Die geistige Kommunion
NACH EINEM TEXT DES HEILIGEN BISCHOFS
JÓZEF BILCZEWSKI (1860-1923)
Entnommen dem Informationsblatt der Priesterbruderschaft St. Petrus
Gibt es ein Mittel, den Hunger der Seele nach dem Brot der Engel zu stillen? Manche Menschen sind in der glücklichen Lage, täglich die heiligen Messe besuchen und kommunizieren zu können. Anderen ist das verwehrt. Doch die Sehnsucht nach Jesus im Allerheiligsten Sakrament kann gestillt werden.
Vom hl. Stanislaus Kostka wissen wir, dass ihm ein Engel die hl. Eucharistie brachte, als er sie sich von den Menschen vergeblich erbat. Es gibt aber auch eine wunderbare Übung, welche in gewissem Maß die heiligen Sakramente und auch die sakramentale Kommunion bei denen ersetzt, die sie nicht in Wirklichkeit empfangen können.
Die Liebe tauft im Notfall ohne Wasser, d. h. sie schenkt die heiligmachende Gnade und die Vergebung der Erbsünde. Die Liebe spricht auch ohne Priester all jene von ihren Sünden los, welche sehnlichst zu beichten wünschen, dazu aber keine Gelegenheit haben. Die Liebe öffnet schließlich auch geheimnisvoll die Tür des Tabernakels und ermöglicht die Vereinigung mit dem Heiland ohne Mitwirkung des Priesters und ohne heilige Hostie. Dies nennt man in Gegenüberstellung zur wirklichen, sakramentalen Kommunion, die geistige Kommunion.
Obwohl im Katechismus die geistige Kommunion erklärt wird, ist diese wenig bekannt und noch weniger in Übung. Doch sie ist eine wunderbare Erfindung des heiligsten Herzens Jesu, eine gewaltige Macht der geistigen Welt, ein wunderbares Mittel zur innigen Vereinigung mit Christus. Die geistige Kommunion ist der Genuss des Leibes Christi durch den Glauben, durch das Verlangen, durch den Willen, d.h. allein durch den Geist. Sie besteht in der Erweckung des Glaubens, der Liebe, der Reue über die Sünden und vor allem in dem Verlangen, den Leib des Herrn zunächst geistig und bei nächster Gelegenheit auch sakramental zu empfangen. Ohne dieses Verlangen kommt sie nicht zustande.
Man kann es mit eigenen Worten zum Ausdruck bringen, etwa in dieser Weise: „O mein Jesus im allerheiligsten Sakrament, ich glaube an Dich, ich bete Dich an, ich liebe Dich von ganzem Herzen. Aus Liebe zu Dir bereue ich alle meine Sünden und will dich nie mehr beleidigen. Ich habe das Verlangen, Dich in der hl. Kommunion zu empfangen, aber weil mir das jetzt nicht möglich ist, so flehe ich aus tiefster Seele: Komm, Herr Jesus, mein Alles! Komm wenigstens geistigerweise in mein Herz. Wie der Hirsch nach dem Quell lebendigen Wassers, so verlange ich nach Dir. Komm, mein Jesus, und nimm mich dafür als Gegengabe. Ich will ganz Dein Eigen sein. Dir übergebe ich mich für Zeit und Ewigkeit."
Auch ein kurzer Schrei der Seele zu Jesus im allerheiligsten Sakrament genügt: „Ich glaube an Dich, ich liebe Dich, ich verlange nach Dir, komm in mein Herz!" — Und die geistige Kommunion ist vollbracht.
Die geistige Kommunion verleiht dem Menschen eine besondere Gnade, welche dem sakramentalen Empfang der hl. Kommunion am nächsten kommt. Sie vereinigt den Kommunizierenden mit Christus. Die Früchte dieser geistigen Stärkung lassen sich näher beschreiben: Wenn auch in geringerem Grad als die sakramentale Kommunion, bewahrt, entfaltet und kräftigt auch die geistige Kommunion das Leben Gottes in uns. Sie gibt Stärke zur Bekämpfung der Versuchungen und Leidenschaften, tröstet im Kummer, entzündet eine heilige Freude in der Seele, tilgt die lässlichen Sünden und bewahrt vor Todsünden, sie vergibt zeitliche Strafen.
