Das „Willkommen“ Mariens

 

„Ich will mich erfreuen in Gott, meinem Heilande.“ (Hab 3, 18)

 

Vor der Kommunion

Welch ein Beispiel haben wir in Mariens Willkommen! Wie schön vereint sie Liebe mit Anbetung! In der Christnacht drückt sie ihr göttliches Kind an ihre Brust! O innige Umarmung der Mutter, verbunden mit der Ehrerbietung und der Hingabe des Geschöpfes.

Wie vernichtet sie sich in seiner Gegenwart; wie vereinigt sie all ihre Kräfte in ihm; wie frohlocket sie von ganzem Herzen; wie freudig bietet sie ihm ihre Dienste an; wie glüht sie vor Dankbarkeit, da sie ihn Willkommen heißt in der Menschwerdung, bei der Geburt, bei jeder Kommunion, die sie zur Ephesus und Jerusalem aus den Händen des heiligen Johannes empfängt!

Mannigfaltig ist die Art der Aufnahme, je nachdem sie einem König, einem Vater, einem Eroberer, einem Wohltäter, einem Freunde, einem Bräutigam, einem Kinde gilt. Alles das war Christus für Maria, ja noch tausendmal mehr. Sie sollte ihm das einem Gotte gebührende Willkommen entgegenbringen. War sie hierzu fähig? Ihr Herz und ihr Geist bewegten sich allerdings in Regionen, wohin der kühnste Flug der Seraphim und Cherubim niemals gelangt. Aber wenn sie nach der Kommunion, die Hände über die Brust gekreuzt, in Anbetung niedersank, da fühlte sie, wie kein anderes Geschöpf es je gefühlt, da bekannte sie in tiefster Demut, von der wir keine Ahnung haben, die äußerste Unzulänglichkeit ihre Anbetung und Liebe.

Maria wusste, dass, der da mächtig ist, Großes an ihr getan hatte. Sie wusste, dass die Rückgabe all dessen, was er ihr gegeben, bei weitem nicht das erreichte, was ihm gebührt, und dass eine unermessliche Schuld blieb. Rings um sie erstreckte sich ein weiter Ozean von Vollkommenheit, den kein menschliches Lob ausfüllen konnte. Unaufhörlich versuchte sie, seinen Ansprüchen auf ihre Huldigung gerecht zu werden, und unaufhörlich fiel sie in ihr Nichts als Geschöpft zurück. Doch nicht um darin zu verweilen. In dem Schatz, der ihr in der Menschwerdung und in der Eucharistie anvertraut war, hatte sie genug, ja mehr als genug, um das zu ersetzen, was ihr mangelte. Sie hatte den wesensgleichen Sohn dem Vater als Anbetung, Preis und Dank anzubieten.

Derselbe Schatz ist auch uns anvertraut. Wie Maria, so bringen auch wir nach bestem Vermögen unsere Danksagung dar. Doch „eingedenk, dass wir unnütze Knechte sind, arm und verächtlich, elend und blind“, nehmen wir gleich ihr unsere Zuflucht zu dem unendlichen Gott in unserer Seele und opfern ihn ihm selbst als ein „Willkommen“, das seiner würdig ist.

Heilige Maria, zu dir komme ich in meiner großen Not. Ich bin im Begriffe, den Allerheiligsten in mein Herz aufzunehmen. Doch, o liebe Mutter, ich schrecke davor zurück. Ich weiß es, sein Auge kann keine Unvollkommenheit ertragen. In seinen Engeln fand er Sünde. Ich weiß auch, dass er die Tiefe meiner sündhaften Seele durchschaut und erforscht. Und dennoch heißt er mich zu ihm kommen und mich mit ihm auf die innigste Weise vereinigen, die hienieden denkbar ist. Wie, ich Sünder soll vor dem Allerhöchsten stehen, ich soll es wagen, mich demjenigen zu nahen, vor welchem die fleckenlosen Engel ihr Antlitz verhüllen und unaufhörlich „Heilig, heilig, heilig“ singen?

Gepriesen sei seine Liebe und sein Erbarmen. Er selbst hat mir den Weg bereitet. Er hat die Bedingungen so leicht gemacht, dass ich keine Entschuldigung habe, wenn ich mich fernhalte und die Einladung, an seinen Abendmahle teilzunehmen, ablehne. Das hochzeitliche Kleid der Gnade ist — streng genommen — alles, was er verlangt. Weniger konnte er nicht fordern. Das übrige überlässt er meiner Liebe. Deine unbefleckte Reinheit, o Mutter, deine glorreiche Heiligkeit war nicht zuviel als Vorbereitung für ihn — und er ist zufrieden mit dem armseligen Empfang, den ich ihm bereite.

