aber auf diesen Trägern ruhe und aus ihnen wieder hervorgehen werde; wenn auch nur ein katholischer Christ noch übrig sei, könne die Kirche wieder siegen, denn sie sei nicht im Verstande und Rate der Menschen gegründet. Er zeigte mir nun, wie es nie an Betern und Leidenden für die Kirche gefehlt. Er zeigte mir alles, was er für die Kirche gelitten, und wie er den Verdiensten und Arbeiten der Märtyrer Kraft gegeben und wie er nochmals alles leiden würde, so er noch leiden könnte. Er zeigte mir auch in unzähligen Bildern das ganze elende Treiben der Christen und Geistlichen in immer weiteren und weiteren Kreisen durch die ganze Welt bis zu meiner Heimat und ermahnte mich zu ausharrendem Gebet und Leiden. Es war dieses ein unbeschreiblich großes, trauriges Bild, das nicht auszusprechen ist. Es wurde mir auch gezeigt, daß schier keine Christen im alten Sinne mehr da sind. Ich bin sehr betrübt durch dieses Bild.»
7. Oktober. «Ich habe eine große Arbeitsreise gemacht. Ich war in Rom in den Katakomben. Ich sah das Leben eines Märtyrers, der mit vielen da heimlich lebte. Er hatte viele bekehrt, er war nicht lange nach Thekla; ich habe seinen Namen vergessen. Schon als Knabe ging er mit frommen Frauen in die Katakomben und Gefängnisse, die Christen zu trösten. Er wurde mit vielen gemartert. Er war auch eine Zeitlang in einer Einsiedelei verborgen. Er litt große Marter und wurde zuletzt enthauptet; er trug sein Haupt von dannen, ich weiß die Geschichte nicht mehr recht. Ich war mit Franziska Romana und eben diesem Märtyrer in den Katakomben in einem Keller, dessen ganzer Boden voll leuchtender Blumen stand. Es waren dieses die Blüten der Schmerzen dieses Märtyrers und seiner Genossen, welche da umgekommen. Es standen da besonders viele schöne weiße Rosen, und ich sah auf einmal, daß eine davon an meiner Brust steckte (die Reliquie dieses Heiligen). Ich war noch an vielen Orten, wo ich unzählige Blumen sah, lauter Schmerzen der Märtyrer, welche ich für die Kirche in der jetzigen Not in Anspruch nahm. Als ich mit Franziska und dem Heiligen durch Rom ging, sahen wir einen großen Palast (Vatikan) von oben bis unten in Flammen stehen. Ich war sehr bang, die Einwohner möchten verbrennen, es löschte niemand; als wir aber nahten, hörte die Flamme auf, und das Haus war schwarz und brandig. Wir gingen durch viele prächtige Säle und kamen zu dem Papst. Er saß im Dunkel und schlief in einem großen Stuhle; er war sehr krank und ohnmächtig, er konnte nicht mehr gehen. Vor der Türe gingen etliche Leute auf und ab. Die Geistlichen, welche zunächst um ihn wohnten, gefielen mir nicht gut, sie schienen falsch und lau. Die frommen, einfältigen, die ich manchmal bei ihm sehe, waren in einem entfernteren Teil des Hauses. Ich sprach lange mit ihm, und ich kann nicht sagen, wie sehr wirklich anwesend ich mir schien; denn ich war unbeschreiblich schwach, und die bei mir waren, mußten mich immer unterstützen. Ich sagte ihm von den Bischöfen, die jetzt eingesetzt werden sollen. Ich sprach auch noch mit dem Papst, daß er Rom nicht verlassen dürfe, es werde dann alles in Verwirrung geraten. Er aber meinte, die Gefahr sei doch nicht zu vermeiden, und er müsse weggehen, um sich und vieles zu retten. Er war sehr geneigt und beredt, Rom zu verlassen. Franziska sprach noch viel länger mit ihm. Ich war ganz ohnmächtig und schwach, meine Begleiter unterstützten mich.
Ich sah Rom so elend, daß der kleinste Funke alles entzünden könnte. Sizilien sah ich ganz finster und greulich, und daß noch alle Leute fliehen, die können.»
Einmal wehklagte sie mit lauter Stimme in der Ekstase: «Ich sehe die Kirche ganz einsam, wie ganz verlassen. Es ist, als fliehen sie alle. Alles um sie her ist im Streit. Überall sah ich große Not und Haß, Verrat und Erbitterung, Unruhe, Hilflosigkeit und völlige Blindheit. Von einer dunkeln Mitte aus sehe ich Boten senden, da und dort etwas zu verkünden, das schwarz aus ihrem Munde geht und bitter auf die Brust der Zuhörer fällt und Haß und Grimm entzündet. Ich bete eifrig für die Bedrängten. Über Orte, wo einzelne beten, sehe ich Licht niederfallen, über andere schwarze Finsternis kommen. Der Zustand ist schrecklich. Ich habe so gefleht. Gott muß sich erbarmen. O Stadt, o Stadt (Rom), was droht dir! Der Sturm ist nahe. Nimm dich in acht! Aber ich hoffe, du wirst fest bleiben.»
16. Oktober. «Ich bin heute nacht den Kreuzweg zu Koesfeld gegangen. Es waren viele Seelen bei mir. Sie stellten mir die Not der Kirche vor, und wie sehr man beten müsse. Ich sah danach in einem Bilde von vielen Gärten, die rund um mich her lagen, das Verhältnis des Papstes zu den Bischöfen. Ich sah den Papst auf seinem Throne auch wie in einem Garten. Ich sah die Rechte und Kräfte dieser Bischöfe, Bistümer wie Pflanzen, Früchte und Blumen in den einzelnen Gärten; und sah Verhältnisse, Strömungen, Einflüsse wie Fäden, wie Strahlen vom Römischen Stuhl aus nach den Gärten.»
1. In der letzten Hälfte des Monats August 1820 hatte Anna Katharina umfassende Gesichte von den Geheimnissen des heiligen Meßopfers, von seinen Vorbildern in der alten Zeit, von der Bedeutung der Reliquien auf dem Altar, aber auch von der Lauigkeit und Gleichgültigkeit, mit welcher das heiligste Sakrament nicht selten von Priestern und Laien behandelt wird. Der Vollständigkeit halber geben wir die Gesichte, wie sie von der Schauenden erzählt wurden, unverkürzt wieder, wiewohl dieselben auch manches andere enthalten, was auf die heilige Messe nicht unmittelbar Bezug hat.
«Ich sehe», sprach sie, «an allen Orten Priester von den Gnaden der Kirche, von den Schätzen der Verdienste Jesu und der Heiligen umgeben, aber tot und lau lehren und predigen und opfern. Es ward mir ein Heide gezeigt, der auf einer Säule stehend von dem neuen Gotte aller Götter, den ein anderes Volk habe, so innig redete, daß das ganze Volk mit ihm in Sehnsucht hingerissen ward. Diese Gesichte bestürmen mich Tag und Nacht so, daß ich mir nicht zu helfen weiß. Es wird mir das jetzige Elend und die Verkommenheit immer im Vergleich mit Besserem ehemals gezeigt, und ich muß ohne aufhören beten. Das schlechte Messelesen ist eine ungeheure Sache. Ach, es ist nicht einerlei, wie sie gelesen wird! . . . Ich hatte ein unermeßliches Bild von den Mysterien der heiligen Messe, und wie alles Heilige von Anfang der Welt sich darauf bezieht. Ich sah das A und das Ω und wie alles im Ω enthalten ist; ich sah die Bedeutung der Zirkelform, der runden Gestalt der Erde, der Himmelskörper, aller Erscheinungsumgebungen und der Hostie. Ich sah den Zusammenhang der Geheimnisse der Menschwerdung, der Erlösung und des heiligen Meßopfers, und wie Maria alles umfaßte, was der Himmel selbst nicht umschließen konnte. Diese Bilder gingen durch das ganze Alte Testament. Ich sah das Opfer von der ersten Darbringung an und die wunderbare Bedeutung der heiligen Gebeine. Ich sah die Bedeutung der Reliquien in dem Altar, auf dem Messe gelesen wird. Ich sah Adams Gebeine unter dem Kalvarienberg ruhen, und zwar etwas über dem Wasserstand in senkrechter Linie unter dem Kreuzigungsplatz Jesu Christi.
Ich sah in ein Gewölbe von der Seite herein und sah das Gerippe Adams ganz liegen, außer dem rechten Arm und Fuß und dem rechten Brustgerippe, so daß ich in das Innere des linken Rippengebäudes sah, und in dieser rechten hohlen Seite sah ich den Schädel der Eva liegen, recht (gerade) an der Stelle, aus welcher sie der Herr hervorgezogen. Es wurde mir auch gesagt, daß viel Streit darüber gewesen sei; daß aber dennoch Adams und Evas Grab von jeher hier gewesen und ihr Gebein noch hier liege. Ich sah dieses Grab von der Sündflut unverletzt, und daß Noe einen Teil der Gebeine in der Arche gehabt, daß er auch bei seinem ersten Opfer dieselben so auf den Altar gestellt, wie dieses nachmals von Abraham geschehen; daß die Gebeine, welche Abraham aufgestellt habe, Adams Gebeine gewesen, welche von Sem auf ihn gekommen seien. So ist der Opfertod Jesu auf dem Kalvarienberg über den Gebeinen Adams recht eine Vorbedeutung des heiligen Meßopfers, wo die Reliquien unter dem Altarstein sind; und die Opfer der Altväter sind die Vorbereitung darauf. Auch sie hatten dabei heilige Gebeine, durch welche sie Gott an seine Verheißungen erinnerten, welche die Erlösung waren. Noe hatte die Gebeine von Adam in der Arche, an der fünf Öffnungen waren, welche sich auf den Heiland und seine Kirche bezogen.
Ich sah Noe in der Arche Rauchopfer darbringen; sein Altar war auch mit Weiß und Rot bedeckt, und so oft er betete und opferte, stellte er auf ihn die Gebeine Adams. Diese Gebeine kamen später an Abraham, den ich sie auf Melchisedechs Altar aufstellen sah, von dem er wußte und nach dem er sich gesehnt hatte. Die Rückseite des Altars war gegen Mitternacht; die Altväter stellten den Altar immer so auf, weil das Böse von Mitternacht gekommen.
Ich sah auch Moses vor einem Altar beten, auf dem er Gebeine von Jakob aufgestellt, die er sonst in einer Büchse umhängen hatte. Als er etwas auf den Altar goß, loderte eine Flamme auf, in die er Rauchwerk warf. Er beschwor Gott in seinem Gebet bei der Verheißung, die er diesen Gebeinen getan. Er betete so lange, bis er niedersank, und des Morgens erhob er sich zu neuem Gebet. Moses betete mit ausgestreckten Armen. Diesem Gebet widersteht Gott nicht, denn sein eigener Sohn hat so bis in den Tod im Gebet treulich ausgeharrt. Wie Moses sah ich auch Josua beten, als die Sonne auf sein Gebot stehen blieb.
Ich sah auch den Teich Bethesda und wie seine fünf Eingänge sich auf die fünf Wunden bezogen. Ich hatte viele Bilder von ihm aus verschiedenen Zeiten. Ich sah einen Hügel ziemlich entfernt von dem ersten Tempel, auf dem in Zeiten der Gefahr eine Grube gemacht wurde, in welcher heilige Gefäße, Leuchter und viele Feuerpfannen mit zwei Handhaben verborgen wurden; in die Mitte wurde das heilige Feuer vom Altar gelegt. Über die Grube wurden allerlei Balken gelegt. Über dieses Verdeck wurde Erde aufgefüllt, so daß nichts bemerkt werden konnte. Ich sah Nehemias aus der Gefangenschaft kommen und den Ort, wo das Feuer verborgen worden, abräumen. Sie fanden wie einen schwarzen Brei von Moorerde daselbst und nahmen die Gefäße heraus. Nehemias bestrich mit dem Brei das Opferholz, das sich entzündete.»
2. Die Bilder gingen danach zu der christlichen Zeit über, und es ward ihr gezeigt, wie die Inhaber der höchsten geistlichen und weltlichen Gewalten gewetteifert, dem heiligen Sakrament die gebührende Ehre und Anbetung darzubringen.
«Ich sah den heiligen Papst Zephyrinus[17], der wegen seines Eifers für die Würde des Priestertums von Christen und Ketzern vieles zu leiden hatte. Ich sah ihn große Strenge in Annahme der zu den Weihen sich Meldenden ausüben; er prüfte sie gründlich und wies viele ab. Ich sah, daß er einmal von einer großen Anzahl, welche Priester werden wollten, alle bis auf fünf zurückwies. Ich sah ihn auch oft mit Ketzern disputieren, welche Rollen aufschlugen und heftig sprachen, ihm sogar seine Schriften zerrissen. Er verlangte von den Priestern Gehorsam und sendete sie hier- und dorthin; jenen aber, welche nicht folgten, nahm er ihre Ämter. Ich sah ihn auch einen Mann, der noch nicht Priester war, ich meine nach Afrika senden, wo er Bischof und ein großer Heiliger wurde. Er war ein Freund des Zephyrinus und ist ein sehr berühmter Mann. Ich sah, wie Zephyrinus von den Christen begehrte, daß sie alles Silbergeschirr aus ihren Häusern bringen sollten, und daß er die Kelche von Holz aus den Kirchen entfernte und silberne dafür anschaffte. Ich sah auch, daß die Meßkännchen von Glas durchsichtig waren. Er selbst brauchte für sich lauter hölzerne Gefäße, ließ sie aber, weil er sah, daß sich viele daran ärgerten, teilweise vergolden; alles übrige gab er den Armen. Ich sah, daß er selbst Schulden machte, um einer armen, ihm nicht verwandten Familie aufzuhelfen. Ich sah, daß eine Frau von seinen nahen Verwandten zu ihm kam und ihm Vorwürfe machte, warum er Schulden mache und es wenigstens nicht seinen armen Verwandten zukommen lasse; und wie er ihr sagte, er habe die Schulden auf Jesus Christus gemacht, und wie sie ihn unwillig verließ. Er hatte aber von Gott erhalten, wenn er dieser Frau etwas zukommen lasse, werde sie schlecht werden. Ich sah, daß er die Priester vor der Gemeinde prüfen und weihen ließ, und daß er es wieder streng einführte, wie sich die Geistlichen bei dem Gottesdienst der Bischöfe betragen mußten; auch bestimmte er ihren Rang untereinander genau. Ich sah, daß er einführte, wie die Christen in einem gewissen Alter der Mannbarkeit das heilige Sakrament um Ostern in der Kirche empfangen mußten, und daß er ihnen nicht mehr erlaubte, dasselbe in einer Büchse am Halse hängend mit nach Hause zu nehmen, weil sie es oft an unehrbare Orte, zu Schmausereien und Tanz mitgenommen hatten. Ich sah, daß er eine große, sehr innige Verehrung zu der Mutter Gottes hatte, und daß er mehrere Gesichte von ihrem Leben und ihrem Tode hatte, und daß er sich deswegen seine Schlafstelle ganz wie ihr Lager, auf dem sie gestorben, einrichtete und immer mit einer tiefen Andacht zu ihr sich so niederlegte, zu schlafen, wie er sie im Gesicht sterbend gesehen. Diese seine Ruhestelle hielt er verborgen hinter einem Vorhang. Er trug auch zu Ehren ihres himmelblauen Kleides immer heimlich unter seinem Kleide ein himmelblaues Unterkleid. Ich sah, daß er die, welche wegen Unreinigkeit und Ehebruch aus der Gemeinde ausgestoßen waren, nach der Kirchenbuße wiederaufnahm, und daß er mit einem gelehrten Priester (Tertullian) Streit darüber hatte, welcher zu streng war und ein Ketzer wurde.
Es wurde mir auch der hl. Ludwig von Frankreich[18] gezeigt, wie er als ein Kind von sieben Jahren durch strenges Fasten auf seine erste Kommunion sich vorbereitete. Er gestand dies seiner Mutter, die mit ihm in der Kirche zur Mutter Gottes um Erleuchtung flehte, ob ihr Kind das heilige Sakrament empfangen dürfte. Ich sah, daß Maria ihr erschien und sagte, Ludwig solle sieben Tage lang sich vorbereiten und die Kommunion empfangen; sie solle mit ihm kommunizieren und ihr ihn dabei aufopfern, sie werde dann immer seine Schutzpatronin sein. Ich sah, daß dieses geschah, und hatte dabei eine Belehrung, wie man in jenen Zeiten die Religion anders und lebendiger gelehrt und gelernt hat als jetzt. Ich sah, daß Ludwig nachher auf allen seinen Zügen das heilige Sakrament bei sich hatte, und wo er stillhielt, die heilige Messe lesen ließ. Ich sah auch seine Kreuzzüge, und wie er einmal auf der See im Sturm von seinen Leuten und von den andern Schiffen angeschrien wurde, er solle helfen, er solle von Gott erflehen, daß sie nicht zugrunde gehen. Ich sah, daß der fromme König, weil das Sakrament nicht da war, ein auf dem Schiff neugebornes, getauftes Kind nahm, oben auf das Schiff trat, das Kind emporhielt im Sturm und Gott anflehte, er möge ihrer dieses unschuldigen Kindes halber schonen; und wie er mit dem Kinde umher segnete und der Sturm sich augenblicklich legte, und wie er nachher seine Leute zur Verehrung des heiligen Sakramentes aufforderte, indem er ihnen sagte, nachzudenken, wenn Gott eines unschuldigen getauften Kindes halber solche Wunderliebe an ihnen getan, was er erst um seines eingebornen Sohnes willen für uns tun werde.»
3. Im Jahre 1819 erzählte Anna Katharina einmal folgendes Gesicht: «Ich habe zu Gott dem Vater gerufen, er möge seinen Sohn ansehen, der in jeder Minute für die Sünder genug tut, der sich jetzt gerade wieder geopfert, der sich in jeder Minute opfert! Ich hatte in diesem Augenblick das Karfreitagsbild, wie der Herr sich am Kreuze opfert, und Maria und den Jünger unter dem Kreuze leibhaft gesehen über dem Altar des meßlesenden Priesters. Ich sehe dieses in jeder Stunde Tag und Nacht und sehe die ganze Gemeinde, wie sie gut und schlecht betet, und sehe auch, wie der Priester sein Amt tut. Ich sehe erst die Kirche hier, dann die Kirchen und Gemeinden ringsum, etwa wie man einen nahen Baum mit Früchten von der Sonne beleuchtet sieht und in der Ferne andere in Gruppen oder in einem Wald. Ich sehe die Messe zu allen Stunden des Tages und der Nacht lesen durch die Welt, ja ich sehe entfernte Gemeinden, wo sie noch ganz gelesen wird, wie bei den Aposteln. Über dem Altar sehe ich im Gesicht einen himmlischen Dienst, wo die Engel alles ersetzen, was der Priester versäumt. Für die Unandacht der Gemeinde opfere ich dann auch mein Herz auf und flehe den Herrn um Erbarmung an. Ich sehe viele Priester das Amt erbärmlich halten. Die Steifen, welche alles anwenden, die Äußerlichkeit nicht zu verletzen, versäumen oft alle Innerlichkeit über dieser Sorge. Sie denken stets: <Wie werde ich gesehen vom Volke?> und sehen darüber Gott nicht. Die Skrupulanten wollen sich ihrer Andacht bewußt werden. Ich habe diese Empfindung von Kind auf. Ich bin oft im Tage in diesem andächtigen Fernsehen der heiligen Messe, und werde ich darunter angeredet, so ist es mir, als wenn man während der Arbeit mit einem fragenden Kind sprechen soll. Jesus liebt uns so, daß er sein Erlösungswerk in der Messe immer fortsetzt; die Messe ist die verhüllte, zum Sakrament gewordene, historische Erlösung. Ich sah dies alles schon in frühester Jugend und glaubte, alle Menschen sehen dieses so.»
Über die sakrilegische Messe hatte sie die folgende Anschauung. Sie hatte im Gesichte das Opfern eines Kindes in alter Zeit gesehen und erzählte danach: «Als ich das schreckliche Bild des geopferten Kindes zu meiner Rechten sah, wendete ich mich ab und sah es links ebenso, und da ich flehte, Gott möge mich von dem Greuel befreien, sagte mir mein himmlischer Bräutigam: <Da, sieh noch Ärgeres, sieh, wie sie täglich durch die ganze Welt mit mir tun!> Da sah ich Priester, welche im Stande der Todsünde die Messe lasen, und sah die Hostie als ein lebendes Kindlein auf dem Altar liegen und sah, wie sie es mit der Patene zerschnitten und es auf gräßliche Weise verletzten; ihr Opfern war ein Morden. Ich sah auch noch unsägliche viele unglückliche, gute Leute heutzutage an vielen Orten gedrückt, gequält und verfolgt werden und sah immer, daß dieses an Jesus Christus geschah. Es ist eine arge Zeit; ich sehe nirgends eine Zuflucht; es ist ein dichter Nebel von Sünde über der ganzen Welt, und alles sehe ich ganz lau und gleichgültig so hintun. Auch in Rom sah ich solche schlechte Priester das Jesuskind in der Messe also martern. Sie wollten zum Papst, ihm etwas sehr Gefährliches zuzumuten. Ich sah aber, daß der Papst auch sah, was ich sah, und wie ein Engel mit niedergesenktem Schwert sie zurückwies.»
4. Wir haben im bisherigen schon öfter Gelegenheit gehabt, zu sehen, welche Wirkungen der priesterliche Segen an Anna Katharina hervorbrachte. Wir stellen hier noch einige Beispiele zusammen, aus denen ganz besonders die Kraft priesterlichen Segens in den schwersten Krankheiten und heftigsten Anfechtungen hervorleuchtet. Im April 1820 war Anna Katharina in schweren Sühnungsleiden und so heftigen Schmerzen, daß sie oft kaum reden konnte. Der Pilger schreibt:
18. April. «Sie ist ein Gegenstand des Jammers. Der Beichtvater bat den Pfarrer von Haltern, zu kommen, um über die Kranke zu beten und sie zu segnen. Sie empfindet dadurch Erleichterung; am Abend aber verlangt der Beichtvater die Anwendung von Branntwein. Sie gehorcht, und die Schmerzen werden so gesteigert, daß sie jammert: <Ich habe mir dies selber zugezogen, da ich nicht nachgelassen habe, Leiden zur Genugtuung zu erbeten. Nun muß sich das Feuer verzehren. Ich muß alles Gott überlassen.>»
19. April. «Sie war die ganze Nacht von schrecklicher Hitze durchglüht und darf wegen Verhaltung nicht trinken. Der Pastor von Haltern kam heute wieder und brachte ihr durch Gebet und Segen Linderung. Der Pilger fand sie am Nachmittag auf ihrem Lager ganz verändert. Sie lag mit dem Kopf da, wo sonst die Füße sind; sie war vor Schmerzen wimmernd in ihrem Bette umhergekrochen und glaubte, in dieser Lage Erleichterung zu finden. Sie war im heftigsten Fieber; der Schmerz hatte sich nun gegen die linke Seite des Rückgrats konzentriert. Sie dankte Gott für die Leiden, fühlte sich bei den armen Seelen und freute sich, im Fegfeuer Gott nicht mehr beleidigen zu können.»
20. April. «Die Schmerzen dauern fort. Sie sieht alle inneren Teile des Leibes, die verletzt und leidend sind. Ihr Bett ist von Schweiß bis aufs Stroh durchnäßt. Die hart zu rührende Schwester muß beim Anblick solcher Leiden weinen. Die Kranke sagt dem Pilger, wenn nicht Hilfe komme, müsse sie sterben, sie könne die Schmerzen nicht mehr ertragen. Sie ist ganz entstellt. Er eilte, den Pastor von Haltern zu rufen, der bald kam, mit ihr sprach und betete und ihr die Hand auflegte, worüber sie bald in einen sanften Schlaf fiel. Sie sagte über die Wirkung: <Ich hatte heftig gebetet, Gott möge mir verzeihen, wenn ich eine Pein erfleht, die ich nicht mehr ertragen könne, er möge seinen Willen an mir erfüllen; er solle sich aber um des Blutes seines Sohnes willen meiner erbarmen, er solle mir doch noch einmal helfen, wenn ich noch etwas Gutes auf Erden tun könne. Ich fühle wohl, wenn ich durch dieses mit Gewalt erflehte Weh stürbe, so wäre ich an meinem Tode schuld und müßte im Fegfeuer büßen.> Als ich hierauf keine Antwort erhielt als die: <Das Feuer, das du übernommen hast, muß verbrennen>, da machte ich mir keine Hoffnung mehr, denn ich sah mich zugleich in einem höchst gefährlichen Zustand und empfahl Gott das Meinige, das ich ungeordnet hinterlassen müsse. Als der Pfarrer mir die Hand auflegte und betete, war es, als wenn ein sanfter Lichtstrom mich durchziehe; ich entschlief. Ich hatte ein Bild, als sei ich ein Kind und werde gewiegt. Es war auch, als ruhe ein Licht auf mir, und als er die Hand wegzog, wich dieses Licht. Ich fühlte mich viel linder, und ich hoffte wieder. Gegen Mittag stieg das Übel, der kranke Lambert legte ihr die Hand auf und betete einen Rosenkranz und half ihr auch.»
23. Dezember 1820. Am Morgen ward sie ganz besinnungslos gefunden. Sie konnte sich nicht bewegen und nicht mehr sprechen. Der Pater mußte über Land und sendete den Kaplan Niesing zu ihr, welcher die Krankengebete aus dem Benediktionsbüchlein von Cochem über sie betete. Sie erhielt dadurch die Besinnung und konnte, wie sie später sagte, wieder denken. Ihr Puls war kaum fühlbar; sie war starr vor innerlicher Kälte und konnte nicht reden. Niesing betete nach einer Stunde nochmals die Gebete über sie. Sie konnte aufblicken, danken und richtete sich im Bette empor und sprach: «Da sieh, was Priesterhand und Gebet vermag! Ich habe heute nacht erstaunlich gelitten, Schmerzen durch alle Glieder, entsetzlichen Durst, ohne trinken zu dürfen, und darf es noch nicht. Ich verlor endlich die Besinnung und glaubte am Morgen, jetzt sterbe ich wirklich, denn die ganze Nacht hindurch war ich wie im Sterben. Ich wollte nur <Jesus, Maria, Joseph!> denken; aber ich konnte diese Worte nicht mehr denken. Da habe ich gefühlt, daß der Mensch nichts kann, daß er nicht an Gott denken kann, wenn ihm Gott nicht die Gnade dazu gibt, und daß ich es noch wollen konnte, das war auch nur Gnade Gottes. Als Niesing kam, wußte ich es, doch konnte ich kein Glied rühren noch sprechen. Ich wußte sogar, daß er das Büchlein bei sich hatte, und fühlte mit Hoffnung, er werde beten. Als er zu beten begann, durchdrang mich sein Mitleid wie eine Wärme, und ich kam wieder zum Bewußtsein und konnte mit tiefer Rührung <Jesus, Maria, Joseph> denken, und das Leben war mir ein Geschenk vom Priestersegen.»
