ACHTUNDVIERZIGSTE ROSE

Lasset uns in der Andacht des heiligen Rosenkranzes ausharren!

Zum Vertrauen fügen wir fünftens die Beharrlichkeit im Gebete hinzu. Nur wer ausharrt im Beten, im Suchen und Anklopfen, wird empfangen, finden und Einlaß erhalten. Es genügt nicht, während einem Monat, ein Jahr, ja zehn, zwanzig Jahre lang Gott um eine Gnade zu bitten, man darf es sich nicht verdrießen lassen, et non deficere (Lk 18,1), man muß bis zum Tode bitten und entschlossen sein, entweder die Gnade, die man zu seinem Heile erbittet, zu erlangen oder zu sterben, ja man muß selbst den Tod mit der Beharrlichkeit im Gebete und mit dem Vertrauen auf Gott verbinden und sagen: Etiam si occiderit me, in ipso sperabo! Selbst wenn er mich tötet, werde ich auf ihn hoffen (Job 13,15) und von ihm erwarten, um was ich ihn bitte!

Die Freigebigkeit der Großen und Reichen dieser Welt gewinnt an Großmut, wenn sie durch ihre Wohltaten den Dürftigen zuvorkommt, selbst ehe sie darum bitten. Gott im Gegenteil zeigt sich umso herrlicher, je länger er die Gnaden, die er verleihen will, suchen und erbitten läßt; und je kostbarer die zu verleihende Gnade ist, desto länger zögert er, sie zu gewähren:

1. um sie dadurch noch zu vermehren;

2. um der Person, die sie empfangen soll, eine hohe Achtung davor einzuflößen;

3. damit sie sich recht hüte, die empfangene Gnade wieder zu verlieren, denn, was man in einem Augenblick und mit wenig Mühe erhalten hat, schätzt man gering.

Sei also beharrlich, lieber Mitbruder, Gott durch den heiligen Rosenkranz um alle zeitlichen und geistlichen Gnaden zu bitten, deren du bedarfst, und insbesondere um die göttliche Weisheit, die ein unerschöpflicher Schatz für die Menschen ist: Infinitus enim thesaurus est hominibus (Weish 7,14), und du wirst sie früher oder später unfehlbar erhalten unter der Bedingung, daß du den Rosenkranz niemals aufgibst und nicht mitten auf dem Weg den Mut verlierst. Grandis enim tibi restat via: denn ein weiter Weg steht dir noch bevor (3 Kg 19,7), noch manches Ungewitter hast du zu überstehen, noch viele Schwierigkeiten zu überwinden, noch viele Feinde niederzuringen, bevor du genug Schätze für die Ewigkeit gesammelt, genug Vaterunser und Ave Maria gebetet hast, um den Himmel zu erkaufen und die schöne Krone zu gewinnen, die eines treuen Rosenkranzverehrers harrt.

Nemo accipiat coronam tuam: "Niemand soll dir deine Krone rauben!" (Apk 3,11) Gib acht, daß nicht ein anderer, der im täglichen Rosenkranzgebet treuer ist als du, sie dir wegnehme. Coronam tuam, sie gehört dir, Gott hat sie für dich bereitet, du hattest sie durch deine gut gebeteten Rosenkränze schon halb gewonnen, und weil du auf dem besten Wege stehengeblieben bist, auf dem du so gut vorwärts geschritten warst, currebatis bene (Gal 5,7), ist ein anderer, der dich überholte, vor dir angelangt, ein anderer, der eifriger und treuer war, hat durch seine Rosenkränze und guten Werke den Preis für diese Krone verdient und erlegt. Quis vos impedivit? Wer hat dich aufgehalten (Gal 5,7), die Krone des heiligen Rosenkranzes zu erlangen? Ach, die Feinde des Rosenkranzes, die so zahlreich sind! Glaube mir, nur die Starken reißen sie mit Gewalt an sich: Violenti rapiunt (Mt 11,12). Diese Kronen sind nicht für jene Furchtsamen, welche den Spott und die Drohungen der Welt fürchten; sie sind auch nicht für jene Trägen, die ihren Rosenkranz nur nachlässig beten oder hastig oder nur so obenhin oder von Zeit zu Zeit, je nach ihrer Laune. Diese Kronen sind nicht für jene Feiglinge, die das Herz verlieren und die Waffen strecken, wenn sie die ganze Hölle gegen ihren Rosenkranz entfesselt sehen.

Wenn du, lieber Mitbruder, es unternehmen willst, Jesu und Maria durch den täglichen Rosenkranz zu dienen, bereite deine Seele auf die Versuchung vor: Accedens ad servitutem Dei, praepara animam tuam ad tentationem: "Willst du dich dem Dienste Gottes ergeben, so mache dich auf Anfechtungen gefaßt." (Ekkli 2,1) Die Irrlehrer, die Freigeister, die sogenannten rechtschaffenen Weltmenschen, die Halbfrommen und falschen Propheten im Verein mit deiner verderbten Natur und der ganzen Hölle, werden dir schreckliche Kämpfe bereiten, um dich von dieser Andacht abwendig zu machen.

