Das Willkommen der Liebe

III.

 

„Ich suchte ihn, den meine Seele liebt.“ (Hohel 3, 1)

 

Vor der Kommunion

Das erste Wort unseres Katechismus stellt uns das Endziel unserer Erschaffung vor Augen, den einzigen Grund, für welchen wir in diese Welt gesendet worden sind — Gott zu erkennen, Gott zu lieben und ihm zu dienen; erkennen, damit ich lieben und dienen kann. Das ist die Aufgabe meines Lebens und gerade hierfür bin ich erschaffen; ist einmal die Zeit, die dieser Aufgabe zugeteilt ist, abgelaufen, so wird das Leben, dass mir geliehen ist, von mir gefordert.

Ohne dieses Endziel ist mein Leben hienieden zwecklos und unerklärlich. Die Kräfte meiner Seele, falls ich sie nicht irreleite, zielen unaufhörlich auf Gott. Das Gebet, in welchem sie sich alle treffen, ruft nach ihm in der Finsternis, es sucht einen Weg zu seiner Gegenwart, wartet an seiner Türe, immer wieder versuchend einzutreten; es eilt dorthin, wo aus dem Thronsaale heraus ein Strahl in die Dunkelheit fällt, ein Strahl, der eine Spalte verrät, durch welche ich möglicherweise einen Blick auf ihn werfen kann.

Oh, es ist eine mühsame Arbeit um dieses Warten und Lauschen, um diese enttäuschte Sehnsucht! Aber noch härter wird das Warten und Lauschen, wenn die Sehnsucht erloschen ist, wenn der feste Wille allein das Suchen nach Gott fortsetzt und er sich entschlossen, aber ohne Trost, an seiner Türe niederlässt.

Eine mühsame Arbeit in der Tat, die aber dennoch mehr befriedigt als irgendeine andere Glückseligkeit außerhalb Gott. Denn für ihn sind wir geschaffen und ein lebenslanges Suchen befriedigt die Seele mehr als das Finden und der Besitz alles anderen, das nicht Gott ist.

Im Hohenliede, der Geschichte der Liebe, da finden wir dieses Suchen geschildert mit seinem Eifer, seinen Enttäuschungen, seinem Forschen, seiner Beharrlichkeit, seinem endlichen Lohn. „In der Nacht suchte ich, den meine Seele liebt; ich suchte ihn, aber ich fand ihn nicht. Habt ihr ihn, den meine Seele liebt, gesehen? Als ich kaum vorübergegangen war, fand ich ihn, den meine Seele liebt. Ich hielt ihn und will ihn nimmer lassen.“ (Hohel 3, 4) „Mein Geliebter ist mein und ich bin sein, bis der Tag anbricht und die Schatten sich neigen.“ (Hohel 2, 16 f.).

Also zeige Dich mir, oh Herr, in der Nacht dieses Lebens, wo ich wache, lausche, forsche, wo die Schönheit der sichtbaren Welt, die Ereignisse des täglichen Lebens und die Eingebungen der Gnade bereit sind, dich mir zu offenbaren! Gib mir, oh Herr, ein Herz voll Sehnsucht, dem du dich zwar eine Weile verbergen kannst, dem du dich aber nicht vorenthalten willst! Erinnere dich, dass du gesprochen: „Jeder, der bittet, empfängt, und wer sucht, der findet, und wer anklopft, dem wird aufgetan.“ Ich bitte, ich suche, ich klopfe an. Öffne mir nicht nur die Türe zu deinem Reiche, sondern deine Arme und dein Herz und sprich zu mir — „Komme!“

 

Nach der Kommunion

„Herr, ich glaube, und er fiel nieder und betete ihn an.“ (Joh 9, 38)

„Herr, ich glaube ich, ich bete an.“

„Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.“ (Joh 11, 27)

„Mein Herr und mein Gott.“ (Joh 20, 28)

„Was habe ich im Himmel und was lieb’ ich auf Erden außer dir? Meines Herzens Gott und mein Teil ist Gott in Ewigkeit.“ (Ps 72, 25 f.)