Am Abend bat sie nochmals um den Segen und um die Reliquie des hl. Cosmas. Tags darauf war sie noch sehr elend, doch konnte sie einige Worte sprechen. Sie sagte: «Ich drückte die Reliquie an meine Brust, sah den Heiligen bei mir, und es kam ein Strom von Wärme über mich. Ich habe nun etwas mehr Leben, aber ich bin durch und durch voll zerreißender Schmerzen. Der Durst quält mich am meisten, aber ich kann nicht trinken.» Sie liegt den ganzen Tag, Vorabend von Weihnachten, unbeweglich und totenstill. Der kranke Lambert befindet sich seit diesen ihren großen Leiden viel besser.
«Über die Priesterfinger», versicherte P. Limberg dem Pilger, «hat sie mir oft gesagt, daß, wenn auch der ganze Körper eines Priesters in Staub verwandelt sein und die Seele in der Hölle sich befinden würde, doch die Weihe der Finger in den Gebeinen erkennbar bleiben und diese Finger mit einem ausgezeichneten Feuer brennen würden; so sehr sei die Weihe tief und unvertilgbar.»
Auch in schweren Anfechtungen des bösen Feindes brachte ihr der priesterliche Segen augenblickliche Hilfe.
«Ich litt», erzählte sie einst, «solche Schmerzen an den Wunden, daß ich laut hätte schreien mögen, denn ich vermochte kaum, sie zu ertragen. Das Blut strömte stoßweise nach den Malen. Auf einmal trat der Satan wie ein Engel des Lichtes zu mir heran und sprach: <Soll ich dir die Wunden schnell durchbohren? Dann ist morgen alles wieder in Ordnung. Sie sollen dir gar nicht mehr so weh tun, du sollst alle die Quälerei nicht mehr dabei haben!> Ich erkannte ihn aber gleich und sagte: <Packe dich! Ich brauche nichts von dir! Du hast mir die Wunden nicht gemacht; ich will nichts von dir!> Da wich er und drängte sich wie ein Hund hinter den Schrank. Nach einer Weile kam er wieder und sagte: <Du brauchst nicht zu denken, daß du mit Jesus so gut stehst, weil du immer mit ihm herumzulaufen glaubst. Das alles ist von mir! Ich mache dir alle die Bilder, ich habe auch ein Reich!> — Ich vertrieb ihn wieder mit meinen Antworten.
Es war ganz spät, da kam er nochmals und immer ganz deutlich und sagte: <Was plagst du dich herum und weißt nie wie und wann? Alles, was du hast und siehst, ist doch von mir. Es steht elend mit dir; ich kriege dich doch! Was brauchst du dich so zu plagen?> Da sagte ich ihm: <Weiche von mir! Ich will Jesu angehören. Ich will ihn lieben und dich verfluchen, ich will leiden und Schmerzen haben, wie er will!> Meine Angst aber war so groß, daß ich meinen Beichtvater rief; er segnete mich, da wich der Feind von mir. Heute morgen aber, da ich den Glauben betete, trat er wieder plötzlich zu mir und sagte: <Was hilft dir das Glaubenbeten? Du verstehst kein Wort davon; ich will dir aber alles ganz klar zeigen; da sollst du es sehen und wissen!> Ich sprach: <Ich will es nicht wissen, ich will es glauben!> Da sagte er noch eine Stelle aus der Heiligen Schrift, sprach aber ein Wort nicht aus, und ich sagte immer: <Sprich das Wort aus, sage es ganz, so du kannst!> Ich schauderte aber an Arm und Bein. Endlich wich er.»
Die Kraft der priesterlichen Stola in ähnlichen Anfechtungen erhellt aus folgender Mitteilung des Pilgers vom 2. Juni 1821. Er schreibt:
«Der Pilger fand sie sehr erschüttert. Sie erzählte unter Tränen und Angst: <Ich habe heute nacht eine der schrecklichsten Nächte gehabt. Ich sah eine Katze gegen mein Bett kommen, sie sprang nach meiner Hand. Ich faßte sie bei den Hinterfüßen und hielt sie aus dem Bette hinaus und wollte sie töten, aber sie entwischte mir und floh. Ich war wach, ich sah alles, was um mich her war, und sah das schlafende und beunruhigte Kind und fürchtete, es möchte mein Elend sehen. Während der ganzen Nacht bis gegen 3 Uhr morgens mißhandelte mich der Feind, eine scheußliche schwarze Gestalt. Er schlug mich und zerrte mich weit aus dem Bette heraus, daß ich mit den Händen an der Erde lag. Er warf mich mit den Kopfkissen vorwärts und drückte mich schrecklich zusammen. Dieses Hinwerfen, und daß er mir die Kissen, die unter mir waren, auf den Leib warf und mich hoch in die Höhe hob, ängstigte mich unbeschreiblich. Ich sah deutlich daraus, daß es kein Traum war. Ich tat alles, was ich wußte. Ich nahm alle heiligen Gebeine und das Kreuz zu mir, ich hatte keine Hilfe. Ich flehte zu Gott und allen Heiligen, ob ich Sünde, ob ich ungerechtes Gut hätte; ich erhielt keine Antwort. Ich beschwor den Feind bei allen heiligen Namen, mir zu sagen, was er auf mich für ein Recht habe. Er antwortete nicht und fuhr mit seinem Peinigen fort. Er faßte mich immer am Nacken und Rücken, und seine Hände oder Klauen waren eiskalt. Endlich kroch ich zum Schrank zu Füßen meines Bettes und nahm die dort aufbewahrte Stola des Beichtvaters heraus und schlang sie um meinen Hals. Da faßte er mich nicht mehr an, und nun gab er mir auch Antwort. Er redet immer mit einer Sicherheit und List, daß ich erstaunen muß und manchmal glauben könnte, er habe recht, weil er so sicher spricht. Er machte mir Vorwürfe, als ob ich so vieles zugrunde richte und ihm so großen Schaden täte, und als ob er das größte Recht hätte. Als ich Gott fragte, ob ich ungerechtes Gut hätte, sagte mir der Feind: <Du hast etwas von mir.> Ich antwortete ihm aber: <Die Sünde habe ich von dir, die sei mit dir verflucht von Anbeginn! Jesus Christus hat dafür genuggetan, die Sünde nimm dir und behalte dir und gehe mit ihr zum Abgrund der Hölle!> Es ist nicht zu sagen, was ich gelitten! Sie weinte und zitterte an allen Gliedern.»
5. Wirkung der heiligen Kreuzpartikel. Das Tagebuch Weseners[19] enthält am 16. Oktober 1816 die erste von einem Zeugen berichtete Tatsache der Reliquienerkenntnis. «Ich traf die Kranke in tiefer Ekstase. Da P. Limberg auch zugegen war, zeigte ich ihm ein Kästchen, das ich aus dem Nachlaß meiner eben verstorbenen Schwiegermutter an mich gebracht. Es enthielt unter mehreren Reliquien zwei ziemlich bedeutende Partikel des heiligen Kreuzes. P. Limberg nahm mir, ohne ein Wort zu sagen, das Kästchen aus der Hand, trat zum Bette der Kranken und hielt in einiger Entfernung ihr das Kästchen vor. Plötzlich hob sich die Kranke in die Höhe und griff mit beiden Händen ganz gierig nach dem Kästchen, und als sie es erhalten, drückte sie es fest ans Herz. Darauf fragte sie P. Limberg, was sie denn da habe. Sie antwortete: <Etwas sehr Kostbares, etwas vom heiligen Kreuze!> P. Limberg rief sie nun aus der Ekstase, und ich verlangte mein Kästchen. Sie war sehr verwundert, daß es mir gehören solle; denn sie habe geglaubt, dasselbe unter den alten Seidenlappen gefunden zu haben, welche ihr aus Koesfeld zu ihren Arbeiten für Arme und Kranke geschickt worden, und sie habe sich erstaunlich gewundert, daß die fromme Person, von welcher sie die Lappen empfangen, das Heiligtum nicht besser verwahrt habe.»
Fünf Jahre später meldete der Pilger von derselben Kreuzpartikel: «Als ihr heute eine Kreuzpartikel des Arztes Wesener, da sie im Gesicht war, vorgehalten wurde, griff sie danach und sagte: <Ich habe das auch, ich habe das im Herzen und auf der Brust. (Sie trug eine von Overberg empfangene Kreuzpartikel.) Ich habe auch von der Lanze. Am Kreuze lag der Leib; jene war im Leib. Was soll ich mehr lieben? Das Kreuz ist das Werkzeug der Erlösung, die Lanze hat ein weites Tor der Liebe geöffnet. O, ich war gestern weit darin! (Es war Freitag gewesen.)
Die Kreuzpartikel macht mir die Schmerzen süß, die Reliquie vertreibt sie. Ich habe oft, wenn mir die Kreuzpartikel die Schmerzen so versüßte, in Vertraulichkeit zum Herrn gesagt: <Herr, wenn es dir so süß geworden wäre, an diesem Kreuze zu leiden, dies Kreuzteilchen würde mir meine Schmerzen nicht so versüßen!>»
Bei dem Wechsel der Wohnung im August 1821 war die von Overberg erhaltene Kreuzpartikel verlorengegangen, was sie sehr schmerzte. Sie betete zum hl. Antonius und ließ ihm zu Ehren eine heilige Messe lesen, damit das Heiligtum wieder gefunden würde.
Am 17. August fand sie, aus dem Gesicht zu sich gekommen, das Kreuz in ihrer Hand. «Der hl. Joseph und der hl. Antonius waren bei mir», sagte sie, «und Antonius hat mir das Kreuz in die Hand gegeben.»
6. Geweihtes. «Ich sah nie ein Gnadenbild leuchten. Ich sah ihm aber eine Lichtsonne gegenüberstehen, aus welcher es Strahlen empfing und sie auf die Betende niedersendete. Ich habe das Koesfelder Kreuz nie leuchten gesehen, wohl aber die Kreuzpartikel, wenn sie in seinem Haupte eingeschlossen war. Ich sah auch Strahlen durch das Kreuz auf Betende niedersenden. Ich glaube, daß jedes Bild, welches das Zeichen Gottes oder eines Werkzeuges Gottes ist, durch die Entwicklung eines heftig vertrauenden gemeinsamen Gebetes mit vollem Siege des Glaubens über die Schwachheit der Natur wundertätig werden kann.»
Als ihr einmal der Pilger ein Agnus Dei[20] vorhielt, während sie mit Reliquien beschäftigt war, nahm sie es zur Hand und sagte: «Das ist gut und von der Kraft berührt, es ist geweiht; aber hier in den Reliquien habe ich die Kraft.» Von einem geweihten Kreuz sagte sie: «Die Weihe leuchtet wie ein Stern! Halte es hoch in Ehren! Aber die Priesterfinger (fuhr sie zu ihrem Beichtvater gewendet fort) sind noch besser. Dies Kreuz kann vergehen. Die Weihe der Finger ist unauslöschlich, ist ewig. Kein Tod, keine Hölle kann sie vertilgen. Sie wird auch im Himmel noch ausgezeichnet sein! Sie ist von Jesus, der uns erlöst hat.» Als jemand ihr ein geweihtes Muttergottesbildchen brachte, sprach sie: «Es ist benediziert. Bewahre es gut und lasse es nicht unter unheiligen Sachen liegen. Wer die Mutter Gottes verehrt, den ehrt sie wieder bei ihrem Sohne. Diese Sachen sind sehr gut in Anfechtungen ans Herz gedrückt, bewahre sie ja gut!» Als ihr ein anderes Bildchen gebracht wurde, legte sie es sich auf die Brust und sagte: «Ach, die starke Frau! Dieses Bild ist an dem Gnadenbild berührt!»
Ein Benediktuspfennig. Der Pilger gab ihr ein gläsernes Gehäuse, worin ein Pfennig auf ein Stückchen Samt geheftet war. Sie sagte: «Der Stoff ist auch benediziert. Es ist dieses ein geweihter Benediktuspfennig; er ist mit einem Segen geweiht, welchen Benediktus seinem Orden zurückgelassen hat, und gründet sich auf das Wunder, wie ihm seine Mönche Gift zu trinken gaben und auf sein Kreuzzeichen der Becher zerbrach. Er ist gegen Gift, Pest, Zauberei und teuflische Anfechtungen. Der rote Samt, worauf er genäht ist, hat über dem Grab von Willibald und Walpurgis[21] gelegen; es ist von dem Ort, wo Öl aus den Gebeinen der Walpurgis fließt. Ich sah, daß die Geistlichen mit bloßen Füßen drüber gingen, und daß sie ihn nachher zu solcher Unterlage zerschnitten haben. Der Pfennig ist in jenem Kloster geweiht.»
11. Juli 1821. Während sie erzählte, legte ihr der Pilger ein aufgeschlagenes Buch mit dem Blatte auf die Hand, das mit ihrem Blute früher benetzt worden war. Plötzlich lächelte sie und sagte: «Was springt da aus dem Buche für ein feines, rot und weiß gestreiftes Blümchen auf die Mitte meiner Hand?»
Als der Pilger zu einer anderen Zeit ihr das Blatt mit der Frage in die Hände gab: «Ist dies irgendwo angerührt?» — da fühlte sie daran herum und sagte: «Ja, an die Wunden Jesu!»
1. Eine der größten Gnaden, welche der liebe Gott den sündigen Menschen erweist, ist die, daß sie zu ihm beten können. Was könnte es auch für ein Geschöpf Wünschenswerteres geben, als daß es mit seinem Schöpfer wie ein Kind mit seinem Vater reden darf? Was kann es für uns verbannte Kinder Evas Tröstlicheres geben, als daß wir in allen Anliegen des Leibes und der Seele zu unserem gütigsten Vater im Himmel Herz und Hand erheben und ihn um seine Hilfe, seinen Beistand, seine Gnade bitten dürfen? Unsere Freude über solches Glück muß um so größer sein, als uns der allmächtige, allgütige, unendlich wahrhaftige und treue Gott versprochen hat, alle unsere Bitten zu gewähren, wenn wir nur auf die rechte Weise und um solche Dinge bitten, die zur Erreichung der ewigen Seligkeit notwendig und förderlich sind. «Bittet, so wird euch gegeben werden»[22], hat der göttliche Heiland gesagt; und wiederum: «Wahrlich, wahrlich sage ich euch, wenn ihr den Vater in meinem Namen um etwas bitten werdet, so wird er es euch geben . . . Bittet, so werdet ihr empfangen, auf daß eure Freude vollkommen werde.»[23] Durch solche Verheißungen aus dem Munde Gottes ermutigt, sollten wir armselige Menschen nicht ablassen, allzeit zu beten, damit wir, aus allen Gefahren dieses Lebens errettet, einst würdig befunden werden, vor dem Menschensohne zu bestehen, wenn er kommen wird, uns zu richten. Würden alle Christen die Verheißungen, welche Jesus Christus dem frommen und anhaltenden Gebete gegeben hat, ernstlich erwägen und seine unendlich gütige Aufforderung, in allen Anliegen zu ihm ihre Zuflucht zu nehmen, befolgen, es würden alle selig werden. Weil aber die meisten Menschen, in das Zeitliche versenkt und zerstreut, es unterlassen, zum lieben Gott ernstlich zu beten, darum gehen die meisten ewig verloren, und ihre furchtbarste Gewissenspein wird die ganze Ewigkeit hindurch der Gedanke sein, daß sie so leicht hätten selig werden können, wenn sie nur gebetet hätten, und daß sie jetzt ewig von Gott getrennt und verstoßen sind, weil sie nicht gebetet haben, solange die Zeit der Gnade noch währte.
Es ist freilich gewiß, daß nicht jedes Gebet erhört wird. Der Grund davon ist aber der, weil nicht immer in der rechten Weise gebetet wird. Wer erhört werden will, muß mit Demut, mit Vertrauen, mit Eifer und mit Beharrlichkeit beten. Dazu ist erfordert, daß man sich bemühe, die heiligen Gebote Gottes zu beobachten und ein frommes christliches Leben zu führen. Eine besondere Kraft und Wirksamkeit hat das Gebet derjenigen, welche sich angelegen sein lassen, alle ihre Werke in Vereinigung mit den Verdiensten Jesu und Maria zu verrichten. Hierüber hatte Anna Katharina einst folgende Anschauung:
«Ich war in einem großen, leuchtenden Raume, der sich, je länger ich in die Runde sah, um so mehr erweiterte. Mir wurde gezeigt, wie es mit unseren Gebeten vor Gott beschaffen ist. Sie wurden wie auf große weiße Tafeln aufgezeichnet, und sie schienen in vier Klassen abgeteilt. Einige Gebete wurden mit prächtigen goldenen Buchstaben aufgeschrieben, andere mit silberglänzender Farbe, andere mit dunkler, und wieder andere mit schwarzer Farbe, und durch diese wurde ein Strich gezogen. Ich sah dies mit Freude an; doch war mir bang, daß ich dies zu schauen nicht würdig sei, und wagte kaum, meinen Führer zu fragen, was dies alles bedeute. Er gab mir zur Antwort: <Was aufgezeichnet ist mit goldenen Buchstaben, ist das Gebet derjenigen, die ihre guten Werke ein für allemal mit den Verdiensten Jesu Christi vereinigt haben und diese Vereinigung öfter erneuern; die dabei aber auch sich sehr angelegen sein lassen, seine Gebote zu halten und sein Beispiel nachzuahmen. Was aufgezeichnet ist mit Silberglanz, ist das Gebet jener, die an diese Vereinigung mit den Verdiensten Jesu Christi nicht denken, die aber doch fromm sind und in der Einfalt des Herzens beten. Was mit dunkler Farbe aufgeschrieben ist, ist das Gebet derer, die nicht ruhig sind, wenn sie nicht oft beichten und kommunizieren und täglich gewisse Gebete verrichten, die dabei aber doch lau sind und das Gute nur aus Gewohnheit tun. Was endlich mit schwarzer Farbe geschrieben und wieder durchstrichen wird, ist das Gebet solcher, die ihr ganzes Vertrauen auf mündliche Gebete und auf ihre vermeintlich guten Werke setzen, aber die Gebote Gottes nicht achten und ihren bösen Begierden keine Gewalt antun. Dies Gebet hat kein Verdienst vor Gott, darum wird es durchstrichen. So werden auch die guten Werke jener durchstrichen, die sich zwar viele Mühe geben, etwas Gutes zu stiften, dabei aber ihre Ehre und zeitliche Vorteile im Auge haben.>»
Ganz besondere Kraft hat auch das Gebet, welches mit ausgespannten Armen verrichtet wird. «Diesem Gebet widersteht Gott nicht», pflegte Anna Katharina zu sagen, «denn sein eigener Sohn hat so bis in den Tod im Gebet treulich ausgeharrt.» Einst sagte sie: «Ich erhielt auch einmal die Weisung, daß ein lebendiges Vertrauen in Einfalt alles wesentlich und zur Substanz mache. Diese beiden Ausdrücke gaben mir einen großen Aufschluß über Wunder und Gebetserhörung.» Über das Gebet, welches vor Gnadenbildern verrichtet wird, äußerte sie einmal: «Oft bin ich über das heilige Kreuz in Koesfeld unterrichtet worden, es sei von Gott an diesen Ort geknüpft, auf daß hier ein Widerstand gegen das Böse sei, wie allerorten, wo solche Heiligtümer verehrt werden. Das Wunderwirkende aber ist die Heftigkeit des vertrauenden Gebetes. Gar oft sehe ich das Kreuz in geistigen Prozessionen geehrt und sehe dabei jene erhört und von Übeln verschont, welche die Gnaden mit Vertrauen durch dasselbe empfangen; andere aber sehe ich in Nacht gehüllt.»
Das heilige Evangelium macht es uns Christen zur Pflicht, auch für unsere Nebenmenschen zu beten. Wie wichtig und zugleich wie wirksam es ist, für andere zu beten, erhellt aus folgenden Worten Anna Katharinas. Sie sagte einst:
«Ich habe von Kindheit auf die Gewohnheit gehabt, abends für alle Unfälle, Sturz, Ertrinken, Brand u. dgl. zu beten, und dann sehe ich immer nachher mehrere Bilder von solchen Unfällen, welche besonders glücklich ablaufen; wenn ich dieses Gebet aber unterlassen habe, so höre oder sehe ich immer irgend einen großen Schaden, woraus ich nicht nur die Notwendigkeit des speziellen Gebetes sehe, sondern auch den Nutzen, wenn ich diese Art meiner Überzeugung und inneren Ermahnung mitteilte, weil auch andere dadurch zu diesem Liebesdienste des Gebetes können angeleitet werden, welche nicht wie ich die Wirkungen sehen.»
2. Von der Kraft und Wirksamkeit des fürbittenden Gebetes der Gerechten auf Erden und der Heiligen im Himmel zeugen folgende Gesichte. Anna Katharina erzählte eines Tages:
«Ich befand mich in einem weiten Raume ohne irdische Naturörtlichkeit. Der Boden, der mich trug, oder über dem ich schwebte, war durchsichtig wie ein Flor. Zu meinen Füßen hinab sah ich die Erde wie Nacht und sah doch viele Bilder auf ihr. Rings um die Mitte, in der ich stand, erschienen durchsichtig im unbegrenzten Raume Geisterscharen in Chören. Es waren nicht eigentlich Heilige, es schienen betende Seelen, welche von unten und oben nahmen und austauschten. Sie nahmen Gebet, sie beteten, sie hüteten und flehten Hilfe von höheren Chören herab, welche auf ihr Flehen aus höheren Regionen Hilfe sendend bald mehr, bald weniger ins Licht traten. Die Höheren waren die Heiligen. Die mich Umgebenden schienen Seelen, welche der Herr bestimmt, allerlei Gefahren der Erde zu sehen und Hilfe zu erflehen. Jedes Amt, jeder Stand auf Erden schien da seine betenden Seelen zu haben. Alles um mich her war im wohltätigen Wirken; ich betete auch, denn ich sah tausend Not, und Gott sendete auch Hilfe durch seine Heiligen, und die Wirkung war augenblicklich durch unerwartet eintretende Hindernisse des Übels, scheinbare Zufälligkeiten, Sinnesänderung u. dgl. So sah ich z. B. todkranke, unbußfertige Menschen auf Gebet sich bekehren, das Sakrament empfangen. Ich sah Leute gefährlich stürzen, ins Wasser fallend auf Gebet gerettet werden, und immer, als wäre es schier unmöglich gewesen. Ich sah, was einzelnen Verderben bringen sollte, wie durch eine Hacke hinweggerissen durch Gebet, und bewunderte die Gerechtigkeit Gottes.
«Mein Führer ermahnte mich wieder», sagte sie eines Tages, «zu beten und alle meine Bekannten zum Gebet für Bekehrung der Sünder und besonders um Glauben und Festigkeit für die Priesterschaft zu bitten; denn es stehe eine sehr schwere Zeit bevor. Die Verwirrung werde immer größer werden.»
Ein anderes Mal erzählte sie:
«Ich ward von meinem Führer wie auf einer unendlich hohen Treppe emporgeführt und sah noch einzelne andere Betende von andern Punkten wie auf Fäden hinaufgeleitet. Ich stand oben, etwa fünf Stufen tiefer als eine große, wunderbar leuchtende Stadt oder Welt. Es tat sich vor mir wie ein unbeschreiblich großer blauer Vorhang nach beiden Seiten auseinander, und ich sah nun in die glänzende Stadt hinein. Alle Reihen der Paläste und Blumengärten liefen nach dem Mittelpunkt zu, in welchem alles noch viel leuchtender war, so daß man nicht hindurchblicken konnte. Wohin ich mich im Schauen mit meiner Begierde wendete, tat sich mir eine andere Ordnung der Heiligen und der Engel auf, und ich flehte durch alle Chöre der Heiligen und alle Chöre der Engel um Fürsprache an. Ich sah, daß die Jungfrauen und die Märtyrer ihre Fürbitte zuallererst darreichten vor dem Throne Gottes, und daß die Chöre dann vortraten und die allerheiligste Dreifaltigkeit wie eine Sonne aus den Wolken sich zu nähern schien.
Ich sah nun diese Chöre wie viele kleine Lichtgestalten, wie Lichtengel im Licht ganz klein und fein und tief hinauf. Ich sah Cherubim und Seraphim, geflügelte Engel. Ihre Flügel bestanden aus Strahlen, die sich immer bewegten. Ich sah auch andere Chöre der Engel und Schutzengel. Bei den heiligen Jungfrauen sah ich auch solche, die in der Ehe gelebt, z. B. die hl. Anna und viele aus der ersten Zeit, auch Kunigunde und andere keusche Frauen; aber Magdalena nicht. Tiere und Vögel sah ich keine in den Gärten. Ich sah, wenn ich vor mir niedersah, auf die Stufen, auf denen ich stand; rechts und links war es grau und blau gegen den Vorhang, hinter mir hinab sah ich wie Inseln allerlei Städte und Länder und Gärten liegen. Es waren irdische Gegenden, die hervortraten, je nachdem sich meine Seele nach ihnen wendete. Ich sah darin allerlei Betende und sah ihr Gebet wie beschriebene Bahnen, wie Zettel emporstreben, und diese gingen in die Brust der Heiligen und Engel hinein und strahlten aus ihren Angesichtern wieder leuchtender heraus, dem Throne Gottes entgegen. Ich sah auch einzelnes Gebet schwarz niederfallen; und Gebet, das einzelne nicht vollenden konnten, sah ich durch andere unterstützen und emporbringen. Ich sah dies untereinander von Menschen und auch von Engeln und Heiligen. Ich sah besonders in den Engeln große Bewegung auf und nieder; auch die Heiligen bewegten sich. Ich sah vielfacher Not geholfen werden, z. B. Schiffen in Gefahr. Ich bin heute nacht ganz krank von meinem Führer heraufgebracht worden. Es war kurios, daß ich immer so begierig war, was auf der Seite hinter dem Vorhang noch stecken möge.» Später sagte sie nachträglich: «Ich glaube, ich habe am Kopfe geblutet in dem großen Gesichte von der Fürbitte der Heiligen, denn da sah ich so vieles von dem bittern Leiden. Indem jeder Heilige den Teil seines Mitleidens dem Throne Gottes für die Sünder aufopferte, sah ich alle diese Leiden und Mitgefühle, auch alle die Dornen aus der Krone und andere Passionssachen.»