Um dich gegen die Angriffe nicht so sehr der Irrlehrer und erklärten Freigeister, als vielmehr der rechtschaffenen Leute im Sinne der Welt, und selbst der frommen Seelen, denen diese Übung nicht gefällt, zu wappnen, will ich dir einen Auszug ihrer Denkweise und Redensarten anführen:

"Quid vult seminiverbius ille: "Was will dieser Schwätzer sagen?" (Apg 17,18) Venite, opprimamus eum, contrarius est enim: "Lasset uns diesen armen Gerechten unterdrücken,... denn er ist uns unnütz und steht unseren Werken entgegen." (vgl. Weish 2,10f) Was leiert denn dieser Mensch immer Rosenkränze her? Welcher Müßiggang! Er tut nichts als Rosenkränze hersagen, er täte wohl besser daran, zu arbeiten, anstatt sich mit solchen Frömmeleien abzugeben! Ja freilich! Man muß nur den Rosenkranz beten, und es werden einem die gebratenen Tauben in den Mund fliegen! Der Rosenkranz gibt uns kein Brot! Das Sprichwort sagt: Hilf dir selbst, so hilft dir Gott! Warum aber sich mit so vielen Gebeten belasten? Brevis oratio penetrat coelos: Ein kurzes Gebet dringt durch die Wolken. Ein gut gebetetes Vaterunser und Gegrüßt seist du... ist genug. Der liebe Gott hat uns den Rosenkranz nicht befohlen; der ist gut, wenn man Zeit dazu hat, aber man kann auch ohne das selig werden. Wie viele Heilige haben ihn nie gebetet und sind doch heilig geworden!"

"Es gibt immer Leute, die verlangen, daß die ganze Welt sich nach ihnen richte. Es gibt Überspannte, die alles übertreiben, es gibt Skrupulanten, die dort Sünden sehen, wo keine sind; sie sagen, alle werden verdammt, welche nicht ihren Rosenkranz beten. Den Rosenkranz beten, das ist für die unwissenden Weiblein, die nicht lesen können. Den Rosenkranz beten! Ist es nicht besser, das Offizium der Allerseligsten Jungfrau oder die sieben Bußpsalmen zu beten? Gibt es etwas Schöneres als diese Psalmen, die der Heilige Geist selber eingegeben hat? Du willst täglich einen ganzen Psalter beten? Strohfeuer ist das, das hält nicht lange an! Ist es nicht besser, weniger zu unternehmen und dafür treuer zu sein?"

"Ach was, glaube mir, mein Lieber, verrichte ein gutes Morgen- und Abendgebet und arbeite tagsüber für den lieben Gott, Gott verlangt nicht mehr von uns. Wenn du nicht deinen Lebensunterhalt verdienen müßtest, meinetwegen, dann könntest du dich verpflichten, deinen Psalter zu beten. Du kannst ihn an Sonn- und Feiertagen ganz nach Muße beten, nicht aber an den Werktagen, dann mußt du arbeiten."

"Was? Einen so großen Rosenkranz bei sich tragen? Oder den Rosenkranz gar am Gürtel tragen? Welche Scheinheiligkeit! Ich rate dir, ihn um den Hals zu hängen, wie es die Spanier machen. Das sind noch eifrige Rosenkranzbeter, die tragen einen großen Rosenkranz in der einen Hand, während sie in der andern einen Dolch haben, um damit den Verräterstich zu führen. Laß doch diese äußerlichen Andachten, die wahre Andacht ist im Herzen, usw. usw."

Manche sonst ganz tüchtige Männer und große Gelehrte, die jedoch in ihrem Stolze alles kritisieren, werden dir den Rosenkranz kaum anraten. Sie werden dich eher dazu veranlassen, die sieben Bußpsalmen oder einige andere Gebete zu verrichten. Wenn irgendein guter Beichtvater dir zur Buße einen Psalter gegeben hat, den du vierzehn Tage oder einen Monat lang beten sollst, dann brauchst du nur zu einem jener Herren zur Beicht zu gehen, und deine Buße wird in einige andere Gebete, Fasten, Messen oder Almosen umgewandelt werden.

Selbst wenn du solche fromme Personen in der Welt, die die Vortrefflichkeit des Rosenkranzes nicht aus eigener Erfahrung kennen, um Rat fragst, so wirst du finden, daß sie nicht nur ihn niemand anraten, sondern sie werden noch die andern davon abhalten, um sie zur Beschauung anzuhalten, als ob der Rosenkranz und die Beschauung unvereinbar wären, als ob soviele heilige Rosenkranzverehrer nicht in der höchsten Beschauung gelebt hätten.

Deine inneren Feinde werden dich umso grausamer angreifen, je mehr du mit ihnen verbunden bist. Ich meine die Fähigkeiten deiner Seele und die Sinne deines Körpers, die Zerstreuungen des Geistes, der Überdruß des Willens, die Trockenheit des Herzens, die Beschwerden und Krankheiten des Leibes. All dies im Verein mit den bösen Geistern, die sich einmischen, wird dir Zurufen: Laß ab von deinem Rosenkranz, er ist es, der dir Kopfweh verursacht; laß ab von deinem Rosenkranz, es ist ja keine Verpflichtung unter Sünde; bete wenigstens nur einen Teil davon, deine Leiden sind ein Anzeichen, daß Gott nicht will, daß du ihn betest, du kannst ihn morgen beten, wenn du besser dazu aufgelegt bist, usw. usw.

Der tägliche Rosenkranz hat endlich soviele Feinde, daß ich es als einen der ausgezeichnetsten Gnadenerweise Gottes betrachte, darin bis zum Tode auszuharren. Verharre darin, und du wirst die wunderbare Krone erlangen, die deiner Treue im Himmel bereitet ist: Esto fidelis usque ad mortem, et dabo tibi coronam: "Sei getreu bis in den Tod, und ich werde dir die Krone geben." (Offb 2,10)