Beitrag 26

„Labyrinth der Häresien“ – die Macht mehrdeutiger Sprache

Luther hat sich, wie wir heute hören werden, einer weitschweifigen und mehrdeutigen Sprache bedient, um die Seelen zu täuschen. Auch in Dokumenten der Gegenwart fällt auf, dass mit dem Anwachsen ihres Umfangs umgekehrt proportional die katholische Klarheit ihrer Aussagen abnimmt. Vor allem die zweideutige Ausdrucksweise ist von Übel, wie schon Papst Pius VI. in aller Eindeutigkeit sagte gegen die (Zitat) „verschlagene Kunst des Betrugs der Neuerer: indem sie die Verletzung katholischer Ohren fürchten, bemühen sie sich häufig, die Schlingen ihrer Fangnetze durch schlaue Bemäntelung der Worte zu überdecken, damit der Irrtum, der in der Mehrdeutigkeit versteckt ist, leichter unbemerkt in die Seelen eindringe“.[1] Fast möchte man meinen, Pius VI. hatte damals im Kopf, was wir heute aus der „Darstellung des Luthertums“ des hl. Kirchenlehrers Laurentius von Brindisi hören:

„Jede Häresie [ist] nichts anderes als ein vom Satan gegen den Glauben weitergegebener Irrtum, eine von der höllischen Schule zu unserer Verderbnis importierte Lehre. Viele Geister des Irrtums und viele Lehren der Dämonen haben nach meinem Dafürhalten Geist und Brust Luthers zu einem unentwirrbaren Labyrinth gemacht – zu einem Labyrinth, sage ich, unentwirrbarer Irrtümer und Häresien, wie das Labyrinth jenes hochberühmten Kreters, das von Dädalus in so unentwirrbaren Windungen gebaut war, dass Theseus eines Fadens bedurfte. Das größte Labyrinth hat Satan in Luther gebaut, indem er Häresie an Häresie knüpfte und das Labyrinth der Häresien erbaute.

·        Die erste Häresie, zu der Luther hinführte, ist: der Glaube allein rechtfertige und rette den Menschen;

·        daraus folgt: gute Werke seien nicht notwendig;

·        dann: sie seien nicht einmal nützlich, ohne Verdienste bei Gott;

·        [und] daraus: der Dekalog gehöre nicht zum Evangelium;

·        [und deshalb] gebe es keine evangelischen Räte [und] keine Werke der Übergebühr;

·        [folglich] seien die monastischen Gelübde, Gebete, Fasten, Abtötungen des Fleisches und andere Bußwerke nicht einen Heller wert;

·        [d. h.] der Mensch bedürfe keiner anderen Gnade als der des Glaubens;

·        [denn] die Sakramente teilten keine Gnade mit; eine Sünde [aber] schade dem Christen [nicht], [sofern] er den Glauben hat;

·        daraus [ergibt sich]: es gebe kein Fegfeuer, noch bedürften die Verstorbenen der Fürbitten und Ablässe, diese seien nur Lug und Trug.

Aus diesem Prinzip vom Glauben allein ohne Werke werden viele andere Irrlehren abgeleitet, wie z. B. die Irrlehre von der evangelischen und christlichen Freiheit [wonach]:

·        Der durch den Glauben Kind Gottes gewordene Christ nicht durch menschliche Gesetze gebunden sei, [d. h.] nicht durch kirchliche Traditionen,

·        deshalb müsse er den Bischöfen oder Konzilien oder den Päpsten nicht gehorchen, sondern jeder müsse in der Freiheit des Geistes leben;

·        daraus [folgt]: es gebe keine kirchliche Hierarchie, der Papst sei nicht Oberhaupt der Kirche, die Bischöfe hätten keine größere Gewalt als die übrigen Priester, ja als alle Christen,

·        [denn] es gebe kein Weihesakrament, keinen unauslöschlichen Charakter.

Wenn die priesterliche Gewalt und die bischöfliche und päpstliche Würde aber hinweggenommen sind, dann stürzen Messopfer, Altäre, Heiligtümer, Bilder, alle Riten und Zeremonien des göttlichen Kultes, alle kirchlichen Rechte und Rechtssprüche, jede Ordnung, jede Disziplin, jede kirchliche Hierarchie.

Außerdem entstehen daraus andere, noch grausamere Irrtümer. Wenn nämlich einzig der Glaube ohne jede Mitwirkung unsererseits für das Heil etwas gilt, allein als Gnade und Geschenk Gottes,

·        dann stürzt der freie Wille [und] alles geschieht aus Notwendigkeit,

·        durch Gottes Willen und Anordnung sündige der Mensch,

·        ohne gerechte Gründe würden die einen gerettet, die anderen verdammt, Gott rechne den Gläubigen die Sünden nicht an, die Ungläubigen [dagegen] seien zur Verdammnis erschaffen,

·        [und] unmöglich sei es dem Menschen, Gutes zu tun und Schlechtes nicht zu tun.

