Sichere Merkmale, an denen man erkennen
kann, ob man Gott wahrhaft liebt.
Hl. Alfons Maria von Liguori, Kirchenlehrer
In der Heiligen Schrift wird die Liebe Gottes mit dem Feuer verglichen. Als unser Heiland uns im Evangelium erklärte, Er sei auf die Erde gekommen, um uns Seine heilige Liebe mitzuteilen, bediente Er Sich des Ausdrucks, Er sei gekommen, um ein Feuer zu bringen: „Ich bin gekommen, Feuer auf die Erde zu werfen“, und Gott selbst gibt der Seele in der Offenbarung den Rat, von Ihm Gold zu kaufen, das im Feuer geläutert ist, das heißt, die heilige Liebe Gottes.
Das Feuer hat die doppelte Eigenschaft, dass es den Hindernissen widersteht, und dass es, anstatt zu verlöschen, dadurch nur wächst und immer mehr um sich greift, denn es ist Feuer, es will tätig sein. Daraus können wir also zwei sichere Merkmale, ob die Liebe Gottes in uns wohnt, kennen lernen: ob wir nämlich wirken und dulden. Arbeiten wir also immer für unseren lieben Gott, wenigstens dadurch, dass wir die gute Meinung machen, in allem seinen göttlichen Willen zu erfüllen, durch alles, was wir tun, nur Ihm gefallen zu wollen; leiden wir gerne aus Liebe zu Ihm alle Widerwärtigkeiten, Armut, Trübsale, Krankheiten, so dass diese Leiden, statt uns von Gott zu entfernen, uns immer enger mit Ihm vereinigen ‑ alsdann besitzen wir die Liebe Gottes, dann ist unsere Liebe ein Feuer, das tätig ist, das den Hindernissen widersteht. Ist das aber nicht der Fall, so besitzen wir nicht die wahre Liebe Gottes, so haben wir eine falsche Liebe, eine Liebe auf der Zunge, nicht im Herzen, vor welcher uns der heilige Johannes warnt: „Meine Kindlein, lasset uns nicht mit Worten und nicht mit der Zunge lieben, sondern mit der Tat und Wahrheit.“
Wo die Liebe nicht tätig ist, da ist keine Liebe, sagt der heilige Gregor, und Jesus Christus lehrt uns: „Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt.“ Alles Bittere und Furchtbare, sagt der heilige Augustinus, wird durch die Liebe leicht und als ob es nicht mehr wäre. Wenn wir also mittelst der guten Meinung immer für Gott arbeiten, wenn wir Seine Gebote halten, wenn wir sie genau halten, wenn wir mit den göttlichen Geboten auch noch die Gebote der Kirche beobachten, die Pflichten unseres Standes und unsere besonderen Verpflichtungen erfüllen, wenn wir großmütig und freudig, aus Liebe zu Gott, die Widerwärtigkeiten besiegen, sie mögen auch noch so unangenehm sein ‑ alsdann besitzen wir die Liebe Gottes, dann ist unsere Liebe ein Feuer, das tätig ist, das den Hindernissen widersteht. Ist das aber nicht der Fall, so besitzen wir nicht die wahre Liebe Gottes, so haben wir eine falsche Liebe, eine Liebe auf der Zunge, nicht im Herzen: „Meine Kindlein, lasset uns nicht mit Worten und nicht mit der Zunge lieben, sondern mit der Tat und Wahrheit.“
Setzen wir den Fall, wir könnten einen Gewinn machen, aber er ist ungerecht, wir könnten uns ein Vergnügen verschaffen, aber es ist unerlaubt, die Erfüllung der Pflichten unseres Standes ist beschwerlich, die Mühe, die uns ein unternommenes Werk verursacht, macht, dass wir den Mut verlieren. Aus Liebe zu Gott suchen wir jenen Gewinn nicht, entsagen wir jenem Vergnügen, tun wir alles, bringen wir alles zu Stande ‑ wir besitzen die Liebe Gottes, denn unsere Liebe ist ein Feuer, das tätig ist. Tun wir indes das Gegenteil, so ist unsere Liebe nicht die wahre Liebe Gottes, so ist sie eine falsche Liebe, eine Liebe auf der Zunge, nicht im Herzen: „Meine Kindlein, lasset uns nicht mit Worten und mit der Zunge lieben, sondern mit der Tat und Wahrheit.“
