VIERZEHNTE ROSE
Das Vaterunser, die vortrefflichste Übung der christlichen Tugenden
Wenn wir dieses göttliche Gebet andächtig verrichten, erwecken wir ebensoviele Akte der vornehmsten Tugenden, als wir Worte aussprechen.
Bei den Worten: Vater unser, der du bist in dem Himmel, üben wir Akte des Glaubens, der Anbetung und der Demut.
Durch den Wunsch, daß sein Name geheiligt und verherrlicht werde, zeigen wir einen glühenden Eifer für seine Ehre.
Bei der Bitte um den Besitz seines Reiches erwecken wir einen Akt der Hoffnung.
Indem wir wünschen, daß sein Wille auf Erden wie im Himmel erfüllt werde, zeigen wir den Geist vollkommenen Gehorsams.
Bitten wir um unser tägliches Brot, so üben wir die Armut im Geiste und die Losschälung von den Gütern der Welt.
Wenn wir Gott bitten, uns unsere Sünden zu verzeihen, so erwecken wir einen Akt der Reue.
Und indem wir jenen verzeihen, die uns beleidigt haben, üben wir auf das vollkommenste die Barmherzigkeit.
Wenn wir ihn um Hilfe in den Versuchungen bitten, erwecken wir Akte der Demut, Klugheit und des Starkmutes.
Indem wir erwarten, daß er uns vom Übel erlöse, üben wir die Geduld.
Da wir endlich dies alles nicht nur für uns, sondern auch für unseren Nächsten und für alle Glieder der Kirche erbitten, erfüllen wir die Aufgabe als wahre Kinder Gottes, ahmen wir ihn in seiner Liebe nach, die alle Menschen umfaßt und bringen das Gebot der Nächstenliebe zur Ausübung.
Wir verabscheuen alle Sünden und halten alle Gebote Gottes, wenn sich bei diesem Gebet unser Herz mit der Zunge vereint und wir keine dem Sinn dieser göttlichen Worte widersprechenden Absichten haben.
Denn wenn wir darüber nachdenken, daß Gott im Himmel ist, d.h. unendlich über uns erhaben durch die Größe seiner Majestät, so werden wir mit der Gesinnung der tiefsten Ehrfurcht von seiner Gegenwart erfüllt; ganz von heiliger Furcht durchdrungen fliehen wir den Stolz und erniedrigen uns bis ins Nichts.
Indem wir den Namen des Vaters aussprechen und uns daran erinnern, daß wir von Gott durch die Vermittlung der Eltern das Dasein, sowie durch unsere Lehrer den Unterricht empfangen haben, so fühlen wir uns verpflichtet, sie oder vielmehr Gott in ihrer Person zu ehren, und wir hüten uns wohl, sie zu verachten oder zu betrüben; denn als seine lebendigen Abbilder sind sie für uns seine Stellvertreter hienieden. Wenn wir das Himmelreich als unser Erbe betrachten, entsagen wir all unserer Anhänglichkeit an die Güter dieser Welt.
Wenn wir aufrichtig für unseren Nächsten dieselben Güter erbitten, wie für uns selbst, so widersagen wir dem Haß, der Uneinigkeit und dem Neid.
Indem wir Gott um das tägliche Brot bitten, verabscheuen wir die Unmäßigkeit und Wollust, die sich vom Überfluß nähren.
Während wir Gott wahrhaft bitten, uns zu verzeihen, wie auch wir denen verzeihen, die uns beleidigt haben, unterdrücken wir unseren Zorn und die Rachsucht, erweisen wir Gutes für das Böse und lieben wir unsere Feinde.
Wenn wir Gott bitten, im Augenblick der Versuchung uns nicht in die Sünde fallen zu lassen, zeigen wir, daß wir die Trägheit fliehen, und daß wir die Mittel suchen, um die Laster zu bekämpfen und unser Heil zu wirken.
Indem wir Gott bitten, uns vom Übel zu befreien, fürchten wir seine Gerechtigkeit und sind glücklich, denn die Furcht des Herrn ist der Anfang der Weisheit (Ps 110,10); durch die Furcht Gottes vermeidet jeder Mensch die Sünde.