3. Über die innere Würde und Kraft des heiligen Rosenkranzes hatte sie folgendes Gesicht: «Ich sah den Rosenkranz Maria mit allen seinen Geheimnissen. Ein frommer Einsiedler hatte die Mutter Gottes so verehrt und ihr in aller Einfalt von Blumen und Kräuter Kränze geflochten. Er hatte ein tiefes Verständnis von der Bedeutung aller Kräuter und Blumen, seine Kränze wurden immer tiefsinniger. Da erbat sich die heilige Jungfrau von ihrem Sohne eine Gnade für ihn, und er gab ihr den Rosenkranz.» Nun beschrieb Anna Katharina den Rosenkranz; aber es war dem Pilger unmöglich, ihre Worte zu wiederholen; ihr selbst war im Wachen unaussprechlich, was sie geschaut hatte. Sie sah den Rosenkranz von drei Reihen verschiedenfarbiger und gezackter Blätter umgeben, auf denen alle Geheimnisse der Kirche des Neuen und Alten Bundes in durchsichtigen Figuren dargestellt waren. In der Mitte des Rosenkranzes stand Maria mit dem Kinde; sie war auf der einen Seite von Engeln, auf der anderen von Jungfrauen umgeben, welche sich gegenseitig die Hände reichten. Alles an ihnen war nach Farbe, Stoff und Attribut das geheimste Wesen der Dinge bedeutend. Nun beschrieb sie die einzelnen Perlen des Rosenkranzes und begann mit dem Kreuz an der Koralle, bei welcher das Credo gebetet wird. Dies Kreuz wuchs aus einer Frucht, die dem Apfel des verbotenen Baumes glich. Es war durchbrochen, auch von bestimmter Farbe und voll kleiner Nägel. In seinem Innern stand das Bild eines Jünglings, aus dessen Hand eine Rebe wuchs, welche sich nach den Kreuzbalken herauszog, an welchen andere Gestalten saßen, die von den Traubenbeeren saugten. Die Verbindung der einzelnen Körner bestand aus verschiedenfarbigen und geringelten Strahlen, wie Wurzeln, auch nach ihrer inneren natürlichen und mystischen Bedeutung. Jedes Paternosterkorn war wieder von einem besonderen Blätterkranz umgeben; aus seiner Mitte wuchs eine Blumen, in welcher das Bild eines der Geheimnisse der Freuden und der Schmerzen Maria erschien. Die einzelnen Ave Maria waren Sterne von bestimmten Edelsteinen, auf denen nach der Ordnung die Patriarchen und Vorfahren Maria in Handlungen abgebildet waren, welche sich auf die Herbeiführung der Menschwerdung und Erlösung bezogen. So umfaßte der Rosenkranz Himmel und Erde, Gott und Natur und Geschichte und die Herstellung aller Dinge und des Menschen durch den Erlöser, der aus Maria geboren ist; und jede Figur, Stoff und Farbe war in ihrer wesentlichen Bedeutung zur Vollendung dieses göttlichen Kunstwerkes gebraucht. So unbeschreiblich tief dieser Rosenkranz war, so rührend und kindlich ihre Beschreibung. Mit zitternder Freude ging sie von Blättchen zu Blättchen, von Figur zu Figur und beschrieb alles mit schneller, freudig banger Lebendigkeit wie ein lebhaftes Kind. «Dieses ist der Rosenkranz», sagte sie, «wie er von der Mutter Gottes als die ihr liebste Andacht den Menschen gegeben worden. Wenige haben ihn so gebetet. Auf Erden ward er dermaßen verstaubt und beschmutzt, daß Maria ihn mit ihrem Schleier wie mit einer Wolke bedeckt hat, durch welche er durchschimmert. Nur große Gnade, Einfalt und Frömmigkeit kann ihn noch verstehen; er ist verhüllt und entfernt, und nur Übung und Betrachtung bringt ihn näher.»
In der Nacht vor dem 19. Sonntag nach Pfingsten, auf welchen das Evangelium vom Hochzeitsmahle fällt, wurde Anna Katharina im Jahre 1819 von dem seligen Nikolaus von der Flüe in das folgende Gesicht geleitet. «Ich sah», erzählte sie, «den seligen Klaus als einen alten, großen Mann mit Haaren wie Silber und mit einer niederen, gezackten, von Edelsteinen glänzenden Krone bedeckt. Er trug ein schneeweißes Hemdkleid bis auf die Knöchel und eine etwas höhere Krone mit Edelsteinen in der Hand. Ich fragte ihn, wie er statt der Kräuter nun eine so blitzende Krone habe. Er sprach ernst und kurz von meinem Tode und meiner Bestimmung, und daß er mich zu einer großen Hochzeit führen wolle. Er setzte mir die Krone auf, und ich schwebte mit ihm in den Palast, den ich wie in der Luft vor mir stehen sah. Ich sollte allda eine Braut sein, aber ich schämte mich entsetzlich und war so blöde, daß ich mich gar nicht zu fassen wußte. In dem Palast war eine ungemein prächtige Hochzeit. Es war, als sollte ich das Tun und Lassen aller Stände der Welt bei einem Hochzeitsmahl gerichtet sehen und die Wirkung der seligen Vorfahren aller Menschen auf die Ihrigen. Zuerst war da eine Hochzeitstafel aufgestellt für die Geistlichkeit. Ich sah den Papst und Bischöfe mit ihren Stäben und in ihren Ornaten umhersitzen und sehr viele andere hohe und niedere Geistliche, und jeder hatte in einem höheren Chore über sich die Seligen und Heiligen seines Stammes, seiner Vorfahren, und seine Patrone und Amtspatrone, welche auf ihn wirkten und urteilten und entschieden. Es waren an diesem Tische auch geistliche Bräute aus dem vornehmsten Stand, und ich mußte mich mit meiner Krone zu ihnen setzen wie ihresgleichen, worüber ich mich sehr schämte. Dieses waren lauter Lebende, sie hatten jedoch keine Kronen. Über mir stand der Mann, der mich eingeladen hatte, und weil ich so blöde war, tat und verrichtete er alles für mich. Die Speisen auf der Tafel waren zwar in Gestalten, aber es waren doch keine irdischen Nahrungsmittel. Ich sah durch alles und las in allen Herzen. Ich sah hinter dem Speisesaal noch viele Gemächer und Räume aller Art, in welchen Leute waren und herankamen. Es wurden nun sehr viele von der hochzeitlichen Tafel unter den Geistlichen als unwürdig ausgestoßen, weil sie sich mit den Weltlichen vermischt und ihnen mehr als der Kirche gedient hatten. Diese Weltlichen wurden zuerst gestraft und dann die Geistlichen von der Tafel gewiesen und in andere Gemächer vertrieben, näher oder ferner. Die Zahl der Gerechten war sehr klein. Dies war die erste Tafel und Stunde.
Die Geistlichen traten ab. Es wurde ein anderer Tisch bereitet, an welchem ich nun nicht mehr mitsaß, sondern ich stand unter den Zuschauern am Boden. Der selige Klaus blieb immer über mir und mein Beistand. Es kamen aber nun eine große Menge Kaiser, Könige und regierende Herren zur Tafel, denen andere große Herren dienten. Über ihnen erschienen die Heiligen aus den Vorfahren eines jeden. Einige dieser Regenten nahmen Notiz von mir. Ich war blöde, Klaus antwortete immer für mich. Sie saßen nicht lange zu Tisch. Alle waren sehr einerlei und ihre Händel nicht gut, schwach und verwirrt, und wenn einer nicht mehr war, so war er es nicht durch Tugend. Viele kamen gar nicht zur Tafel und wurden gleich draußen an ihre Stelle verwiesen. Ich erinnere mich, besonders die Croysche Familie gesehen zu haben, welche unter ihren Vorfahren eine stigmatisierte Heilige haben muß; denn diese sagte zu mir: <Sieh, da sind ja die Croy!>
Hierauf erschien die Tafel des vornehmen Adels; und ich sah unter andern die gute Fehmfrau[24] über ihrer Familie.
Dann kam die Tafel der reichen Bürger. Ich kann nicht sagen, wie abscheulich dieser Stand beschaffen war. Ich sah die meisten verstoßen und mit ihresgleichen aus dem Adel in ein Loch wie eine Kloake gesperrt, wo sie im Kote wateten.
Danach kam die Tafel eines ziemlich guten Standes, die alten, ehrlichen Bürger und Bauern. Es waren viele gute Leute dabei, auch von meinen Leuten. Mein Vater und meine Mutter standen auch über den meinen. Da kamen auch die Nachkommen des Bruder Klaus, recht gute, kräftige Leute in bürgerlichem Amt; aber er merzte doch manche aus. Dann kamen noch die Armen und Krüppel, worunter viele Fromme und auch Böse, die abgewiesen wurden. Ich hatte viel mit ihnen zu tun. Ich habe unzählige Menschen und Gerichte über sie gesehen, ich kann nicht alles sagen. Als die sechs Tafeln vorüber waren, führte mich der heilige Mann zurück. Er brachte mich wieder in mein Bett, aus dem er mich entnommen. Ich war ganz schwach und bewußtlos, ich konnte mich nicht regen und bewegen, konnte kein Zeichen von mir geben, es war, als stürbe ich. Klaus bestimmte mein Leben kurz, doch noch unbestimmt.»
Von der Hölle hatte Anna Katharina einst folgende Anschauung.
«Als ich einmal über das Elend, das mich umgab, und die vielen Peinen und Störungen sehr verzagt und kleinmütig wurde und dabei seufzte, Gott möge mir doch auch nur einen ruhigen Tag schenken, ich lebe ja wie in der Hölle, da bekam ich einen strengen Verweis von meinem Führer, und er sagte: <Damit du deinen Zustand nicht mehr mit der Hölle vergleichest, will ich dir die Hölle zeigen.> Er führte mich nach Mitternacht zu, nach der Seite hin, wo die Erde steil abfällt. Wir stiegen zuerst weit von der Erde auf. Ich ward nun immer gegen Mitternacht geführt, steil ab durch Pfade von Eiswüsten, und kam in ein schreckliches Land. Die Reise war, als bewege man sich in einer höheren Region um die Erde, und ich hatte das sichere Gefühl des Niedersteigens der steilen Nordseite der Erde gegenüber. Der Weg war wüst und wurde gegen die Hölle zu absteigend dunkel und eisig. Als ich zu dem Orte des Schreckens kam, war es, als käme ich zu einer Welt nieder. Wenn ich gedenke, was ich gesehen, so zittere ich noch am ganzen Leibe. In der Annäherung war es, als wenn man über der Erde schwebt. Ich sah alles in Massen, hier einen Flecken schwarz, dort Glut, dort Qualm, dort Nacht. Die Grenze des Gesichtskreises war immer Nacht. In der Annäherung erkannte ich ein Land von unendlichen Qualen.»
Ausführlicher ist die folgende Anschauung. Anna Katharina hatte dieselbe, als ihr im Gesicht gezeigt wurde, wie die allerheiligste Seele Jesu unmittelbar nach ihrer Trennung vom Leibe in die Vorhölle hinabstieg. Sie erzählte unter anderem:
«Endlich sah ich ihn (den Herrn) mit großem Ernst zum Kern des Abgrundes, zur Hölle, nahen. Sie erschien mir in Form eines unübersehbar großen, schrecklichen, schwarzen, metallglänzenden Felsenbaues, dessen Eingang ungeheure, furchtbare, schwarze Tore mit Riegeln und Schlössern bildeten, die Grausen erregten. Ein Gebrüll und Geschrei des Entsetzens wurde vernommen, die Tore wurden aufgestoßen, und es erschien eine greuliche, finstere Welt.
Sowie ich die Wohnungen der Seligen in Gestalt des himmlischen Jerusalems als eine Stadt und nach unzähligen Bedingungen der Seligkeit als verschiedenartige Schlösser und Gärten voll wunderbarer Früchte und Blumen mancher bestimmten Arten zu sehen pflege, sah ich auch hier alles in Form einer zusammenhängenden Welt, in Gestalt von mannigfachen Gebäuden, Räumen und Gefilden. Aber alles ging aus dem Gegensatze der Seligkeit, aus Pein und Qual hervor. Wie im Aufenthalt der Seligen alles nach den Gründen und Verhältnissen des unendlichen Friedens, der ewigen Harmonie und Genugtuung geformt erscheint, so hier alles in den Mißverhältnissen des ewigen Zornes, der Uneinigkeit und der Verzweiflung. Wie im Himmel unaussprechlich schöne, durchsichtige, mannigfache Gebäude der Freude und der Anbetung, so hier ebenso unzählige mannigfaltige finstere Kerker und Höhlen der Qual, des Fluches, der Verzweiflung; wie dort die wunderbarsten Gärten voll Früchte der göttlichen Erquickung, so hier die gräßlichsten Wüsten und Sümpfe voll Qual und Pein und allem, was Greuel und Ekel und Entsetzen erregen kann. Ich sah Tempel, Altäre, Schlösser, Throne, Gärten, Seen, Ströme des Fluches, des Hasses, des Greuels, der Verzweiflung, der Verwirrung, Pein und Marter, wie im Himmel des Segens, der Liebe, der Eintracht, Freude und Seligkeit. Hier die zerreißende, ewige Uneinigkeit der Verdammten, dort die selige Gemeinschaft der Heiligen. Alle Wurzeln der Verkehrtheit und Unwahrheit waren hier in unzähligen Erscheinungen und Werken der Qual und Pein ausgebildet, und nichts war recht hier, kein Gedanke beruhigend, als der ernste Gedanke an die göttliche Gerechtigkeit, daß jeden Verdammten die Qual und Pein ergriff, welche seine Schuld für ihn gepflanzt hatte; denn alles Schreckliche, was hier erschien und geschah, war das Wesen und die Gestalt und der Ingrimm der entlarvten Sünde, der Schlange, welche sich gegen jene wendet, die sie an ihrem Busen genährt. Ich sah da einen ganz schauderhaften Säulenbau mit Verhältnissen ebenso zu Schrecken und Angst eingerichtet, wie im Reiche Gottes zu Frieden und Ruhe usw. Es ist dies alles wohl zu verstehen, aber im einzelnen unaussprechlich.
Als die Tore von den Engeln aufgestoßen worden, sah man in ein Gewühl von Widersetzen, Fluchen, Schimpfen, Heulen und Wehklagen. Einzelne Engel warfen ganze Scharen von bösen Geistern nieder. Alle mußten Jesus erkennnen und anbeten, und dieses war ihnen die furchtbarste Qual. Eine große Menge wurde in einen Kreis um andere herum gefesselt, welche dadurch gebunden wurden. In der Mitte war ein Abgrund von Nacht. Lucifer ward gefesselt in diesen geworfen, und es brodelte schwarz um ihn. Es geschah alles dieses nach bestimmten Gesetzen. Ich hörte, daß Lucifer, wenn ich nicht irre, 50 oder 60 Jahre vor dem Jahre 2000 nach Christus wieder auf eine Zeitlang solle freigelassen werden. Viele andere Zahlenbestimmungen weiß ich nicht mehr. Einige andere sollten früher zur Strafe und Versuchung freigelassen werden. In unsere Zeit, meine ich, traf die Loslassung einiger, und anderer kurz nach unserer Zeit.»
Overberg in Münster hatte am 8. Januar 1820 dem Kaplan Niesing aus Dülmen ein turmförmiges Reliquiengefäß für Anna Katharina mitgegeben, welches derselbe von Münster nach Dülmen unter dem Arm trug. Obwohl sie von der Absicht Overbergs, ihr das Gefäß zu senden, keine Kenntnis haben konnte, so sah sie doch den nach Dülmen zurückkehrenden Kaplan auf seinem ganzen Wege eine weiße Flamme unter dem Arme tragend.
«Ich mußte mich immer wundern», sagte sie, «daß er sich nicht verbrenne, und es kam mir fast lächerlich vor, daß er so des Weges dahinzog und gar nichts von dem Leuchten merkte; es waren doch bunte Flammen wie ein Regenbogen. Ich sah anfangs nur dies bunte Leuchten; als er näher kam, erkannte ich auch das Gefäß. Der Mann trug es aber an meiner Wohnung vorüber und durch das ganze Städtchen. Das konnte ich nicht begreifen; ich ward schier betrübt, da ich dachte, er trage es zum andern Tore wieder hinaus. Die Reliquien darin machten mir viel zu schaffen. Ich empfand, daß sehr alte und auch spätere darin seien, die zu Zeiten der Wiedertäufer aus ihren Stätten gebracht worden.»
Als ihr tags darauf von Niesing das Gefäß übergeben wurde, ward sie sehr erfreut, und am 12. Januar erzählte sie dem Pilger über eine darin befindliche Reliquie das folgende Gesicht: «Ich sah die Seele eines Jünglings in allgemeiner leuchtender Gestalt zu mir treten, in einem Gewande ungefähr wie mein Führer. Er leuchtete mit weißer Aureola und sagte mir, daß er sein Heil durch Abbruch und Sieg über die Natur gewirkt. Selbst daß er Rosen stehen gelassen, nach welchen ihn gelüstet, habe ihm geholfen. Nun sank ich durch ein Dunkelwerden des Bewußtseins in ein anderes Bild. Ich sah diese Seele als einen dreizehnjährigen Knaben mit mehreren Gespielen in einen schönen, großen Lustgarten gehen; er hatte einen krausen Hut, eine gelbe, anliegende, bis herab über den Beinkleidern offene Jacke, an deren Ärmeln nächst der Hand ein Zipfel war. Die Beinkleider und Strümpfe waren in einem und sehr eng an den Seiten geschnürt. Der geschnürte Teil war andersfarbig. Die Knie waren gebunden, die Schuhe waren knapp mit Bändern. Der Garten hatte zierlich geschorene Hecken und viele geschnittene Lauben und Lusthäuser, die oft nach außen viereckig und nach innen rund geschnitten waren. Es waren auch Felder mit vielen Bäumen und arbeitenden Leuten darin. Diese Arbeiter waren auf die Art gekleidet, wie ich die Hirten in der Klosterkrippe zu kleiden pflegte. Der Garten gehörte vornehmen Leuten der daran liegenden bedeutenden Vaterstadt des Jünglings. Es war vergönnt, darin zu spazieren. Die Knaben sah ich lustig springen und an den vielen Rosenhecken sich rote und weiße Rosen brechen; der selige Jüngling aber überwand sein Gelüsten, und die andern hielten ihm neckend die großen Rosensträuche vor die Nase. Hier sagte mir der selige Geist: <Diese Überwindung lernte ich von einer andern, viel nützlicheren und schwereren, welche ich bestanden. Ich hatte unter den Nachbarn meines Vaters ein Mägdlein von großer Schönheit zur Gespielin, welche ich in Unschuld sehr lieb hatte. Meine frommen Eltern hielten viel auf die Predigt, und ich hörte einst in der Kirche vor dergleichen Umgang warnen und vermied nun, indem ich mir große Gewalt antat, den Umgang mit dem Mägdlein; und aus dieser Überwindung ging die Entsagung gegen die Rosen hervor.> Als er dies gesprochen, sank ich ein und sah dies Mägdlein sehr zierlich und blühend wie eine Rose in der Stadt gehen, und sah das schöne Haus von des Knaben Eltern an einem großen viereckigen Marktplatz liegen. Die Häuser waren unten alle mit einem bedeckten Bogengang. Sein Vater war ein reicher Kaufherr. Ich ging in das Haus, sah Vater und Mutter und noch mehrere Kinder. Es war eine gute fromme, christlich züchtige Hauswirtschaft. Der Vater handelte mit Tuch und Wein; er war stattlich gekleidet und hatte eine lederne Geldtasche an der Seite hängen. Er war ein großer, dicker Mann; die Mutter, auch eine starke Frau, hatte einen reichen, wunderlichen Kopfputz. Der Jüngling war das älteste Kind dieser guten Leute. Vor dem Hause standen Wagen mit Kaufmannsgütern. In der Mitte des Marktes war ein Brunnen, um den ein schönes, eisernes Kunstgitter mit mannshohen Figuren darauf gezogen war; in der Mitte des Brunnenbeckens war auch eine Figur, welche Wasser ausgoß. An den vier Ecken des Marktes waren kleine Gebäude wie Schilderhäuser. Die Stadt selbst lag in einer fruchtbaren Gegend; an der einen Seite war sie wie mit einem Graben umgeben, neben dem andern Tor floß ein ziemlich großer Fluß vorüber. Sie hatte etwa sieben Kirchen, doch keinen sehr bedeutenden Turm. Die Gegend selbst kann ich nicht bestimmen, es schien eine deutsche Stadt, doch weiß ich es nicht gewiß. Die Dächer waren zwar steil, aber die Vorderseite des Hauses war viereckig vorgemauert.
Nachher sah ich noch, daß der Jüngling in ein einzeln liegendes Kloster kam, um zu studieren. Es lag etwa zwölf Stunden von der Vaterstadt auf einem Berge, auf welchem Wein wuchs. Er war sehr fleißig und so eifrig der Mutter Gottes vertrauend, daß er, wenn er in den Büchern etwas nicht verstand, zu seinem Marienbilde sprach: <Du hast dein Kind belehrt, du bist auch meine Mutter, unterrichte mich auch!> Und dann erschien ihm Maria persönlich und lehrte ihn, und er war ganz einfältig und unbefangen mit ihr. Er wollte aus Demut noch nicht Priester werden, wurde aber von allen wegen seiner Frömmigkeit geschätzt. Drei Jahre war er in dem Kloster und lag ein Jahr schwer krank und starb im 23. Jahre seines Alters und ward da auch begraben.
Es war einer seiner Bekannten, welcher seiner Leidenschaften nicht mächtig werden konnte und sehr oft in Sünden fiel. Dieser, der ein großes Vertrauen zu dem Verstorbenen hatte, betete auf dem Grabe mehrere Jahre nach seinem Tod, und der Selige erschien ihm, belehrte ihn und sagte, er solle ein Zeichen an seinem Finger bemerken, wie ein Ring geformt, das er bei seiner Vermählung mit Jesus und Maria empfangen habe, und solle anzeigen, daß man es an seinem Leichname nachsuche, damit man sich überzeuge, wie er ihm wirklich erschienen sei. Der Freund war ein Mann in den Dreißigen, er zeigte es an. Man erhob den Leichnam, fand das Zeichen, und sie teilten sich in die Reliquien. Er ist nicht heilig gesprochen. Er erinnerte mich viel an den hl. Aloysius in seinem Wesen.
Die Seele dieses Jünglings führte mich an einen Ort, als sei er im himmlischen Jerusalem. Es war da alles leuchtend und durchsichtig. Ich kam auf einen großen, runden Platz, er war von schimmernden, schönen Palästen umgeben, und mitten durch den Platz zog sich eine lange, gedeckte Tafel mit ganz unbeschreiblichen Gerichten. Aus vier der umgebenden Paläste wuchsen Blumenbogen nach der Mitte des Tisches, über dem sie in einer geschmückten Krone sich vereinigten, um welche ich die Namen Jesus und Maria schimmern sah. Es war hieran nichts Gemachtes, alles wuchs und war Frucht aus seinem Wesen. Die Blumenbogen bestanden aus den mannigfaltigsten Blüten, Früchten und schimmernden Figuren. Ich kannte dort die Bedeutung von allem und jedem, denn ich sah, was es war; es war eigentlich keine Bedeutung, es war nur Wesen, welches einen wie mannigfaltiger Sonnenstrahl durchschien und zugleich unterrichtete. Hier unten kann man es nicht mit Worten aussprechen. Es lagen auf einer Seite, etwas mehr zurück als die Paläste, zwei Kirchen, die eine nähere von Maria, die andere vom Christkind. Sie waren achteckig. Als ich da angekommen war, schwebten von allen Seiten aus allen Punkten der schimmernden Paläste durch die Wände heraus sehr viele Seelen von seligen Kindern aller Art mir entgegen, mich zu bewillkommnen. Sie waren anfangs in allgemeiner seelischer Form; nachher aber sah ich sie ganz auf die Art und Weise, wie sie im Leben gekleidet waren, und erkannte viele meiner früher verstorbenen Gespielen. Vor allen aber erkannte ich Käsperken, den Bruder des Diericke, einen neckischen, sonst nicht bösen Knaben, der in seinem elften Jahre auf einem langen, sehr schmerzhaften Krankenlager verstorben. Dieser Knabe kam auf mich zu und führte mich und erklärte mir alles. Ich wunderte mich, das unartige Käsperken so schön und fein zu sehen. Als ich meine Verwunderung, hier zu sein, erklärte, sagte er: <Ja hierher kommst du nicht mit den Füßen, hierher kommst du mit den Sitten.> Diese Rede freute mich sehr. Als ich anfänglich ihn nicht gleich kennen wollte, sagte er mir: <Weißt du denn nicht, wie ich dir dein Messer gewetzt?> Da habe ich mich überwunden, und das ist mir auch zugute gekommen. Deine Mutter hatte dir etwas aufzutrennen gegeben, und dein Messer war so stumpf, du konntest gar nichts zustande bringen und weintest und fürchtetest, die Mutter möchte schelten. Ich sah es und dachte: <Ich will doch sehen, wie die Mutter sie vorkriegt>; dann aber bezwang ich mich und dachte: <Ich will der armen Dirne das Messer wetzen.> Das tat ich und half dir, und das ist meiner Seele zugute gekommen. Weißt du noch, als die Kinder so unartig spielten, da sagtest du, das sei ein böses Spiel, sie sollten es nicht tun, und gingst weg und setztest dich in einen Graben und weintest. Da kam ich zu dir und fragte, warum du nicht mitspielen wolltest. Da sagtest du, es habe dich einer beim Arme hinweggezogen. Das bedachte ich mir und zwang mich, dergleichen nicht mehr zu spielen. Das hat mir gut getan. Weißt du noch, wie wir viele Kinder miteinander gingen und abgefallene Äpfel auflasen? Da sagtest du, wir sollten es nicht tun. Ich sagte: <Tun wir es nicht, so tun es andere.> Da sagtest du: <Wir müssen niemand Gelegenheit geben, sich an uns zu ärgern.> Und du nähmest keinen Apfel. Das habe ich mir auch gemerkt und Nutzen daraus gezogen.