Ganz unerwartet kommt ein großes Leiden über uns, man macht uns einen Prozess, von dem unser ganzes Vermögen abhängt; wir verlieren plötzlich jene Person, auf die wir all unsere Hoffnung setzten, die unsere einzige Stütze war. Sogleich opfern wir alle diese Leiden Gott auf, wir ertragen sie sogar freudig ‑ wir besitzen die Liebe Gottes, denn unsere Liebe ist ein Feuer, das den Hindernissen widersteht. Tun wir indes das Gegenteil, so ist unsere Liebe nicht die wahre Liebe Gottes, so ist sie eine falsche Liebe, eine Liebe auf der Zunge, nicht im Herzen: „Meine Kindlein, lasset uns nicht mit Worten und mit der Zunge lieben, sondern mit der Tat und Wahrheit.“
Es ist indes ein weit zuverlässigeres Zeichen, dass man Gott liebe, wenn man für Ihn leidet, als wenn man für Ihn arbeitet, denn derjenige, der arbeitet, bemüht sich für den, den er liebt, was freilich ein Zeichen der Liebe ist; indes der, der aus Liebe leidet, alle seine Aufmerksamkeit auf den Gegenstand seiner Liebe richtet, und darüber sich ganz selbst vergisst, was ein Zeichen ist, dass dieser mehr liebt als jener.
Gott wollte deshalb auch die Liebe des heiligen Mannes Job durch Leiden prüfen. Job trug gewiss immer eine sehr große Liebe zu Gott, aber wann gab er das am meisten zu erkennen? Etwa als er, von einer zahlreichen Nachkommenschaft umgeben, im Überfluss an allen irdischen Gütern lebte, oder da er vollkommen gesund war? Gewiss auch damals, denn auch damals erkannte er, dass alles von Gott komme; er dankte dem Herrn dafür, brachte Ihm Opfer dar, erfüllte seine Pflichten gegen seine Kinder, indem er sie zurechtwies, und immer für sie betete, damit sie nicht etwa Gott durch ihre Sünden beleidigten. Denn er sprach: es möchten vielleicht meine Söhne gesündigt haben. Aber die Größe seiner Liebe zu Gott zeigte sich erst dann, als Gott, um seine Liebe zu prüfen, ihm in einem Augenblick alle seine Güter nahm, als Er plötzlich alle seine Kinder tötete, ihn seiner Gesundheit beraubte, ihn mit Wunden bedeckte, so dass er, auf einem Misthaufen hingestreckt, mit einem Scherben die Eiter aus seinen Wunden drücken musste. In all diesen Leiden, bei all diesem Unglück wiederholte Job fortwährend mit unüberwindlicher und für alle Zeiten denkwürdiger Geduld: „Der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen, wie es dem Herrn gefallen hat, also ist es geschehen, der Name des Herrn sei gebenedeit.“
Doch warum reden wir von Job? Auch Jesus Christus, als Er Seinen Leiden entgegenging, sagte den Aposteln: Meine lieben Apostel, damit die Welt erkenne, dass ich den Vater liebe ‑ steht auf, lasset uns von hinnen gehen, ‑ das ist also ein sicheres Zeichen, dass man wahrhaft Gott liebe: die Geduld, die Geduld, gerne alles um Gottes willen leiden.
Was die Heiligen gesagt und getan haben, bestätigt uns diese Wahrheit. Die heilige Theresia pflegte zu sagen: „Leiden oder sterben“, die heilige Maria Magdalena von Pazzi hingegen: „Leiden und nicht sterben“, und der heilige Johannes vom Kreuz rief aus: „Leiden und schweigen.“
Die heiligen Märtyrer forderten selbst ihre Henker auf, sie zu peinigen, sie ermunterten die wilden Tiere, sie zu verschlingen. Die heilige Lidwina litt geduldig 33 Jahre lang eine peinliche Krankheit, die heilige Franziska ertrug freudig die ungerechte Verweisung ihres Gemahls und die Einziehung all ihrer Güter, und der heilige Johannes vom Kreuz ließ sich bereitwillig neun Monate lang einkerkern und litt während dieser Zeit die größten Peinen und Qualen.