Er selbst übergibt mir das hochzeitliche Kleid, und um den Schmuck der Gnade, der mir leider mangelt, zu ersetzen, heißt er mich meine Zuflucht zu jenen nehmen, die mir von ihrem Überfluss mitteilen können: die Patriarchen, Propheten, Apostel, Märtyrer, Bekenner, Jungfrauen, Engel, Erzengel, Cherubim, Seraphim, — das ganze himmlische Heer — stehen mir kraft der Gemeinschaft der Heiligen zu Diensten; doch hilfsbereiter, gütiger, zugänglicher als alle ist sie, die Heilige der Heiligen. Obgleich Mutter Gottes und Königin des Himmels ist sie eingedenk, dass sie meine Mutter ist, und hält es nicht unter ihrer Würde, von ihrem Throne herabzusteigen, um mir in meiner Not zu Hilfe zu kommen. Wie eine Mutter ihr Kind mit ihren eigenen Juwelen schmückt, auf dass es schicklich am königlichen Hof erscheinen könne, so gewährt sie mir alles, was ich wünsche, alles, um was ich bitte, damit ich Wohlgefallen vor den Augen des Königs der Könige finden möchte.

O liebe Mutter, du siehst, was mir mangelt, o gib es mir! Ich bin so arm und unwissend, dass ich nicht einmal weiß, was mir abgeht. Teile mir von deinen Schätzen mit. Du wirst nicht gleich den klugen Jungfrauen handeln und mich abweisen, auf dass ich das, was mir mangelt, anderswo erbitte. Du hast genug für dich und mich. Du bist die Ausspenderin aller guten Gaben Gottes, die Mittlerin, durch welche alle Tugenden von ihm, dem Haupte, uns, seinen Gliedern, zukommen. Gib mir Anteil an den Gnaden, die deine Seele bereicherten und so wunderbar in den Augen Gottes machten. Gib mir Anteil an jenem Glauben, den keine Prüfung zum Wanken brachte; an jener Hoffnung, die bei jeder Heimsuchung sich nur um so inniger an ihn anschloss; an jener Liebe, die vollkommen selbstlos und zu jedem Opfer bereit war. Gib mir vor allem die Demut, welche dich mehr als alle anderen Tugenden Gnade vor dem Allerhöchsten finden ließ, eine Demut, die ich haben muss und um die ich mehr als um alles andere bitten sollte.

O Mutter, erfülle mein Verlangen! Mein Herz ist kalt und unbewegt trotz der Schönheit und der Reize deines göttlichen Sohnes, trotz seines Wunsches, bei mir zu sein. Zeige mir hier und jetzt die gesegnete Frucht deines Leibes, Jesus, dass ich bewogen werde ihn zu lieben und ihn bei seiner Ankunft willkommen zu heißen.

Komm, Herr Jesus, komm! Komm und sieh, wie mich die Hand deiner Mutter zu meiner Vereinigung mit dir geschmückt hat. Blicke nicht auf meine Armut; blicke auf die Reichtümer, die sie aus ihrem Herzen genommen und womit sie das meinige geziert hat.

 

Nach der Kommunion.

„Hochpreiset meine Seele den Herrn, und mein Geist frohlocket in Gott, meinem Heilande.“

„Denn Großes hat an mir getan, der da mächtig, und dessen Name heilig ist.“ (Lk 1, 46 f.)

„Lobet den Herrn, all seine Engel, die ihr gewaltig seid an Kraft!“ (Ps 102, 20)

„Preiset mit mir die Größe des Herrn; gemeinsam lasset uns seinen Namen erheben!“ (Ps 33,  4)

„Denn er ist Gott, unser Gott auf immer und ewig.“ (Ps. 47,15)

„Preiset unsern Gott, ihr alle seine Diener, und ihr alle, die ihr ihn fürchtet, klein und groß!“ (Offb. 19, 5)

„Singet Lob unserm Gott, singet, singet Lob, unserm König, singet!“ (Ps. 46, 7)

„Denn dies ist Gott, unser Gott, in Ewigkeit, auf immer und ewig.“ (Ps. 47, 15)

„Gepriesen sei Gott, der Herr, an diesem Tage.“ (III. Reg. 5, 7)

