Beitrag 22
Nächtliche Erörterungen des Teufels über die Messe[1]
„‘Nun, [der Teufel] hatte mich in dieser Disputation ergriffen, und ich wollte ja nicht gern für Gott ein solchen unheiligen Haufen Greuel auf mir lassen, sondern meine Unschuld verteidigen, und hörte ihm zu, was er für Ursachen hätte wider meine Weihe und Salbung.
Erstlich sprach er: Du weißt, dass du nicht recht an Christum geglaubt hast und bist des Glaubens halben so gut als ein Türke gewesen. Denn der Türke, ja ich selber mit allen Teufeln, glauben auch alles, was von Christo geschrieben steht... Aber unser keiner tröstet sich sein oder hat Zuversicht zu ihm als zu seinem Heilande. Sondern wir fürchten ihn als einen strengen Richter. Solchen Glauben hattest du auch und keinen andern, da du geweiht wurdest und Messe hieltest. Und alle andern, beide Weihbischöfe und seine Weihlinge, glaubten auch also. Darum ihr auch alle von Christo euch zu Marien und den Heiligen hieltet, die mussten euer Trost und Nothelfer sein gegen Christum. Darum seid ihr geweiht und habt Messe gehalten als Heiden und nicht als Christen.
Zum Andern. So bist du geweiht und hast gewandelt wider die Ordnung und Meinung Christi. Denn Christus Meinung ist die, dass man soll das Sakrament oder die Messe also halten, dass es seinen Christen ausgeteilt und den andern gereicht werde. Denn ein Priester soll sein ein Diener der Kirchen, dass er die Sakramente austeile und predige... Daher es auch von den alten Vätern „Communio“, „Gemeinschaft“ heißt, dass es nicht der Priester allein solle nehmen, sondern die andern in gemein[schaft] auch mit empfangen. … Was bist du für ein Priester gewesen? Der du dir allein und nicht der Kirchen zum Diener geweiht bist. Von solcher Weihe weiß Christus nicht.
Zum Dritten. Christus Meinung ist, das man bei dem Sakrament solle von ihm und seinem Tod predigen und öffentlich bekennen, wie er spricht: Solches tut zu meinem Gedächtnis[2], das ist: verkündigt (wie es Sankt Paulus redet) meinen Tod bis ich komme[3]. Aber du Winkelmesser hast nie kein Wort gepredigt noch Christum bekannt in allen deinen Winkelmessen. Allein hast du es genommen. Allein hast du mit dir selbst gewispelt. Heißt das ein rechter Priester?
Zum Vierten. Christus Meinung ist, dass es solle ein gemein[sames] Sakrament sein, den anderen Christen mitzuteilen. Aber du bist geweiht, dass du es sollest Gott opfern, und bist nicht zum Sakramentspriester, sondern zum Opferpriester geweiht... Das mag dir eine verkehrte Weihe heißen, dass du dir einzelner Person ein Opfer gegen Gott draus machst... O Greuel über Greuel.
