Immer mehr Menschen öffnen dem Bösen die Tür

 

Don Amorth ist nicht nur durch seine Tätigkeit als Exorzist bekannt, sondern auch durch seine Bücher zu diesem Thema (das erste trägt den Titel: Ein Exorzist erzählt und erschien 1996 bereits in der 14. Auflage), vor allem ist er jedoch durch Interviews in Zeitungen, im Radio und im Fernsehen in aller Welt bekannt. Der Grund, dass sich Don Amorth einem solchen Medienansturm nicht entzieht, liegt hauptsächlich darin, dass auf diese Weise das Thema teuflischer Besessenheit, das man gerne leugnet oder verbirgt, ans Licht kommt und von manchen Diözesen beachtet wird.

 

Don Amorth, Sie standen fast immer in der ersten Reihe: In der Katholischen Aktion, im letzten Weltkrieg (mit vielen militärischen Auszeichnungen), als Journalist und Direktor von «Madre di Dio», bei der Weihe Italiens an das Unbefleckte Herz Mariens... Inzwischen sind Sie sehr bekannt. Wie hat sich Ihr Leben in den letzten Jahren verändert?

Ich muss dem Herrn danken und ich kann nicht verstehen, warum manche meiner Initiativen so viel Erfolg hatten. Es ist klar, dass der Herr sie gewollt hat. Damit meine ich in erster Linie die Weihe Italiens an Maria, was für immer das schönste und wertvollste Ereignis meines Lebens bleiben wird.

Nach einem Besuch bei Kardinal Poletti, den ich aus reiner Neugierde gemacht habe, bin ich fast scherzend Exorzist geworden. Ich war der Ansicht, dass dies nur eine kleine zusätzliche Arbeit zu meiner normalen Aktivität wäre, eine Art «Finale» meines Lebens, so wie zum Beispiel jemand in einem Heiligtum als Beichtvater sein Leben abschließt. Aber das Gegenteil war der Fall! Meine Aufgabe nahm mich so sehr in Beschlag, dass ich gezwungen war, die Leitung von Madre di Dio abzugeben und das ist mir sehr schwergefallen.

 

Wenn man im Bereich des Exorzismus Ihr Engagement betrachtet, kann man sagen, dass es hier ein Vorher und ein Nachher gibt. Was hat Sie getrieben, dieser Frage auf den Grund zu gehen?

Es waren die Bedürfnisse der Menschen und eine doppelte Entdeckung: Das quasi vollständige Fehlen von Exorzisten in der katholischen Kirche und vor allem der mangelnde Glaube der Geistlichen, der Bischöfe und der Priester, was diesen Bereich, der bereits seit langem aufgegeben worden war, anbetrifft. Um ein wenig Licht in diesen Bereich zu bringen, habe ich ein erstes Buch geschrieben: Ein Exorzist erzählt, das wie eine Bombe einschlug. Es wurde in acht Sprachen übersetzt und machte mich durch die Interviews der Journalisten und der verschiedensten europäischen Fernsehsender bekannt. Ich kann nicht umhin, unter den vielen Radiosendungen die monatliche Sendung in Radio Maria zu erwähnen, bei der mir mehr als eineinhalb Millionen Menschen zuhören.

 

Was sind die hauptsächlichen Resultate Ihres Engagements?

Ich würde sagen, dass ich vor allem von den wenigen Exorzisten, die es gab, wohlwollend aufgenommen wurde und ich begann, für sie Treffen zu organisieren. Dann wurde meine Stimme durch weitaus einflussreichere Stimmen hervorgehoben und von den Bischöfen ernst genommen, die im Laufe der letzten Jahre mehr als 150 Exorzisten in Italien ernannt haben. Der Einfluss weitete sich auch auf das Ausland aus und wir haben schon drei internationale Exorzistentreffen veranstaltet. Ich wurde zum Vorsitzenden der Internationalen Exorzistenvereinigung gewählt.

 

Ihr Buch «Exorzisten und Psychiater», das dritte Buch einer Reihe, befasst sich damit, welche Beziehungen zwischen Geisteskrankheiten und Besessenheit bestehen können. Wissen Sie, ob die psychiatrische Fachliteratur die Möglichkeit von Besessenheit in Erwägung zieht?

