Aussprüche des hl. Johannes M. Vianney, Pfarrer von Ars

SITTLICHES LEBEN

 

DIE REINE, DEMÜTIGE SEELE

 

Eine reine Seele ist Gegenstand der Bewunderung der drei Personen der Heiligen Dreifaltigkeit: Der Vater betrachtet sein Werk, der Sohn den Preis seines Blutes, der Heilige Geist wohnt darin als in seinem Tempel.

*

Nichts ist so schön, wie eine reine Seele. Die reine Seele ist frei von den Dingen der Erde und von sich selbst.

*

Gott betrachtet mit Liebe eine reine Seele und gewährt ihr alles, um was sie bittet. Wie könnte er einer Seele widerstehen, welche nur für ihn, durch ihn und in ihm lebt? Sie ist allmächtig über das so gute Herz unseres Herrn.

*

Die Macht, die eine reine Seele über den lieben Gott hat, ist unbegreiflich.

*

Je reiner man auf Erden gewesen ist, desto näher wird man beim lieben Gott im Himmel sein.

*

Was der Leib verliert, das bekommt die Seele, und was der Leib bekommt, das verliert die Seele.

*

Wenn eine Seele rein ist, so sieht der ganze Himmel mit Liebe auf sie!

*

Das Bild Gottes spiegelt sich in einer reinen Seele wie die Sonne im Wasser.

*

Eine reine Seele ist wie eine schöne Perle. So lange sie im Grunde des Meeres in einer Muschel verborgen ist, denkt niemand daran, sie zu bewundern. Wird sie aber in die Sonne gehalten, so glänzt sie und zieht die Blicke auf sich. Ebenso wird eine reine Seele, die den Blicken der Welt verborgen war, einst in der Sonne der Gerechtigkeit vor den Engeln glänzen.

*

Die Reinheit kommt vom Himmel. Man muß Gott darum bitten. Wenn wir darum flehen, werden wir sie auch erlangen. Wir müssen alles Mögliche tun, um sie ja nicht zu verlieren.

*

Um die Reinheit zu bewahren, sind drei Dinge erforderlich: das Wandeln in der Gegenwart Gottes, das Gebet und die Sakramente. Auch das Lesen der Erbauungsbücher gehört dazu. So wird die Seele genährt.

*

Man ist das, was man vor Gott ist, nicht mehr und nicht weniger.

*

Heute morgen hätte ich die Ruhe der Seele verloren, wenn ich auf die Beleidigungen gemerkt hätte, die man mir schrieb; und heute abend wäre ich sehr vom Stolze versucht worden, wenn ich all den Komplimenten getraut hätte. O wie klug ist es, auf die eitlen Meinungen und Reden der Menschen kein Gewicht zu legen!

*

Wenn ich mich betrachte, nehme ich nur meine vielen Sünden wahr. Und der liebe Gott läßt mich nicht einmal alle sehen, denn dieser Anblick würde mich in Verzweiflung stürzen. Ich habe kein anderes Mittel gegen diese Versuchung zur Verzweiflung, als mich vor dem Tabernakel niederzuwerfen wie ein Hündlein vor seinem Herrn.

*

Ich bin wie eine Null, die nur neben anderen Ziffern einen Wert hat.

*

Wie kann man den lieben Gott recht lieben? Durch Demut! Sie bedeutet ja für die Tugenden, was die Kette für den Rosenkranz. Nehmt die Kette weg, und alle Perlen fallen auseinander; unterdrückt die Demut, und alle Tugenden sind verschwunden. Ach, man begreift nicht, wie und worauf ein so kleines Geschöpf wie wir stolz sein kann! Einstmals erschien der Teufel dem heiligen Markarius, mit einer Geißel versehen, wie um ihn zu schlagen, und sprach zu ihm: »Alles, was du tust, tue ich auch: du fastest, und ich esse nie; du wachest, und ich schlafe nie. Nur etwas tust du, was ich nicht tun kann.« — »Nun! was denn?« — »Mich demütigen«, antwortete der Teufel und verschwand.

*

Jene, die uns demütigen, sind unsere Freunde, und nicht die, welche uns loben.