19. ERZBISTUM PADERBORN

 

a) Diözesanpriester

 

1-570

Konviktpräses Franz Finke

Priester des Erzbistums Paderborn * 23. April 1907 Bochum-Werne + 3. Juli 1942 KZ Sachsenhausen

Franz Finke wurde am 23.4.1907 in Bochum-Werne als Sohn eines Bergmannes geboren. Nach dem Besuch der Grundschule am Heimatort erhielt der aufgeweckte und förderungswürdige Junge einen Konviktsplatz im Bischöflichen Knabenseminar in Paderborn, um ihm den Besuch des dortigen Gymnasiums Theodorianum zu ermöglichen. Hier reifte in ihm der Wunsch, Priester zu werden. Die theologischen Studien absolvierte er an der Philosophisch-Theologischen Akademie in Paderborn und an der Universität Innsbruck.

Am 1.4.1933 empfing er im Hohen Dom zu Paderborn die Priesterweihe. Nach einer kurzen Vikariatszeit an der Pfarrei St. Lamberti in Castrop-Rauxel wurde er 1934 zum Präfekten am Erzbischöflichen Knabenseminar in Werl berufen. Aufgrund seiner pädagogischen und geistlichen Fähigkeiten wurde ihm noch in demselben Jahr die Leitung des Hauses übertragen. Kirchliche Erziehungsstätten waren den NS-Machthabern ein Dorn im Auge, da sie sich einer direkten ideologischen Einflußnahme entzogen.

In Werl war das Konvikt über Jahre hin ein ständiger Stein des Anstoßes, weil der. Schülern der Eintritt in die HJ untersagt war. Alle Anstrengungen von Seiten der Partei und der staatlichen Schulaufsicht, hier eine Änderung zu erreichen, scheiterten am Widerstand des Präses. Seine unbeugsame Haltung trug ihm den Ruf ein, ein Gegner des NS aus Überzeugung zu sein. Versuche, den mißliebigen Internatsleiter aus dem Amt zu entfernen, reichen bis in das Jahr 1934 zurück. Je länger der Konflikt andauerte, um so schärfere Former, nahm er an. Im November 1937 richtete die Abteilung für das höhere Schulwesen beim Oberpräsidenten der Provinz Westfalen ein förmliches Ersuchen an das Erzbischöfliche Generalvikariat in Paderborn, „den Leiter des Konvikts veranlassen zu wollen, das von ihm erlassene Verbot aufzuheben." Das Generalvikariat stellte sich hinter den Präses und billigte dessen Haltung ausdrücklich. Nicht verhindert werden konnte hingegen, daß einzelne Konviktschüler seit dem Reichsgesetz über die HJ vom 1.12.1936 der Staatsjugend angehörten.

Die Auseinandersetzung um seine Person erhielt eine neue Wende, als im Jahre 1939 Gerüchte in Umlauf kamen, er habe sich an Schülern sexuell vergangen. Seit der Welle propagandistisch inszenierter Sittlichkeitsprozesse gegen Geistliche und Ordensleute in den Jahren 1936/37 waren in Internaten tätige Priester besonders gefährdet, solchen Anschuldigungen unverschuldet ausgesetzt zu werden. Um kirchliche Einrichtungen in der Öffentlichkeit zu diskreditieren, war den Nationalsozialisten gerade das Mittel der Denunziation willkommen.

F. wurde am 17.8.1939 verhaftet. Als Hauptbelastungszeuge trat ein ehemaliger Internatsschüler auf, der im Jahr zuvor das Haus als Abiturient verlassen hatte. In dem Prozeß, der am 30.4.1940 vor dem Landgericht Arnsberg stattfand, wurde F. für schuldig befunden. Der Urteilsbegründung zufolge legte er „ein umfassendes Geständnis" ab. Es fällt auf, daß die Richter seine moralische Integrität nicht grundsätzlich in Zweifel gezogen haben. Als strafmildernd hebt die Begründung vielmehr hervor, „daß der Angeklagte seinen Beruf nach der seelsorgerischen Seite ernst genommen hat und eifrig bemüht gewesen ist, seinen Amtspflichten mit aller Treue nachzukommen". Als entlastend wertete das Gericht ferner seine „allgemein geachtete Stellung" im Konvikt. Von einem Berufsverbot als Erzieher wurde abgesehen, weil es den Richtern zweifelhaft erschien, „ob der Angeklagte seinen Erzieherberuf als solchen mißbraucht hat." Das Gericht verurteilte ihn zu zwei Jahren Gefängnis und drei Jahren Ehrverlust. Die Untersuchungshaft wurde mit sechs Monaten auf das Strafmaß angerechnet. Ein Revisionsbegehren der Staatsanwaltschaft blieb ohne Erfolg. Im Gefängnis erhielt F. die Nachricht, daß sein jüngerer Bruder Heinrich am Christkönigsfest 1940 in Rom die Priesterweihe empfangen hatte.