<Einmal habe ich dich mit einem Knochen werfen wollen, und ich sah, daß dich einer von meinem Wurfe wegzog. Das ging mir auch zu Herzen.> Und dergleichen rief mir Käsperken alles wieder ins Gedächtnis. Ich sah nun, daß wir alle für jede Art von Überwindung und von Gutem eine andere Art von Speise aufgetragen kriegten, welche wir genossen, indem wir sie verstanden, indem sie uns durchschien. Es ist dies unaussprechlich. Wir saßen nicht zu Tische, wir schwebten von einen Ende zum andern, und jeder empfing für eine Entsagung einen bestimmten Genuß. Im Anfang ertönte eine Stimme: <Nur der kann diese Speise verstehen, der sie genießt.> Die Speisen aber waren meistens wunderbare Blumen, Früchte, schimmernde Steine, Figuren und Kräuter , und von einer ganz andern, geistigeren Substanz, als sie hienieden sind. Sie waren auf glänzenden, durchsichtigen Geschirren ganz unbeschreiblich schön aufgebaut, und es ging eine wunderbare Kraft aus ihnen zu denen, welche durch eine irdische, bestimmte Entsagung einen Bezug auf die eine oder andere Speise hatten. Der ganze Tisch war auch mit solchen Gläschen besetzt, worin ich einstens die Arznei empfangen, von Kristall mit birnförmiger Gestalt, aus diesem tranken wir. Eines der ersten Gerichte bestand aus Myrrhen, welche wunderbar angerichtet waren. Aus einer goldenen Schüssel wuchs ein kleiner Kelch empor, dessen Deckel einen Knopf hatte, auf welchem ein feines, kleines Kruzifix lag. Um den Rand der Schüssel waren violblaue, leuchtende Buchstaben; was aber darauf stand, konnte ich nicht verstehen, sondern erst in Zukunft. Aus der Schüssel wuchsen pyramidenförmig gelb- und grünfarbig die schönsten Myrrhensträuße bis zu der Kelchkuppe hinan. Es waren krause Blättchen mit Blüten wie Gewürznelken von ungemeiner Schönheit; oben war eine rote Knospe, um welche das schönste Violblau. Die Bitterkeit dieser Myrrhen war nun eine wunderbar gewürzige, stärkende Süßigkeit im Geist. Ich erhielt von diesem Gericht, weil ich schon früh so viel Bitterkeit des Herzens still erduldet. Für jene liegengelassenen Äpfel erhielt ich den Genuß leuchtender Äpfel; es waren viele an einem Zweige zusammen. Auch kriegte ich ein Gericht, weil ich den Armen so viel Hartebrot ausgeteilt. Es war ganz in der getrockneten Gestalt dieses Brotes, aber wie vielfarbig spiegelnder Kristall auf einem Kristallteller. Für die Meidung des unartigen Spieles erhielt ich ein weißes Kleid. Alles erklärte mir Käsperken. So streiften wir immer höher an dem Tisch hinan. Auch sah ich für mich ein Steinchen ganz allein auf einem Teller, welches ich einst im Kloster erhalten. Ich hörte auch da, ich sollte vor meinem Tode ein weißes Kleid erhalten und einen weißen Stein, in welchem ein Namen stehen werde, den ich allein lesen könnte. Am Ende der Tafel wurde die Nächstenliebe belohnt. Das waren weiße Kleider, weiße Früchte, dichte, weiße Rosen und allerlei weiße, wunderbare Gerichte und Formen. Ich kann es unmöglich beschreiben. Käsperken aber sagte mir: <Nun sollst du auch sehen, was wir hier für ein Krippken haben. Du hast immer so gern Krippken gespielt.> Und nun zogen wir alle nach den Kirchen; zuerst in die Muttergotteskirche, in welcher ein beständiger Gesang war. Es war auch da ein Altar, auf welchem alle Bilder aus dem Leben Maria vorübergingen; und ringsum waren hohe und höhere Chöre von Verehrern. Durch diese Kirche mußte man ins Krippken gehen in die andere Kirche. Auch in dieser war ein Altar, und auf ihm war eine Vorstellung der Geburt des Herrn und wechselnd alle Bilder seines Lebens bis zur Einsetzung des Abendmahles, ganz auf die Art, wie ich sie immer im Gesicht gesehen.> »
Hier unterbrach sich die Erzählende, um den Pilger zu mahnen, mit größerem Eifer an seinem Heile zu arbeiten, alles heute zu tun und nicht auf morgen zu verschieben! Das Leben sei kurz und die Rechenschaft so streng. Danach fuhr sie fort: «Ich kam nun in einen höheren Ort. Ich stieg an der Kirche empor in einen Garten mit herrlichen Früchten und vielen reichgeschmückten Tafeln und Gerüsten mit Gaben. Von allen Seiten sah ich Seelen heranschweben, welche auf Erden mit ihren Studien und Arbeiten vieles gewirkt und andern vorangeholfen hatten. Sie verteilten sich in dem Garten; bald stand eine, bald mehrere um eine Tafel, zu empfangen, was ihr gebührte. Inmitten des Gartens aber stand ein halbrundes, treppenförmiges Gestell voll der schönsten Genüsse; vorn und an den beiden Seiten reichten Arme heraus, welche Bücher entgegenhielten. Es war, als habe dieser Garten, wo man einen Weg hinaus sah, ein schönes Tor. Von dem einen Tore herein sah ich einen Zug kommen, und alle die anwesenden Seelen strömten dahin und bildeten zwei Reihen, die Ankommenden zu bewillkommnen. Es waren dies viele Seelen, welche den seligen Stolberg[25] hereintrugen. Sie gingen in ordentlicher Prozession, hatten Fahnen und Blumenkränze bei sich. Vier trugen ein Ehrenbett, auf dem er in liegendsitzender Stellung sich befand, auf den Schultern, doch ohne Last. Die andern folgten nach, und die Empfangenden hatten Blumen und Kränze. Es ward eine Krone über sein Haupt gesetzt, besonders von weißen Rosen und blinkenden Steinchen und Sternen. Diese Krone lag nicht auf seinem Haupte, sondern schwebte immer über demselben. Im Anfang erschienen mir alle diese Seelen gleich geformt, wie früher in dem unteren Kinderhimmel auch; hierauf aber erschien mir jede wie in ihrer Standestracht, und ich sah, daß es lauter solche waren, welche mit Arbeit und Lehre andere zum Heil geführt hatten. Ich sah aber Stolberg von seinem Tragstuhle herabschweben und diesen Stuhl verschwinden, und sah ihn gegen die Gaben hintreten, welche ihm beschert waren. Ich sah hinter dem halbrunden Stufenkreis einen Engel erscheinen; an drei Seiten dieses Gestelles voll köstlicher Früchte, Gefäße und Blumen ragte ein Arm heraus, der den Umgebenden ein offenes Buch entgegenhielt. Der Engel aber empfing von den umgebenden Geistern Bücher, in welchen er manches strich und zeichnete und sie in zwei zu seinen Seiten stehende Gestelle stellte. Auch empfingen sie wieder von ihm große und kleine Schriften, welche sich von Hand zu Hand durch sie verbreiteten. Ich sah besonders nach einer Seite hin durch Stolberg außerordentlich viel kleine Schriften wandeln. Es war mir, als sei dieses ein himmlisches Fortwirken solcher Seelen auf ihr irdisches Werk. Ich sah nun dem seligen Stolberg aus diesem Stufentisch einen großen durchsichtigen Teller hervorgehen, in dessen Mitte ein schönes, goldenes Kelchgefäß erschien, um welches Trauben, kleine Brote, Edelsteine und Kristallfläschchen geordnet waren. Der Kelch war nicht fest wie bei dem Myrrhenteller, sie tranken daraus und aus den Fläschchen und genossen alles. Er teilte alles von Hand zu Hand aus. Bei der Mitteilung einzelner Seelen sah ich oft, daß sie sich die Hand reichten. Nach diesem wurden alle höher entführt zur Danksagung. Nach diesem Gesichte sprach mein Führer, daß ich nach Rom zum Papst gehen und ihn im Gebet bewegen solle; er werde mir schon alles sagen, was ich dabei zu tun habe.»
Im November 1820 äußerte Anna Katharina: «Es sind nun zwanzig Jahre, daß mein Bräutigam mich in das Hochzeitshaus gebracht und auf das harte Brautbett gelegt hat, auf dem ich noch liege.» Sie verstand darunter ihre Gebets- und Leidensarbeiten für die ganze Kirche, zu welchen sie seit dem Eintritt in das Kloster Agnetenberg von Gott berufen worden war. Niemand hatte während des langen Zeitraums von ihr Rechenschaft über dies verborgene Wirken begehrt oder sie darüber angehört, so daß sie erst jetzt, nahe dem Ziele ihres Lebens, von den Wegen Zeugnis geben kann, auf welchen sie von Gott zum Segen der Kirche geführt wird. Jetzt erst lüftet sich unserem Blicke der Schleier über dem Geheimnisse eines Wirkens, das, obwohl im Schauen vollbracht, seine Wurzel, sein Verdienst, seine Bedeutung und seinen Erfolg doch nur in der göttlichen Tugend des Glaubens besaß. Solange Anna Katharina zum Ordensstand sich bereiten und auf die mühseligste Weise den Weg in eine klösterliche Gemeinde sich hatte bahnen müssen, waren Sühnungsleiden für Ordensberuf und Gelübde der vornehmste Teil ihrer Aufgabe gewesen; als sie aber selbst eine Ordensperson geworden war, dehnte Gott ihre Wirksamkeit über die ganze Kirche und deren zeitliche Nöte und Bedürfnisse aus. Nicht treffender konnte sie diese umfassende Aufgabe bezeichnen als mit den Worten: «Es hat mein göttlicher Bräutigam mich in das Hochzeitshaus gebracht!» Denn es ist ja gerade das Verhältnis der Kirche als der Braut zu Jesus Christus, ihrem Bräutigam und Haupt, welches als ein unermeßlich großes, an den mannigfaltigsten Beziehungen überreiches Gebiet ihr aufgeschlossen wird, auf daß sie, die Stelle der Braut vertretend, durch Leiden ersetze und gutmache, was die verschiedenen Stände vor dem himmlischen Bräutigam verschulden. Dieser feiert seine Hochzeit, d. i. seine unauflösliche Verbindung mit der Kirche als eine immerdar sich erneuernde, und um sie rein und makellos in allen ihren Gliedern Gott dem Vater darzustellen, leitet er ohne Aufhören die Ströme seiner Gnade in sie über. Jede Gabe aber muß verrechnet werden, und nur wenige der Empfänger könnten in dieser Rechenschaft bestehen, wenn nicht der Bräutigam der Kirche zu allen Zeiten die Werkzeuge sich bereiten würde, welche sammeln, was andere verlieren, welche mit den Pfunden wuchern, die andere vergraben, welche bezahlen, was andere verschulden. Ehe er noch in der Fülle der Zeit im Fleische erschienen war, um in seinem Blute die neue Ehe zu schließen, hatte er durch das Geheimnis der unbefleckten Empfängnis Maria zum ewig makellosen Urbilde der Kirche bereitet und solche Gnadenfülle in sie niedergelegt, daß ihre Reinheit und Treue ihn, den Heiligsten, unter Menschen zurückhielt, die ihn nicht aufnahmen, ihm widerstanden und bis zum Tode verfolgten. Und Maria war es, die von dem Augenblick an, da er als der gute Hirt seine Herde zu sammeln begann, gerade der Bedürftigsten sich annahm, mit den Ärmsten und Verlassensten verkehrte, um sie für das Heil zu gewinnen. Sie harrte treu aus und wurde die Kraft und Stärke aller, als Petrus seinen Herrn verleugnete und die Hölle zu triumphieren schien. Darum weilte sie nach der Himmelfahrt ihres Sohnes so viele Jahre noch auf Erden, bis unter ihrem Schutz die Kirche erstarkte, um im Blute der Märtyrer den Sieg des Kreuzes zu besiegeln. Und bis zu seiner zweiten Ankunft auf Erden läßt sie zu keiner Zeit die Kirche an solchen Gliedern Mangel leiden, welche, in ihre Fußstapfen tretend, Segensquellen für die Gemeinschaft werden. Diese Mutter der Barmherzigkeit ist es also, welche nach den Bedürfnissen und Nöten der Braut den berufenen Werkzeugen die im Verlauf des Kirchenjahres zu vollbringenden Aufgaben anweist. So empfing auch Anna Katharina mit dem Anfang jeden Jahres in dem sogenannten Hochzeitshause den ihr bestimmten Anteil an der Leidensarbeit für die Kirche. Alles, was sie zu leisten hatte, wurde bis ins kleinste ihr vorgezeichnet; nichts durfte unvollendet bleiben, für keine Arbeit die genau bemessene Zeit überschritten werden; denn Wahl und Dauer hingen nicht von ihrem eigenen Belieben ab. Diese festbegrenzte Ordnung war schon in der ganzen Einteilung und den Räumlichkeiten des Hochzeitshauses angedeutet, welches jedoch nicht bloß eine nur sinnbildliche, sondern auch geschichtliche Bedeutung hatte. Es war nämlich das vor Bethlehem gelegene Haus Jesses, also das Geburtshaus Davids, in welchem dieser durch himmlische Führung auf seine prophetische Laufbahn vorbereitet worden und aus dem der göttliche Bräutigam selbst nach seiner heiligsten Menschheit hervorgegangen war. Es war das königliche Stammhaus der unbefleckten Jungfrau und Mutter der Kirche und zugleich das elterliche Haus des hl. Joseph, sonach wie kein anderes auf Erden geeignet, daß Anna Katharina hier in Bildern den gegenwärtigen Zustand der Kirche schaute und für sie ihre Aufgaben empfing, gleichwie seine alten heiligen Bewohner dort das künftige Heil und seine ferne Geschichte geschaut und ihre Sendung zu dessen Herbeiführung von Gott erhalten hatten.
Dieses Haus mit seinen mannigfaltigen Räumen und Kammern, seiner ausgedehnten Umgebung von Gärten, Feldern und Weiden war im allgemeinen das Sinnbild geistlicher Haushaltung, oder der Wirtschaft, des Regiments der Kirche, und so konnte es in dem wechselnden Zustande seiner verschiedenartigen Bestandteile, der in ihnen schaltenden und dahin gehörenden Persönlichkeiten, oder der störend und verwüstend eingedrungenen Fremdlinge für die Schauende ein der Wirklichkeit vollkommen entsprechendes Abbild der zeitweiligen kirchlichen Zustände und Verhältnisse im allgemeinen, wie der einzelnen Länder und Sprengel, gewisser Stände, Ordnungen, Persönlichkeiten und überhaupt aller kirchlichen Angelegenheiten werden, welche von Gott in den Bereich ihrer sühnenden Wirksamkeit gestellt wurden. Alles, was an der Kirche, ihrer Ordnung, ihren Rechten und Gütern, an der Reinheit des Glaubens und der christlichen Zucht und Sitte durch Säumnis, Sorglosigkeit, Feigheit und Verrat der einzelnen Glieder verbrochen wird; alles, was Eindringlinge, d. h. falsche Wissenschaft, schlechte Aufklärung, glaubenslose Erziehung, was Buhlerei mit den Irrtümern der Zeit, mit den Grundsätzen und Ansichten des Fürsten der Welt und dergleichen an der Ordnung Gottes auf Erden gefährden oder zerstören, wird ihr in wunderbar einfachen und tiefsinnigen Bildern in den Räumen des Hauses gezeigt, in welche sie Tag für Tag von ihrem Engel gebracht wird, um zu vernehmen, was von ihr abwehrend, helfend, warnend, heilend, sühnend für die Kirche, die Braut, zu geschehen hat. In dem fernen Umkreis um das Hochzeitshaus und sein Besitztum liegen nach allen Seiten hin unfruchtbare Gründe, Wüsteneien, schlecht bestellte Felder, auf welchen die von der Kirche Getrennten ihre Sammlungsorte oder Vereinigungsgebäude in Formen und Zuständen haben, welche den wirklichen und tatsächlichen Verhältnissen der getrennten Gemeinschaften und Sekten ebenso treu entsprechen. Auch über diese dehnt sich das Wirken der treuen Magd des himmlischen Bräutigams aus, der durch sie jene Seelen zur wahren Herde zurückführt, welche seinen Ruf zwar hören, aber ohne außerordentliche Hilfe ihm doch nicht Folge leisten.
Das Wirken im Gesicht ist aber teils ein Bitten, Flehen, Seufzen um der Verdienste Jesu, Maria und der Heiligen willen, teils ein Aufopfern von Schmerzen, Peinen und Anstrengungen, und zwar zu dem doppelten Zweck, um fremde Schuld zu sühnen und um fremder Not abzuhelfen. Indem wir das Wirken Anna Katharinas nach dieser doppelten Seite hin betrachten, teilen wir den umfangreichen zu Gebote stehenden Stoff in bestimmte Gesichtspunkte ab, indem wir zuerst die Sühnungsleiden schildern, welche die Gottselige für Verunehrung des heiligsten Sakramentes in freiwilliger Liebe duldete, sodann die Gebets- und Leidensarbeiten zur Darstellung bringen, welche sie für die Kirche und deren Vorsteher, sowie für einzelne in mannigfacher Not sich befindende Glieder derselben auf sich nahm, und dann noch einzelne Beispiele jener heldenmütigen Liebe namhaft machen, in welcher Anna Katharina, um andern zu helfen, deren Pein über sich selbst erflehte.
Zu bestimmten Festzeiten wurde Anna Katharina auf ihren geistigen Reisewegen in die verschiedensten Kirchen des Heimatlandes wie der fernsten Teile des Katholischen Erdkreises von ihrem Engel gebracht, um hier durch Leiden und Gebet die Unbilden zu sühnen, welche durch die Lauigkeit und Gleichgültigkeit der Christen dem «Sakramente der Liebe» ohne Unterlaß zugefügt werden. Solange sie in dieser Sühnung begriffen war, ward sie von den peinvollsten Krankheiten und körperlichen Leidenszuständen ohne Unterbrechung heimgesucht, deren Charakter den besondern Arten der Verunehrung entsprach. Die erste Mitteilung, welche der Pilger hierüber von Anna Katharina vernehmen konnte, bezog sich auf ihre Feier des Fronleichnamsfestes 1819. Sie erzählte:
«Ich habe die ganze Nacht bei vielen elenden und betrübten Menschen, die ich kannte und nicht kannte, die Runde gemacht und Gott gebeten, er möge mir die Last all derer mitteilen, die nicht mit leichtem, freudigem Herzen zum heiligsten Sakramente gehen könnten. Ich sah nun ihre Leiden und erhielt sie und trug sie auf meiner rechten Schulter. Es war eine so schwere Last, daß meine rechte Seite ganz zu Boden gedrückt ward. Ich nahm von allen einen Teil oder das Ganze des Leidens, wie ich es erhalten konnte. Ich sah die Menschen mir in Bildern vorgeführt und erkannte in der Brust eines jeden das, was er litt, und konnte es in Form einer schwankenden dünnen Rolle ihm aus der Brust herausziehen. Es schien mir jede Rolle sehr leicht wie eine dünne, weiche Rute; aber es wurde eine solche Menge, daß ein tüchtiger Pack entstand. Ich nahm nun meine eigene Qual, welche wie ein langer, handbreiter, weißer Gürtelriemen mit roten Streifen war, band alle jene Rollen zusammen, faltete sie dann in der Mitte zu halber Größe und band diesen großen und schweren Pack mit den beiden Enden meines Leidensgürtels übers Kreuz. Die Rollen waren von verschiedener Farbe nach den Leiden eines jeden; wenn ich mich besänne, könnte ich die Farben mancher Bekannten noch bestimmen. Ich nahm nun den Pack auf meine Schulter und besuchte das heiligste Sakrament, um die Leiden der armen Menschen, welche diesen unendlichen Schatz des Trostes in ihrer Blindheit nicht lebendig erkennen, vor demselben aufzuopfern. Zuerst kam ich in eine unvollendete, ungeschmückte Kapelle; aber Gott war doch schon auf dem Altar gegenwärtig, und ich opferte meinen Pack auf und betete das heiligste Sakrament an. Es war mir, als sei diese Kapelle zu meiner Stärkung erschienen; denn ich erlag schier meiner Last. Ich trug sie besonders gern auf der rechten Schulter, eingedenk des Kreuzes unseres Herrn und der Wunde, welche dieses seiner Schulter eingedrückt. Ich habe diese Wunde oft gesehen, sie war die schmerzlichste seines ganzen heiligen Leibes. So kam ich endlich an einen Ort, wo eine Prozession war, und ich sah zugleich nach verschiedenen Orten hin noch andere solche Prozessionen. Bei der, welcher ich mich anschloß, waren die meisten, deren Leiden ich in meinem Packe trug; und ich sah zu meiner Verwunderung aus ihrem singenden Munde dieselben Farben ausströmen, welche die Rollen hatten, die ich von ihnen trug. Das heiligste Sakrament aber sah ich von Engeln, von Geistern in großer Herrlichkeit und Glanz umschwebt; es selbst hatte die Figur eines durch und durch leuchtenden Kindchens mitten in einer Sonne von Glanz. Was ich sah, ist unaussprechlich, und so es die Begleitenden und Tragenden hätten sehen können wie ich, sie würden niedergefallen sein und hätten vor Furcht und Staunen das Sakrament nicht weiter tragen können. Ich betete an und opferte meinen Pack auf. Nun war es, als wenn die Prozession in eine Kirche einziehe, die von einem Garten oder Kirchhof umgeben wie aus der Luft trat. Es waren allerlei seltsame Blumen auf den Gräbern, auch Lilien, rote und weiße Rosen und weiße Sternblumen. Aus der Morgenseite dieser Kirche trat in unendlichem Glanze eine priesterliche Gestalt; es war, als sei es der Herr. Bald traten um ihn her zwölf leuchtende Männer, und um diese wieder viele andere. Ich selbst stand gut, ich konnte gut sehen. Nun aber ging aus dem Munde des Herrn ein leuchtender kleiner Körper, der ausgegangen größer und förmlicher ward und dann, sich wieder verkleinernd, als eine leuchtende Kindergestalt in den Mund der umgebenden Zwölfe und dann der andern einging. Es war dies nicht das historische Bild, wie ich es am Gründonnerstag sah, wo der Herr mit den Jüngern zu Tische lag; aber es erinnerte mich doch daran. Hier standen sie alle leuchtend und strahlend, es war Gottesdienst, es war wie eine kirchliche Feier. Die Kirche ward von unermeßlichen Scharen angefüllt, die saßen oder standen, oder schwebten, oder von übereinander aufsteigenden Sitzen und Stufen getragen wurden, welche ich jedoch nicht als wirkliche von irgendeiner Materie beschreiben kann, denn ein jeder konnte alles sehen. Nun aber sah ich eine Form in den Händen des Herrn, und der aus seinem Munde ausgehende kleine Lichtleib ging in sie ein. Und ich sah diese Form eine bestimmte, umfassende, leuchtende Gestalt gewinnen und wie von einem geistlich gezierten Hause umgeben werden. Es war das Sakrament des Altars in der Monstranz als Gegenstand der Anbetung; und der Herr sprach immerfort sein lebendiges Wort hinein, und der Lichtleib ging unendlichemal, ewig derselbe und eine, in den Mund aller Anwesenden.
Ich hatte meinen Pack ein wenig niedergelegt und auch die heilige Speise empfangen; und da ich ihn wieder aufnahm, sah ich einen Trupp Menschen, deren Packe so schmutzig waren, daß ich nichts von ihnen annehmen wollte. Man sagte mir, diese müssen noch tüchtig gestraft und dann nach ihrer Buße gerichtet werden. Ich hatte kein Mitleid. Ich sah das Kirchenfest auseinandergehen, und mir war, als hätte ich auch solche Menschen gesehen, welche das sehr eingeschlafene Gefühl für das wunderbare Geheimnis der Fortpflanzung der Gegenwart Gottes auf Erden wieder mit neuer Feier erwecken sollten. Jene Kapelle, wo ich zuerst mit meinem Pack ruhte, war in einem Berge, wie ich als Kind die ersten Altäre und Tabernakel der Christen sah. Es war die Bedeutung des Sakramentes in der Zeit der Verfolgungen. Der Kirchhof bedeutete, daß die Altäre des unblutigen Opfers über den Gräbern und Reliquien der Märtyrer standen, und daß dann die Kirchen selbst über diese gebaut wurden. Die Kirche sah ich auf die Weise der geistlichen, himmlischen Festkirche. Es stand auch der vielarmige Leuchter gegen den Altar zu. Ich sah die Feier des Sakramentes unmittelbar durch Jesus, dann durch das Sakrament selbst als den Schatz der Kirche. Ich sah die Feier der früheren, jetzigen und vieler künftiger Christen und ward gewiß, daß sie mit neuem Leben in der Kirche erwachen werde.
Am Feste des heiligen Bauers Isidor[26] wurde mir vieles vom Wert des Messelesens und Messehörens gezeigt und dabei gesagt, es sei ein großes Glück, daß so viele Messen, wenn auch von unwissenden und unwürdigen Priestern, gelesen würden, denn es würden Gefahren, Strafen, Heimsuchungen aller Art dadurch von den Menschen abgewendet. Es sei gut, daß viele Priester dabei nicht wüßten, was sie tun; denn wüßten sie es, so würden sie vor Schrecken das heiligste Opfer nicht mehr vollziehen können. Ich sah den wunderbaren Segen des Messehörens, wie alle Arbeit und alles Gute befördert und nichts versäumt werde, wie oft ein Glied einer Haushaltung den Segen dadurch für diesen Tag ins ganze Haus bringe. Ich sah, wieviel mehr Segen durch das Messehören als Lesen- und Hörenlassen hervorgebracht werde. Ich sah, wie die Fehler in der Messe durch übernatürliche Hilfe ersetzt werden.»
