Kapitel XVIII: Die Todsünde und die lässliche Sünde

(S = Schüler; L = Lehrer)

S: Erklären Sie mir jetzt bitte, was die Tatsünde ist und wie sie einmal eine Todsünde und einmal eine lässliche Sünde ist!

L: Eine Tatsünde ist eine Sünde, die wir aus eigenem Willen begehen, nachdem wir zum Vernunftgebrauch gelangt sind, indem wir z.B. stehlen, töten, falsch schwören oder ähnliches tun, was dem Gesetz Gottes widerspricht. Diese Sünde ist eine Todsünde, wenn sie den Menschen der Gnade Gottes beraubt, die das Leben der Seele ist, und den ewigen Tod in der Hölle verdient. Eine lässliche Sünde ist sie, wenn sie Gott zwar missfällt, aber nicht so sehr, dass sie den Menschen seiner Gnade beraubt. Sie verdient zwar ebenfalls Strafe, aber keine ewige.

S: Wie kann ich erkennen, ob eine Sünde eine Todsünde oder eine lässliche Sünde ist?

L: Um zu erkennen, ob die Sünde eine Todsünde ist, muss man zwei Regeln im Auge behalten. Die eine Regel besteht darin, dass die Sünde gegen die Gottes- oder die Nächstenliebe verstößt. Die zweite, dass sie mit voller Zustimmung des Willens geschieht. Wenn ihr also eine dieser zwei Bedingungen fehlt, ist sie keine Todsünde, sondern eine lässliche Sünde. Eine Sünde verstößt dann gegen die Liebe, wenn sie bei einem schwerwiegenden Tatbestand gegen das Gesetz gerichtet ist, so dass sie eine Beleidigung darstellt, die groß genug ist, um die Freundschaft zu zerstören. Wenn sie aber bei einem geringfügigen Tatbestand geschieht und nicht reicht, um die Freundschaft zu zerstören, dann ist sie nicht gegen die Liebe, sondern man spricht davon, dass sie nicht der Liebe gemäß ist. Ebenso sagt man bei ersterer, dass sie gegen das Gesetz ist, weil sie gegen die Liebe ist, die das Ziel des Gesetzes darstellt. Bei zweiterer sagt man nicht, dass sie gegen das Gesetz ist, sondern nur, dass sie nicht dem Gesetz gemäß ist, weil sie nicht gegen die Liebe, sondern nur der Liebe nicht gemäß ist. Führt euch folgendes Beispiel vor Augen: Eine große Summe Geld zu stehlen ist eine Todsünde, weil es gegen das Gesetz Gottes ist, weil es einen schwerwiegenden Tatbestand darstellt und weil es, wie jeder weiß, ausreicht, um eine Freundschaft zu zerstören. Somit verstößt es gegen die Liebe. Einen Groschen, eine Stecknadel oder etwas ähnliches zu stehlen ist dagegen keine Todsünde, sondern eine lässliche Sünde, weil es sich um einen geringfügigen Tatbestand handelt, und obwohl es nicht der Liebe gemäß ist, ist es dennoch auch nicht gegen die Liebe, weil es nichts ist, was normalerweise ausreicht, um eine Freundschaft zu zerstören. Ähnliches können wir von der zweiten Bedingung, der Freiwilligkeit, sagen. Wenn etwas in einem schwerwiegenden Tatbestand gegen das Gesetz gerichtet ist und völlig freiwillig geschieht, ist es eine Todsünde. Wenn es dagegen nicht völlig freiwillig wäre, wie wenn jemand plötzlich den Gedanken oder Wunsch hätte zu stehlen, zu morden oder zu fluchen, sich aber gleich korrigierte, bevor er mit dem Willen vollkommen zugestimmt hätte, so wäre es nur eine lässliche Sünde. Man muss freilich sorgfältig auf sich acht geben, und sobald man sich eines schlechten Gedankens oder Wunsches bewusst ist, muss man ihn verjagen, bevor der Wille ihm zustimmt.

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Was sagt der Katechismus?

http://www.vatican.va/archive/DEU0035/_P6I.HTM

 

IV Die Schwere der Sünde -Todsünde und läßliche Sünde

1854 Die Sünden sind nach ihrer Schwere zu beurteilen. Die schon in der Schrift erkennbare [Vgl. 1 Joh 6,16-17] Unterscheidung zwischen Todsünde und läßlicher Sünde wurde von der Überlieferung der Kirche übernommen. Die Erfahrung der Menschen bestätigt sie.

1855 Die Todsünde zerstört die Liebe im Herzen des Menschen durch einen schweren Verstoß gegen das GesetzGottes. In ihr wendet sich der Mensch von Gott, seinem letzten Ziel und seiner Seligkeit, ab und zieht ihm ein minderes Gut vor.

Die läßliche Sünde läßt die Liebe bestehen, verstößt aber gegen sie und verletzt sie.

1856 Da die Todsünde in uns das Lebensprinzip, die Liebe, angreift, erfordert sie einen neuen Einsatz der Barmherzigkeit Gottes und eine Bekehrung des Herzens, die normalerweise im Rahmen des Sakramentes der Versöhnung erfolgt.

„Wenn der Wille sich zu etwas entschließt, was der Liebe, durch die der Mensch auf das letzte Zielhingeordnet wird, in sich widerspricht, ist diese Sünde von ihrem Objekt her tödlich ...‚ verstoße sie nun, wie die Gotteslästerung, der Meineid und ähnliches gegen die Liebe zu Gott oder, wie Mord, Ehebruch undähnliches gegen die Liebe zum Nächsten ... Wenn hingegen der Wille des Sünders sich zu etwas entschließt, was in sich eine gewisse Unordnung enthält, aber nicht gegen die Liebe zu Gott und zum Nächsten gerichtet ist, wie z. B. ein müßiges Wort, übermäßiges Lachen und anderes, so sind das läßlicheSünden" (Thomas v. A., s. th. 1-2, 88, 2).