Noch während der Haftzeit leitete die kirchliche Behörde eine Voruntersuchung zur Klärung des Sachverhalts ein. Zu einer Durchführung des Verfahrens kam es nicht mehr, da F. aufgrund eines Himmler-Erlasses aus dem Jahre 1940 sofort nach Verbüßung der Haftstrafe in das KZ Sachsenhausen überführt wurde. Als homosexueller Priester gebrandmarkt, trug er den rosa Winkel auf der Häftlingskleidung und wurde der Strafkompanie zugeteilt. Vom ersten Tage an war er menschenverachtenden Torturen ausgesetzt. Der Sadismus seiner Bewacher tobte sich an ihm geradezu aus. Im sog. „Schuhkommando", dem F. angehörte, mußten die Häftlinge in neuen Militärstiefeln Tagesmärsche von 40 km zurücklegen. Ständig mißhandelt und den Unbilden des Winters ausgesetzt, zog er sich eine Lungenentzündung zu. Dank der Unterstützung des tschechischen Priesters Stveräk, der sich des Gepeinigten annahm, kam F. auf die Krankenstation. Kaum genesen und körperlich noch nicht voll bei Kräften, kehrte er in die Straf abteilung wieder zurück und wurde einem Arbeitskommando in der Ziegelei des Lagers zugewiesen. Erneut grundlos zusammengeschlagen, erlag F. am 3.7.1942 seinen schweren Verletzungen. Die Lagerkommandantur gab als Todesursache „Lungenentzündung" an. Sein Leichnam wurde eingeäschert, die Urne wurde den Angehörigen auf dem Postwege zugestellt und in der Heimat beigesetzt.

Nach dem Zeugnis von Stveräk, das der Paderborner Priester Gerhard Maashänser schriftlich festgehalten hat, war F. „ein tief religiöser und innerlicher Mensch, der sein schweres Kreuz vorbildlich trug, niemals geklagt oder geschimpft oder auch nur gemurrt hat." Stveräk urteilt über ihn: „Finke ist ein Heiliger, ein Märtyrer."

Es gibt Anhaltspunkte, die den Schluß erlauben, daß F. das Opfer einer Intrige geworden ist. Eigentlich galt der Stoß dem Internat, dessen Ruf in der Öffentlichkeit nachhaltig geschädigt werden sollte. Als Konviktpräses war er der verantwortliche Geistliche, der zur Unperson erklärt werden mußte. Deshalb gab es für ihn auch kein Entrinnen.

QQ: Erzbistumsarchiv Paderborn, Best. XXII, Parteipolitik, NSDAP, Verurteilte Priester der Erzdiözese Paderborn 1935-1942; Acta specialia, Werl, Bd. 20, Das Gymnasialkonvikt Werl 1907-1037, Akte F. F.; Kommission für kirchliche Zeitgeschichte des Erzbistums Paderborn, Akte F. F.

Lit.: Weiler, 230; Baumjohann, 721; Hockerts, Sittlichkeitsprozesse; R. Padberg, Kirche und Nationalsozialismus am Beispiel Westfalen. Ein Beitrag zur Seelsorgekunde der jüngsten Zeitgeschichte (Paderborn 1984); U. Wagener, Unterdrückungs- und Verfolgungsmaßnahmen gegen Priester des Erzbistums Paderborn in der Zeit des Nationalsozialismus. Ergebnisse einer Untersuchung der Kommission für Zeitgeschichte, in: ders., Erzbistum, 225-240; ders, Zeugen, 31-33; Hehl-Kösters, Priester4,1156 u. 1193 (G. Maashänser).

Peter Möbring