Ich möchte vor allem sagen, dass die Kirche die Exorzisten seit jeher – und zwar schon viele Jahrhunderte bevor die Psychiatrie entstand – gewarnt hat, vom Teufel verursachte Krankheiten nicht mit psychischen Krankheiten zu verwechseln. In der Vergangenheit dachten die Wissenschaftler, dass sie alles erklären könnten. Es gab eine Epoche, wo sich das Problem der Unvereinbarkeit von Wissenschaft und Glauben stellte, das heute überwunden ist. Heute sind die Wissenschaftler in allen Bereichen demütiger (wenigstens die großen, die echten Wissenschaftler), denn sie kennen ihre Grenzen. Es ist interessant, dass das am weitesten verbreitete Handbuch über geistige Störungen, das sogenannte DSM-IV, in seiner letzten Ausgabe (1994) ausdrücklich auch jene Menschen anführt, die glauben, von einem bösen Geist besessen zu sein.

 

Standen Sie als Exorzist in Beziehung zu katholischen Psychiatern? Innerhalb welcher Grenzen gelingt Ihnen eine Mitarbeit?

Uns Exorzisten zeigen sich oft zweifelhafte Fälle, bei denen die Anwesenheit eines Psychiaters sehr nützlich ist, um zu erkennen, ob der Fall den Exorzisten oder den Psychiater betrifft. Daher ist die Zusammenarbeit eine Errungenschaft. Natürlich bleibt jeder in dem Bereich, für den er kompetent ist: Ich kann bestätigen, dass eine Störung keinen dämonischen Ursprung hat, aber ich kann keine medizinische Diagnose stellen. Der Psychiater kann bestätigen, dass eine Störung nicht dem bislang bekannten Erscheinungsbild entspricht, aber er kann nicht sagen, ob die Krankheit einen dämonischen Ursprung hat. Es ist durchaus bezeichnend, dass die Psychiater manchmal Menschen zu uns, den Exorzisten, schicken, während manche Geistliche und sogar manche Exorzisten sie zu Psychiatern schicken.

 

Kann man – auch wenn dieses Gebiet weit ist – einige Hinweise geben, um zwischen psychischer Erkrankung und dämonischer Erkrankung zu unterscheiden?

Es fällt mir schwer, mich bei dieser Frage kurz zu fassen, denn die Schwierigkeit besteht ja gerade bei Grenzfällen. Es ist hilfreich, in Erfahrung zu bringen, ob medizinische Kuren völlig unwirksam geblieben sind und ob die Diagnose selber unsicher ist. Noch hilfreicher ist es, in Erfahrung zu bringen, ob es Gründe gibt, die für die Annahme einer von Dämonen verursachten Krankheit sprechen: Wenn es eine gewisse Aversion gegen Heiliges gibt, wenn der Beginn der Störung mit dämonischen Geschehnissen zusammenfällt (Teilnahme an spiritistischen Sitzungen, Zugehörigkeit zu satanischen Sekten, Besuch von Wahrsagern oder das Praktizieren von Okkultismus...). Die Störungen und die sonderbaren Phänomene sind nur dann von Interesse, wenn sie sich – manchmal auch zuhause – bestätigen. Aber dann hat der Exorzist das letzte Wort.

 

Gibt es Fälle, wo beide Möglichkeiten nebeneinander existieren?

Ja, das gibt es und es macht das Eingreifen eines Exorzisten oder eines Psychiaters erforderlich. Sonderbar ist, dass die beiden oft handeln, ohne voneinander zu wissen. Auf jeden Fall unterscheidet sich ihre Vorgangsweise sehr. Der Exorzist verwaltet ein von der Kirche eingesetztes Sakramentale, während der Psychiater Mittel einsetzt, die ihm durch die Medizin zur Verfügung gestellt werden. Der entscheidende Punkt, an dem sie sich treffen, besteht darin, dass es ihnen letztlich gelingt, die betroffene Person zu heilen.

 

In einem der letzten Kapitel sprechen Sie von einer möglichen Besessenheit durch die Seelen von Verstorbenen, aber man müsste auch über die verschiedenen Arten von Geistern sprechen. Offensichtlich wird die «Szene» mannigfaltig und «übervölkert». Haben Sie eine Vorstellung, wie die Lehre zu diesem Punkt aussehen sollte oder könnte?

