SIEBENUNDZWANZIGSTE ROSE
Wohltaten und Wirkungen des Rosenkranzes
Um euch noch mehr zu dieser Andacht der großen Seelen zu ermuntern, füge ich noch bei, daß der unter Betrachtung der heiligen Geheimnisse gebetete Rosenkranz:
1. uns unmerklich zur vollkommenen Erkenntnis Jesu Christi führt;
2. unsere Seelen von der Sünde reinigt;
3. uns über alle unsere Feinde siegreich macht;
4. uns die Übung der Tugenden leicht macht;
5. uns mit der Liebe Jesu Christi entflammt;
6. uns mit Gnaden und Verdiensten bereichert;
7. uns ein Mittel an die Hand gibt, um alle unsere Schulden gegen Gott und die Menschen zu zahlen; und endlich
8. uns von Gott alle Arten von Gnaden erlangt.
Die Kenntnis Jesu Christi ist die Wissenschaft der Christen und die Wissenschaft des Heils. Sie übersteigt, sagt der heilige Paulus (vgl. Phil 3,8), alle menschlichen Wissenschaften an Wert und Vortrefflichkeit:
1. wegen der Würde ihres Gegenstandes, nämlich eines Gottmenschen, vor dem das ganze Weltall nichts ist als ein Tautropfen oder ein Sandkorn;
2. wegen ihrer Nützlichkeit; die menschlichen Wissenschaften erfüllen uns nur mit leerem Dünkel und eitlem Stolz (vgl. 1 Kor 8,1);
3. wegen ihrer Notwendigkeit; denn man kann nicht gerettet werden ohne die Erkenntnis Jesu Christi, und einer, der alle anderen Wissenschaften nicht kennt, wird gerettet werden, wenn er nur mit der Wissenschaft Jesu Christi erleuchtet ist.
Glückseliger Rosenkranz, der uns diese Wissenschaft und Erkenntnis Jesu Christi vermittelt, indem er uns anleitet, das Leben, das Leiden, den Tod und die Glorie Jesu Christi zu betrachten! Als die Königin von Saba die Weisheit Salomons bewunderte, rief sie aus: "Glückselig sind deine Leute und glückselig deine Diener, die immerdar vor dir stehen und deine Weisheit hören" (3 Kön 10,8). Doch glücklicher jene Gläubigen, die aufmerksam das Leben, die Tugenden, die Leiden und die Glorie des Erlösers betrachten, denn sie erwerben sich dadurch die vollkommene Erkenntnis, worin das ewige Leben besteht. Haec est vita aeterna (vgl. Joh 17,3).
Die Allerseligste Jungfrau offenbarte dem seligen Alanus, daß die verhärteten Sünder gerührt wurden und ihre Missetaten bitter beweinten, sobald der heilige Dominikus den Rosenkranz predigte. Kleine Kinder sogar taten unglaubliche Bußwerke; der Eifer war so groß, daß überall, wo er predigte, die Sünder das Leben änderten und alles mit ihren Bußwerken und der Besserung ihres Lebens erbauten. Wenn du dein Gewissen von Sünden belastet fühlst, so nimm deinen Rosenkranz und bete einen Teil davon zu Ehren einiger Geheimnisse des Lebens, Leidens oder der Glorie Jesu Christi und sei überzeugt, daß Jesus Christus dem Vater im Himmel, während du diese Geheimnisse ehrst und betrachtest, seine heiligen Wunden zeigt. Er wird Fürbitte für dich einlegen und dir Reue und die Verzeihung deiner Sünden erlangen.
Eines Tages sagte der göttliche Heiland zum seligen Alanus: "Wenn jene unglücklichen Sünder den Rosenkranz oft beteten, so würden sie an den Verdiensten meines Leidens teilnehmen und ich würde als ihr Fürsprecher die göttliche Gerechtigkeit besänftigen."
Dieses Leben ist ein fortwährender Kampf und eine beständige Versuchung; denn wir haben nicht den Kampf wider Fleisch und Blut zu führen, sondern wider die Mächte und Gewalten, wider die Weltbeherrscher dieser Finsternis, wider die Geister der Bosheit (Eph 6,12). Welche bessere Waffe werden wir ergreifen, um sie zu bekämpfen, als das Gebet, das unser großer Feldherr uns gelehrt, als den Engelsgruß, der die Teufel vertrieben, die Sünde zerstört und die Welt wieder erneuert hat, als die Betrachtung des Lebens und Leidens Jesu Christi? Mit diesem Gedanken müssen wir uns wappnen, wie der heilige Petrus befiehlt, um uns gegen dieselben Feinde zu verteidigen, die er besiegt hat, und die auch uns täglich angreifen (vgl. 1 Petr 4,1).