2. Im darauffolgenden Jahre begann in der Novene vor dem heiligen Pfingstfeste ein Sühnungsleiden für das heiligste Sakrament, welches unter stets wachsenden, furchtbaren Peinen mehrere Wochen hindurch die Dulderin in Anspruch nahm und sie oft bis in die Nähe des Todes brachte. Sie war hierbei von den Heiligen des Tages begleitet und besonders von jenen begnadigten Seelen, welche in früheren Zeiten die gleiche Leidensaufgabe wie sie selber zu vollbringen hatten.
«Ich fand sie», berichtet der Pilger, «heute (17. Mai 1820) in Tränen. Die Söntgen[27] wollte ihr einige fremde Frauen zuführen, die sie aber nicht empfangen konnte. Sie weinte heftig. <Ich meine vor Elend jeden Augenblick zu sterben>, jammerte sie, <und doch läßt man mich nicht in Ruhe!> Ihre Krankheit stieg bis zur Unerträglichkeit. Sie hat die heftigsten Schmerzen und Stiche durch das Seitenmal; dabei ist sie verschmachtend nach dem heiligsten Sakrament, unbeschreiblich betrübt und von Tränen überfließend. Ihr Leid ist an Körper und Seele gleich groß. Sie ist erbarmungswürdig. Sie bat das Kind (ihre Nichte), drei Vaterunser zu beten, auf daß Gott ihr die Kraft zum Leben gebe, wenn sie nicht sterben solle. Das Kind betete und sie mit ihm; und danach ward sie beruhigt . . . 18. Mai. Ihr Hunger nach dem Sakrament wird immer heftiger. Sie ist ganz verschmachtet. Sie jammert über den Verlust des täglichen Genusses, und in Ekstase sinkend, ruft sie klagend zu ihrem himmlischen Bräutigam: <Warum lassest du mich so hungern nach dir? Ohne dich muß ich ja sterben. Du allein kannst mir helfen. Wenn ich leben soll, so gib mir Leben!> Als sie erwachte, sagte sie: <Mein Herr hat mir gesagt: Nun solle ich sehen, was ich ohne ihn sei. Jetzt sei es anders; nun müsse ich seine Speise werden, und alles Fleisch an mir müsse sich in Sehnsucht verzehren.> — Sie hat jetzt auch so viele traurige Gesichte, die sie nicht erzählen will. Sie sieht so viel Not und Elend und so viele Werke der Finsternis, durch welche Gott in dieser heiligen Festzeit so sehr beleidigt wird.»
Am zweiten Pfingstfeiertag desselben Jahres (22. Mai 1820) empfing sie die Ankündigung ihrer schweren Aufgabe für das heiligste Sakrament.
«Ich kniete allein, nur von meinem Führer begleitet, in einer großen Kirche vor dem heiligsten Sakrament, das von unbeschreiblicher Glorie umgeben war. Ich sah in ihm die leuchtende Gestalt des Jesuskindes, vor dem ich mein Herz ausschütten und alle meine Klagen von Jugend auf ergießen konnte. Auf jeden Punkt ging die Antwort aus dem Sakrament in einem Strahl in mich ein, und ich erhielt vielen Trost und auch milde Verweise für meine Fehler. Die ganze Nacht schier habe ich, meinen Engel an der Seite, vor dem Sakramente zugebracht.»
Näheres wollte ihre Demut aus diesem Erlebnis nicht erzählen; sie empfing aber unmittelbar darauf die Erscheinung des hl. Augustinus, sowie ihrer heiligen Ordensschwester Rita von Cassia[28] und Clara von Montefalco[29], von denen sie auf ähnliche Leidensarbeiten vorbereitet wurde, welche von ihnen selber für das Sakrament einstmals hatten verrichtet werden müssen. Kaum nämlich hatte Anna Katharina ihre kurze Erzählung von dem Sakramentsbild vollendet, als sie in Ekstase überging und, während der Pilger in der Vorstube mit dem Beichtvater im Gespräch begriffen war, sich mit freudestrahlendem Angesichte plötzlich in ihrem Bette erhob. Sie stand fest auf ihren Füßen, auf denen sie niemand in vier Jahren stehen gesehen. Sie hob die Hände empor und sprach ruhig und anbetend das ganze Te Deum in dieser wunderbaren Stellung mit mattem, etwas gelblichem Aussehen, doch mit Wangenröte und begeisternden Zügen. Ihre Stimme war sanft und lieblich, ganz anders als gewöhnlich; es war etwas Leises und Inniges darin, wie etwa in der Stimme eines liebenden Kindes, das seinem Vater ein Lobgedicht hersagt. Bei gewissen Worten fügte sie die Hände zusammen und neigte das Haupt bittender. Sie stand ganz fest und sicher. Ihr weiter Rock, der ihr lang bis auf die Knöchel niederhing, gab ihr ein sehr ernstes Aussehen. Ihr lautes Gebet war ergreifend, zu Andacht, Dank, Vertrauen bewegend, ihre Gebärde feierlich und ihr Angesicht leuchtend in Begeisterung.
«Der hl. Augustinus», erzählte sie des andern Tages, «stand in seinem ganzen bischöflichen Ornate bei mir und war sehr freundlich. Ich war so gerührt und erfreut von seiner Gegenwart, daß ich mich anklagte, wie ich ihn nie besonders verehrt habe. Er sagte mir aber: <Ich kenne dich doch, und du bist doch mein Kind.> Und als ich ihn um Linderung in meiner Krankheit bat, hielt er mir ein Sträußchen vor, woran eine blaue Blume war. Ich hatte auch sogleich einen inneren Geschmack, und es durchdrang eine Kraft und ein Wohlgefühl meinen ganzen Körper. Er sagte mir aber: <Ganz wird dir nie geholfen werden, denn dein Weg ist der Weg des Leidens; aber so du Trost und Hilfe erflehst, so gedenke an mich, ich will sie dir immer geben. Jetzt aber stehe auf und bete das Te Deum zum Danke gegen die allerheiligste Dreifaltigkeit für deine Genesung.> Da stand ich auf und betete. Ich war durch und durch gestärkt, und meine Freude war sehr groß. Nun aber sah ich den hl. Augustinus in seiner himmlischen Glorie. Zuerst sah ich die allerheiligste Dreifaltigkeit und die heilige Jungfrau; ich kann schwer sagen wie. Es war, als sehe ich das Bild eines alten Mannes auf einem Throne. Aus Stirn, Brust und Magengegend strömten Strahlen aus und bildeten vor ihm ein Kreuz, von welchem wieder in unendlichen Richtungen sich Strahlen nach Chören und Ordnungen von Heiligen und Engeln ergossen. In einiger Entfernung unter vielen Chören der Heiligen sah ich die himmlische Glorie des hl. Augustinus. Ich sah ihn auf einem Throne sitzen, und wie er aus dem Kreuz der Dreifaltigkeit gewisse Lichtströme empfing und diese wieder auf viele ihn umgebende Chöre und Erscheinungen ausgoß. Ich sah Bilder von Geistlichen in den verschiedensten Kleidungen um ihn und sah nach einer Seite abwärts wie einen Berg herab eine große Menge von Kirchen im Himmel schweben, wie man Wölkchen hintereinander am Himmel sieht, welche alle von ihm ausgegangen waren. Diese Glorie war ein Bild seiner himmlischen Herrlichkeit. Das Licht, das er aus der Dreifaltigkeit empfing, war seine persönliche Erleuchtung und Füllung, und seine Chöre waren die verschiedenen Gefäße, die verschiedenen Seelen, die das Licht durch seine Vermittlung empfingen und wieder als Gefäße auf andere durch sie ausgossen und dennoch eben durch ihre Belebung das Licht auch wieder unmittelbar aus Gott empfingen. Wenn man dieses sieht, ist es unaussprechlich schön und tröstlich und so natürlich, ja natürlicher und verständlicher, als wenn wir auf Erden einen Baum, eine Blume sehen. Ich sah in den Chören um ihn alle Priester und Lehrer und heiligen Orden und Gemeinden, welche von ihm ausgegangen, insofern sie selig sind, insofern sie lebendige Gefäße Gottes geworden, wiederausteilende Brunnen der Quelle des lebendigen Wassers, welches in ihm zutage gesprungen. Ich sah ihn nachher in einem himmlischen Garten. Dieses Bild stand niederer. Jenes war ein Bild seiner Glorie, seiner Sphäre im Sternenhimmel der heiligen Dreifaltigkeit; dieses war mehr ein Bild seines fortwährenden, handelnden Bezugs, seiner Hilfe zu der noch streitenden Kirche, zu den lebenden Menschen. Alle Bilder der himmlischen Gärten stehen niedriger als die Bilder der Heiligen in Gott, in der Glorie. Ich sah ihn hier in einem schönen Garten voll der wunderbarsten Bäume, Stauden und Blumen, und ich sah viele andere Heilige mit ihm, worunter ich mich besonders des Franziskus Xaverius und Franz von Sales erinnere. Ich sah sie hier nicht sitzend und in festlicher Ordnung, sondern handelnd und wirkend und von den Früchten und Blumen des Gartens, welche alle Gnaden und Wirkungen ihres Lebens waren, austeilen und verbreiten. Ich sah aber in diesem Garten auch sehr viele Lebende und viele darunter, die ich kenne und welche auf mannigfache Weise empfingen. Dieses Erscheinen der Lebendigen in diesem Garten ist ganz eigentümlich und umgekehrt wie das Erscheinen der Heiligen auf der Erde; denn ich sehe die Lebenden wie Geister in dem Garten der Heiligen erscheinen, in einer gewissen Unbestimmtheit, und ich sehe sie dort allerlei Blumen und Früchte empfangen. Ich sehe aber einige dort, als würden sie durch Gebet in diesen Umfang von Gnadenempfang erhoben; andere scheinen zu empfangen ganz bewußtlos als berufene, taugliche Gefäße. Es ist der Unterschied wie zwischen einem, der in einen Garten sich bemüht, um Früchte zu empfangen, und einem andern, dem sie, wenn er vorübergeht, vor die Füße fallen, oder dem sie aus dem Willen Gottes durch diesen oder jenen Heiligen gegeben werden.
Nach diesem begleitete mich mein Führer auf meinen eigenen Weg nach dem himmlischen Jerusalem. Ich mußte einen Berg hinaufklettern und kam in einen Garten, wo Clara von Montefalco Gärtnerin war. Ich sah an ihren Händen leuchtende Male und auch um ihr Haupt eine leuchtende Dornenkrone. Wenn sie gleich die Male nicht äußerlich gehabt, so hatte sie doch deren Schmerzen empfunden. Sie sagte mir, dieses sei ihr Garten gewesen, und da ich auch Freude am Gartenbau hätte, so wolle sie mir denn zeigen, wie er gebaut werden müsse. Es hatte aber dieser Garten einen Umfang wie eine Mauer, welche jedoch nur einen Inbegriff sinnbildete; denn man konnte durch sie durchgehen und durchsehen. Sie bestand aus lauter überemanderliegenden runden, bunten, leuchtenden Steinen. Nach dem Mittelpunkt hin war der Garten von allen Seiten regelmäßig in acht zierliche Felder abgeteilt; es standen einige große, schöne Bäume darin in der Blüte. Es war ein Brunnen da, und man konnte machen, daß er den ganzen Garten mit seinen Strahlen überregnete. Rings an der Mauer umher standen Weinstöcke. Ich ging schier die ganze Nacht mit der hl. Clara in dem Garten, und sie lehrte mich die Bedeutung und Benutzung einer jeden Pflanze, und wie ich sie behandeln müsse. Sie ging dabei von einem Beet nach dem andern, und ich weiß nicht mehr recht, woher sie die Wurzeln bekam. Bei einem Feigenbaum hatte ich viel mit ihr zu tun, was ich nicht mehr weiß. Ich erinnere mich nur, daß in Beeten auch viel Bitterkresse und Kerbel stand. Sie sagte mir, wenn ich zu viel Süßigkeit schmeckte, solle ich von der Bitterkresse ein Mundvoll nehmen, und wenn ich zu viel Bitterkeit schmeckte, ein Mundvoll von dem Kerbel. Ich habe schon als Kind diese Kräuter sehr geliebt und gekaut, ja ich hätte wohl ganz davon leben wollen. Am schwersten zu begreifen war mir, wie sie die Behandlung des Weinstockes erklärte, wie ich ihn aufbinden und die Zweige verteilen und ausschneiden sollte; damit konnte ich gar nicht fertig werden. Es war dieses auch das letzte, was sie mich im Garten lehrte. Während der Arbeit flogen viele Vögel um uns und setzten sich auf meine Schultern und waren ganz vertraut mit mir wie einst im Klostergarten. Sie zeigte mir auch, daß sie die Marterwerkzeuge der Passion in ihrem Herzen abgedrückt habe, und daß nach ihrem Tode drei Steine in der Galle gefunden worden. Sie sprach mir von den Gnaden, die sie am Feste der heiligen Dreifaltigkeit empfangen habe, und daß ich mich für dieses Fest zu einer neuen Arbeit bereiten solle. Die hl. Clara erschien sehr mager, weiß und abgetötet. Auch Rita von Cassia habe ich gesehen. Sie hat vor einem Kreuze aus Demut nur um einen Dorn aus der Leidenskrone gebeten. Es schoß ein leuchtender Strahl aus der Krone, der ihre Stirn verwundete. Sie litt ihr Leben lang unsägliche Schmerzen daran. Es floß beständig Eiter daraus, daß sie von den Menschen geflohen wurde. Ich sah ihre Andacht zum heiligsten Sakrament. Sie hat mit mir vieles geredet.»
Am Vorabend des heiligen Dreifaltigkeitsfestes nahm die von Clara von Montefalco angekündigte neue Arbeit ihren Anfang.
«Als ich», erzählte Anna Katharina, «die schlechte Bereitung wahrnahm, in der so manche zur heiligen Beichte gingen, erneuerte ich mein Gebet zu Gott, er wolle mich etwas zu ihrer Besserung leiden lassen. Da fing von außen her mein Leiden an. Es war, als wenn feine Strahlen von Schmerzen wie Pfeile auf mich fielen, und dies dauerte immerfort. Endlich in der Nacht entstand eine so arge Pein in mir, als ich sie jemals empfunden. Sie begann um mein Herz, welches ich wie einen Knäuel von Schmerz in einer umgebenden Flamme zusammengeschnürt fühlte. Von diesem Feuer, das ganz aus schneidenden und stechenden Peinen bestand, schossen Strahlen von Schmerz durch alle Teile meines Leibes, durch Mark und Bein bis in die Fingerspitzen, Nägel und Haare. Ich fühlte in diesen Schmerzen eine gewisse Gestalt der Ausströmung und Zurückwirkung. Ich fühlte sie zuerst vom Herzen ausgehend in die Hände und Füße und um den Kopf und von da zurückwirkend in das Herz, so daß diese Malstellen ihre Hauptpunkte waren. Und diese Pein wuchs bis um 12 Uhr in der Nacht mit immer größerer Gehalt. Ich wachte dabei und war von Schweiß überronnen und konnte mich nicht rühren. Ich hatte allein einen Trost darin, daß mir durch die Hauptpunkte der Schmerzen, die mich ganz zermalmten, ein dunkles Gefühl der Kreuzgestalt in denselben zufloß. Um 12 Uhr vermochte ich es nicht mehr zu ertragen, denn ich wußte in der Betäubung die Ursache dieser Leiden nicht mehr, und ich wendete mich ganz kindlich zu meinem heiligen Vater Augustinus und flehte ihn mit einfältigen Worten an: <Ach, lieber Vater Augustinus, du hast mir Linderung versprochen, so ich dich anrufe; ach, sieh doch meine große Not an!> Der Heilige ließ mich auch nicht unerhört; er stand sogleich liebreich vor mir und sagte zu mir, warum ich leide, und daß er mir diese Schmerzen nicht nehmen könne, weil sie in dem Leiden Jesu gelitten würden; aber Trost solle ich haben, und wie ich noch bis 3 Uhr leiden müsse. Ich hatte nun meine Pein ununterbrochen, aber einen großen inneren Trost in derselben, indem ich fühlte, daß ich aus Liebe zu Jesu Leiden litt und in demselben der göttlichen Gerechtigkeit für andere genugtat. Ich fühlte, daß ich half; und in diesem Gefühl schloß ich alles, was mir am Herzen lag, in die Leiden ein und mehrte und benutzte die Gnade des genugtuenden Leidens mit herzlichem Vertrauen auf die Barmherzigkeit des himmlischen Vaters. St. Augustinus sagte mir aber noch, ich solle mich erinnern, daß ich vor drei Jahren am Morgen des Allerheiligenfestes dem Tode nahe gewesen sei, daß mir da mein himmlischer Bräutigam erschienen sei, daß er mir die Wahl gelassen habe, ob ich sterben und noch im Fegfeuer leiden wolle, oder ob ich in Schmerzen noch länger leben wolle, und wie ich ihm gesagt hätte: <Im Fegfeuer kann ich nichts helfen, o Herr, mit meinen Schmerzen; so es deinem Willen nicht zuwider ist, lasse mich alle Marter im Leben nochmals beginnen, wenn ich nur irgend dadurch einer Seele helfen kann>; und daß mir damals, als ich zuerst um Auflösung gefleht, mein Heiland die zweite Bitte des ferneren Lebens in Peinen gewährt habe. Ich erinnerte mich jenes Gelübdes auf die Mahnung meines heiligen Ordensvaters deutlich und litt die noch übrige Zeit bis um 3 Uhr die verzweifeltste Pein mit Ruhe und Danksagung. Die Schmerzen drückten mir den Angstschweiß und die bittersten Tränen aus.
Ich hatte danach ein Gesicht von der heiligsten Dreifaltigkeit. Ich sah die Gestalt eines leuchtenden Alten auf einem Throne. Aus seiner Stirne ergoß sich ein unbeschreiblich helles, ganz ungefärbtes Licht; aus seinem Munde ergoß sich ein Lichtstrom, der schon etwas gefärbter war, etwas gelber und feuriger; aus der Mitte seiner Brust, der Herzgrube, strahlte ein farbiges Licht aus. Alle diese Lichtstrahlen bildeten, sich durchschneidend, ein Lichtkreuz wie vor der Brust des Alten in der Luft gebildet, wie ein Regenbogen schimmernd. Und es war, als lege der Alte seine beiden Hände auf die Kreuzesarme. Ich sah aber von dem Kreuze aus unzählige Strahlen nach allen himmlischen Chören und nach der Erde fallen und alles davon erfüllen und erquicken. Zur Rechten etwas tiefer sah ich den Thron der allerseligsten Jungfrau Maria, und ich sah von dem Alten aus einen Strahl nach ihr und aus ihr einen Strahl in das Kreuz fallen. Es ist dieses alles ganz unaussprechlich und im Gesicht, wenngleich ganz blendend und wie mit Licht ertränkend, eben dadurch äußerst verständlich und einfach und dreifach, und alles unendlich erquickend, erklärend und genügend. Die Engel sah ich unter dem Throne in einer ganz farblosen Lichtwelt. Höher sah ich die vierundzwanzig Altväter mit silbernen Haaren, die allerheiligste Dreifaltigkeit umgebend. Den ganzen andern unendlichen Raum sah ich von Mittelpunkten verschiedener Heiligen, die wieder jeder mit seinen Chören umgeben waren, erfüllt. Augustinus sah ich rechts der Dreifaltigkeit viel tiefer als Maria, mit allen seinen heiligen Chören. Dazwischen liegen Gärten und leuchtende Ortsgestalten und Bilder von Kirchen nach allen Seiten. Es ist, als gehe man zwischen den Sternen des Himmels nahe und fern umher, und bei der größten Verschiedenheit der Formen und Bilder der Gefäße Gottes sind alle mit allem durch Jesus Christus erfüllt, überall dasselbe Gesetz, derselbe Inhalt und doch eine andere Form, aber durch jede der gerade Weg in das Licht des Vaters durch das Kreuz des Sohnes.
Von der Mutter Gottes aus sah ich eine lange Reihe von weiblichen königlichen Gestalten sitzen. Es waren Jungfrauen und hatten Kronen und Zepter, aber es schienen keine irdischen Königinnen, es schienen Geister oder Seelen, welche ihr nachgestrebt oder vorgegangen. Sie schienen ihr zu dienen wie die vierundzwanzig Alten der Dreifaltigkeit. Dieses Ganze aber beging das Fest, indem es sich wunderbar feierlich ineinander und zusammen bewegte, und ich kann es nur mit einer schönen Musik vergleichen. Ich sah aber unter dieser feierlichen Bewegung alle Heiligen und Seligen wie in einer Prozession oder in vielen Prozessionen unter dem Sitze der allerheiligsten Dreifaltigkeit hinziehen. Es war, wie die Sterne um die Sonne herumwandeln am Himmel; und sah ich dann nieder auf die Erde, so sah ich wieder ganz mit dem himmlischen Feste zusammenstimmend unzählige Feste dieses Tages und Prozessionen. Aber das sah alles so elend und dunkel und zerstückt und mit so großen Lücken aus, und es war, als schaue man in tiefen Kot, wenn man von oben schaute. Doch war hie und da noch viel Gutes dabei. Ich sah von da auch die Prozession hier in Dülmen und bemerkte ein armes, elend gekleidetes Kind dabei und seine Wohnung. Ich will es kleiden.»
Unter fortwährenden Leidenszuständen hatte Anna Katharina am Fronleichnamsfest 1819 sehr reiche Anschauungen von der Einsetzung des heiligsten Sakramentes und der ganzen Geschichte seiner Anbetung bis auf die Gegenwart, konnte aber vor Erschöpfung nur folgendes darüber mitteilen:
«Ich sah ein Bild der Einsetzung des heiligsten Sakramentes. Der Herr saß an der einen Langseite des Tisches in der Mitte, zu seiner Rechten Johannes, zu seiner Linken ein schlanker, feiner Apostel, der viel von Johannes hatte; neben ihm saß Petrus, der sich oft über ihn vorneigte. Anfangs sah ich den Herrn noch eine Weile sitzend lehren. Hierauf standen er und alle auf; es sahen nun alle still und begierig auf ihn, was er tun würde. Ich sah aber, daß er die Schüssel mit dem Brot emporhielt, die Augen emporrichtete und das Brot, mit dem beinernen Messer in Linien vorritzend, in Bissen brach. Ich sah ihn hierauf die Rechte wie segnend darüber bewegen. Als er dieses tat, ging ein Glanz von ihm aus, das Brot leuchtete, er selbst ward leuchtend und wie aufgelöst in Licht, und es ging dieses Licht auf alle Gegenwärtigen über und wie in sie ein. Und sie wurden alle stiller und inniger; nur den Judas sah ich dunkel und dieses Licht abstoßend. Jesus hob auch den Kelch empor und die Augen und segnete ihn ebenso. Ich kann für das, was ich während dieser heiligen Handlung mit ihm vorgehen sah, keinen andern Ausdruck finden, als ich sah und fühlte daß er sich verwandelte. Nachher war das Brot und der Kelch Licht. Ich sah aber, daß er die Bissen auf einem flachen Teller, wie eine Patene, liegen hatte, und daß er diese Bissen mit seiner Rechten den einzelnen in den Mund gab; zuerst, wie ich glaube, der Mutter Gottes, welche zwischen den gegenüberstehenden Aposteln zum Tische herantrat. Ich sah dabei Licht aus seinem Munde ausgehen. Ich sah das Brot leuchtend und wie eine lichte menschliche Körperform in den Mund der Apostel gehen. Ich sah alle wie von Licht durchdrungen, nur Judas sah ich finster und dunkel. Den Kelch nahm der Herr auch in die Hand und ließ sie aus demselben trinken. Er hatte ihn am Stiel gefaßt. Auch hier sah ich Glanz wie vorhin in die Apostel strömen. Nach dieser Handlung sah ich alle noch eine Weile gerührt stehen und dann das ganze Bild verschwinden. Es hatten die Bissen, welche der Herr gab, zwei Abteilungen des Brotes in der Breite eingenommen, so daß sie eine Furche in der Mitte hatten.»
Hierauf hatte sie eine lange Reihe von Bildern von der veränderten Gestalt, Ausspendung und Verehrung des Sakramentes. Leider war sie von Müdigkeit und Schmerzen der Nacht so ganz ohnmächtig, daß sie nur das Folgende daraus berichten konnte:
«Ich sah, wie das Abendmahlsbrot immer weißer und feiner wurde. Ich sah es schon bei den Aposteln in Jerusalem kleiner werden, so daß Petrus bei der Menge nur die Größe von einem Bissen reichte. Bei der Einsetzung waren es zwei nebeneinander. Nachher sah ich sie viereckig und zuletzt später rund geworden. Ich sah, als die Apostel schon in ferne Orte sich zerstreut hatten und die Christen noch keine Kirchen, sondern nur Säle hatten, worin sie sich versammelten, daß die Apostel das Sakrament zu Hause hatten, und daß, wenn sie dasselbe zur Kirche trugen, die Leute ehrerbietig folgten, worin mir schon der Anfang der Prozessionen und öffentlichen Verehrung gezeigt wurde. Im Anfang sah ich die Kirchen nur als sehr einfache Versammlungshäuser. Nachher erhielten die Christen große Tempel auch von den Heiden, welche geweiht wurden; da blieb das Sakrament schon darin. Ich sah auch, daß die Christen das Abendmahl in die Hand empfingen und dann aßen. Ich sah, daß die Frauen es mit einem Tüchlein anfassen mußten. Ich sah, daß die Christen das Sakrament auch in einer Zeit mit nach Haus nehmen durften und in einer Büchse oder einem Kästchen mit einem Schieber am Hals hängen hatten, worin es zwischen einem Tüchlein lag. Ich sah, daß, als dieser Gebrauch abkam im allgemeinen, es doch noch lange hie und da einzelnen Frommen gestattet wurde. So hatte ich hintereinander sehr viele Bilder von dem heiligen Sakrament, dessen Empfang und Verehrung, auch vom Kommunizieren unter beiderlei Gestalt. Ich sah im Anfang und zu einzelnen Zeiten die Christen in großem Glauben, Einfalt und Erleuchtung, zu anderer Zeit in Verführung und Verwirrung und Verfolgung. Ich sah die Kirche auf Antrieb des Heiligen Geistes bei dem Sinken der Andacht und Verehrung des heiligsten Sakramentes mancherlei Änderungen in seinem Gebrauche anordnen; bei den von der Kirche Abfallenden sah ich das Aufhören des Sakramentes selber.
