Was das Ideal fordert

Jesus:

Mein Bruder! Ich habe dir das Ideal gezeigt. Ich will dir jetzt die Forderungen zeigen, die es an dich stellt.

Bisher hast du mich mit Freuden angehört. Höre mich auch weiterhin mit Freuden an, aber auch mit Liebe und Großmut!

Es handelt sich nun nicht mehr bloß darum, dein Vorbild mit Bewunderung zu betrachten; es gilt, seine Züge in dir zu verwirklichen.

Einen jeden dieser Züge will ich dir vor Augen führen. Du wirst sie aber nur ganz unvollkommen verwirklichen können, wenn du es nicht verstehst, dir selbst zu entsagen und zu lieben.

 

1. Gib dich, gleich mir, ohne Vorbehalt meiner Mutter hin.

Jesus:

1. Mein Bruder, dadurch, daß ich Mariens Sohn wurde, schenkte ich mich ihr ganz und gar.

Ich bin der Schöpfer und höchste Herr aller Dinge; dennoch wollte ich aus Liebe Maria angehören und von ihr abhängig sein. Ich wollte ihr angehören durch die innigsten Bande, die es geben kann, durch die Bande der Natur, die niemand zu lösen vermag.

Von aller Ewigkeit her habe ich mir diese Beziehungen und diese Abhängigkeit eines Kindes gewählt und sogleich vom ersten Augenblick meiner Menschwerdung an im Schoß Mariens habe ich durch meinen menschlichen Willen diesen Beschluß meiner ewigen Liebe und meines unaussprechlichen Wohlgefallens bestätigt.

Als Sohn einer Jungfrau gehöre ich meiner Mutter, wie kein anderes Kind seiner Mutter angehört. Diesen Zustand vollständiger Abhängigkeit wollte ich durch alle Ewigkeit bestehen lassen, wie es sonst kein anderes Kind zu tun vermag.

Ich verließ meine Mutter nicht nach der Art der Kinder, die eine eigene Familie gründen wollen. Ich blieb bei ihr bis zum Augenblick, der für den Beginn meiner öffentlichen Lehrtätigkeit bestimmt war. Weil meine Mutter stets nur den Willen meines himmlischen Vaters kannte, sollte er auch das höchste Opfer fordern, war mein Wille dem ihrigen immer vollkommen gleichförmig.

Mehr noch! Im Himmel denke ich und werde stets daran denken, daß ich ihr Sohn bin. Obwohl ich dort König und Gebieter bin, werde ich doch mit vollkommener Kindesliebe in alle Ewigkeit stets ihrem mütterlichen Willen willfahren.

2. Folge meinem Beispiel und gib dich meiner Mutter hin, ganz und gar, ohne Vorbehalt und für immer, als ihr vielgeliebtes Kind!

Gib ihr deinen Leib hin mit allen seinen Tätigkeiten, deine Seele mit ihren Kräften.

Gib ihr alle deine materiellen und geistigen, deine natürlichen und übernatürlichen Güter hin!

Gib ihr alles, was du bist, was du sein wirst, alles, was du hast und haben wirst, alles, was du tust und noch tun wirst! Weder in noch außer dir soll es etwas geben, was nicht ihr gehörte.

3. Gib dich nicht zufrieden, dich Maria zu schenken, um ihr Eigentum zu werden: Du sollst nicht ein lebloses Ding, sondern ein innig geliebtes Kind sein, das seiner Mutter hilft.

Denn sie wird es später sagen: Ihr habe ich in der Welt eine große Rolle anvertraut, und um diese zu erfüllen, will sie deine Hilfe in Anspruch nehmen.

4. Gib dich ihr, ohne an Widerruf zu denken!

Nicht aus Eigennutz, nicht um des Vorteils willen, nicht der Tröstungen wegen, die du bei deiner Hingabe em­pfin­dest, sondern gib dich hin aus reiner Kindesliebe, so wie ich es selbst getan.

Du wirst Tröstungen haben; doch auch Prüfungen werden dich treffen. Denke weder an die einen noch an die anderen! Laß die Mutter sorgen! Was dich betrifft, so sei deine einzige Sorge, dich vollkommen und aus Liebe hinzuopfern.

5. Gib dich für immer hin!

Zahlreich sind jene, die im Augenblick der Begeisterung gelobt haben, alles Maria hinzugeben. Aber leider sind die fast ebenso zahlreich, die zwar alles im allgemeinen hingegeben, dann aber nach und nach alles wieder zurückgenommen haben.

Sobald in Stunden der Prüfung ihre vollkommene Hingabe Opfer von ihnen forderte, sagten sie: „Hart ist diese Rede. Wer kann sie hören?“ und wollten auf dem Wege ihrer vollkommenen Weihe nicht mehr weitergehen.

Wirst du handeln wie sie? Man muß manchmal ein Held sein, um seiner völligen Zugehörigkeit zu Maria im Leben treu zu bleiben; denn mit meiner Mutter muß man bis zum Gipfel des Kalvarienberges gehen. Fühlst du dich fähig zu solchem Heldentum?

6. Gewöhne dich daran, deine Weihe an die himmlische Mutter recht oft zu erneuern!

Erneuere sie beim Erwachen, damit dein Tagewerk Maria gehört!

Erneuere sie, so oft du mich in der heiligen Kommunion empfängst. Wenn du in diesem Augenblick ganz eins bist mit mir, schenke dich meiner Mutter als ihr vielgeliebtes Kind!

Erneuere sie vor den wichtigsten Handlungen, damit du dich erinnerst, daß du nicht für dich, sondern für sie allein arbeiten sollst.

Erneuere sie ganz besonders in den Prüfungen deines Lebens. Sage: „Mutter, als ich mich in meiner begeisterten Kindesliebe ganz dir schenkte, da konnte ich dieses Opfer noch nicht voraussehen. Doch ich wollte mich damals schon vollständig dir schenken, und nun will ich meine Hingabe nicht zurücknehmen. Alles, was du willst, weil du es willst, koste es, was es wolle!“

7. Willst du so großmütig werden, um auch stets deine Hingabe im Leben zu verwirklichen, dann schaue nicht nur auf das Opfer. Schaue auf mich und auf meine Mutter! Liebe wird dich drängen und die Gnade dich stützen.

Fühlst du deinen Mut sinken, bete! Wird deine Mutter ihrem Kind nicht helfen, das sie anruft, um ihr treu bleiben zu können? Wird dein älterer Bruder dir nicht die Kraft geben im Streben nach dem Ideal, zu dem er selbst sich berief?

 

Die Seele:

Ganz dein bin ich, o Mutter, und alles, was mein ist, ist dein!