"Seit der Teufel", sagt der Kardinal Hugo, "durch die Demut und das Leiden Jesu Christi besiegt worden ist, kann er gleichsam einer Seele nichts mehr anhaben, die mit der Betrachtung seiner Geheimnisse ausgerüstet ist, oder wenn er sie angreift, so wird er schmählich besiegt."
Induite vos armaturam Dei: Ziehet also diese Waffenrüstung Gottes an (Eph 6,11), den heiligen Rosenkranz, und ihr werdet das Haupt des Teufels zertreten und in allen seinen Versuchungen standhaft bleiben.
Daher kommt es, daß selbst der materielle Rosenkranz dem Teufel so schrecklich ist und daß die Heiligen sich desselben bedient haben, um den bösen Feind in die Flucht zu schlagen und aus dem Körper der Besessenen zu vertreiben, wovon mehrere Geschichten Zeugnis ablegen.
Ein Mensch, sagt der selige Alanus, der vergeblich alle Arten von Andachtsübungen versucht hatte, um von einem bösen Geist, von dem er besessen war, befreit zu werden, geriet auf den Einfall, sich einen Rosenkranz um den Hals zu legen, was ihm Erleichterung brachte. Da er nun gemerkt hatte, daß der Teufel ihn sofort heftig quälte, sobald er den Rosenkranz vom Hals wegnahm, beschloß er, den Rosenkranz Tag und Nacht zu tragen, wodurch der Teufel, der eine solch schreckliche Kette nicht ertragen konnte, für immer vertrieben wurde. Der selige Alanus bezeugte, er habe eine große Zahl Besessener dadurch befreit, daß er ihnen so den Rosenkranz um den Hals legte.
Als P. Johann Amat aus dem Orden des heiligen Dominikus in einem Orte des Königreiches Aragonien die Fastenpredigten hielt, führte man ein vom Teufel besessenes Mädchen zu ihm. Nachdem er den Exorzismus mehrmals vergeblich angewandt hatte, legte er ihr seinen Rosenkranz um den Hals, und sogleich fing sie an, ein schreckliches Geschrei und Geheul auszustoßen, indem sie sagte: "Fort, fort mit diesen Körnern, die mich quälen!" endlich nahm ihr der Vater aus Mitleid mit seiner armen Tochter den Rosenkranz vom Hals.
In der folgenden Nacht, als sich der Pater zur Ruhe begeben hatte, kamen dieselben Dämonen, von denen das Mädchen besessen war, wutschäumend zu ihm, um sich seiner zu bemächtigen; doch mit seinem Rosenkranz, den er fest in der Hand hielt, schlug er sie trotz ihrer Anstrengungen, ihm denselben zu entreißen, wunderbar in die Flucht, indem er sprach: "Heilige Maria, Unsere Liebe Frau vom heiligen Rosenkranz, hilf mir!"
Als er am folgenden Morgen zur Kirche ging, begegnete er jenem armen Mädchen, das noch besessen war. Einer der Teufel, die in ihr waren, fing an, sich über ihn lustig zu machen, indem er sagte: "Nicht wahr, Bruder, wenn du deinen Rosenkranz nicht gehabt hättest, hätten wir dich schön hergerichtet!" Dann warf der Pater unversehens seinen Rosenkranz um den Hals des Mädchens, indem er sprach: "Durch die heiligsten Namen Jesu und Mariä, seiner heiligen Mutter, und durch die Kraft des heiligsten Rosenkranzes befehle ich euch, unreine Geister, sofort aus diesem Körper zu fahren!" Augenblicklich waren sie gezwungen, zu gehorchen, und das Mädchen war befreit.
Diese Erzählungen zeigen uns, wie groß die Macht des heiligen Rosenkranzes ist, um alle Arten von Versuchungen und Sünden zu besiegen, weil die geweihten Körner des Rosenkranzes sie verscheuchen.