1857 Damit eine Tat eine Todsünde ist, müssen gleichzeitig drei Bedingungen erfüllt sein: „Eine Todsünde ist jeneSünde, die eine schwerwiegende Materie zum Gegenstand hat und die dazu mit vollem Bewußtsein und bedachterZustimmung begangen wird" (RP 17).

1858 Was eine schwerwiegende Materie ist, wird durch die zehn Gebote erläutert, entsprechend der Antwort Jesuan den reichen Jüngling: „Du sollst nicht töten, du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht stehlen, du sollstnicht falsch aussagen ... ehre deinen Vater und deine Mutter" (Mk 10,19). Sünden können mehr oder wenigerschwer sein: ein Mord wiegt schwerer als ein Diebstahl. Auch die Eigenschaft der Personen, gegen die man sich verfehlt, ist zu berücksichtigen: eine Gewalttat gegen die Eltern wiegt schwerer als die gegen einen Fremden.

 

1859 Eine Todsünde erfordert volle Erkenntnis und volle Zustimmung. Sie setzt das Wissen um die Sündhaftigkeiteiner Handlung, ihren Gegensatz zum Gesetz Gottes, voraus. Die Todsünde schließt auch eine genügend überlegteZustimmung ein, um persönliche Willensentscheidung zu sein. Selbstverschuldete Unwissenheit und Verhärtungdes Herzens [Vgl. Mk 3,5-6; Lk 16,19-31] mindern die Freiwilligkeit der Sünde nicht, sondern steigern sie.

1860 Unverschuldete Unkenntnis kann die Verantwortung für ein schweres Vergehen vermindern, wenn nicht sogar aufheben. Aber von niemandem wird angenommen, daß er die sittlichen Grundsätze nicht kennt, die in das Gewissen jedes Menschen eingeschrieben sind. Auch Triebimpulse, Leidenschaften sowie von außen ausgeübterDruck oder krankhafte Störungen können die Freiheit und die Willentlichkeit eines Vergehens vermindern. Die Sünde aus Bosheit, aus überlegter Entscheidung für das Böse wiegt am schwersten.

 

1861 Die Todsünde ist wie auch die Liebe eine radikale Möglichkeit, die der Mensch in Freiheit wählen kann. Sie zieht den Verlust der göttlichen Tugend der Liebe und der heiligmachenden Gnade, das heißt des Standes der Gnade, nach sich. Wenn sie nicht durch Reue und göttliche Vergebung wieder gutgemacht wird, verursacht sie den Ausschluß aus dem Reiche Christi und den ewigen Tod in der Hölle, da es in der Macht unseres Willens steht, endgültige und unwiderrufliche Entscheidungen zu treffen. Doch wenn wir auch beurteilen können, daß eine Handlung in sich ein schweres Vergehen darstellt, müssen wir das Urteil über die Menschen der Gerechtigkeit und der Barmherzigkeit Gottes überlassen.

1862 Eine läßliche Sünde begeht, wer in einer nicht schwerwiegenden Materie eine Vorschrift des Sittengesetzesverletzt oder das Sittengesetz zwar in einer schwerwiegenden Materie, aber ohne volle Kenntnis oder volleZustimmung übertritt.

1863 Die läßliche Sünde schwächt die göttliche Tugend der Liebe; in ihr verrät sich eine ungeordnete Neigung zu geschaffenen Gütern; sie verhindert, daß die Seele in der Übung der Tugenden und im Tun des sittlich GutenFortschritte macht; sie zieht zeitliche Strafen nach sich. Falls die läßliche Sünde mit Bedacht geschieht und nicht bereut wird, macht sie uns allmählich bereit, Todsünden zu begehen. Die läßliche Sünde macht uns jedoch nicht zu Gegnern des Willens Gottes und seiner Freundschaft; sie bricht den Bund mit Gott nicht. Sie läßt sich mit der Gnade Gottes menschlich wiedergutmachen. Sie „entzieht nicht die heiligmachende, vergöttlichende Gnade, die Liebe und so auch nicht die ewige Seligkeit" (RP 17).

„Solange der Mensch im Fleisch wandelt, kann er wenigstens nicht ohne leichte Sünden sein. Halte aber dieseSünden, die wir als leicht bezeichnen, nicht für harmlos. Falls du sie für harmlos ansiehst, wenn du sie wägst, zittere, wenn du sie zählst. Viele kleine Dinge bilden eine große Masse; viele Tropfen füllen einen Fluß; viele Körner bilden einen Haufen. Welche Hoffnung haben wir also? Zuerst das Bekenntnis" (Augustinus, ep. Jo. 1,6).

1864 „Wer aber den Heiligen Geist lästert, der findet in Ewigkeit keine Vergebung, sondern seine Sünde wird ewigan ihm haften" (Mk 3,29) [Vgl. Mt 12,32; Lk 12,10]. Die Barmherzigkeit Gottes ist grenzenlos; wer sich aber absichtlich weigert, durch Reue das Erbarmen Gottes anzunehmen, weist die Vergebung seiner Sünden und das vom Heiligen Geist angebotene Heil zurück [Vgl. DeV 46.]. Eine solche Verhärtung kann zur Unbußfertigkeit bis zum Tod und zum ewigen Verderben führen.