Die Größe unseres Gewinnes hängt von dem Grad und dem Maß unseres sehnsüchtigen Verlangens ab, mit dem wir den eucharistischen Jesus in die Seele rufen. Wer also eine größere Sehnsucht nach der hl. Kommunion hat, wer sein Herz in Liebe weiter öffnet, der schöpft auch mehr Licht und Gnade aus der Sonne der Eucharistie. Er vereinigt sich umso inniger mit dem Heiland im Sakrament des Altares.
Ein großer Vorzug der geistigen Kommunion besteht darin, dass sie sehr einfach ist. Sie nimmt kaum Zeit in Anspruch. Man braucht nicht nüchtern zu sein und bedarf keines Priesters. Der Heiland versagt sie keinem, wenn der Mensch nur, ähnlich wie bei der sakramentalen Kommunion, sein Herz von schweren Sünden gereinigt hat und die Verherrlichung Gottes sowie die Heiligung seines Lebens beabsichtigt. Daher kann man die geistige Kommunion überall, in der Kirche und zu Hause, empfangen, wann immer man es sich wünscht: Bei Versuchungen, bei Besuchen des Allerheiligsten Sakramentes, beim Vorübergehen an einer Kirche, vor Erledigung wichtiger und schwieriger Angelegenheiten, vor dem Schlafengehen...
Welch großer Trost kann diese Übung auch in Leidensstunden sein, in schlaflosen Nächten, in denen man Kummer und Angst doppelt schwer empfindet, weil man die Last mit niemandem teilen kann! Dann versetze man sich geistigerweise vor das allerheiligste Sakrament, erwecke Akte des Glaubens, der Liebe, der Reue und äußere das betende Verlangen: „Komm, mein Jesus, mein eucharistischer Heiland, Du, meine Stärke, komm in meine Seele, entzünde in mir Dein Licht, stärke meine Seele, tröste mein Herz!"
Und Jesus wird kommen, in unseren Herzen eine wunderbare Veränderung bewirken und unserer schmerzerfüllten Seele Beruhigung schenken. Wenn der Sturm wiederkehrt, kann man ein zweites, drittes, viertes Mal die hl. Kommunion auf diese Weise empfangen. Man wird erfahren, dass die hl. Hostie, nach der man sich sehnt, wie ein stiller geistiger Mond die Finsternis erleuchtet. Die finstere Nacht wird durch die Vereinigung mit Jesus im Allerheiligsten Sakrament zur „heiligen Nacht" und in der Seele wird das Echo des Engelsgesangs ertönen: Friede den Menschen, die guten Willens sind.
Die geistige Kommunion ist in der Kirche Brauch von Anfang an. In Zeiten der Verfolgung bildete sie die Wegzehrung der Märtyrer, falls diese den Leib des Herrn nicht wirklich empfangen konnten. Die Kirchenväter empfehlen sie eindringlich. Das Trienter Konzil lobt sie und betont, dass die Gläubigen in der geistigen Kommunion „das Himmelsbrot genießen" und durch ihren lebendigen Glauben „seine Frucht und seinen Nutzen" empfangen.
Ist die geistige Kommunion vielleicht das große Geheimnis der Heiligen, das sie dazu befähigt hat, die Liebe, die die Form aller Tugenden ist, heroisch zu üben? Die Zeugnisse aus dem Leben der Heiligen lassen darauf schließen.
Der hl. Bernhard von Clairvaux gestaltete sein Leben als eine beständige Kommunion, als ein ständiges Leben in Christus und aus Christus.
Der hl. Leonhard von Porto Maurizio schreibt: „Wenn du mehrfach am Tag diese hl. Übung machst, wird dein Herz sich im Lauf eines Monats vollständig ändern."
Die hl. Katharina von Siena pflegte zu sagen: „Wenn ich das Allerheiligste Sakrament nicht wirklich empfangen kann, dann gehe ich zur Kirche und schaue unverwandt auf Jesus in der Eucharistie, und das sättigt mich."
Die hl. Angela vom Kreuz bekennt: „Ich würde die Last des Lebens nicht tragen können, wenn mein Beichtvater mich nicht die geistige Kommunion gelehrt hätte."
