8. Lebe wie ich in Vereinigung mit Maria.

Jesus:

1. Mein Bruder, ich habe dir noch einen anderen sehr wesentlichen Zug meiner Kindesliebe zu Maria zu offenbaren: mein Leben in Vereinigung mit ihr.

Wenn es schon für jedes Kind nichts Schöneres gibt als immer bei seiner Mutter zu sein, wie groß waren dann erst meine Freuden im trauten Einssein mit Maria!

Freuden in jenen neun Monaten der unaussprechlichen Vereinigung, als ich ganz eins war mit meiner Mutter, und als sie, ein lebendiger Tabernakel, mich immer in sich trug. Denn im Gegensatz zu anderen Kindern kannte ich meine Mutter vom ersten Augenblick meines irdischen Daseins an, und sogleich begann zwischen ihr und mir ein ständiger Austausch von Gedanken und Liebe.

Freuden in jenen dreißig Jahren der Vertrautheit ohnegleichen: In Bethlehem, in Ägypten und Nazareth, als sie mich in ihren Armen trug, an ihrer Seite sah und sich mit mir durch Worte oder Blicke unterhielt. Dreißig Jahre lang allein mit ihr und Josef!

Freuden, nicht minder tiefe, in den letzten drei Jahren meines Lebens, als ich inmitten von verständnislosen Volksmassen, schwerverstehenden Freunden und wütenden Feinden jener gedachte, die mich in ihrem Häuschen von Nazareth mit ihren Gedanken begleitete, mich verstand, mich liebte und dem Vater für das Gelingen meiner Sendung ununterbrochen Gebete und Opfer darbrachte.

2. Ich sollte noch andere Freuden kennenlernen : Freuden, die mir die Großmütigkeit meiner Apostel bereitete, der Glaube und die Anhänglichkeit einer großen Jüngerschar und der Blick in die Zukunft auf viele Seelen, auf ganz reine, einfache, ganz großherzige Seelen, die bis zum Ende der Zeiten an meine Liebe glauben und sich ganz und gar mir hingeben würden. Doch alle diese Freuden zusammengenommen reichen nicht an die geringste Freude heran, die ich in der Vereinigung mit meiner Mutter fand, in diesem Zusammenfließen unserer beiden Seelen in eine einzige.

3. Nun will ich, mein vielgeliebter Bruder, daß du an dieser Vereinigung teilhabest, um auch an dieser Freude teilnehmen zu können.

Du wirst darin nicht nur einen unermeßlichen Trost finden, sondern es wird dir zugleich auch äußerst leicht gelingen, alle anderen Bezeugungen der Kindesliebe zu üben, die ich dich gelehrt habe.

Bei Maria wirst du dich wie von selbst befleißigen, deine vollkommene Weihe an sie zu erneuern und in die Tat umzusetzen. Du wirst fühlen, wie deine Kindesliebe von Tag zu Tag zunimmt, wie leicht es ist, all ihrem Verlangen, ja selbst ihren leisesten Wünschen Folge zu leisten. Du wirst erraten, welche Verehrung ihr am meisten Freude bereitet. Du wirst dich ganz von selbst bemühen, ihre Tugenden und alle ihre Gesinnungen nachzuahmen. Du wirst in dir ein unwiderstehliches Vertrauen auf ihre mütterliche Güte empfinden.

Bei ihr wirst du eine Fülle von Dingen lernen, die ich dir nicht erklärt habe, weil dein Herz sie von selbst erraten wird.

4. Bemühe dich also, nach meinem Beispiel eine möglichst innige Vertrautheit mit meiner Mutter zu suchen.

Vereinige dich mit ihr im Gebet!

Erneuere täglich deine Weihe an Maria; sei treu im täglichen Rosenkranzgebet und verrichte jeden Tag all die Gebete, die du dir vorgenommen hast, ihr darzubringen. Erhebe öfters im Laufe des Tages deinen Blick zu ihr, die ständig auf ihr Kind schaut.

5. Wenn du aber zu ihr betest, denke daran, daß du dich in meinem Namen an sie wendest, daß ich es bin, der ich durch dich fortfahre, meine Mutter in Wort und Tat zu ehren und zu lieben.

6. Wenn du zum Vater oder zum Heiligen Geist oder zu mir sprechen willst, sollst du dich zuerst mit meiner Mutter vereinigen. Mit ihr vereint wird deine Sammlung tiefer sein, dein Glaube fester, dein Vertrauen unbegrenzter und deine Liebe glühender. Denn so werden sich den Gesinnungen deines armen Herzens all die vollkommenen Gesinnungen deiner Mutter anschließen.

