Das Willkommen des Glaubens.

I.

 

„Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“ (Joh 20, 29)

 

Vor der Kommunion

Gar viele unter uns können den sehnsüchtigen Wunsch, zur Zeit unseres Herrn gelebt zu haben, nicht unterdrücken. Man darf uns versichern, dass wir gegen die Zeitgenossen Jesu Vorteile genießen, wir verharren doch bei dem Gedanken, dass, wenn es uns vergönnt gewesen wäre, zu seinen Füßen zu knien, seinen Blicken zu begegnen, seine Stimme zu hören, wir unwiderstehlich zu ihm würden hingezogen worden sein, und dass wir ihn geliebt hätten mit einer Hingebung, die uns, Gott sei es geklagt, ganz und gar fehlt.

Zwei Gedanken mögen diesen harmlosen, ja sogar nützlichen Wunsch zu unserem Vorteil wenden.

Versetzen wir uns im Geiste an irgendeinen Ort, wo der christliche Glaube noch nicht eingeführt ist, wohin aber immerhin einige Kenntnis von Christus gedrungen; stellen wir uns vor, welches unser Los wäre, wenn wir an diesem Ort geboren worden wären. Wir haben einige Bruchstücke von den Erzählungen des Evangeliums gehört, wir haben vernommen, dass Christus, nachdem er das Werk der Menschenerlösung vollbracht hat, in christlichen Ländern noch immer auf Erden wohnt, um der Trost und die Hilfe seiner Nachfolger bis zum Ende der Zeiten zu sein, dass dort das Opfer auf Kalvaria alle Tage erneuert wird zur Tilgung der täglichen Sünden. Wir haben gehört, dass er dort, obgleich sein Antlitz nicht gesehen noch seine Stimme gehört wird, sein Heilswerk unter den Menschen durch seine wirkliche Gegenwart fortsetzt; dass er dort Tag und Nacht verweilt, um jeden, der sich naht, willkommen zu heißen, ihn anzuhören, zu trösten, ihm zu helfen, mit dem gleichen Erbarmen wie damals, als er auf Erden wandelte. Wie groß wäre die Sehnsucht unseres Herzens, in solch einem gesegneten Land geboren und unter seine Jünger gezählt worden zu sein, so wahrhaftig wie zur Lebenszeit unseres Herrn!

Ferner: Versetzen wir uns im Geiste an jenen Ort, wohin wir — wie wir zuversichtlich hoffen — mit Gottes Gnade eines Tages gelangen werden, an den Ort schmerzlicher Leiden, sehnsüchtigen Wartens, — den Reinigungsort. Während wir dort in unserer Hilflosigkeit schmachten, welche Gedanken werden uns beschleichen über den Tabernakel, über den Kommuniontisch, über jenen „Tag des Herrn“, wo wir ungehindert in seine Gegenwart kommen und wieder gehen konnten, um unser Herz vor ihm auszugießen und Hilfe für jede Not zu erflehen. Nie hat während der dreiunddreißig Jahre des Erdenwallens Jesu ein Herz sich so innig nach seiner sichtbaren Gegenwart gesehnt, wie wir uns sehnen werden nach den Gnaden der heiligen Messe und der heiligen Kommunion jener Zeit, die dann für immer entschwunden sein wird.

Wollen wir diese Gnaden nicht benutzen, solange wir sie haben? „Siehe, jetzt ist die gnadenreiche Zeit, siehe, jetzt ist der Tag des Heiles.“ (2. Kor. 6, 2) „O, dass du die Gabe Gottes kennetest,“ spricht unser Herr, „du würdest dich nicht nach den alten Zeiten, nach Judäa oder Galiläa zurücksehnen. Hier auf dem Altar ist Bethlehem, hier ist Kalvaria. Hier an der Kommunionbank können wir, sooft wir wollen, Jesus von Nazareth begrüßen, ihn an unser Herz drücken und uns an ihn schmiegen.

O dass ich meine eigenen Vorrechte mir so zu Gemüte führte, wie ich die meiner Mitmenschen schätze! Warum sollte ich das jüdische Volk oder den kleinen Haushalt zu Bethanien oder die Zwölfe beneiden? Ich habe deine Worte, lieber Heiland; diese Worte belehren und erwärmen mein Herz; ja ich bin sogar glücklicher als das Volk deines Landes; mit Muße kann ich über deine Worte nachdenken; in den heiligen Büchern sind sie für mich niedergeschrieben. Sogar den Ton deiner Stimme kann ich dann und wann vernehmen: „Tabitha kumi”, “Eloi, Eloi lamma sabacthani“. Inmitten des Gewühles und der Hitze des Tages, inmitten der Stille der Nacht darf ich zu dir kommen, um dir die Nöte und Ängste meiner Seele und ihre brennenden Fragen vorzutragen. Gleich den heiligen Frauen kann ich dir von Ort zu Ort folgen, in der Tat dir meine Liebe beweisen, indem ich nach besten Kräften dir und den deinigen diene. Wie die Schwestern im Bethanien kann ich dich unter meinem Dach aufnehmen und deinen Worten der Liebe, der sanften Warnung oder des Vorwurfes lauschen. Ich kann dir die Anliegen meiner Lieben und all jener, die mir und dir teuer sind, anempfehlen; ich kann mit liebender Vertraulichkeit dich drängen, wenn du die Erhörung meines Gebetes verzögerst. Weinen kann ich mit dir bei den Gräbern, die mir meine Liebsten und Besten geraubt, und mit Martha auf die Verheißung lauschen, dass sie eines Tages mir zurückgegeben werden. In der Stunde der Trostlosigkeit kann ich im Ölgarten an deiner Seite niederknien und meine Bitte mit deinem lauten Rufe und deinen Tränen vereinen. Wenn Leiden mich umwogen, so kann ich zur Geißelsäule eilen oder zum Pfahl der Schmach und deine Sanftmut in mein Herz einziehen lassen. In jeder Not nahmen deine Anhänger Zuflucht zu dir, während du auf Erden wandeltest; ich kann das gleiche tun. Nur eines wird gefordert — der Glaube. O Herr, vermehre meinen Glauben!