Ich erhielt auch die Ursachen jeder Veränderung. Ich sah das Fronleichnamsfest und die öffentliche Verehrung zur Zeit großen Verfalles einsetzen und unbeschreibliche Gnade dadurch über die Gemeinden und die ganze Kirche kommen. Ich sah unter vielen Bildern auch eine große Feierlichkeit in einer mir bekannten Stadt, ich glaube Lüttich. Dann sah ich in einem fernen heißen Lande, wo Früchte wie Datteln wuchsen, in einer Stadt die Christen in der Kirche versammelt und den Priester am Altare, vor der Kirche aber ein schreckliches Getümmel. Ein tyrannischer, wilder Mann ritt auf einem weißen Pferde, und viele Leute zerrten sich mit einem ganz unbändigen Tiere herum, das wie wütend war und alle Leute in den größten Schrecken setzte. Es war, als wolle der Tyrann das Tier zum Spott in die Kirche treiben lassen. Und ich glaube, er sagte, nun sollten die Christen sehen lassen, ob ihr Gott von Brot ein Gott sei. Die Leute in der Kirche waren in der größten Angst; ich sah aber den Priester mit dem Sakrament nach der Seite hin den Segen geben, von der sich der Tyrann mit der Bestie näherte. In demselben Augenblick stand das wütende Tier wie angewurzelt. Hierauf näherte sich der Priester der Türe mit dem Sakrament, und kaum trat er dem Tiere entgegen, als er sich demütig nahte und auf die Knie niederfiel, worauf ich den Tyrannen und alle seine Begleiter ganz verwandelt sah. Sie knieten nieder und gingen in die Kirche und bekehrten sich.
Ich war auch diese Nacht in unbeschreiblich heftigen inneren Peinigungen, so daß ich wohl oft hätte laut aufschreien mögen. Diese Pein zieht durch alle Glieder, und ich sehe dann dazwischen allerlei Bilder, wofür ich diese Schmerzen leide. Es ist für alle Mängel in den Gliedern, in der Gemeinde, in der Kirche bezüglich des Genusses, der Verehrung des heiligsten Sakramentes. Ich hatte auch ein Bild, das ich nicht aussprechen kann, wie der Herr selbst an Orten, wo schlechte Priester sind, die Gemeinde durch wunderbare Führungen schützt und einzelne Glieder erweckt.»
Am 2. Juni fand sie der Pilger mit munterem Antlitz, doch ganz von Schmerzen und Peinen zerschmettert. Sie konnte sich kaum rühren und wußte von allen Bildern der Nacht nichts, als daß sie die ganze Zeit in Pein gelegen, welche immer stieg und durch alle Glieder des Leibes bis in die Fingerspitzen stechend und peinigend zog. Diese Schmerzen hatten immer eine bestimmte Bedeutung und waren zu dieser oder jener Sühnung oder Abwendung bestimmt. Sie wußte auch fortwährend, für was sie litt, und hatte am Eingang der Nacht wieder das Gesicht von dem Garten der hl. Clara von Montefalco, welche ihr zeigte, daß die acht Felder dieses Gartens die acht Tage der Feier des heiligsten Sakramentes bedeuten, und daß sie bereits drei Felder bestellt habe. Sie hatte wieder mystische Erklärungen über die Bedeutung der Pflanzen bezüglich auf Schmerz.
3. Juni. «Ich fand sie», berichtet der Pilger, «abermals ganz unbeschreiblich zermartert. Sie hatte heute nacht unbeschreibliches Elend gelitten, sie hat auch viele einzelne Not gesehen, Bilder von Menschen, welche sich in ihr Gebet befehlen. Sie kann nur wenig sprechen und bittet mich, zweier Hauptübel im Gebet eingedenk zu sein. Einmal habe sie eine Familie auf dem Land in Sorgen und Angst wegen eines bevorstehenden Unglücks gesehen. Das andere sei Elend und Kummer, der einer Familie in der Stadt bevorstände wegen Sünde. Diese Sachen seien ihr innerlich ganz besonders empfohlen.» Am Sonntag in der Fronleichnamsoktave fand sie der Pilger wie seit dem Vorabend des Festes, in womöglich noch größerer Ermattung von Marter der mannigfaltigen Genugtuung für einzelne Sünder und die Kirche. Sie sagte: «Ich bringe die Nacht in unbeschreiblicher Pein mit vollem Bewußtsein wachend zu, und es werden meine Schmerzen allein durch die Bilder einzelner Notleidenden und Hilfsbedürftigen unterbrochen, welche sich meinem Gebete empfehlend und ihre Not aussprechend oder zeigend an mein Bett herantreten wie Menschen, die mich bei Tage besuchen.» Sie ist von ihrer Arbeit so ermattet, daß sie anfänglich glaubt, gar kein Bild gehabt zu haben; doch erzählte sie später: «Ich befand mich in einer großen Kirche. Ich sah die Kommunionbank darin, welche unbeschreiblich groß war. Es waren aber draußen viele Häuser und Paläste, und ich sah Priester und Laien hinausgehen in die Häuser und die Leute zum Sakrament rufen, und sah allerlei Entschuldigung und überall was anderes; so sah ich in einem Hause junge Leute scherzen und tändeln usw. Ich sah die Diener aber nun wieder hinausgehen und von den Straßen allerlei Krüppel, Arme, Lahme und Blinde einladen. Und ich sah nun sehr viele solcher Krüppel hereingehen, die Blinden aber geführt und die Lahmen getragen von denen, welche für sie beteten. Ich hatte Arbeit zum Erliegen. Ich erkannte viele dieser Krüppel, welche ich doch im wachen Zustand ganz gesund weiß. Einen blinden Bürger fragte ich, wodurch er denn blind geworden, ich hätte ihn doch gesund geglaubt. Er wollte aber gar nicht wissen, daß er blind sei. Ich fand auch ein Weib, das ich in seiner Jugendzeit gekannt und seither nicht mehr gesehen, und ich fragte sie, ob sie vielleicht in der Nähe zum Krüppel geworden; aber sie meinte auch, sie sei kein Krüppel. Die Kirche aber war noch lange nicht voll.» Des Nachmittags ließ sie einen Bürger rufen, um ihn zur Milde gegen seine Frau zu ermahnen, die er mißhandelt hatte. Er weinte sehr; die Frau wird auch kommen. Sie tat dieses durch innere Mahnung.
Auch die von ihr auf dem Fest gekleideten Kinder waren bei ihr und dankten weinend. Danach fiel sie wieder in ihre seelischen Schmerzen, sie zitterte am ganzen Leibe, ja es ist kaum genug gesagt, ihre Glieder bebten vor Schmerz. Dabei wurden ihre Mittelfinger wieder eingekrümmt, ihre Wunden röteten sich. Ihr Angesicht war hierbei noch immer klar und freundlich, ja voll Freude, mit Jesu zu leiden; aber ihr Schmerz ward bald heftiger und steigend. Sie sagte in der Ekstase, es wäre ihr jetzt gar hart, sie sei gegen Mittag schon an den Feigenbaum im Garten gekommen und habe eine von den Feigen genossen, sie seien voller Pein. Sie habe jetzt noch vier Beete zu bestellen (vier Tage der Oktave). Es stände auch noch ein Rosenstock voll Rosen, der mit lauter Dornen umgeben sei, bei dem Brunnen. Sie habe kein Gebein der hl. Clara von Montefalco, sie sei selbst zu ihr gekommen als aus ihrem Orden, und weil sie auch gelitten, und um ihr den Garten leichter zu machen, der ihre Arbeit in dieser Oktave sei. Das Leiden steigt. «O wären die vier Tage um!» seufzte der Pilger.
Diese Leiden hielten ohne Unterbrechung bis zum Abend des 7. Juni an. Sie bestanden nicht in örtlichen Schmerzen, sondern es war ein Gemartertwerden durch alle Gebeine und Nerven, verbunden mit triefenden Schweißen, welche durch Erkälten ihr häufig Bluthusten zuzogen. Die Zunge war oft stundenlang krampfhaft gekrümmt und in den Schlund zurückgezogen. Clara von Montefalco begleitete sie fortwährend bei den Arbeiten in dem geistlichen Garten. Nahte der Morgen, so blickte sie dennoch mit Sehnsucht auf die Nacht und die in ihr ausgestandenen Peinen zurück, die wie Blitze, Hagelschauer, Schneestürme und Brand durch ihre Gebeine jagten; denn sie hatte unter Tags auch alle äußeren Störungen zu ertragen, welche ihre Geduld auf die härteste Probe stellten. Am 5. Juni hatte sie ein Gesicht vom hl. Bonifatius.
«Ich war in einer Kirche vor dem heiligsten Sakrament», erzählte sie, «in deren Mitte hohe Stufen sich befanden, auf denen ich den heiligen Bischof erblickte. Die Stufen waren besetzt mit Menschen jeden Geschlechts und Alters, die in alte Trachten und selbst in Felle gekleidet waren. Sie hörten mit offenem Munde einfältig und unschuldig zu, und ich sah rund über dem heiligen Bischof herab ein Licht wie Strahlen des Heiligen Geistes in verschiedener Stärke auf sie niederfallen. Bonifatius war ein starker, großer und ganz begeisterter Mann. Ich hörte auch, daß er sprach, wie der Herr die Seinigen sich erwähle und ihnen frühe schon seine Gnaden und seinen Heiligen Geist gebe; daß aber die Menschen mitwirken müßten, die Gnaden lebendig zu erhalten und zu gebrauchen; denn sie seien jedem gegeben, auf daß er ein Werkzeug in der Gemeinde Gottes werde. Es werde jedem ihrer Glieder die Kraft und Fähigkeit gegeben, nicht allein für sich, sondern auch für den ganzen Leib zu handeln. Der Herr aber gebe schon den Kindern ihren Beruf, und wer zur Belebung der Gnade nicht mitwirke und sie nicht in sich über oder auch in andern belebe, der beraube den Leib einer Hilfe, welche er ihm zu leisten habe, und werde dadurch ein Dieb an der Gemeinschaft. Es solle daher jeder sehen, wen er in dem andern zu lieben und zu fördern habe, nämlich ein Glied des einen Leibes, ein Werkzeug des Heiligen Geistes, welches der Herr sich erwählt. Darum sollten besonders die Eltern dieses in den Kindern betrachten und die Werkzeuge, welche aus ihnen der Herr für seinen Leib, für die Kirche erwählt, nicht unbrauchbar machen, sondern beleben und entwickeln und zur Mitwirkung anleiten; sie könnten nicht ermessen, welch großen Raub sie durch das Gegenteil an der Gemeinde vollführten. — Ich hatte auch noch eine innere Unterweisung, wie es trotz der Bosheit der Menschen und des Verfalles der Religion doch zu keiner Zeit der Kirche an lebendigen, arbeitenden Gliedern gefehlt habe, welche der Heilige Geist erweckt habe, für die Mängel der ganzen Gemeinde zu beten und in Liebe zu leiden. Und in den Zeiten, wo solche lebendige Glieder nicht bekannt seien, wirkten sie im verborgenen desto lebendiger, und dieses sei auch jetzt der Fall. Nun sah ich nach vielen Weltrichtungen zwischen dunkeln Gegenden einzelne Szenen von frommen, betenden, lehrenden und leidenden Menschen, welche für die Kirche arbeiteten. Unter allen diesen Bildern, welche mich in meinen Schmerzen freudig machten und stärkten, waren mir folgende besonders erquickend.
Ich sah in einer großen Stadt am Meere, weit von hier gegen Mittag, eine kranke Klosterfrau in dem Hause einer tätigen, frommen Witwe. Sie wurde mir gezeigt als eine fromme, von Gott erwählte Person, für die Kirche und allerlei Not zu leiden. Ich sah, daß sie die Wundmale hatte, was aber nicht bekannt war. Sie war groß und ganz abgemagert und war aus einem andern Ort her, hier bei der Witwe aufgenommen, welche mit ihr und einigen Priestern alles teilte. Die Frömmigkeit der übrigen Leute in der Stadt gefiel mir nicht. Sie hatten viele äußerliche Andachten und waren dabei doch in allen Ausschweifungen ebenso eifrig.
Weit von diesem Orte, mehr gegen Abend, sah ich in einem alten, aufgehobenen Kloster einen alten, schwachen Laienbruder, der nur in der Stube noch ein wenig gehen konnte. Auch er wurde mir gezeigt als ein Werkzeug des Gebetes und des Leidens für andere und die Kirche. Ich sah viele Leute, welche Kummer hatten, auch Kranke und Arme bei ihm Trost und Hilfe finden. Es wurde mir gesagt, daß solche Werkzeuge der Kirche Gottes nie gefehlt haben und nie fehlen würden, und daß sie immer dahin von der Vorsehung gestellt würden, wo sie am nötigsten seien, dicht neben das Verderbnis.»
Mittwoch, den 7. Juni, abends 9 Uhr, als die Not am höchsten gestiegen war, sanken die Schmerzen und zogen fühlbar aus ihrem Gebein ab. In den letzten Tagen war es, nachdem alles in ihr durchpeinigt war, besonders noch die Haut, welche auf allen Punkten mit unausstehlicher Pein schmerzte. Mit dem Sinken der Schmerzen trat aber eine Todesmüdigkeit ein. Sie konnte kein Glied mehr regen, kein Zeichen, keinen Laut, keinen Wink von sich geben. Der Beichtvater ward hierüber sehr besorgt und tat viele Fragen an sie; sie verstand ihn wohl, konnte aber erst nach einigen Stunden unter Tränen mit leisem Stammeln erwidern, sie könne nicht antworten, sie sei wie tot, aber die Schmerzen seien vorüber. Am andern Morgen, Donnerstag früh, fand sie der Pilger leichenblaß, aber ohne Pein. Sie war, nach seinen Worten, am Wege hingesunken nach erreichtem Ziele, man konnte sagen, sie sei nicht gestorben in der Pein, aber ob sie sich erholen werde von den Folgen dieser Zustände, konnte man nicht wissen. Sie sagte später, der Arzt habe von Chinarinde gesprochen; sie aber habe ihm bedeutet, sie habe jetzt kein Fieber, in solchen Schmerzen werde sie immer kalt. Gott allein könne ihr helfen. Sie sagte, Jesus, ihr himmlischer Bräutigam, habe allein geholfen, sie habe seine Annäherung, seine Mitteilung, seine Erquickurig genossen. Er sei unbeschreiblich süß und gütig gewesen. Auch Clara von Montefalco sei bei ihr gewesen und habe gesagt, die Arbeit sei nun fertig, der Garten sei diese ihre Marter gewesen, der Weinstock sei das Blut Jesu Christi, der Springbrunnen sei das Sakrament, Wein und Wasser müßten zusammenkommen. Der Rosenstock bei dem Brunnen, der so viel Dornen habe, sei nicht zu erreichen als ganz zuletzt. Sie ist zu schwach, Näheres mitzuteilen, doch gesteht sie, daß sie beim Anbruch des Morgens das Te Deum, die Bußpsalmen und ihre Litaneien zum Danke gebetet habe; sie müsse nun aber vier Tage Ruhe haben, alles fernhalten, sich allein Gott überlassen, sonst müßte sie infolge der überstandenen Peinen sterben. Als sie ihrer Schmerzen gedenkt, muß sie in Erinnerung an deren Heftigkeit und der Barmherzigkeit mit ihr weinen. Ihre Umgebung kann beim Anblick ihrer erschrecklichen Abmagerung sich des Mitleids nicht erwehren.»
Die so flehentlich begehrte Ruhe ward ihr zuteil. Niemand aus der Umgebung, selbst dem Pilger nicht, kam es in den Sinn, ihre Worte buchstäblich zu nehmen. Obwohl er am 9. Juni berichten mußte: «Ich fand sie totenblaß und schwach. Sie kann keine Ruhe finden, niemand weist die Störungen ab. Sie sagte, da sie ihre Marter in der Vereinigung mit Jesu Leiden vollendet, so müsse sie nun auch drei Tage mit ihrem Leibe ruhen, wie der Leib Jesu im Grabe geruht. Sie weiß nicht, ob sie davonkommen wird. Der Arzt wollte sie mit Spiritus einreihen; doch der Beichtvater, der ihren Tod erwartete, wagte eine Einsprache, und es unterblieb» — so konnte sie doch kaum seiner Fragen und Ausforschungen sich erwehren, weil er «aus ihrem Innern und den fortdauernden Gesichten schließen wollte, daß es sich noch nicht zum Ende neige, wenngleich der Beichtvater an ihrem Aufkommen zweifle.» Der letztere stand an ihrem Bette und dachte, er wolle sie durch Darreichung der konsekrierten Finger stärken; kaum war der Gedanke in ihm aufgestiegen, als sie plötzlich ihr Haupt erhob und nach seiner Hand hin bewegte.
In dieser Verlassenheit kam Hilfe von der hl. Clara von Montefalco, Juliana von Lüttich und dem hl. Antonius von Padua. Die erstere erschien ihr und sagte:
«Du hast den Garten des heiligsten Sakramentes wohl bestellt, und deine Arbeit ist nun vollbracht. Du bist aber sehr herunter, ich muß dir eine Labung bringen.» «Nun sah ich», erzählte Anna Katharina, «in demselben Augenblick die Heilige ganz leuchtend von oben zu mir niederkommen, und sie brachte mir einen dreieckigen Bissen, auf dessen beiden Seiten ein Bild eingedrückt war; danach verschwand sie. Ich aß diesen Bissen mit großer Erquickung; ich bin mir gewiß, daß ich mehrmals davon ordentlich gebissen habe, er schmeckte sehr süß und labte mich sehr. Das Leben ist mir wieder geschenkt worden; ich habe es nur durch Gottes Gnade. Ich lebe noch, kann meinen Heiland noch lieben, noch mit ihm leiden, ihm noch danken und ihn preisen! ... Ich sah auch die acht Beete, die ich im Garten der hl. Clara in diesen acht Tagen zu bestellen hatte, was ohne die Gnade Gottes eine ganz unmögliche Arbeit gewesen wäre. Der Feigenbaum bedeutete Trostsuchen, schwache Nachgiebigkeit, Schonenwollen. So oft ich am Weinstock im Garten zu tun hatte, war ich mit im Kreuz ausgespannten Armen an ihn gebunden ... Ich erblickte auch, was ich in den acht Tagen erarbeitet hatte, für welche Schulden ich genuggetan und welche Strafen abgebüßt. Ich sah dies bei einer Prozession mit dem heiligsten Sakrament. Es war dies ein geistiges Kirchenfest, bei welchem die Seligen die Schätze der Gnaden feierten, welche in diesem Jahre der Kirche durch die Anbetung des heiligsten Sakramentes gewonnen wurden. Diese Gnaden waren in Formen der kostbarsten Kirchengefäße, Edelsteine, Perlen, Blumen, Trauben, Früchte aufgestellt. Die Prozession wurde von weißen Kindern geführt, denen Klosterfrauen aus allen Orden folgten, welche besondere Andacht zum heiligsten Sakrament getragen hatten. Alle hatten ein Abzeichen wie die Figur des heiligsten Sakramentes auf ihren Habit gestickt. Juliana von Lüttich führte sie an; auch Norbertus sah ich mit seinen Ordensleuten, denen sich Unzählige aus allen Orden und der Priesterschaft anschlossen. Es war eine unbeschreibliche Wonne, Süßigkeit und Einstimmigkeit in allem, was vorging . . .
«Ich hatte auch ein Bild über die Mängel des irdischen Gottesdienstes und deren übernatürliche Ergänzung. Es ist mir aber schwer, ja unmöglich, zu sagen, wie ich dies alles sehe, und wie die Bilder alle ineinandergreifen und harmonieren, und wie eins sich durch das andere durchschiebt, und wie ein Bild im andern dasselbe erklärt. Besonders merkwürdig ist, wie die Mängel und Vernachlässigungen des irdischen Gottesdienstes nur den Versäumenden die Schuld mehren, dem Herrn sein gebührender Dienst aber auf eine höhere Weise ersetzt wird. So sehe ich unter anderem die Zerstreuung der Priester bei heiligen Handlungen, z. B. der Messe, ganz wesentlich, indem ich ihre Person wirklich da sehe, wo gerade ihre Gedanken sind, und währenddem einen heiligen Vertreter statt ihrer am Altar. Diese Bilder zeigen die Größe der Schuld einer so unandächtigen Behandlung der göttlichen Geheimnisse auf eine gräßliche Weise. So sehe ich z. B. einen Priester im Meßgewand aus der Sakristei treten; aber er geht nicht zum Altar, er läuft zur Kirche hinaus in ein Weinhaus, in einen Garten, zu einem Jäger, einer Jungfer, einem Buch, in eine Gesellschaft, und ich sehe ihn bald da bald dort, wie seine Gedanken abspringen, als sei er persönlich da, welches ganz erbärmlich und schändlich aussieht. Es ist aber ungemein rührend zu sehen, wie unterdessen ein heiliger Priester an seiner Stelle am Altar den Dienst tut. Oft sehe ich ihn wohl auch unter dem Amt einigemal zurücktreten an den Altar; aber dann auf einmal an irgendeinen unschicklichen Ort zurücklaufen. Manchmal sehe ich ganze Perioden lang diese Umherschweifungen. Die Besserung, die ich sehe, erscheint dann als andächtiges Bleiben und Sammlung beim Dienst usw. Ich sah in mehreren Gemeinden viel Staub und Kot von den heiligen Geschirren gefegt und alles blank und neu.»
In der Nacht vom 12. auf den 13. Juni empfing sie tröstende Bilder aus dem Leben des hl. Antonius.
«Ich sah diesen lieben Heiligen», erzählte sie, «sehr fein und edel gebildet. Er war sehr gewandt und behende und erinnerte mich an Xaverius. Er hatte schwarze Haare, eine feine spitze Nase, dunkle sanfte Augen und an seinem Kinn einen kleinen gespaltenen Bart. Seine Farbe war sehr weiß und bleich. Seine Kleidung war braun, er trug auch ein Mäntelchen, doch nicht ganz wie die jetzigen Franziskaner. Er war sehr rasch, voll Feuer und doch voll Sanftmut.
Ich sah den hl. Antonius ganz eifrig an einem Meeresufer in einen Busch gehen; als er darin war, stieg er in einen Baum, dessen Zweige sich tief unter ihm ausbreiteten. Ich sah ihn von Ast zu Ast steigen; denn kaum hatte er sich hineinbegeben, so ergoß sich das Meer in das Gebüsch, und alle Bäume standen im Wasser. Ich sah aber, wie eine unbeschreibliche Menge von großen und kleinen Fischen der verschiedensten Gestalt und allerlei Meertiere mit dem Wasser hereingekommen waren und aus dem Wasser ganz ruhig nach dem Heiligen emporschauend ihm zuhörten. Nach einer Weile segnete er sie mit seiner Hand, und das Meer kehrte mit den Fischen zurück. Es blieben aber viele auf dem Lande liegen, welche der Heilige, da er herabgestiegen, den weichenden Wellen nachschob. Ich hatte dabei das Gefühl, als liege ich in diesem Gebüsch in einem zarten Moosbett, und es blieb neben mir auf dem Bett ein wunderliches Meertier liegen, platt und breit, einen Kopf wie ein Beil so rund, das Maul unten, auf dem Rücken grün mit goldenem Streif, goldene Augen, goldene Flecken auf dem Bauch. Alles, was in dem Wäldchen geschah, war wie von Nacht umgeben, alles war darum her dunkel; nur wo Antonius ging und um ihn her war es licht.
«Ich sah den hl. Antonius wieder aus dem Wäldchen am Meere gegangen. Er kniete nieder und wendete sich einer weit entfernten Kirche hin mit seiner Seele, zu dem heiligsten Sakramente. Ich sah zugleich in weiter Entfernung diese Kirche und das heiligste Sakrament in einem Behälter auf dem Altar und sah sein Gebet dahin. Ich sah aber einen kleinen bucklichen, alten Mann mit häßlichem Angesicht hinter Antonius hergelaufen kommen. Er hatte einen weiß geflochtenen, hübschen runden Korb, der unten und oben am Rande mit anderer Farbe, vielleicht mit braunen Weiden kraus geflochten war. Der Korb war voll schöner, wohlgeordneter Blumen. Er wollte sie dem Heiligen geben, er stieß ihn an; aber dieser hörte und sah nichts und kniete, immer nach dem heiligsten Sakramente hinschauend, im Gebete unbeweglich. Da sah ich, daß der alte Mann den Korb mit den Blumen hinstellte und fortging. Ich sah aber, als nähere sich die ferne Kirche dem betenden Antonius, und ich sah, daß aus dem heiligsten Sakramente wie eine kleinere Monstranz herausging und sich wie in einem Lichtstrome, von dem entzückt Betenden angezogen, gegen ihn bewegte und in einiger Entfernung vor ihm in der Luft schwebend stehen blieb. Dann sah ich aus dieser Monstranz ein kleines, ungemein leuchtendes, liebliches Jesuskind ausgehen und sich auf die Schulter des Heiligen setzen und ihn liebkosen. Nach einiger Zeit begab sich dies Kind in die Monstranz zurück und diese wieder in das Sakrament auf dem Altar der fern gewesenen Kirche, welche nun nahe war. Den Heiligen sah ich aber die Blumen stehen lassen, und als wäre er nun auf einmal in der Stadt, bei der jene Kirche stand.