Geduld, Geduld ist also ein sicheres und unfehlbares Zeichen, dass man Gott liebt; wenn man nämlich leidet, gerne alles leidet um Gottes willen.
Wie glücklich, wie selig ist jener, der in sich diese beiden sicheren Zeichen der wahren Liebe Gottes erkennt: die guten Werke und die Geduld, der gerne für unseren großen Gott wirkt und leidet, er selbst wird erkennen, dass die heilige Liebe Gottes in seinem Herzen wohnt. Alles Gold der Welt ist im Vergleich mit einem ganz geringen Grad der heiligen Liebe Gottes nichts mehr als ein wenig Staub, denn alles Gold ist im Vergleich mit ihr schlechter Sand, ja, alle Reichtümer sind nach dem Ausspruch der heiligen Schrift im Vergleiche mit einem geringen Grad der Liebe Gottes wie nichts zu achten: „Ich hielt den Reichtum für nichts im Vergleich mit ihr“ (Weish 7,8).
Aber was ist das Gold, was sind alle Reichtümer dieser Welt, da sogar die größten übernatürlichen Gaben Gottes ohne die heilige Liebe für nichts zu achten sind? Das lehrt uns der heilige Paulus, der selbst aus Erfahrung am besten die heilige Liebe Gottes kannte und deshalb ihren hohen Wert zu schätzen wusste. Er ruft aus: Wenn ich die Gabe aller Sprachen besäße, wenn ich nicht nur die Sprachen der Menschen, sondern auch die wunderbare Sprache, welche die Engel untereinander reden, verstände: Wenn ich die Sprachen der Menschen und Engel redete ‑ aber die heilige Liebe Gottes nicht hätte, so wäre ich wie ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. Wenn ich die Gabe der Weissagung hätte und wüsste alle Geheimnisse und besäße alle Wissenschaft, und wenn ich alle Glaubenskraft hätte, so dass ich Berge versetzen könnte, aber hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts. Die heilige Liebe Gottes ist die Königin aller Tugenden, die da herrscht und in Ewigkeit herrschen wird.
Nach unserem Tode wird unser Glaube seine Belohnung erhalten, denn er wird schauen, was er geglaubt hat, aber im Himmel hört der Glaube auf.
Nach unserem Tode wird die Hoffnung ihren Lohn empfangen, denn sie wird besitzen, was sie gehofft hat, aber im Himmel gibt es keine Hoffnung mehr.
Auch die Liebe Gottes wird nach dem Tode ihren Lohn empfangen, sie wird in Ewigkeit herrschen, denn sie wird im Himmel dazu gelangen, mit unendlicher Seligkeit, die ganze Ewigkeit hindurch jenen Gott zu lieben, den sie auf Erden geliebt hat.
Selig, selig ist jener, der diese beiden sicheren Kennzeichen: die guten Werke und die Geduld besitzt, der gerne für seinen Gott wirkt und leidet, er selbst wird erkennen, dass die heilige Liebe Gottes in seinem Herzen wohnt. ‑
Lieben wir denn also alle, lieben wir alle Gott auf die genannte Weise, haben wir Gott bei allem, was wir tun, vor Augen, suchen wir in all unseren Handlungen nur die Befolgung Seines Willens, suchen wir in allem nur Sein Wohlgefallen, ertragen wir nicht nur geduldig, sondern freudig alles, was unsere Eigenliebe, was unsere Empfindlichkeit verletzt.
Bedenken wir, dass der Herr uns nur deshalb erschaffen und in die Welt gesetzt hat, damit wir unseren Gott lieben. Alle unsere Sorge, alle unsere Bemühungen müssen also darauf gerichtet sein, dies unser einziges Ziel zu erlangen. Wir müssen nur auf die Liebe Gottes Wert legen und Gott häufig und dringend bloß allein um Seine Liebe bitten: Gib mir nur Deine Liebe, o Herr, nur Deine Liebe, o Herr, und Deine Gnade verleihe mir, dann bin ich reich genug und bitte Dich um nichts weiter. ‑ Darum bat der große heilige, von Liebe zu Gott entzündete Ignatius.
Quelle: Die Art und Weise, vertraulich mit Gott umzugehen