Der Sr. Paula Mareska zeigte Christus in einer Vision zwei kostbare Gefäße, eines von Gold und eines von Silber, mit der Erklärung, dass er in dem ersten ihre sakramentalen Kommunionen aufbewahre und in dem zweiten ihre geistigen.
Wann werden wir damit beginnen, solche Schätze zu sammeln, die bei Gott in Ewigkeit unvergessen bleiben und die uns das ewige Leben sichern helfen? Der hl. Thomas von Kempen widmete in seinem Buch der Nachfolge Christi dieser heiligen Übung einen ganzen Abschnitt, den man einen Hymnus zu Ehren der geistigen Kommunion nennen kann.
Die Lieblingsgewohnheit des hl. Alfons von Liguori war die geistige Kommunion.
Bedenken wir, dass sie auch die tägliche Kommunion der Engel ist, die ständig bei dem Allerheiligsten Ehrenwache halten und ihren Hunger nach ihm durch geistigen Genuss stillen. Wenn also die geistige Kommunion Jesus so lieb und wenn sie so nutzbringend ist, warum beginnen wir nicht heute damit, sie zu einer ständigen Übung und heiligen Gewohnheit zu machen? „Komm zu mir, o Jesus, im heiligsten Sakrament, komm in mein Herz! Sei mein Licht und meine Stärke!" Und der Herr, der getreu ist in seinen Verheißungen, wird uns erhören und sprechen: „Siehe, hier bin ich!"
Wie der Hirsch nach Wasserbächen, so lechzt meine Seele nach dir, Gott. Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Meine Tränen sind mir Brot geworden bei Tag und bei Nacht. Psalm 41
Thomas von Kempen
Nachfolge Christi
Viertes Buch, Zehntes Kapitel
(10) Man muss die heilige Kommunion nicht leichtsinnigerweise unterlassen.
Die Stimme des Geliebten.
1. Nimm oft zum Quell der Gnade und der göttlichen Barmherzigkeit, zum Quell der Gottseligkeit und aller Güte deine Zuflucht, damit du von deinen bösen Neigungen und Sünden rein und wider alle Versuchungen und Täuschungen des bösen Feindes stärker und wachsamer werden mögest. Weil der Feind weiß, dass man aus der heiligen Kommunion den größten Nutzen schöpft und das sicherste Heilsmittel da antrifft, so sucht er auf alle Weise und bei jeder Gelegenheit, die Gläubigen und andächtigen Seelen, so viel er kann, davon abzuhalten oder zu verhindern.
2. Denn einige werden von den sündhaften Eingebungen des Teufels eben da am meisten geplagt, wenn sie sich zur Kommunion vorbereiten wollen. Dieser boshafte Geist tritt, wie im Buch Job geschrieben steht, unter die Kinder Gottes, um sie durch seine bekannte Bosheit zu verwirren und furchtsam zu machen, indem er die guten Anmutungen bei ihnen unterdrückt, oder ihnen durch diese Anfälle den Glauben nimmt, sodass sie entweder die Kommunion gar unterlassen oder mit Lauheit und kaltem Herzen hinzugehen. Lass dich aber durch seine Kunstgriffe und Vorspiegelungen, so schändlich und schrecklich sie auch sein mögen, nicht irremachen, sondern kehre alle seine Blendwerke wider ihn. Verachte und verlache den elenden Betrüger, und unterlass die heilige Kommunion nicht wegen der Anfälle und Begierden, welche er in dir erregt.
3. Oft ist die zu große Sorgfalt, eine empfindliche Andacht zu erzwingen, und eine gewisse Ängstlichkeit wegen der Beichte, ein Hindernis der heiligen Kommunion. Folge daher dem Rate der Weisen und lege die Ängstlichkeit und die übertriebene Furcht ab, denn dadurch wird die Gnade Gottes gehindert und die innerliche Andacht ganz zerstört. Unterlass ja nie die Kommunion wegen einer kleinen Unruhe oder Besorgnis, sondern verfüge dich sogleich zur Beichte und verzeihe anderen alle Beleidigungen gutwillig. Hast du aber jemanden beleidigt, so bitte mit Demut um Verzeihung, und Gott wird dir den Fehler gerne vergeben.