Ich sah den hl. Antonius wie auf einem Fechtplatz vor jener Stadt, die am Meere lag, mit vielen Menschen im Disput. Es war aber besonders ein heftiger, zorniger Mann dabei, der gegen den Heiligen scharf mit Worten auftrat. Da sah ich, als bestimmten die beiden etwas untereinander, und daß Antonius heftig in heiligem Eifer mit seinen beiden Armen unter seinem Mäntelchen hervorfuhr, als beteuere er etwas, und daß er, sich aus der Versammlung Platz machend, den Ort verließ. Dieser Ort war eine große Wiese mit Bäumen besetzt und mit einer Mauer umgeben längs dem Meere vor der Stadt. Er war voll von Menschen, die herumwandelten oder dem Heiligen zuhörten. Hierauf hatte ich ein anderes Bild. Ich sah Antonius in einer Kirche die Messe lesen und sah von der Kirche einen weiten Weg bis zum Stadttore mit einer erwartenden Volksmenge besetzt. Ich sah aber jenen Mann, welcher so heftig mit Antonius gestritten hatte, einen großen Ochsen mit langen Hörnern zur Stadt führen. Indessen hatte der Heilige die Messe vollendet und ging feierlich mit einer konsekrierten Hostie zur Kirchentüre hin. Als er dieses tat, war der Ochse am Stadttore nicht mehr zu halten, sondern riß sich plötzlich von seinem Führer los und eilte im schnellsten Laufe durch die Straßen nach der Kirche hin. Der Mann lief ihm nach und vieles Volk, so daß Weib und Kind übereinanderstürzten, aber sie konnten ihn nicht einholen, und als sie ankamen, lag der Ochse bereits an der Erde ganz niedergedrückt und streckte seinen Hals weit und demütig niedergebeugt gegen das heiligste Sakrament aus, welches Antonius, vor der Kirche stehend, ihm entgegenhielt. Der nachgelaufene Mann streute ihm Futter vor; aber der Ochse berührte nichts und verließ seine Stellung nicht. Hierauf fiel der Mann und alles Volk demütig vor dem heiligsten Sakrament nieder und erkannten es anbetend an. Nun ging Antonius mit dem heiligsten Sakrament zur Kirche wieder hinein und die Menge mit ihm, und nun erst sah ich den Ochsen sich erheben und zum Tore zurückgeführt das dargereichte Futter verzehren.
Ich sah, wie ein Mann sich bei Antonius anklagte, daß er seine Mutter mit dem Fuße gestoßen habe. Nachher sah ich diesen Mann in einem andern Bilde durch die Ermahnung des hl. Antonius so zerknirscht, daß er sich das Bein abhauen wollte, womit er seine Mutter getreten; und ich sah, wie Antonius ihm in demselben Augenblick erschien und ihm den Arm zurückhielt.»
15. Juni. «Ich wendete mich mit meinem Gebet an das heilige Sakrament und ward im Geiste in die Kirche entrückt, worin das Fronleichnamsfest zuerst auf Erden gefeiert wurde. Die Kirche war auf alte Art mit alten Bildern, sie sah aber noch nicht alt und verbraucht aus, und es war schön hell in derselben. Ich kniete vor dem hohen Altar. Das Sakrament war in keiner Monstranz, sondern stand im Tabernakel in einer hohen Büchse, auf der ein Kreuz war. Man konnte aus dieser runden Büchse ein Gestell von drei Abteilungen herausziehen. Die oberste enthielt mehrere kleine Gefäße mit heiligen Öl; die mittlere ein Gefäß, worin mehrere konsekrierte Hostien waren, und die untere eine Flasche wie von Perlmutter schimmernd, und es war mir, als sei Wein darin. An dieser Kirche war ein Kreuzgang, in welchem mehrere fromme Jungfrauen wohnten. Auf der einen Seite war aber ein kleines Häuschen an die Kirche angebaut, in welchem eine sehr fromme Jungfer wohnte, welche Eva hieß. Sie hatte ein Fensterchen aus ihrer Kammer, welches mit einem Schieber verschlossen war, und durch welches sie bei Nacht und Tag, wenn sie es öffnete, gerade nach dem heiligsten Sakrament auf den Hochaltar sehen konnte. Sie hatte eine große Andacht zum heiligsten Sakrament, und ich habe sie in all ihrem Wesen gesehen. Sie war ansehnlich und war nicht ganz wie eine Klosterfrau, sondern mehr wie eine Pilgerin gekleidet. Sie war nicht von diesem Orte, sondern von wohlhabendem Stand und anderwärts hierher gezogen, allein um in Andacht bei der Kirche zu leben. Dann sah ich auch in der Nähe dieser Stadt auf einem Berge ein Kloster. Es war nicht wie sonst ein Kloster gebaut, es waren mehrere nach und nach zusammengebaute Häuser. Ich sah da auch die selige Juliana[30] als Klosterfrau, welche das Fronleichnamsfest veranlaßt hat. Ich sah sie in einem grauen Ordenshabit im Garten in großer Unschuld umhergehen und in Betrachtung vor den Blumen. Ich sah, daß sie neben einer Lilie niederkniete und in geistiger Betrachtung der Reinigkeit war. Ich sah sie auch im Gebete wegen des Auftrages das Fronleichnamsfest einzuführen. Sie war sehr bekümmert, und ich sah, wie ihr ein anderer Geistlicher gezeigt wurde, dem sie ihre Offenbarung bekanntmachen sollte, da ein früherer ihre Mitteilung nicht gut aufgenommen hatte.
Dann sah ich zugleich, während sie betete, in der Ferne ein Bild von einem betenden Papste neben welchem die Zahl IV stand, und sah, daß er, durch ein Gesicht und eine Gnade, die ein anderer durch das heiligste Sakrament erhalten hatte, bewegt, sich vornahm, das Fest in der Kirche einzuführen.
Zwischen diesen Bildern fand ich mich immer wieder in der Kirche vor dem Altar und Sakrament und sah zuerst einen leuchtenden Finger aus demselben hervortreten, der nachher eine Hand wurde, und sodann sah ich die ganze Gestalt eines leuchtenden Menschen vor mir stehen, welcher über und über mit Perlen bedeckt war; und er sprach zu mir: <Siehe, alle diese Perlen sind da, keine ist verloren, und alle können sie sammeln!> Die Strahlen dieses Jünglings erleuchteten die Welt. Da fuhr ich fort zu danken und erkannte in diesem Bilde, wie nach und nach das heiligste Sakrament mit allen seinen Gnaden in die Anbetung der Gläubigen eingetreten ist.»
An demselben Tage erzählte sie auch: «Ich sah um 12 Uhr mittags über einer schönen fruchtbaren Landschaft am Horizont fünf breite, sonnenfarbige Lichtbahnen eine große Kuppel bilden. Diese Lichtbahnen stiegen von fünf fernliegenden großen Städten wie Regenbogenteile durch den blauen Himmel auf und schlossen sich über der Mitte der schönen Landschaft zu einer Kuppel, auf welcher mit unbeschreiblichem Glanze das heiligste Sakrament erschien, stehend auf einem Throne und umgeben von einer wunderbar verzierten Monstranz. Ich sah über die fünf Bogen auf und nieder unzählige Engel schweben, als zögen sie von jenen Städten zum Sakrament und von diesem wieder in jene zurück. Die Feierlichkeit, den Trost und die Andacht, welche dies Bild gewährte, kann ich nicht aussprechen.»
Am 7. Februar 1821 schied der vieljährige treueste Freund Anna Katharinas, Abbé Lambert, aus diesem Leben. Wie wunderbar sind die Wege Gottes! Aus dem Herzen Frankreichs ward dieser gottselige Priester herbeigerufen, um durch zwei Jahrzehnte hindurch der Hüter einer Seele zu sein, welche berufen war, durch die standhafteste, treueste Übung aller christlichen Tugenden den allerheiligsten Namen Gottes zu verherrlichen und durch ihr ununterbrochenes Gebets- und Opferleben ein Gefäß der Gnade für zahllose Seelen zu werden. Lambert ahnte das Geheimnis ihres an Gnaden und Leiden so überreichen Lebens; und darum trug er kein anderes Verlangen, als diesen Schatz ihr selber unerkannt und aller Welt verborgen zu erhalten. Und da sie aus der Verborgenheit hervorgezogen und um ihrer Wundmale willen dem Hohne des Unglaubens preisgegeben wurde, hielt er treu und standhaft bei der verfolgten Unschuld aus. Dafür war aber auch Anna Katharina diesem edlen Priester stets in größter Dankbarkeit zugetan, und da ihn seine letzte, langwierige und höchst schmerzliche Krankheit ans Bett fesselte, war es Anna Katharina, welche ihm durch ihr mächtiges Gebet und ihre Opfer Geduld, Stärke, Trost und endlich das höchste Glück erflehte, das ein Sterblicher sich wünschen kann, die Gnade eines gottseligen Todes.
Am Tage seines Begräbnisses, am 9. Februar, erzählte sie dem Pilger: «Ich hatte den Kreuzweg gebetet und war (im Gesicht) dem Leichenzuge am Kirchhofe entgegengekommen. Nachher habe ich dem Gottesdienste beigewohnt und mit großer Anstrengung das Offizium mitgesungen. Ich sehe nun Lambert in einem himmlischen Garten, wo noch andere Priester und Seelen seiner Art sind. In seiner Sterbestunde sah ich den hl. Martinus (seinen Namenspatron) und die hl. Barabara, die ich um Hilfe angefleht, bei ihm.»
Wenige Tage nach dem Tode Abbé Lamberts sah sich Anna Katharina im Gesichte gleichsam in der Schwebe zwischen Leben und Tod; ihre Liebe zu den Seelen aber, in der sie sich zu neuen Leiden anbot, verschob ihre Auflösung. Das Tagebuch des Pilgers berichtet unter dem 14. Februar 1821: «Der Pilger fand sie diesen Morgen todesschwach, aber voll Frieden. Sie konnte nur leise reden und sprach: <Ich lebe noch durch die Barmherzigkeit Gottes. Ich sah während der Nacht zwei Chöre von Heiligen und Engeln über mir. Sie reichten sich Blumen, Früchte, Buchstaben über mir zu; es war, als wolle ein Teil mich tot, der andere noch lebend haben. Ich selbst glaubte, daß ich nun sterbe. Ich war nicht mehr in meinem Leibe. Ich sah ihn liegen und wurde sanft emporgehoben und sah mich von Heiligen umgehen. Ein Teil bat für mein Leben, der andere für mein Sterben, und sie schenkten mir Gebet und Verdienste. Ein Heiliger zeigte mir einen sterbenden Mann in Münster, mit dem es sehr übel stehe, und sagte, ich solle knien und beten. Ich schenkte dem Sterbenden das Gebet der Heiligen, das sie für mich verrichtet und da ich nicht wußte, ob mein Beichtvater mir erlaube, kniend zu beten, da er es mir den Tag über öfter verboten hatte, sendete ich den Heiligen zu ihm, ihm zu fragen; da er wieder kam und es mir erlaubt wurde, kniete ich und betete. Ich sah, daß ein Priester zu dem Sterbenden kam.»
Von nun an bis zu ihrem Tode waren nächst dem Erzählen des Lebens Jesu die Sühnungsleiden für Kranke und Sterbende eine der Hauptaufgaben Anna Katharinas. Wie groß der Erfolg dieser Tätigkeit zum Heile der Seelen gewesen ist, wird erst am großen Gerichtstage vollkommen offenbar werden; daß er aber sehr groß gewesen ist, läßt sich aus dem ganzen Leben Anna Katharinas, wie wir es bisher kennengelernt, leicht abnehmen, sowie auch aus den furchtbaren Anfechtungen, mit denen der Feind der Seelen, der Satan, auch in diesem Zeitraum die Dulderin bestürmte, um ihr Wirken zu hindern.
Am 17. Februar 1821, Sonntag Quinquagesima, erzählte sie dem Pilger: «Ich habe eine schreckliche Nacht gehabt. Dreimal wurde ich vom Satan angefallen und heftig mißhandelt. Er kam von der linken Seite meines Bettes, eine finstere, zornige Gestalt. Er fiel mich mit grimmigen Drohungen an. Ich wies ihn von mir, betete; aber er schlug mich und warf mich hin und her. Seine Schläge waren heiß und feurig. Endlich wich er. Ich betete und rief Gott um Hilfe an. Der Satan kam nochmals, schlug mich und zerrte mich hin und her. Ich überwand ihn wieder, rief zu Jesus um Hilfe und lag lange zitternd in argen Peinen. Gegen Morgen kam er zum drittenmal. Er mißhandelte mich, als wolle er mir alle Glieder zerbrechen. Sie krachten, wo er mich anfaßte. Ich hatte die Reliquien bei mir und auch die Kreuzpartikel. Der Satan wich. Mein Bräutigam erschien mir und sagte: <Du bist meine Braut!> Da wurde ich ruhig. Als es Tag wurde, fand ich alles in der Stube in Unordnung vom Feinde gebracht.»
In der darauffolgenden Nacht wiederholten sich diese Anfälle.
«Der Feind», sagte sie, «kam zu mir in verschiedenen Gestalten, riß mich an den Schultern und schleuderte seine Vorwürfe mit Grimm mir zu. Er ist oft ganz groß und ansehnlich, als ob er etwas wäre und zu befehlen hätte, und will sich ein heiliges Ansehen geben und bringt dann sehr ernsthaft vor, als habe ich ein großes Unrecht getan, daß ich einer Seele im Fegfeuer geholfen oder jemand am Bösen gehindert, als ob das ein großes Verbrechen wäre. Manchmal kommt er greulich mit einem breiten, furchtbaren Gesicht und verdrehten Gliedern und schimpft und kneipt und zerrt mich. Auch will er manchmal schmeicheln. Ich sehe ihn auch klein und fuchsig mit einem Hörnchen auf dem Kopfe, kurzen Armen ohne Ellbogen und Beinen, welche die Knie hinten haben, überall herumrennen.»
Rührend ist das folgende Bild, in welchem Anna Katharina die Wirksamkeit und den Erfolg ihrer Sühnungsleiden in diesen ihren letzten Jahren schaute, und das wir hier zum Abschluß ihrer Gesichte noch anführen wollen. Sie sagte:
«Ich hatte ein Gesicht, wie ich so viele Krankheiten kriege. Ich sah die Erscheinung Jesu Christi riesengroß zwischen der Welt und dem Himmel. Er war in der Gestalt und Kleidung, wie er zur Verspottung ausgestellt wurde. Er hatte aber die Hände ausgebreitet und drückte auf die Welt nieder. Es war die Hand Gottes, welche niederdrückte; und ich sah vielfarbige Strahlen von Weh und Leiden und Schmerzen auf viele Menschen in allerlei Zuständen niederkommen und sah, daß, wo mich das Mitleid rührte und ich betete, ganze Ströme der verwickeltsten Schmerzensstrahlen aus der Masse sich ablenkten und mit allerlei Pein in mich drangen; von meinen Bekannten empfing ich am meisten. Es war Jesus; es war aber in der Erscheinung die ganze Dreieinigkeit innerlich. Ich sah sie nicht, aber ich empfand sie.»
Je näher die Zeit herankam, in welcher Anna Katharina die Krone des Lebens aus der Hand ihres Bräutigams empfangen sollte, um so schwerer wurden ihre Leiden. Kurz vor dem Fronleichnamsfest 1823 schrieb der Pilger:
«Die Arbeiten für die Kirche sind nun, wie sie sagt, von so großer Qual und Anstrengung, daß sie zu sterben glaubt. Sie fühlt sich fortwährend am Ende ihres Lebens. Sollte sie das Fest überleben, dann würde sie noch auf einige Dauer hoffen.» Am Fronleichnamsfeste war sie sehr elend, doch hatte sie eine große Anschauung von dem heiligsten Sakrament. Da sie wegen des Erbrechens fürchtete, nicht kommunizieren zu können, so flehte sie zitternd vor Angst, Gott möge doch nicht zulassen, daß sie daran gehindert würde.
Sie wurde erhört, es trat eine plötzliche Linderung ein, sie konnte die heilige Kommunion empfangen.
«Ich sah danach», erzählte sie, «Jesus mit Walpurgis, seiner schönen Braut; mich selber aber so elend wie ein armes Gewürm. Ich flehte doch auch eine solche Braut zu werden. Jesus sagte mir: <Was willst du denn?> — <Ach gib>, flehte ich, <daß ich nicht sündige!> — Sie verließen mich ohne Antwort.»
Sie blieb am Leben, aber in Leiden, welche von Monat zu Monat sich steigerten und vom Pilger mit den Worten geschildert werden:
«Sie geht in schreckliche Martern für die Kirche ein. Sie wird gefoltert, gekreuzigt. Hals und Zunge schwellen; sie liegt immer wie von Weh zertrümmert. Sie leidet für Unbußfertige. Barbara und Katharina stellen ihr ihre Lage vor. Sie solle nicht verzagen; sie habe sich ja diese Leiden selber aufgeladen, sie müsse sie zu Ende tragen . . . Schreckliche Augenpein für einen kranken Kardinal bis zum Erblinden. Sie erliegt schier, wimmert: <Es schlägt wie Hämmer mir auf die Augen.> Auf ihr Flehen erhält sie einige Linderung; aber die Schmerzen kehren zurück. Sie ist sehr krank; zur Augenpein kommt Erbrechen. Sie leidet bis zur Sinnlosigkeit, kann nicht reden und nicht sehen.»
In das neue Jahr 1824 trat Anna Katharina in neuen, erhöhten Peinen, die bis zu ihrem Ende ununterbrochen fortdauerten. Erschütternd sind die Berichte, welche der Pilger über die letzten Tage dieses an Gnaden und Leiden so überreichen Lebens in seinem Tagebuch verzeichnet hat, und die wir hier nach ihrem Wortlaut folgen lassen:
9. Januar 1824. «Der Beichtvater glaubt, sie werde bald vollendet haben; denn sie habe im Gesicht mit großem Ernst gesprochen: <Ich kann keine neue Arbeit annehmen. Ich bin am Rande. >»
10. Januar. «Sie ist in solchen Peinen, daß sie stöhnt und wimmert, ja wie ein Wurm sich krümmt und wie auf der Folter winselt. Sie sagte zum Beichtvater: <Bis jetzt habe ich für andere gelitten, nun leide ich für mich.> Sie ruft mit sterbender Stimme nur den Namen Jesus.»
11. Januar. «Sie sagte heute: <Das Christkind hat mir auf Weihnachten viele Schmerzen gebracht, und es ist wieder zu mir gekommen gestern nacht und brachte noch viel mehr.»>
12. Januar. «Wer kann diesen ihren schrecklichen Leidenszustand beschreiben! Nur das stete Stöhnen und dumpfe Wimmern zu Gott und das stammelnde Flehen zu ihm um einige Linderung für sie, die sonst in den größten Schmerzen schweigen kann, ist ein Maß dafür. Der Arzt sagte, man könne ihr Ende jede Stunde erwarten. Sie selbst verlangt mehrmals zu beichten und erklärt dem Beichtvater, wie er über ihre wenige Verlassenschaft disponieren soll. Es hat sich eine Entzündung im Unterleib durch stetes Husten und Erbrechen eingestellt. Sie muß Tag und Nacht sitzend schwanken und stöhnen vor Schmerzen. Ihr Ausdruck ist der der größten Geduld und Sanftmut mit vollkommenster Ergebenheit in den schrecklichen Ernst der Marter. Häufige Ohnmachten und Todesschweiße unterbrechen diese Zustände.»
15. Januar. «Sie sprach mit einem sehr erschütternden Ernst: <Das Kind Jesu hat mir so große Schmerzen gebracht. Es sagte mir alle seine und seiner Mutter Leiden, Hunger und Durst. Es zeigte mir alles und wie sie nur ein Ränftchen trockenes Brot noch hatten. Es sagte mir auch: <Du bist mein, du bist meine Braut! Leide, was ich litt! Frage nicht warum, es geht auf Leben und Tod!>
Ich weiß nun auch gar nichts von wie lange? oder wie? und wo? Ich bin schrecklicher Marter ganz hingegeben, weiß nicht ob ich noch leben oder so sterben soll. Es steht wie in dem Gebet: <Ich bin hingegeben, Gottes verborgener Wille geschehe an mir!> Ich bin aber ganz ruhig und ergeben in der Seele und habe vielen Trost unter der Pein. Heute morgen noch war ich sehr glücklich.> Dann fragte sie: <Wie sind wir an der Zeit? Ach, nun wäre ich mit dem Erzählen des Lebens Jesu bald fertig gewesen und bin nun in diesem elenden Zustand!>»
16. Januar. «Der Pilger war einige Minuten an ihrem Lager. Sie spricht nicht und hat keine Bewegung als zuckende Pein. Ihre Hände zucken unaufhörlich. Das martervolle Stöhnen dauert Tag und Nacht. Man kann sich nicht enthalten, zu weinen und zu beten. Sie schließt die Augen. Auf ihrem Gesicht ist ein schrecklicher Ernst und Schmerz. Der Beichtvater meint, sie habe den kalten Brand, der Arzt gebe gar keine Hoffnung. Zum Pilger sagte dieser, nach menschlicher Ansicht könne sie jede Stunde sterben. Als der Pilger sie fragt, ob sie gar keine Hoffnung habe, schüttelt sie ernsthaft den Kopf. Ihre Lage macht einen zerknirschenden Eindruck.»
18. Januar. «Gleich elend. Auf die Worte, ob sie geduldig sei, unterbricht ein sanftes Lächeln des Dankes gegen Gott den furchtbaren Ernst ihrer Schmerzen und Ohnmacht. Sie scheint häufig in anderem Zustand, oder vielmehr immer, obschon man es nicht bemerken kann. Am Morgen, da es gar nicht läutete, sagte sie dem ihr vorbetenden Vikarius Hilgenberg: <Welch liebliches Geläute, das tut das hohe Fest heute!>» (Name Jesu)
19. Januar. «Der Pilger sprach in einiger Entfernung von ihr, wo sie es nicht hören konnte, mit dem Vikarius Hilgenberg von der Art ihrer Leiden. Sie sagte nachher mit gebrochener Stimme: <Ach loben sie mich doch nicht, dann werden meine Schmerzen immer viel größer!> Der Beichtvater sagte, sie habe das seit gestern mehrmals gesagt.»
21. Januar: «Ihr Elend steigt womöglich mit jedem Tage. Sie stöhnt und röchelt Tag und Nacht. Sie hört sehr schwer. Ihr Gesicht bedeckt ein furchtbarer Ernst; aber auch Friede. Selten, nur wenn sie irgendeiner Hilfe höchst bedürftig ist, stammelt sie einige wenige, beinahe unverständliche Worte mit ganz veränderter Stimme. Ihr Rücken ist durch Aufliegen sehr verwundet. Sie selbst vermag sich nicht anders zu legen, und legt man sie auf die Seite, so droht sie gleich zu ersticken. Walpurgisöl gibt ihr der Pilger morgens und abends. Sie stammelt dann manchmal die Worte: <O wie angenehm!» aber mit einer ganz fremden, veränderten Stimme. Sie schläft nie und sitzt immer halb aufrecht mit Stöhnen und Röcheln, Tag und Nacht mit geschlossenen Augen.»
22.—26. Januar. «Ihre Leiden andern sich nicht. Sie selbst ist ohne alle Hoffnung. Sie läßt in diesen Tagen nacheinander ihre Brüder und Bruderskinder aus dem Dorfe kommen, auch den Studenten von Münster. Sie vermag nur wenige Worte mit ihnen zu sprechen, will aber doch, daß sie in ihrer Nähe eine Zeitlang bleiben. Sie hat dieses noch nie in früheren Todeskrankheiten getan. Als ihres Bruders zweiter Sohn, ein braver Bauernbursche, morgens von ihr Abschied nahm, hat sie, wie der Beichtvater erzählt, mit ungewöhnlich deutlicher Stimme zu ihm gesagt, er solle wohl leben und Gott vor Augen haben, sie brauchten nun nicht mehr zu kommen.»
27. Januar. «Der Pilger findet sie mehr tot als lebendig. Sie vermag kaum das Walpurgisöl zu schlucken. Fieberglut steht auf ihren Wangen. Ihre Hände sind weiß, und die Stellen der Wundmale glänzen durch die gespannte Haut wie Silber.
Sie will als Klosterfrau sterben. Des Nachmittags ließ sie durch den Beichtvater Frau Hackebram zu sich bitten, damit sie als ihre Ordensoberin und Stellvertreterin der alten Klostergemeinde gegenwärtig sei, wenn sie die letzte Ölung erhalte. Sie empfing das Sakrament mit Kraft und vollem Bewußtsein und sandte danach die Oberin und Kaplan Niesing zu Dechant Rensing, ihn in ihrem Namen um Verzeihung zu bitten, wenn sie ihn gegen Wissen und Wollen je beleidigt haben sollte. Sie taten es; aber der Dechant hielt auch jetzt sich ferne.»
31. Januar. «Sie spricht nur noch mit ihrem Beichtvater und zuweilen ein Wort mit der Nichte.»
1. Februar. «Am Abend besuchte sie der Pilger. Sie atmete sehr schwer. Plötzlich hielt sie inne. Es ertönte die Abendglocke des morgigen Marienfestes.»
2. Februar. «Sie flüsterte heute leise: <Ach so gut war es lange nicht. Die Mutter Gottes tat mir so viel; ich bin wohl acht Tage krank, nicht wahr? Ich weiß nichts von der Welt. O was hat die Mutter Gottes mir getan! Sie hat mich mitgenommen; ich wollte bei ihr bleiben.» Da besann sie sich und sagte mit erhobenem Finger: <Still! Ich darf um alles nicht davon reden.> Sie warnt jetzt immer vor allem Lob und Ruhm, der sie noch schrecklicher leiden mache.»
6. Februar. «Sie ordnet heute an, daß morgen als am Sterbetage des Abbé Lambert eine heilige Messe für ihn gelesen werde.»
7. Februar. «Sie ruft beständig Gott um Hilfe an. Ihr Leiden ist lauter als bisher. Sie betet oft: <Ach, Herr Jesus, tausend Dank für mein ganzes Leben lang! Herr, nicht wie ich will, nein, wie du willst!» Einmal sprach sie die rührenden Worte: <Ach, dort das schöne Blumenkörbchen, bewahrt es! und auch das junge Lorbeerbäumchen, bewahrt es! Ich hab es lang bewahrt, ich kann nicht mehr!> Sie hatte darunter wahrscheinlich ihre Nichte und den studierenden Neffen verstanden.»