Das Labyrinth in Kreta war der Überlieferung gemäß von Dädalus mit größter Kunstfertigkeit gebaut, damit Minotaurus dort eingeschlossen werde. Luther aber hat mit satanischem Genie vor allem sich selbst jenes Labyrinth errichtet, so dass er sowohl Dädalus wie auch Minotaurus zugleich war. Darüber hat schon Johannes Cochläus im Buch Gegen den sächsischen Minotaurus im Mönchshabit viel geschrieben. [Luther] hat jedoch nicht nur für sich, sondern auch für viele andere jenes Labyrinth hervorgebracht.

[Luther] war vom Satan ausgestattet mit der großen Begabung und Kunst zu täuschen sowie mit einer staunenswerten Sprachgewalt und energiereichen Glut der Rede. [So] gebraucht er das Wort nach Art der Labyrinthe, eingewickelt in biegsame Zweideutigkeiten, mit pfiffigen und schrägen Ratschlägen und – um mich so auszudrücken – in tausend Mäander hineingerollt. So kann nichts Geschwätzigeres und Verworreneres als Luthers Redeweise gefunden werden. Um zu vernebeln und zu täuschen bedient er sich einer so großen Wortfülle und so vieler Wendungen und Biegungen.

Diese Besonderheit hat er in allen seinen Schriften: Obwohl er in der Tat nichts sagt, hat es doch den Anschein, als ob er durch ein zweideutiges Gleiten der Sprache im Hin und Her etwas Großes sagen würde. Obwohl es nur Rauch und Schatten ist, scheint er seine Rede mit tausend schlecht hingedrehten Schriftstellen zu bestärken.

Dies ist bei allen Häretikern üblich, wie Vinzenz von Lerin in seinem Commentarium vielfach beweist. Er untersucht vor allem, ob auch die Häretiker die Zeugnisse der Hl. Schrift gebrauchen, und sagt: „Sie gebrauchen sie allerdings und heftig; denn man sieht sie durch alle einzelnen Bücher des Heiligen Gesetzes eilen.“ „Kaum bringen sie etwas von dem Ihrigen vor, das sie nicht auch durch Schriftworte zu bemänteln suchen.“ „Umso mehr“, sagt er, „sind sie mit Vorsicht zu genießen und zu fürchten, je geheimnisvoller sie sich unter dem Mäntelchen des Göttlichen Gesetzes verbergen“.

Wie gut passt zu Luther, was [der hl.] Vinzenz [von Lerin sagt, Zitat]: „Wenn jemand irgendeinen Häretiker fragt: Wie beweist du und mit welchem Recht lehrst du, dass ich den universalen und alten Glauben der katholischen Kirche aufgeben soll? Sogleich antwortet dieser: ‚Es steht geschrieben‘, und er bringt tausend Zeugnisse [und] tausend Beispiele aus dem Gesetz, den Psalmen, Aposteln [und] Propheten, neu und schlecht interpretiert“. Luther hat mit diesen Kunstgriffen, durch das Prahlen und Großtun mit der Schrift, die er neu und schlecht interpretierte, eine sehr große Zahl in sein Labyrinth von Häresien hineingezogen.

Luther beherrschte von allen schlechten Künsten am besten jene, die Menschen zu täuschen, zu umgarnen und im Netz seiner Häresie einzuschließen. Er war ein großer Fischer; aber nicht einer von denen, über die der Herr sagt: Folget mir nach, ich werde euch zu Menschenfischern machen (Mt 4,19)! „Das Geschäft der Häretiker ist es nämlich nicht“, wie Tertullian sagt, „Heiden hinzuwenden, sondern die Unseren abzuwenden“. Fischer der Katholiken war [Luther], um aus Katholiken Häretiker zu machen. Dazu bereitete er mit seiner Fischerkunst Netz und Schlinge, mit so vielfältigen Knoten gewoben, dass für einen einmal ins Netz gegangenen Fisch wegen der so windungsreichen und verwirrenden Krümmungen entweder kein oder nur ein höchst schwieriger Ausgang offenstand.“

(aus: Laurentius von Brindisi, Opera omnia, Vol. II Hypotyposis Lutheranismi, Pars I Hypotyposis Martini Lutheri, Patavii, ex officina typographica seminarii 1930, Sectio Quinta, Dissertatio Tertia, XI-XIII S. 231ff.)

[1] Bulle AUCTOREM FIDEI von 1794 gegen die Synode von Pistoja.