4. Was nützt es, die Beichte und die heilige Kommunion lange aufzuschieben? Reinige alsbald dein Gewissen, speie das Gift geschwind aus, eile, das rechte Mittel zu gebrauchen, und du wirst dich besser befinden als wenn du lange zögerst. Unterlässt du die Kommunion heute wegen dieses oder jenes Hindernisses, so wird vielleicht morgen ein wichtigeres dazwischen kommen, und auf solche Weise könntest du lange Zeit davon abgehalten und immer untauglicher dazu werden. Ermuntere dich und entreiß dich, sobald du kannst, der gegenwärtigen Schwermut und Trägheit, denn es nützt nichts, sich lange mit Ängstlichkeit plagen und viel Zeit mit Unruhe zuzubringen, und wegen täglicher Hindernisse sich von den göttlichen Geheimnissen selbst auszuschließen. Ja vielmehr ist es schädlich, wenn man die Kommunion lange hinausschiebt, weil man dadurch insgemein in große Schläfrigkeit zu allem Guten fällt. Es ist leider sehr zu bedauern, dass einige laue Seelen und Christen von einem freieren Lebenswandel jede Gelegenheit, die Beichte aufzuschieben, willig annehmen und selbst verlangen, sich längere Zeit von der heiligen Kommunion zu enthalten, damit sie sich nicht bessern und nicht sorgfältiger über sich selbst wachen müssen.
5. Ach, welch geringe Liebe, welch schwache Andacht haben nicht jene Leute, welche die heilige Kommunion so leicht unterlassen! Wie glücklich und angenehm bei Gott ist aber derjenige, welcher so lebt und sein Gewissen so rein erhält, dass er täglich kommunizieren könnte, und dass er es auch zu tun wünschte, wenn es ihm erlaubt wäre, und wenn er es, ohne Aufsehen zu machen, tun könnte! Wenn sich jemand bisweilen aus Demut oder wegen einer rechtmäßigen Ursache enthält, so ist er wegen seiner Ehrfurcht zu loben. Wenn sich aber Trägheit bei ihm einschleicht, so muss er sich selbst ermuntern und was in seinen Kräften ist anwenden; der Herr wird wegen des guten Willens, welchen er vorzüglich ansieht, sein Verlangen erfüllen.
6. Ist er aber rechtmäßigerweise verhindert, so wird er doch allzeit den guten Willen und ein heiliges Verlangen haben, die heilige Kommunion zu empfangen und wird so den Nutzen des heiligsten Sakraments nicht verlieren. Es wird auch jeder andächtigen Seele ohne Hindernis gestattet, den Leib und das Blut Christi täglich und stündlich zu ihrem Nutzen geistlicherweise zu empfangen. Man muss aber doch an gewissen Tagen und zu bestimmten Zeiten den Leib seines göttlichen Erlösers mit allen Empfindungen der Ehrfurcht in dem heiligsten Sakramente wirklich empfangen und dabei mehr auf das Lob Gottes und Seine Ehre sehen als den eigenen Trost suchen. Denn sooft jemand das Geheimnis der Menschwerdung Jesu Christi und Sein Leiden mit Andacht erwägt und in Seiner Liebe entzündet wird, sooft kommuniziert er geistlicherweise und wird unsichtbarerweise genährt und gestärkt.
7. Wer sich aber erst dann zubereitet, wenn ein Festtag kommt oder wenn ihn die Gewohnheit dazu zwingt, der wird oft unbereitet sein. Selig ist, wer sich dem Herrn als ein Brandopfer ganz übergibt, sooft er das Messopfer darbringt oder die heilige Kommunion empfängt. Bei der Feier der heiligen Messe musst du weder zu langsam noch zu geschwind sein, sondern dich nach dem löblichen gemeinen Gebrauche derjenigen richten, unter denen du lebst. Du musst anderen keine Ungelegenheit und Verdruss verursachen, sondern auf dem gemeinen Wege nach der Anordnung und dem Gebrauche deiner gottseligen Vorfahren wandeln und mehr auf den Nutzen anderer als auf deine Andacht und Neigung sehen.