Zum Fünften: Ist Christus Meinung (wie gesagt), dass man das Sakrament solle austeilen der Gemeinde Christi, ihren Glauben zu stärken und Christum zu loben öffentlich. Du aber hast ein eigen Werk daraus gemacht, dass dein sei und du vollbracht hast ohne Zutun der anderen. Und solches Werk anderen mitgeteilt und um Geld verkauft. …
Hier siehst du, dass in deiner Messe zum ersten nicht die Person da ist, so wandeln soll und kann, nämlich ein christgläubiger Mensch. Zum andern ist nicht da die Person, der du es sollst wandeln und reichen, nämlich die christliche Gemeinde oder Volk. Sondern du gottloser, ungläubiger Priester stehest da allein und meinest, Christus habe es um deinetwillen geordnet und solle dir allein aufhüpfen[4] und seinen Leib und Blut wandeln lassen... Zum Dritten ist die endlich Meinung und Frucht oder Brauch nicht da, die Christus haben will. Denn es ist eingesetzt, die christliche Gemeinde damit zu speisen und stärken und Christum zu predigen und preisen. Nun weiß die christliche Gemeinde von deiner Messe nichts, höret von dir nichts, empfängt von dir nichts. Sondern du schweigst dort im Winkel und frissest es allein, der du doch ungläubig und unwürdig bist, und speisest niemand damit, sondern verkaufst es als dein übrig gut Werk. Weil du denn die Person nicht bist, die es tun soll, und die Person nicht da ist, die es haben soll, und die endliche Meinung verkehrt ist, die Christus da geordnet hat und haben will, … so ist beide, deine Weihe und Wandlung, lauter nichts denn Gotteslästerung und Versuchung, und bist du weder Priester noch das Brot der Leib Christi in deiner Messe.‘ (Licht wieder hell dimmen)
Nach diesen Ausführungen legt Luther seine Angst dar [Zitat]: „In solche Angst und Not versetzt wollte ich den Teufel von mir vertreiben, indem ich den alten Schutzschild an mich riß, über den ich im Papsttum unterrichtet wurde, nämlich die Absicht und den Glauben der Kirche. Denn mag ich auch nicht rechten Glaubens oder rechter Intention gewesen sein, so war doch die Kirche rechten Glaubens und rechter Absicht. Und deshalb hielt ich meine Messe und meine Weihe für gültig. Der gegenteilige Einwand [aber] bedrängte mich (wieder dunkel dimmen): „Bitte, sag mir doch: Wo steht denn geschrieben, daß ein frevelhafter und ungläubiger Mensch auf Glauben und Intention der Kirche gestützt konsekrieren könne? Wo denn hat Gott dies gelehrt und geboten? … Wenn Menschen ohne Gottes Wort reden, so ist es durch und durch Lüge. Bislang tut ihr in Finsternis alles unter Berufung auf die Kirche, und eure Greuel nennt ihr ‚Lehre der Kirche‘.“(wieder hell)
Luther wagte nicht, dem Teufel noch weiter zu antworten, [und] so unterlag er und gab sich geschlagen. Denn von wem jemand überwältigt wird, dessen Sklave ist er auch (2 Petr. 2, 19). Alsdann sagt Luther, daß der Teufel ein gar mächtiger Disputator sei, so sehr, daß niemand ohne besondere Beihilfe und Kraft Gottes ihm widerstehen könne. Somit war also Luther der Gnade Gottes beraubt, da er ja vom Teufel überwunden wurde.
Ferner sagt er, der Teufel sei ein überaus geschickter Lügner. Denn er nimmt irgendeine Wahrheit, die niemand bestreiten kann, und unter dieser verbirgt er seine Lüge. Dennoch sagt Luther, daß, wenn der Teufel uns unsere offensichtlichen Schlechtigkeiten vorhält, er [doch] nicht lügt, [denn] er hat zwei Zeugen: das göttliche Gebot und [unser] eigenes Gewissen. Somit erklärt sich Luther offen als vom Teufel überwunden und durch [dessen] „Argumente“ überzeugt, daß die Messe ein götzendienerischer Greuel sei. Uns bleibt nun die Darlegung und Widerlegung [jener] teuflischen „Argumente“ und ungeheuren Spitzfindigkeiten, durch welche Luther überwunden und gefangen [worden] war.“
(aus: Laurentius von Brindisi, Opera omnia, Vol. II Hypotyposis Lutheranismi, Pars I Hypotyposis Martini Lutheri, Patavii, ex officina typographica seminarii 1930, Sectio Quinta, Dissertatio Prima, V-VI S. 205ff.; VIII S. 208f.)
[1] FORTSETZUNG der nächtlichen Erörterungen des Teufels über die Messe aus der Lutheranismi Hypotyposis… mit den originalen Worten Luthers. Für „Pfaffe“ ist jedoch „Priester“ gesetzt.
[2] Lk 22,19.
[3] 1 Kor 11,26.
[4] D.h. auf dem Sprung folgen, gehorchen, erscheinen.