„Amen. Lob und Herrlichkeit und Weisheit und Dank, Ehre und Macht und Kraft sei unserm Gott in alle Ewigkeit. Amen.“ (Offb. 7, 12)

„Denn dies ist Gott, unser Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit.“ (Ps. 47, 15)

 

O mein Gott, könnte ich dir doch das beste aller Willkommen anbieten! Ich vereinige mein armseliges Willkommen mit dem Willkommen Mariens bei der Menschwerdung; mit ihrem Willkommen, als sie dich in der Christnacht zum ersten Male an ihre Brust gedrückt; mit ihrem Willkommen, als sie dich nach dreitägigem Suchen wiedergefunden; mit ihrem Willkommen an jedem Abend bei deiner Heimkehr von der täglichen Arbeit. Mit ihrem Willkommen, als sie, die Arme ausbreitend, dich von Kreuze herab in ihren Schoß aufgenommen; mit ihrem Willkommen, als sie am Ostermorgen, beim Aufgang der Sonne, dich erblickt hat. Ich vereinige mein schwaches Willkommen mit dem ihrigen, als sie dich in Brotsgestalt empfangen, in jenen Jahren nach deiner Himmelfahrt, da ihr Leben durch deine sakramentale Gegenwart erhalten wurde. Ich vereinige mein Willkommen mit dem ihrigen, das als Antwort dem deinigen entgegentönte, als du sie, am Tage ihrer Himmelfahrt, in deine Arme schlossest.

O könnte ich doch, und wäre es auch in unermesslicher Ferne, ihrem Beispiel in Anbetung, Lob, Sühne und Liebe folgen! O hätte ich jene Gleichförmigkeit des Willens, des Geistes und Herzens, welche sie ganz mit Dir verband und welche deinem gottmenschlichen Herzen soviel Trost und Freude bereitete!

Auch ich möchte dich schützen, o Herr, vor der Kälte der Winternacht, dadurch, dass ich dich in mein Herz aufnehme, aber auch durch teilnehmende Sorge für deine leidenden Glieder, indem ich sie speise, kleide und beherberge, denn von ihnen gilt das Wort: „Was ihr einem dieser meiner geringsten Brüder getan habt, das habt Ihr mir getan.“ (Mt 25, 40)

Auch ich will dich suchen, wenn du dich vor mir verbirgst, sei es in gerechter Strafe für meine begangenen Sünden oder für meine gegenwärtige Nachlässigkeit in deinem Dienste. Ich will dich suchen, so oft ich dich durch meine Unachtsamkeit verloren habe. Ich will mich prüfen über den Empfang der heiligen Sakramente, über die Anhörung der Heiligen Messe, über die Pflichten meines Standes, über die Verantwortlichkeit denen gegenüber, die du mir anvertraut hast und für welche du Rechenschaft von mir verlangen wirst, über die Folgen meines Beispiels bei meinen Hausgenossen. Und habe ich gefunden, dass ich durch eigene Schuld deine fühlbare Gegenwart eingebüßt habe, so will ich mich tief vor dir verdemütigen. Kann ich aber keinen besonderen Grund für die Entziehung deiner Gegenwart finden, so will ich mich meiner verborgenen Fehler wegen demütigen: „Denn ich bin mir zwar nicht bewusst, aber darum noch nicht gerechtfertigt: der mich richtet, ist der Herr.“ (1. Kor. 4, 4) In deiner gebenedeiten Mutter war nichts, was Strafe oder Reinigung forderte. Nur zur Vermehrung ihres Verdienstes diente der Schmerz des dreitägigen Verlustes. Was mich betrifft, so hat die Entziehung deiner fühlbaren Gegenwart eine dreifache Ursache und Frucht. Gib, o Herr, dass ich sie deinen Absichten entsprechend benutze. Ich nehme sie als Strafe für meine Sünden, als Läuterung meiner unvollkommenen Liebe und zur Vermehrung meines Verdienstes. Mühevoll suche ich dich hienieden. Gib, dass ich dadurch verdiene, dir dort oben näher zu kommen. Gleich deiner gebenedeiten Mutter will ich dich suchen, bis ich dich finde. O du, den meine Seele liebt, lass dich finden, wann der Tag anbricht und die Schatten verschwinden, und in alle Ewigkeit will ich dich nicht lassen!

 

Aufopferung und Bitte.