Ich würde sagen, dass dieses Kapitel provokant ist, oder dass es zumindest dazu auffordert, sich mit dem Problem eingehender zu befassen. Es gehört nicht zu unserer Aufgabe als Exorzisten, sondern fällt vor allem in den Bereich der Bibelwissenschaftler und der Theologen. Wir können lediglich manche Erfahrungen bezeugen, die wir erleben, auch wenn wir insgesamt den Eindruck haben, dass sich die Seelen der Verstorbenen so gut wie nie einschalten. Von großem Interesse ist jedoch eine genauere Studie, die noch aussteht und zu der die kirchliche Obrigkeit eventuell noch Aussagen machen wird.

 

In der Geschichte und in der Literatur über die Marienheiligtümer sind die Wunder, die von der Befreiung Besessener berichten, sehr bedeutsam. Was wünschen Sie sich in dieser Hinsicht von den Heiligtümern, wenn Sie von Ihrer Erfahrung ausgehen?

Die Heiligtümer sind besonders privilegierte Orte des Gebetes und der Gnade. In der Vergangenheit waren manche für die Befreiung von Besessenen berühmt: Da braucht man nur an die Heiligtümer von Caravaggio oder Clauzetto (Pordenone) zu denken. Alle Gnaden und daher auch alle Befreiungen werden uns durch die Fürsprache Mariens zuteil. Auch heute noch werden viele Befreiungen, die durch Exorzismusgebete begünstigt und vorbereitet wurden, in den Heiligtümern vollendet. Ich würde mir wünschen, dass es in allen Heiligtümern je nach Bedarf mehr oder weniger Exorzisten gäbe. Das ist auch der Wunsch des Episkopates von Campanie, der in einem Pastoralschreiben vom April 1995 ausgedrückt wurde.

 

In Ihrem Buch «Exorzisten und Psychiater» zitieren Sie beeindruckende Zahlen. Nehmen die Fälle von Besessenheit zu? Sind Sie der Meinung, dass der Teufel heute stärker ist als in der Vergangenheit?

Ich habe keinerlei Zweifel, dass die Fälle von Besessenheit oder dämonischen Krankheiten viel zahlreicher sind und beständig zunehmen. Warum? Weil – mathematisch gesehen – der Aberglaube zunimmt, wenn der Glaube abnimmt. Nicht der Teufel ist stärker, sondern es gibt immer mehr Menschen, die ihm die Tür öffnen. Aus diesem Grund schien es mir gut zu sein, in meinem Buch «Exorzisten und Psychiater» über verschiedene Fälle zu sprechen, insbesondere über den Zulauf, den der Okkultismus erfährt, und den die Medien, vor allem das Fernsehen, so sehr zur Schau stellt. Wir brauchen genaue Informationen. Deshalb spreche ich über Spiritismus, Magie, Satanismus, Sekten und gefährliche Praktiken, denen sich heute so viele junge und weniger junge Menschen hingeben.

 

Sie sprechen auch viel über Befreiungsgebete, die von allen gebetet werden können. Können Sie eines dieser Gebete anführen, als Geschenk für unsere Leser und Leserinnen?

Paul VI. sagte: «Alles, was uns vor der Sünde verteidigt, verteidigt uns vor dem Teufel». Herr, du, der dreifaltige und eine Gott, befreie uns vom Teufel und allen dämonischen Erkrankungen. Das erbitten wir von dir im Namen Jesu. Wir bitten dich durch sein Blut, befreie uns. Durch seine Wunden, befreie uns. Durch seinen Tod und seine Auferstehung, befreie uns. Durch sein durchbohrtes Herz, befreie uns. Durch das Blut und das Wasser, die aus seinem Herzen flossen, befreie uns. Durch die Fürsprache des schmerzhaften und unbefleckten Herzens Mariens, befreie uns. Durch die Fürsprache aller Engel und aller Heiligen, befreie uns. Zur Ehre der heiligsten Dreifaltigkeit. Amen.

Domenico Marucci

 

Literatur:

«Ein Exorzist erzählt» Gabriele Amorth, 208 Seiten, 12,5x19 cm, Euro 9.90 CHF 18.–

«Neue Berichte eines Exorzisten» Gabriele Amorth, 256 Seiten, 12,5x19 cm, Euro 14.– CHF 19.80

«Exorzisten und Psychiater» Anhang: Das neue Römische Rituale über Exorzismus, Pater Gabriele Amorth, 259 Seiten, 12,5x19 cm, Euro 14.– CHF 19.80

«Pater Pio, Lebensgeschichte eines Heiligen» Gabriele Amorth, 166 Seiten, Euro 10.– CHF 14.–.