4. Das erlösende Leiden

Maria:

1. Mein Sohn, höre und verstehe wohl! Ich will dir von einer Lehre sprechen, die du um so schwerer auffassen wirst, je mehr du dir einbildest, sie schon lange zu kennen. Es ist die Lehre vom Heil durch das Kreuz.

Alle, die im christlichen Apostolat stehen, wissen, welche bedeutende Rolle bei der Rettung der Seelen das Leiden spielt. Sie wissen, daß Jesus gerade durch Sein Leiden und Seinen Tod die Welt erlöst hat; daß ich, um Miterlöserin zu werden, Mutter der Schmerzen werden mußte, und daß alle großen Apostel durch viele Drangsale gehen mußten.

Doch wenn das Leid einmal wirklich auch bei ihnen anpocht, da denken sie nicht mehr an die Bedeutung des Kreuzes; sie wundern sich und werden mutlos. Für sie ist das Kreuz wie für die Juden ein Ärgernis geblieben. Glauben sie denn, sie könnten an der Erlösertätigkeit Jesu teilhaben, ohne auch Sein Erlöserleid zu teilen?

2. Du aber, sieh dem Kreuz, das dich erwartet, mutig entgegen!

Du wirst dir harte Opfer auferlegen müssen; du wirst arbeiten, dich mühen, dich völlig hingeben und für die Seelen erschöpfen müssen, und das nicht nur einige Stunden, einige Tage lang, sondern so lange, als es noch Seelen zu retten gibt; nicht nur in Stunden der Begeisterung und des Erfolgs, sondern auch dann, wenn Schwierigkeiten dich umgeben und Ekel dich erfaßt hat.

Du wirst dir Opfer auferlegen, dich zum Opfer hingeben müssen für jene Seelen, die du retten willst. Je härter deine Bemühungen zu sein scheinen, um so mehr sollst du dich abtöten und sühnen.

3. Bist du bereit, dieses Kreuz zu umfangen?

Schau, es gibt noch ein anderes, ein weit schwereres Kreuz, um so schwerer zu tragen, weil nicht du es bist, der es dir auflegt, und weil es dich in Bestürzung versetzen kann.

Man wird deine Absichten verdächtigen, wird über deine Pläne lächeln, dein Arbeiten tadeln.

Jene, die dir helfen sollten, werden dir gleichgültig zuschauen oder darauf ausgehen, das niederzureißen, was du mühsam aufgebaut hast. Die, die dich ermuntern sollten, werden deine Unternehmungen mißbilligen und zum Stillstand bringen. Alle möglichen Schwierigkeiten wird man dir in den Weg legen, und mit Freude wird man laut verkünden, daß man deine Mißerfolge schon lange vorausgesagt hat.

Das Kreuz, das du selbst dir auferlegt hast, das trägst du gern. In das Kreuz, das Krankheit oder Armut dir aufbürden, vermagst du dich noch zu ergeben. Jenes Kreuz jedoch, das die Unwissenheit, die Dummheit und die Bosheit der Menschen dir bereiten, dieses Kreuz empört dich fast.

Und dennoch enthält gerade dieses Kreuz die größte Erlösungskraft.

4. Betrachte Jesus! Hat Er sich selbst das Leiden auferlegt, durch das Er dich errettet? Haben Ihm nicht Unwissenheit, Torheit und menschliche Bosheit das Kreuz bereitet? Waren es nicht gerade jene Menschen, die kraft ihres Amtes Ihm bei der Rettung ihres Volkes hätten beistehen sollen?

5. Wundere dich nicht, wenn der Teufel dein Unternehmen stets zu vereiteln sucht! Denn mich greift er an, wenn er meine Soldaten angreift. Bewahre ungeschmälert dein volles Vertrauen und all deinen Mut. Seine Niederlage wird nur um so vollständiger sein; denn ich habe ihm den Kopf zertreten und werde dies weiter tun.

6. Aber merke dir wohl, daß das Leiden an sich noch nicht erlöst, sondern erst dann, wenn es eng mit Jesu Leiden vereint ist!

Mit deinen Leiden verhält es sich so wie mit deiner Person. Aus dir selbst bist du bloß ein armer Sünder, mit Jesus aber nimmst du teil am göttlichen Leben. So ist jedes Leiden an sich unfruchtbar; ist es aber mit dem Leiden Jesu verbunden, wird es in die göttliche Wirksamkeit Seines Leidens hineingenommen.

7. Wenn dich das Leid in deinem Apostolat heimsucht, komm und schließ dich enger mir an! Wir wollen dann gemeinsam auf den Kalvarienberg hinaufgehen. Dort, am Fuß des Kreuzes der Erlösung wirst du den unermesslichen Wert dieses Leidens verstehen, das dich in Verwirrung brachte und dich fast erdrückte.

Sogar das Leiden, das dir die Torheit und Bosheit der Menschen bereitet, wird dir lieb werden. Du wirst darin nicht mehr die Menschen sehen, die es dir verursachen, sondern deine Mutter, die dir erlaubt, an ihrer Erlösungsaufgabe teilzunehmen. Du wirst in diesem Leiden die Seelen sehen, die du dadurch mit retten hilfst...

8. Eine recht herbe Lehre für dich, mein liebes Kind! Aber es ist eine Lehre des Glaubens, der Liebe und des Sieges.

Habe ich zu viel vorausgesetzt, als ich glaubte, du seiest fähig, sie zu verstehen?

 

Die Seele:

O Mutter, du kennst meine Feigheit und Opferscheu. Aber du weißt auch, wie ich dich lieben und dir helfen möchte bei der Verwirklichung deiner Aufgabe.

Wenn aber die Prüfung über mich kommt, dann wirst du mich stützen, und dann werde ich alles erleiden können, was du willst, weil du es willst, was immer es auch kosten mag.