Als Gott der Liebe hast du dich mir geoffenbart, und da es in der Natur der Liebe liegt zu geben, so gibst du verschwenderisch und unermüdlich, und zwar von deinem Besten. „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn dahingab.“ Alle anderen Gaben sind geringer als diese. Alle anderen sind in dieser enthalten. „Wie, sollte er uns mit ihm nicht alles geschenkt haben?“ (Röm. 8, 32)

Was kann ich dir dafür geben? Ich habe nichts, das nicht dein wäre. Doch du willst das von meiner Hand annehmen, was ohnehin schon dir gehört. Ich biete dir also als Gegengeschenk all die Güter der Seele und des Leibes, alles, was die Liebe mir gegeben, alles, was sie mir vorenthalten hat: Leben, Kraft, Fähigkeiten, meine Leiden und Freuden, meine Gnaden und meine Verantwortlichkeit, meine Wünsche und meine Tauglichkeit zu deinem Dienste. Weil aber alles, was ich besitze, deiner unwürdig ist, so opfere ich dir die Vollkommenheit deiner Engel und all die Verdienste deiner Heiligen auf; ich opfere dir auf das überaus heilige Herz Mariens; dein eigenes allerheiligstes Herz — ein Opfer von unendlichem Werte, das in der heiligen Kommunion mir geschenkt wurde, auf dass ich es hinwiederum dir anbiete als überreichen Ersatz für alles, was ich bereits empfangen, und für das, was ich hienieden und drüben erwarte. Ich opfere dir heute dieses Herz für jede Seele in der Welt; für die 500 Millionen Christen, von denen so viele deinen Namen tragen, ohne dich zu lieben, ohne dir zu dienen; für die 900 Millionen, die niemals deinen Namen gehört haben, denen die Schönheit deines Lebens und die Zärtlichkeit deines Herzens nie zur Erkenntnis gekommen ist. O Erlöser der Welt, der du den Tod keines Menschen willst, der du im Gegenteil wünschest, dass alle Menschen bekehrt werden und leben sollen, rette diese dem Verderben entgegeneilenden Seelen, von denen jede mit deinem kostbaren Blute erkauft ist und einen Platz in deinem Herzen hat. O Herr der Ernte, sende Arbeiter in deinen Weinberg, gib, dass der Glaube sich schneller und weiter verbreite. Gib Gedeihen den auswärtigen Missionen, sichere den sterbenden Kindlein die Taufe; komme denen zur Hilfe, die am heutigen Tage ohne Priester, ohne Sakrament ihr Leben beschließen.

Ich opfere dein allerheiligstes Herz auf für alle jene, die, im Dunkeln tastend, den Weg zur Wahrheit suchen. O Licht, das einen jeden erleuchtet, der in diese Welt kommt, hilf ihnen hinweg über die Schwierigkeiten, die du allein bemessen und die du allein aus dem Wege räumen kannst. Stärke jene, die zögernd an der Schwelle der Kirche stehen und die durch irdische Beweggründe vom Eintritt abgehalten werden. O welch ein Glück, könnte ich nur einer von diesen Seelen behilflich sein! O Herr, gib mir Gelegenheit hierzu und deine Gnade! Wenn ich nicht „viel“ tun kann, so lass mich „Weniges“ vollbringen. Mache mich freigebig an Liebe, an Zeit, an allem, was ich ihnen zur Verfügung stellen kann. Du aber erachte jede Anstrengung, jeden Wunsch meinerseits als eine Danksagung für die mir so unverdient verliehene Gnade des Glaubens.

 

Gebet vor einem Kruzifix

Alle Gläubigen, welche dieses Gebet andächtig und mit reumütig zerknirschtem Herzen vor dem Bilde des Gekreuzigten verrichten und nach Empfang der heiligen Sakramente der Buße und des Altares eine Zeitlang (etwa fünf Vater unser und Gegrüßet seist du Maria) nach Meinung des Heiligen Vaters beten, gewinnen einen vollkommenen Ablass, der auch den Armen Seelen zugewendet werden kann. (Pius IX, 31. Juli 1858)

Siehe, o gütigster und süßester Jesus, vor deinem Angesichte werfe ich mich auf die Knie nieder und bitte und beschwöre dich mit der heißesten Inbrunst meiner Seele, durchdringe mein Herz mit den lebhaftesten Gefühlen des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe und verleihe mir eine wahre Reue über meine Sünden, verbunden mit dem unerschütterlichen Vorsatz, mich zu bessern; indem ich mit aller Liebe und allem Mitleid deine heiligen fünf Wunden betrachte und dabei beherzige, was der heilige Prophet David von dir gesagt hat: „Sie haben meine Hände und Füße durchbohrt, sie haben alle meine Gebeine gezählt.“