b) Laien
1-341
Marianne Hertz
Hausfrau
* 14. Januar 1882 Holzminden (Niedersachsen)
+ 9. August bzw. 30. September 1942 KZ Auschwitz-Birkenau
Marianne Hertz wurde am 14.1.1882 im niedersächsischen Holzminden als viertes Kind der jüdischen Eheleute Bernhard H. (* 29.3.1843 Köln) und Henriette, geb. Jacobson (* 29.6.1850 Stade), geboren. Ihre Geschwister waren Hanny (* 9.7.1876 Köln), Frida (* 4.11.1877 Köln) und Simon (* 14.5.1879 Godelheim, f 30.7.1882 Holzminden). Das im oberen Weserbergland gelegene Städtchen am Fuße des Mittelgebirges Solling hatte zur Zeit der Geburt von Marianne etwa 9000 Einwohner, die zumeist in der Glashüttenindustrie und im Metallhandel tätig waren. In Holzminden wohnte die Familie nachweislich von Januar 1880 bis November 1881, und zwar in der Luisenstraße, danach in der Bahnhofstraße 9. Auf Bernhard H. ist von Januar 1880 bis September 1884 die „Firma B. Hertz & Co. Altendorf“ eingetragen, deren Mitgesellschafter Albert Jacobson aus dem vor Holzminden gelegenen Altendorf war, der Vater von Henriette H.; im September 1884 wird die Firma im Handelsregister gelöscht.
Nach nur zehn Monaten hat die Familie die Stadt Holzminden wieder verlassen. In den Melderegistern und Adreßbüchern finden sich keine weiteren Eintragungen. Wohin der Weg der Familie führte, ist bis zur Stunde unbekannt: ihre Spuren verlieren sich, weder weitere Wohnorte noch weitere Handelsregistereinträge oder Anstellungsverhältnisse von Bernhard H. ließen sich bislang eruieren.
H. begegnet uns erst wieder in der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Inzwischen ist sie zum römisch-kath. Glauben konvertiert und lebt im niederländischen Gouda in der Provinz Südholland, wo sie eine Wohnung in der Straße Gouwe 6 bezogen hatte. Seit dem Jahre 1272 im Besitz der Stadtrechte, ragt Gouda durch Käsehandel, Kerzen- und Tonpfeifenfabrikation hervor. Wo sie bis dahin gelebt hat, was sie gelernt und womit sie sich ihren Lebensunterhalt verdient hat: wir wissen es nicht. Gesichert aber ist Folgendes: Das Nederlands Instituut voor Oorlogsdocumentatie (NIOD) hat H. explizit als kath. Christin ausgewiesen. Ferner hat der Judenrat sie als konvertierte Katholikin registriert.
Die unverheiratete Frau wurde Anfang August 1942 im Zuge der massiven Übergriffe der NS-Besatzung gegen jüdische und jüdischgebürtige Kinder, Frauen und Männer in das Durchgangslager Westerbork eingeliefert, von wo aus sie am 7.8.1942 nach Auschwitz deportiert wurde. Hier ist sie — spätestens am 30.9.1942 — verstorben.
Das im Jahre 2008 herausgegebene Niederländische Martyrologium „Zeugen für Christus. Römisch-Katholische Blutzeugen aus den Niederlanden im 20. Jahrhundert“ hat H. unter den konvertierten Jüdinnen ausdrücklich aufgenommen und sie auf diese Weise vor dem Vergessen bewahrt.
QQ: Nederlands Instituut voor Oorlogsdocumentatie (NIOD); Het Nederlandse Rode Kruis, Den Haag; Stadtarchiv Holzminden; Pfarrarchiv Holzminden; Bischöfliches Generalvikariat Hildesheim (Hrsg.), Handbuch des Bistums Hildesheim, Tle. 1-3 (Hildesheim 1992,1995; 2001); yadvashem.org.
Lit.: J. Schonten, Gouda. Door de eeuwen (Alphen aan den Rijn 1977); P. Kretschmer, Die Weser-Solling-Stadt Holzminden — wie sie wurde, was sie ist (Holzminden 1981); Genügen, 507-551, hier 545.
Thomas Scharf-Wrede