„Lobsinget dem Herrn, ihr seine Heiligen!“ (Ps 29, 5)

„Denn, wer ist Gott, wer ist Gott außer dem Herrn, oder wer ist Gott außer unserem Gott?“ ( Ps 17, 32)

„Dich sollen preisen, o Herr, alle deine Werke und deine Heiligen dich rühmen.“ (Ps 144, 10)

Herr, lehre mich dich lieben, ziehe mich immer näher zu dir! Tue an mir, was du an so vielen anderen getan! Es gibt Herzen, die einst so lau und gleichgültig waren wie das meinige; sie hofften zwar, dass sie liebten, doch waren sie sich bewusst, dass in ihnen kein Funke von jenem glühenden Feuer war, das in der Brust der Heiligen brannte. Sie wünschten dich zu lieben und dir jene unendliche Liebe zu erwidern, mit welcher du sie geliebt hast. Um dieses beteten sie — beteten unter schwierigen Verhältnissen, beteten trotz aller Abneigung, beteten unter Kälte und Überdruss. Jahre kamen und vergingen und immer stieg ihr trockenes, hartes Gebet zu Gott empor. Nichts bewirkte es, keine Veränderung, keine größere Leichtigkeit, keine Wärme in ihrem Verkehre mit Gott, keine größere Bereitwilligkeit zu den Opfern, die sein Dienst verlangt. So schien es. Und sie beteten weiter und dachten nicht, dass gerade die Beharrlichkeit in ihrem freudereichen Gebete um Liebe die auserlesene Frucht der Liebe war. „Herr, lehre mich dich lieben, lehre mich dich lieben!“ Er hielt es nicht für gut ihnen zu zeigen, wie aufrichtig sie liebten. Der Tod kam und sie sahen ihn, den sie zu lieben begehrten, zum ersten Male, sahen ihn von Angesicht zu Angesicht. Seine Arme waren ausgebreitet, sein Angesicht glühte, sein Auge leuchtete bei ihrer Annäherung, und bevor sie zu seinen Füßen fallen konnten, hatte er sie an sein Herz gedrückt. „Herr, du weißt, dass ich dich liebe,“ hatten sie hienieden misstrauisch gesprochen, als fürchteten sie einen Widerspruch. Nun zeigt er ihnen ihre Liebe gereinigt und wie Gold im Feuer geläutert. Nun sehen sie es, nun erkennen sie es. Der ganze Himmel ist Zeuge davon und beglückwünscht sie über ihre Treue gegen ihn, „den sie liebten, ohne ihn gesehen zu haben“. (1. Petrus 1, 8) Der ganze Himmel freut sich mit ihnen, da sie nun in Ewigkeiten den anschauen und umarmen und in der Nähe dessen verweilen dürfen, welcher der Lohn der schwergeprüften, duldenden und trotzdem anhänglichen Liebe ist.

Wer möchte nicht geduldig warten auf einen solchen Lohn? Oh Herr, ich will warten, solange du willst, will ausharren in jeder Prüfung, die du willst,. Ich will geduldig warten, denn wenn du auch zögerst, du wirst doch sicher kommen.

Und auch du, lieber Gott, wirst zufrieden sein. Du wirst auf mich warten, wirst Geduld haben mit meiner Langsamkeit, meiner Selbstsucht, meinen Versuchen. Es wird dies nicht lange dauern. Das Leben hienieden ist bald vollendet und dann — ewiges Leben! Sogar im Fegfeuer wird das große Gebot erfüllt werden. Ein Fegfeuer wird es nur deshalb sein, weil es mich von dem ferne hält, den ich liebe. Der Himmel wird zum Himmel, weil sich dort im ersten Augenblick der König in seiner ganzen Schönheit enthüllt und durch diese Enthüllung eine Gabe und eine Fähigkeit ihn zu lieben einflößt, von der ich hienieden nie eine Ahnung gehabt, eine Liebe, welche die für Gott erschaffene Seele, eine endlose Ewigkeit hindurch, bis zum Übermaße erfüllen, beschäftigen und befriedigen wird.

 

Aufopferung und Bitte

Gebet vor einem Kruzifix