7. Nimm besonders dann deine Zuflucht zu Maria, wenn du mich im Sakrament meiner Liebe empfängst. Bitte sie, daß sie dir ihren Glauben leihe, ihre Hoffnung, ihr Vertrauen, ihre Liebe. Bitte sie, daß sie mich dir reiche und dich in mich umwandle.

8. Vereinige dich mit ihr bei deiner Tätigkeit.

Ich arbeite mit meiner Mutter und für sie. Mache es auch so!

Opfere ihr jede deiner Beschäftigungen auf! Doch mache aus dieser Aufopferung keine leere Formel! Tue nur, was sie will, weil sie es will und wie sie es will.

Gib aber acht, daß dein Eigensinn, deine Neigungen und deine Interessen nicht deine anfängliche Meinung verdrängen! Trage besonders in jenen Beschäftigungen Sorge, die dich leicht völlig gefangennehmen oder zerstreuen, daß jede Selbstsucht ausgeschlossen bleibt! Handle nur nach den Absichten Mariens!

9. Vereinige dich mit ihr in allen Gefühlen deines Herzens!

Das Herz meiner Mutter und das meine sind aufeinander abgestimmt: Meine Freuden waren ihre Freuden, meine Hoffnungen ihre Hoffnungen, meine Sorgen ihre Sorgen, meine Liebe ihre Liebe!

Erzähle meiner Mutter von all dem, was dich verwirrt, was dich bewegt. Sie versteht, was in deinem tiefsten Herzen vor sich geht; sie versteht, was du selbst nicht verstehen kannst.

Bist du traurig? Erzähle ihr deinen Kummer! Sie wird dir helfen, ihn zu tragen, oder wird ihn in Freude verwandeln.

Bist du froh? Sag ihr dein Glück! Sie wird es vertiefen und läutern.

Bist du mutlos? Lege ihr deine Befürchtungen oder Mißerfolge vor! Sie wird dir den wahren Erfolg erlangen.

Ist dir ein Unternehmen gelungen? Geh und danke ihr und bitte sie, sie möge dir die Früchte sichern!

Weißt du in Schwierigkeiten nicht, wo aus, wo ein? Frage sie um Rat; sie wird dich erleuchten und führen.

Fühlst du dich kraft- und willenlos? Gehe zu ihr und schöpfe bei ihr neuen Mut.

10. Erzähle ihr nicht nur von deinen tiefsten Gefühlen, sondern auch von den einfachsten Eindrücken und Gedanken, die dir bei deiner gewöhnlichen Beschäftigung kommen! Pflegt das Kind nicht sich so seiner Mutter gegenüber zu benehmen? Glaubst du nicht, daß auch ich immer so tat, als ich an Mariens Seite lebte?

11. In diesen ständigen Beziehungen mit Maria brauchst du gar nicht viele Worte. Wie oft rufen die kleinen Kinder nur: „Mama!“, wenn sie ihrer Mutter sagen wollen, was sie fühlen oder brauchen. Sie schauen ihre Mutter bloß an, und diese versteht ganz wunderbar, was sie sagen wollen. Wie keine andere wußte meine Mutter, was ich wollte, wenn ich ihren Namen aussprach und sie anblickte. Ihr Blick antwortete dem meinen.

Oh, welch unendliche Freude für sie und für mich!

Willst du Maria von deinen Nöten und von deinem Fühlen erzählen, sage ihr bloß: „Mutter!“ und schau sie einen Augenblick an. In diesen Namen aber lege alles hinein, was du ihr gerade sagen willst: eine Beteuerung deiner Liebe, die Aufopferung deiner Arbeit, einen Angstschrei, einen Dank, deine Freude oder deine Trauer! Deine Mutter wird dich schon verstehen, und sie wird auf den Ruf ihres Kindes antworten, wie nur sie es kann.

Ich ließ dich nur einen kleinen Winkel von jenem Paradies sehen, das ein Marienkind in der Vereinigung mit seiner Mutter findet. Sie selbst wird dich in dieses Paradies hineinführen und dir das unaussprechlich Wunderbare dartun je nach dem Grad deiner Treue.

 

Die Seele:

O Jesus, gib, daß ich mich immer an Deine Mutter halte, so wie Du ihr ständig ganz nahe warst. Gib, daß ich unter ihrem mütterlichen Blick lebe und ständig zu ihr aufschaue, um von ihr und durch sie getröstet, aufgemuntert, geleitet zu werden. Das soll mir wahrhaft der Himmel auf Erden sein. Laß mich immer in diesem Himmel leben!