Beitrag 20
Was verrät Luther über sich selbst?
„Hochmut und Anmaßung offenbart Luther in all seinen Schriften, soweit man diese zurückverfolgen kann“.[1] Der dies sagt ist kein Geringerer als der Dominikaner und Kirchenhistoriker Heinrich Suso Denifle.[2] Dieser brachte das freundliche Lutherbild Anfang des 20. Jahrhunderts durch seine genauen Quellenstudien zu Fall. Schon der frühe klösterliche Luther mit seinem extremen Tugendstreben war demnach von Stolz und Selbstüberhebung geprägt und mündete darum folgerichtig zunächst in die Verzweiflung, dann in eine neue Rechtfertigungslehre. Lange vor den wichtigen Studien von Paul Hacker, Theobald Beer und Alma von Stockhausen bewies Pater Denifle den Zusammenhang der Theologie Luthers mit dessen Person und Leben (Zitat): „Nur sein trauriges Innere, sein Hochmut, mitnichten seine angebliche Skrupulosität und Ängstlichkeit, erklären die Aufstellung eines ‚Systems‘, in welchem nicht nur das Übernatürliche, sondern selbst das Sittengesetz völlig aufgegeben ist, und Gott… gleichsam vorgeschrieben wird, wie er den Sünder rechtfertigen soll und muß, d. h. wie es Luthers selbstverschuldeter innerer Zustand erfordert. Der Hochmut geht eben kopfüber in die Tiefe, nach dem Worte des hl. Augustin: ‚Wehe dem Menschen, dessen Wagenlenker der Hochmut ist; nicht anders wird es geschehen, als dass er ins Verderben reitet.‘[3] Hören wir, was der hl. Kirchenlehrer Laurentius von Brindisi darüber sagt in seiner „Darstellung des Luthertums“:
„Was andere, sowohl Katholiken als auch Häretiker, über Martin Luther dachten und welche Meinung sie über diesen verlorensten Menschen hatten, haben wir gesehen und offen gelegt; jetzt ist zu schauen, wie er über sich selbst urteilte. Nachdem er mitsamt dem Habit die [überlieferte][4] Frömmigkeit und den Glauben der Römischen Kirche verlassen hatte, hat er sich selbst als den einst katholischen Mönch verdammt. Er sei ein verrückter Papist, ein Götzendiener, Gotteslästerer [und] Christusverleugner gewesen. Mit weiteren Prädikaten dieser Art schmückt er sich selbst, jedoch aus Hass gegen die katholische Religion [und] das Mönchtum. Er nimmt den Mund voll und redet in stolzer Eitelkeit (vgl. 2 Petr 2,18), rühmt sich selbst und verkauft sich als Propheten, Apostel, Evangelisten, Erneuerer der Kirche, Wiederhersteller des Evangeliums und als heiliges und auserwähltes Werkzeug Gottes.
Nach meinem Dafürhalten war Luther, als er solches schrieb, entweder durch den Rausch der Eigenliebe von Sinnen, oder er war von Zorn entbrannt und schimpfte rasend, oder er prophezeite, durch einen bösen Geist hin- und hergerissen wie Saul (vgl. 1 Kg 8,10 ?), nicht wissend, was er sagt, noch verstehend, was er redet. Wir müssen hören, wo er bei Sinnen Vernünftigeres spricht. Daraus wird offenbar werden, wie gut er zur Häresie disponiert war. Wie Paulus von Christus als auserwähltes Werkzeug zum Heil der Seelen durch die Predigt des Evangeliums erkannt und von der Synagoge zur Kirche Gottes gezogen war (Apg 9,15), so war Luther von der Kirche Christi zur Synagoge Satans gezogen, vom Teufel als bestgeeignet erkannt, durch das Trompeten des Neoevangeliums die Seelen zu stürzen.
Zu Ruchlosigkeit und Gotteslästerung geneigt sagt er von sich [als Mönch]: „Ich liebte Gott nicht, ja ich hasste den gerechten und Sünder strafenden Gott; mit ungeheurem Murren zürnte ich gegen Gott“. Vom Rausch der Selbstliebe und von eitler Ruhmsucht bewegt, wurde er durch die Popularität [noch] begünstigt; so sagt er über die [von ihm] aufgewühlte Ablasstragödie: „Inzwischen erwarteten die Deutschen mit besorgten Gemütern ein so großes Ereignis, wie es vorher niemand, kein Bischof und kein Theologe, anzutasten gewagt hätte, und es begünstigte mich diese Popularität!“, und zwar deshalb, weil er hochmütig und stolz war.