«Am 8. gegen Abend betete Vikarius Hilgenberg bei ihr. Sie wollte ihm dankbar die Hände küssen. Er zog sie demütig zurück. Sie bat ihn, bei ihrem Tode zu sein, schwieg und sagte: <Jesus, dir lebe ich, dir sterbe ich!> Sie sagte auch: <Gott sei Dank! Ich höre nicht mehr, ich sehe nicht mehr.> Als sie vor großen Peinen bewußtlos schien, kniete der Pilger an ihrem Bette und betete. Er gab ihr eine Reliquienkapsel in die Hand, welche sie einst getragen und vor vier Jahren demselben gegeben hatte. Sie hielt die Kapsel ein paar Minuten lang fest. Der Pilger nahm sie wieder zu sich, fand aber am folgenden Tage den silbernen Reif zersprungen. Es war ihr Sterbetag.»
9. Februar. «Der Beichtvater erzählte: <Ich habe ihr heute vor Tagesanbruch noch einmal das heiligste Sakrament gereicht, das sie mit der gewöhnlichen Andacht empfing. In der Nacht zuvor hatte sie mir noch gesagt, sie wisse die Bedeutung ihrer Krankheiten und würde sie mir als ihrem Beichtvater auch mitteilen, wenn sie nicht so kraftlos wäre. Gegen 2 Uhr nachmittags trat die Annäherung des Todes ein. Da sie über den wundgelegenen Rücken wimmerte, wollte man ihr die Kissen anders legen. Sie lehnte es mit den Worten ab: <Es ist ja bald aus, ich liege auf dem Kreuz.> Dies war mir sehr rührend. Ich gab ihr die Generalabsolution und betete die Sterbegebete. Am Schluß ergriff sie meine Hand, drückte sie, dankte und nahm Abschied. Als einige Zeit darauf ihre Schwester eintrat und um Verzeihung bat, wendete sie sich nach ihr, schaute sie starr an und fragte dann mich: <Was sagt sie?> — <Sie bittet um Verzeihung>, gab ich zur Antwort; worauf sie sehr ernst versetzte: <Es ist kein Mensch auf Erden, dem ich nicht verziehen habe.> Sie sehnte sich sehr nach dem Tode und seufzte oft: <So komme doch, o Herr Jesus!> Ich tröstete sie und sagte, sie möge ruhig sein und mit ihrem Erlöser leiden, der auch dem Schächer am Kreuze vergeben habe. Da sprach sie die merkwürdigen Worte: <Ja, alle damals und der Mörder am Kreuz hatten nicht so viel zu verantworten; denn sie hatten nicht so viele Gnaden als wir; ich bin schlechter als der Mörder am Kreuz>; und später: <Ich glaube, daß ich nicht sterben kann, weil viele Leute aus Irrtum Gutes von mir denken. Sagen sie es doch allen, daß ich eine elende Sünderin bin!>
Als ich sie wieder trösten wollte, versetzte sie mit Kraft und wie protestierend: <Ach könnte ich doch laut rufen, daß alle Menschen es hörten, daß ich nichts bin als eine elende Sünderin, viel schlechter als der Mörder am Kreuz!> Nachher wurde sie ruhiger.
Es war unterdessen der Vikar Hilgenberg angekommen, der auch bei ihr betete. Der alte Mann kniete betend vor ihrem Bette wohl eine Stunde.»
Der Pilger nahte um halb sechs Uhr ihrer Wohnung. Der Beichtvater zog soeben die Fensterladen zu und sagte: «Es geht zu Ende.» Er fand in der Stube die Schwester, den Bruder und die Nichte der Sterbenden, den Vikarius Hilgenberg, die Schwester des Beichtvaters und Frau Klemens Limberg, die ehemalige Hausfrau. Sie knieten und beteten. Die Türe der kleinen Nebenkammer, wo die Kranke lag, war geöffnet, um ihr das Atmen zu erleichtern. Es brannte die Sterbekerze. Sie lag halb sitzend in ihrem Bettkorbe. Sie atmete kurz. Ihr Angesicht hatte den höchsten Ernst. Die Augen waren empor auf das Kruzifix gerichtet. Nach einer Weile zog sie die rechte Hand unter der Bettdecke hervor und legte sie auf dieselbe. Der Beichtvater tröstete sie und gab ihr oft das Kreuz zu küssen. Sie suchte immer mit den Lippen dessen Füße demütig, nie das Haupt oder die Brust berührend, und schloß dieselben zwischen die Lippen.
Hierauf schien sie dem Beichvater noch etwas mitteilen zu wollen. Sie sprach bis zum Ende ganz gehorsam mit ihm, so er fragte. Er entfernte alle aus der Stube. Der Pilger sah sie lebend zum letzten Male. Als er in die Vorstube zu den andern trat, welche sitzend und kniend beteten, schlug es 8 Uhr. Der Beichtvater erzählte, daß sie nochmals von einer schon gebeichteten Kleinigkeit gesprochen und darauf gesagt habe: «Nun bin ich so ruhig und habe ein solches Vertrauen, als hätte ich nie eine Sünde getan.» Sie küßte noch das Kreuz. Der Beichtvater betete die Sterbegebete. Sie seuzte mehrmals: «O Herr hilf! Hilf, o Herr Jesus!» Der Beichtvater gab ihr die Sterbekerze in die Rechte und klingelte mit einem Lorettoglöckchen, das von jeher in Agnetenberg beim Verscheiden der Nonnen im Gebrauch gewesen war und sagte: «Sie stirbt.» Es war halb 9 Uhr. Der Pilger nahte ihrem Lager und sah sie nach der linken Seite zusammengesunken, das Haupt gegen die Brust geneigt; die rechte Hand lag auf der Bettdecke, die wundervolle Hand, an welche der Gnadengeber vom Himmel die Gnade geknüpft hatte, alles Heilige und von der Kirche Geweihte durch das Gefühl zu erkennen, eine Gnade, wie sie in diesem Maße vielleicht noch nie auf Erden gegeben war. Ihre reine, bräutlich geschmückte Seele war von den keuschen Kinderlippen ihres gekreuzigten Leibes dem himmlischen Bräutigam entgegengeeilt, voll der Hoffnung, ewig das neue Lied zu singen im Chore der Jungfrauen, welche dem Lamme folgen, wohin es geht.
In allen Jahren ihres begnadeten Lebens hat die stigmatisierte Nonne Visionen über das Leben und Leiden Jesu Christi und seiner hl. Mutter Maria gehabt. Diese Gesichte wurden bruchstückweise wiedergegeben, und erst als der Dichter Clemens Brentano am 24. September 1818 in Dülmen ankam und Anna Katharina aufsuchte, begannen die Aufzeichnungen, die Brentano mit Unterbrechungen fünf Jahre an das Krankenbett der Augustinerin fesselten. Seine Ankunft hatte diese schon zuvor in Bildern gesehen und so begrüßt sie ihn bei seinem Eintritt in die armselige Stube als Freund und Pilger.
Brentano hat sich mit der ganzen Kraft seiner leidenschaftlichen Seele auf das Erlebnis in Dülmen gestürzt, hat von der Emmerich und allen ihren Bekannten Unterordnung und Mitgehen für seine Arbeit der Aufzeichnungen gefordert, so daß in Bälde ernste Zerwürfnisse mit Anna Katharina und ihrer Umgebung auftraten.
Der Dichter hat gewissenhaft Tag für Tag alles aufgezeichnet, was die Nonne an Schauungen erzählte. Er ist unglücklich, daß diese Berichte nur Bruchstücke der Leben-Jesu-Geschichte wiedergeben, und wird später diese Aufzeichnungen mit anderem Material, insbesondere des P. Martin von Kochern, auffüllen. So entsteht «Das bittere Leiden unseres Herrn Jesu Christi», das Brentano erst nach dem Tode der Emmerich 1833 fertigstellt und herausgibt. Größere Arbeit macht die Niederschrift der «Marienlebens», das 1852 nach dem Tode Brentanos erscheint.
P. Karl Erhard Schmöger von der Kongregation des allerheiligsten Erlösers macht sich an die gigantische Arbeit, aus den zwölf Bänden der «Tagebücher» mit Tausenden von Seiten zuerst «Das arme Leben unseres Herrn Jesu Christi» in den Jahren 1858/60 in drei Bänden zusammenzustellen. Es folgt eine Lebensbeschreibung der Anna Katharina Emmerich in drei Bänden, aus denen unser Buch eine Auswahl bringt.
Am 8. September 1821, an ihrem 47. Geburtstage, hatte sie ein Gesicht von ihrer Geburt und Taufe und berichtet darüber: «Ich fühlte mich als ein neugeborenes Kind auf den Händen der Frauen, die mich nach Koesfeld zur Taufe tragen sollten. Ich schämte mich in der Empfindung, so klein und hilflos und doch schon so alt zu sein; denn alles, was ich damals schon als neugeborenes Kind empfunden und gefühlt hatte, das sah und erkannte ich jetzt wieder, jedoch mit meinem jetzigen Verstande gemischt. Ich war ganz blöde und verlegen; drei alte Frauen, die mit zur Taufe gingen, und auch die Hebamme waren mir zuwider ... Ich sah alles um mich her; die alte Scheune, in der wir wohnten, alles, wie ich es im späteren Leben nicht mehr sah, da schon manches verändert war.
Ich fühlte mich mit vollem Bewußtsein den ganzen Weg von unserer Hütte in Flamske bis in die Jakobi-Pfarrkirche in Koesfed tragen; ich fühlte alles und sah alles um mich her. Ich sah die ganze heilige Taufhandlung an mir verrichten, und es gingen mir dabei die Augen und das Herz auf eine wunderbare Weise auf. Ich sah, als ich getauft wurde, meinen Schutzengel und meine Namenspatrone, die hl. Anna und Katharina, bei der heiligen Taufhandlung gegenwärtig. Ich sah die Mutter Gottes mit dem kleinen Jesulein und wurde mit ihm durch Darreichung eines Ringes vermählt...»
«Als ich aus der Kirche wieder nach Hause über den Kirchhof getragen wurde, hatte ich ein lebhaftes Gefühl von dem Zustand der Seelen der hier bis zur Auferstehung ruhenden Leiber, unter denen ich einige heilige Leiber hell und herrlich leuchtend mit Ehrfurcht bemerkte.»[31]
Anna Katharina lebt in zwei Welten. Für sie war der Blick in das Jenseitige etwas so Einfaches, daß sie einmal vermerkt, sie könne nicht begreifen, daß alle Leute nicht wie sie diese Dinge sehen könnten. Schon als Kind sieht sie die Erschaffung der Welt, Adam und Eva und die Vertreibung aus dem Paradiese.[32]
Der irdischen Kirche als dem Leib Christi auf Erden steht das Reich des Bösen, die finsteren Mächte der Unterwelt gegenüber. Die Kirche gliedert sich in Kreise, die A. K. wie die Stockwerke eines Turmes plastisch vor sich sieht. In der höchsten Höhe steht vor dem Throne der Hl. Dreifaltigkeit Maria, dazwischen das Reich der Engel und darunter die Kirche. Die Engel, geschieden in gute (Schutzengel) und böse Geister, ringen um die Seelen der Erdenkinder. Die vier Schutzengel der höheren Ordnung teilen die göttlichen Gnaden aus, sie heißen Raphiel, Etophiel, Salathiel und Emmanuel. Ihnen stehen gegenüber die Engel der Finsternis Luzifer und Belzebub. In einer Vision sieht die Seherin deutlich das Reich der triumphierenden Kirche als eine «unendliche Kuppel voll von Thronen, Gärten, Palästen, Bogen, Blumenkränzen . . . Oben in der Mitte war unendlicher Glanz, der Sitz der Gottheit. Die Heiligen waren nach ihren geistlichen Verbindungen geschart. Alle Ordensgeistliche standen nach ihren Orden zusammen.»
Die Bilder vom Leben und der Gloria des heiligen Ignatius, des heiligen Franziskus Xaverius und des hl. Aloysius «veranschaulichen uns die Macht der Fürbitte der Heiligen und zeigen wie wichtig es ist, in allen Anliegen des Leibes und der Seele die Heiligen andächtig um ihre Hilfe anzurufen».
Anna Katharina hat stets ein tiefes Mitgefühl für die armen Seelen gezeigt. Für diese und ihre Befreiung aus dem Fegfeuer hat sie tagtäglich ihre Schmerzen, ihre Krankheit und ihr Leid aufgeopfert. Stets ruft sie zur Hilfe für diese Seelen auf, deren Elend so groß ist und die sich nicht allein helfen können. Wenn aber jemand für sie betet, eine hl. Messe stiftet oder Almosen spendet, dann kommt dies ihnen augenblicklich zugute. Im November 1819 erzählt sie: «Ich kam mit meinem Führer in einen düsteren Ort. Ich ging weit darin umher und tröstete. Die Seelen sah ich teilweise wie zur Hälfte, teils bis an den Hals, überhaupt mehr oder weniger in Finsternis getaucht. Sie waren nebeneinander, aber jede in einem getrennten Kerker. Einige litten Durst, andere Kälte, andere Hitze, sie konnten sich nicht helfen und waren in unendlicher Qual und Sehnsucht. Ich sah sehr viele erlöst werden; ihre Freude ist unaussprechlich.»
An anderer Stelle schildert sie, wie sie mit ihrem Begleiter emporgeführt wird: «Ich hatte nicht das bestimmte Gefühl einer Richtung nach einer Weltgegend; aber es war ein sehr mühsamer Weg. Er war immer aufsteigend und ganz schmal und führte wie eine lichte Brücke steil in eine ungeheure Höhe. Es war Nacht an beiden Seiten; ich mußte seitwärts gehen, so schmal war der Pfad. Unter mir sah ich die Erde voll Nacht und Nebel und die Menschen in Elend und Morast wühlend . . . Auf diesem Pfade schwebten viele Seelen, von ihren Führern begleitet, als graue Gestalten aus der Nacht zu uns heran ... Es waren Seelen in diesen Tagen Verstorbener, für welche ich zu leiden und zu beten berufen war.»
In dem Kapitel über die «streitende Kirche» sieht die Seherin ein mystisches Bild über Sünde, die Erlösung durch Christus und die Erlangung des ewigen Heiles. Die ersten Menschen waren Ebenbilder Gottes und wurden durch ihren Fall Eigenbilder, die sich mit den gefallenen Engeln in Bezug setzten. Sie sieht die Geschichte des Gottesvolkes und das schreckliche Schauspiel der Kreuzigung des Herrn. Sie schildert: «Ich zitterte durch Mark und Bein; denn es waren lauter Leute unserer Zeit. Es war eine weit ärgere und gräßlichere Marter des Herrn als zur Zeit der Juden.»
Die folgenden Gesichte geben uns ein Bild von dem Kampf, den die Feinde Christi gegen die Kirche in unseren Tagen führen. Hierbei schildert sie besonders plastisch den Streit um die Peterskirche als dem Symbol der Gesamtkirche: «Ich sah», berichtete sie, «die Peterskirche und eine ungeheure Anzahl Menschen, welche beschäftigt waren, sie niederzureißen, aber auch andere, welche wieder an ihr herstellten. Die Abbrechenden rissen ganze Stücke hinweg, und es waren besonders viele Sektierer und Abtrünnige dabei. Den Papst sah ich betend und von falschen Freunden umgeben, die oft das Gegenteil von dem taten, was er anordnete. Ich sah einen schwarzen, kleinen, weltlichen Kerl in voller Tätigkeit gegen die Kirche.»
«Und wieder sah ich die Peterskirche mit ihrer hohen Kuppel. Michael stand auf ihr leuchtend in blutrotem Gewand mit einer großen Kriegsfahne in der Hand. An der Erde war großer Streit. Die Kirche war ganz blutrot wie der Engel, und mir wurde gesagt: <Sie wird im Blut gewaschen.>»
In diesen Visionen sieht sie die Gestalt des Hl. Vaters, der in den Nöten der Zeit von Trauer, Sorge und Gebet ganz erschöpft ist. Hier spiegelt sich wohl die Gestalt des unglücklichen Papstes Pius VII. wider, den Napoleon seines Staates beraubte und den er als Gefangenen nach Paris führte, damit er ihn zum Kaiser kröne.
Einen ausführlichen Teil nimmt die Schilderung des hl. Meßopfers aus vorchristlicher und christlicher Zeit ein. Aber auch über das Gebet und die durch unsere Bitten erreichbaren Gnaden spricht sie ausführlich. «Mein Führer ermahnte mich, wieder zu beten und alle meine Bekannten zum Gebet für die Bekehrung der Sünder und besonders um Glauben und Festigkeit für die Priesterschaft zu bitten; denn es stehe eine sehr schwere Zeit bevor. Die Verwirrung wird immer größer werden.»
So sieht sie in ihren Gesichten über die Hölle die Schrecken des Abgrundes, der wie eine Dantesche Vision in die Tiefe in Kreisen führt, wo eine greuliche, finstere Welt der Aufenthaltsort der bösen Geister ist. «In der Mitte war ein Abgrund von Nacht. Luzifer wurde gefesselt in diesen geworfen, und es brodelte schwarz um ihn. Es geschah alles dieses nach bestimmten Gesetzen.»
Unheimlich aber ist die folgende Offenbarung, die sie anschließend berichtet und in der sie die Greuel Stalins und Hitlers 120 Jahre voraussagt:
«Ich hörte, daß Luzifer, wenn ich nicht irre, 50 oder 60 Jahre vor dem Jahre 2000 nach Christus wieder auf eine Zeitlang solle freigelassen werden.»
Das ganze Leben der Seherin war ein ununterbrochenes Sühneleiden für Christus im allerheiligsten Altarssakramente. Sie hat zeitlebens so schwere Schmerzen und Lasten anderer auf sich genommen, daß sie jahrelang ans Krankenbett gefesselt war.
«Ich habe die ganze Nacht bei vielen elenden und betrübten Menschen, die ich kannte und nicht kannte, die Runde gemacht und Gott gebeten, er möge mir die Last all derer mitteilen, die nicht mit leichtem, freudigem Herzen zum heiligsten Sakramente gehen können. Ich sah nun ihre Leiden und erhielt sie und trug sie auf meiner rechten Schulter. Es war eine so schwere Last, daß meine rechte Seite ganz zu Boden gedrückt ward.»
Am Fronleichnamsfest 1819 hat sie ein Bild über die Einsetzung des heiligsten Altarsakramentes und die Geschichte seiner Anbetung in Vergangenheit und Gegenwart. Danach sieht sie in einer Reihe von Bildern die veränderte Gestalt, Ausspendung und Verehrung des Sakramentes.
Ihre Schmerzen und Leiden nehmen zu und werden unerträglich. Die Auflösung und das Ende dieses Lebens für Gott stehen bevor. Am 9. Februar 1824 gibt sie ihre reine Seele in die Hände ihres Schöpfers zurück, für den sie so viel gelitten hat.
Clemens Brentano war es vergönnt, die letzten Tage und das Hinscheiden der Nonne mitzuerleben. Nach ihrem Tode gibt er sich ganz seinem Schmerz und seiner Verzweiflung hin. Voller Trauer schreibt er an Bischof Seiler und Melchior Diepenbrock . . . «Nun ist der drohende und tröstende Himmel farblos bedeckt, nur das einsame gemeinsame Kreuz leuchtet vor ihm, wie überall, der Damm ist geöffnet und die Flut geht irre, Ungewisse Wege, und suchet ein Bett, auf daß sie nicht gerinne im Sande. Gott erbarme sich mein und aller Notleidenden.»
B. P.
Anna Katharina Emmerich
über die Engel, die Armen Seelen im Fegfeuer, die streitende Kirche u. a.
Aus den Tagebüchern Clemens Brentanos
herausgegeben von P. Karl Erhard Schmöger
PATTLOCH VERLAG
Mit einem Nachwort von Bernard Pattloch
Imprimatur:
Friburgi Brisgoviae, die 8. Nov. 1900 + Thomas Archiepps.
Der Herausgeber erklärt, daß er den außerordentlichen Tatsachen, die in diesem Buche angeführt sind, gemäß den Dekreten Urban VIII. vom 5. März 1625 und vom 5. Juni 1634, keine andere als rein menschliche Glaubwürdigkeit beilegt und beigelegt wissen will.
10. Auflage
Pattloch Verlag 1988
© Weltbild Verlag GmbH, Augsburg
Gesamtherstellung: Wiener Verlag, Himberg bei Wien
ISBN 3-629-91060-2
Die faszinierenden Visionen der stigmatisierten Augustinernonne Anna Katharina Emmerich (1774-1824).
In diesen Schauungen berichtet sie über die Engel, die Armen Seelen im Fegefeuer, über das jenseitige Leben, u. a. Im Alter von 38 Jahren trat ihre Stigmatisation offen zutage. Untersuchungskommissionen konnten für eine Täuschung keine Beweise finden. Bestätigt wurde sogar, daß sie 2 Jahre lang keine Nahrung zu sich genommen hatte. Clemens von Brentano, der große Dichter der Romantik, hat die Visionen der Anna Katharina Emmerich aufgezeichnet. Fünf Jahre harrte er an ihrem Krankenbett und sah mit eigenen Augen ihre gnadenvollen Wundmale.
[1] C. Jansenius d. Jüngere, geb. 1585 in den Niederlanden, gest. 1638 in Ypern, bezweckte eine Reform der nachtritentinischen Theologie. Seine Lehre, der Jansenismus wurde vom Papst verurteilt. Gegner der Jansenisten waren vor allem die Jesuiten.
[2] d. i. ihr flehentliches Bitten zog die Früchte zur Erde herab.
[3] Bernard Overberg (1754-1826), 1779 zum Priester geweiht, 1809 Regens des Priesterseminares in Münster i. Westf. und Dechant. Er nahm regen Anteil an dem Geschicke Anna Katharina Emmerichs und Clemens Brentanos.
[4] Franz Xaverius und P. Faber gründeten mit Ignatius von Loyola in Paris im Jahre 1534 die Gesellschaft Jesu (S. J.). Franz Xaverius wurde der große Heidenmissionar, während P. Faber bes. in Rom und Parma als Prediger und Exercitienmeister tätig war. Seit 1541 in Spanien und Portugal, vertrat P. Faber in seinen Berichten nach Rom Milde und Nachsicht gegen Protestanten und betonte die innerkirchliche Reform.
[5] Gebet vor dem Bild des hl. Ignatius.
[6] Clemens Brentano
[7] Clemens Brentano
[8] Ermelindis (29. Okt.) Aus der Gegend von Löwen (Belgien) stammend Lebte als Einsiedlerin. Starb gegen Ende des 6 Jahrhunderts. An ihrem Grab erbaute Pippin d. Ä. ein Nonnenkloster. Angerufen wird die Heilige bei Erkrankung der Glieder.
[9] Stiftungsstipendien (missa fudata)
[10] Nach dem hl. Bernhardin von Siena hat Maria, die Königin der Barmherzigkeit, im Fegfeuer eine besondere Herrschaft und Gewalt, die armen Seelen zu trösten: Beata Virgo in regno Purgatorii dominium habet. Serm. 3 de Nom. Mar.
[11] 2 Kg 4,16-37
[12] Mt 16,18
[13] Bulle Ineffabilis vom 8. Dezember 1854
[14] D. i. jene Zwölfe, welche Anna Katharina zur Erneuerung kirchlichen Lebens zu ihrer Zeit hauptsächlich beitragen sah.
[15] Deutet wohl auf die Entstehung der Erzbruderschaft vom heiligsten und unbefleckten Herzen Maria als auf den Anfang der Erneuerung des christlichen Lebens. Die geringste Kirche in Paris, Maria von den Siegen, ist in Wahrheit eine der ersten Kirchen des Erdkreises und das Unterpfand geworden, daß Maria dem Unglauben und der Ketzerei das Haupt zertreten wird.
[16] Sie tat dies während des Gesichtes durch lautes Gebet.
[17] Papst Zephyrinus, 198—217 n. Chr. 128
[18] Ludwig IX., der Heilige (Fest 25. Aug.), König von Frankreich, lebte von 1219—1270.
[19] Dr. Wesener, Ortsphysikus von Dülmen, unternahm eine ärztliche Untersuchung der A. Katharina E. nach Bekanntwerden der Stigmatisation Ende 1812. Er wurde in der Folge ihr Arzt, Freund und Verteidiger und führte ein ausführliches Tagebuch über seine Erlebnisse und Feststellungen.
[20] Vom Papst durch Eintauchen in Weihwasser, dem Balsam und Chrisam beigemischt sind, geweihte ovale Wachstäfelchen mit dem Bilde des Lammes Gottes und dem Namen und dem Regierungsjahr des Papstes auf der Vorderseite und einem Heiligenbild auf der Rückseite.
[21] Die hl. Walburga, Äbtissin (OSB), starb am 25. Febr. 779 in Heidenheim. Ihre Gebeine ruhen in dem Walburgakloster in Eichstätt.
[22] Mt 7,7
[23] Joh 16, 23.24
[24] Deren Seele der gottseligen Anna Katharina schon öfter erschienen war.
[25] Graf Friedrich Leopold von Stolberg, der berühmte Kirchengeschichtsschreiber, war am 5. Dezember 1819 gestorben.
[26] 15. Mai
[27] Clara Söntgen war eine ihrer früheren Mitschwestern.
[28] Rita von Cascia, + 22.5.1457, trat mit 33 Jahren in ein Augustinerkloster zu Cascia ein. Sie empfing das Stigma der Dornenwunde und zeichnete sich durch Bußstrenge, tiefe Verehrung des Gekreuzigten und myst. Gebetsgnaden aus.
[29] Clara von Montefalco, + am 17. Aug. 1308, war vom 6. Lebensjahr an Reklusin mit ihrer Schwester Johanna von Montefalco (+ 22.11.1291). Sie wurde Äbtissin und durch myst. Gnadengabe, Ekstasen und Wunderkraft ausgezeichnet. Ihr Herz und ihr Leib sind heute noch unverwest erhalten.
[30] Die hl. Juliana von Lüttich feiert ihr Fest am 5. April (CSA). Sie wurde um 1192 bei Lüttich geboren und starb 1258 in Fosses bei Namur. Schon mit 5 Jahren kam sie in das Kloster Kornelienberg. Ihre Visionen veranlaßten durch Papst Urban IV. die Einführung des Fronleichnamsfestes für die abendländische Kirche (Bulle Transiturus).
[31] Schmöger, Leben der gottseligen Anna Katharina Emmerich, Fbg., 3. Aufl., S. 3 ff.
[32] A K. Emmerich, Die Geheimnisse des Alten Bundes. Aschaffenburg 1969.