Satan sah obendrein Luther von Wissen aufgebläht, geübt in scholastischen Disputationen, zu Streitereien und Auseinandersetzungen geneigt und immer auch unverschämt siegesbegierig. Er selbst nämlich [war] das Haupt dieser tödlichen Tragödie. [Er] leitete den Ablassstreit ein, heizte ihn von Tag zu Tag mehr an, disputierte auf das Streitbarste und wollte sich mit allen auf das Heftigste messen. Dies bezeugen sehr viele seiner streitsüchtigen Bücher, dies bezeugen seine Aktionen.
Schließlich berichtet er über sich selbst vor seinem Abfall, dass er durch keinerlei besondere Berufung Gottes sein Werk begonnen habe [Zitat:]. „Ich war anfangs allein und sicher der Ungeeignetste, um solche Dinge zu behandeln. Denn ich bin, Gott ist mein Zeuge, durch Zufall in diese Wirrnisse geraten, und nicht willentlich und absichtlich“.[5] Er sagt [also] selbst, ohne jede göttliche Autorität [und] unsicher über die Dinge gewesen zu sein, welche er zu predigen begann [Zitat]: „Über die Ablässe wusste ich geradezu nichts“. Und [ferner]: „Papst, Kardinäle und Bischöfe beargwöhnte ich. Es war unmöglich für mich, diese als wahre Kirche und Organe des Heiligen Geistes anzusehen“. [Und so] sagte Luther, vom Zorn ergriffen, in der Leipziger Disputation: „Nicht wegen Gott wurde diese Sache angefangen[6] und nicht wegen Gott wird sie beendet werden“.
In seinem Schreiben An den Kardinal Albrecht von Brandenburg[7] nannte er sich den allgemeinen Teufel [Zitat]: „Ich bin von Gott gegen Euch römische Teufel… zum allgemeinen Teufel erweckt worden, wie Elias gegen Achab und Jezabel“ (vgl. 3 Kg 18,1ff. [3 Kg = heute 1 Kg]). Luther wollte sich [also] mit dem höchst ehrenwerten Titel ehren, mit dem Christus den Verräter Judas geehrt hat, als Er sagte: Einer von Euch ist ein Teufel (Joh 6,71).
Wie ein Feuerfunke war Luther. „Ein Funke aber“, sagt der heilige Hieronymus, „vernichtet, wenn er auf Zunder trifft und Nahrung findet, Burgen, Städte und [ganze] Regionen. Arius war“, so sagt er weiter, „in Alexándrien ein Funke; [und] weil er nicht sogleich unterdrückt worden war, hat seine Flamme den ganzen Erdkreis verwüstet“. Dies kann heutzutage über Luther in Deutschland gesagt werden! Es war nämlich ein wenig Sauerteig, welcher die ganze Masse verdarb (1 Kor 5,6), und als ein Schaf krank geworden war, hat es die gesamte Herde mit seinem Aussatz angesteckt und nach Art einer Seuche dahingerafft.“
(aus: Laurentius von Brindisi, Opera omnia, Vol. II Hypotyposis Lutheranismi, Pars I Hypotyposis Martini Lutheri, Patavii, ex officina typographica seminarii 1930, Sectio Quarta, Dissertatio Quinta, I-IV S. 192ff.; VII-VIII S. 198f.)
[1] Denifle, Band 1, Teil 2, S. 457. "[I]n dem Masse, als man Christus erniedrigt, in demselben Masse wird Luther immer mehr erhöht und glorifiziert". Denifle, Vorwort zur 2. Aufl. des ersten Teiles von Band 1.
[2] *16. Januar 1844 in Imst (Tirol); † 10. Juni 1905 in München. Kirchenhistoriker. Seit 1883 war er Unterarchivar am Vatikanischen Archiv in Rom, nachdem er seit 1880 Generalassistent des Dominikanerordens in Rom war.
[3] Denifle, a.a.O., S. 460. „auriga“ und „necesseestenim, utpraecepseat“.
[4] „ererbte“.
[5] Aber durch seinen Stolz ein gefügiges Pferd vor dem Karren des Teufels – oder wie Laurentius vorhin gesagt hat: „gut disponiert zur Häresie“, „vom Teufel als bestgeeignet erkannt“, „und zwar deshalb, weil er hochmütig und stolz war“.
[6] Text: Sondern aus hochmütigem Zorn auf die Autorität.
[7]Erzbischof von Mainz und Kurfürst des Heiligen Römischen Reiches.