 

Nach der Kommunion

Tantum ergo sacramentum
Veneremur cernui:
Et antiquum documentum
Novo cedat ritui:
Praestet fides supplementum
Sensuum defectui.

 

Adoro te devote, latens Deitas,
Quae sub his figuris vere latitas.

 

Plagas, sicut Thomas, non intueor,
Deum tamen meum te confiteor:
Fac me tibi semper magis credere,
In te spem habere, te diligere.

 

Tiefgebeugt lasst uns verehren
Dieses große Sakrament!
Dieser Bund wird ewig währen
Und der alte hat ein End.
Fester Glaube soll uns lehren,
Was das Auge nicht erkennt.

 

In Demut bet’ ich dich, verborg’ne Gottheit an,
Die ich in Brotsgestalt verhüllt nur schauen kann.

 

Die Wunden seh’ ich nicht, wie Thomas einst sie sah,
Doch rufe ich gläubig aus: Mein Gott und Herr ist nah!
Gib, dass mein Glaub’ an dich, die Hoffnung auf dein Wort,
Und meiner Liebe Glut sich mehre fort und fort.

 

Selig sind, die nicht gesehen und doch geglaubt haben. Und dennoch hast du gesagt, o Herr: „Selig die Augen, welche die Dinge sehen, so ihr sehet.“ Wahrhaft selig waren die Augen, welche sahen, was Könige und Propheten zu sehen sich sehnten, das Antlitz, in das die Engel zu schauen gelüstet. Wie groß muss die Glückseligkeit sein, die ein solches Glück sogar noch übersteigt! Wie groß der Lohn, wenn nach überstandener Prüfung die Schleier fallen und der Glaube unverhüllt dein Antlitz schaut!

Aber auch hienieden schon ist der Glaube glückselig; seine Geduld, sein Hoffen, sein Anklammern an Gott, trotz Schwierigkeiten und Finsternisse und trotz des menschlichen Stolzes, dem diese Dinge beschwerlich fallen — all das ist Gottesdienst, ein Gottesdienst von Gott selbst gewählt. Von Anbeginn, o Herr, hast du den Glauben gewählt als einzigen Weg, um Zutritt zu dir zu erlangen. Diesen Pfad entlang sind all deine Heiligen gewandelt. Zum Lohn für ihren Glauben sahen die Blinden, hörten die Tauben, wurden die Aussätzigen rein; so war es, als du auf Erden wandeltest. Zu allen Zeiten erlangten die Sünder Verzeihung durch den Glauben und die Gerechten Beharrlichkeit bis zum Ende. Wenn ich glaube, dann darf ich, und zwar in dem Maße als ich glaube, Großes von dir hoffen.

Herr, vermehre meinen Glauben! Gib mir den Glauben jener Generationen von Heiligen, die hienieden nie dein Antlitz schauten: den Glauben einer Agnes, eines Augustinus, einer Theresia, eines Thomas von Aquin und eines Ignatius! Sie sind meine Brüder und Schwestern im Reiche Gottes, nicht getrennt durch eine unüberbrückbare Kluft, sondern enge mit mir verbunden als Wanderer auf dem nämlichen Wege, stets bereit, mich aufzuheben, wenn ich strauchle oder falle, mich zu stützen, wenn ich ermatte, und in den Stunden der Finsternis mit mir von jenem Lichte zu sprechen, das jenseits der fernen Hügel leuchtet. Auch sie wandelten einstmals so wie ich im Glauben. Auch sie hatten ihre Stunden der Prüfung und der Leiden, auch sie wurden auf ihrer irdischen Pilgerfahrt durch deine sakramentale Gegenwart, die ich zur Stunde besitze, erquickt.

Herr, vermehre meinen Glauben! Mit Thomas falle ich dir zu Füßen, mein Herr und mein Gott! Mit Petrus und mit Martha bekenne ich dich als Christus, den Sohn des lebendigen Gottes. Nichts möge je meinen Glauben verdunkeln. O Herr, erleuchte ihn vielmehr, bis er mich zum vollkommenen Lichte führt! Möge jede Kniebeugung vor deinem Tabernakel, jede Besuchung vor demselben, jede Kommunion dich durch meinen Glauben verherrlichen. Mit Freuden, o mein Gott, gebe ich dir meinen Verstand und die Liebe meines Herzens hin! Mit Freuden diene ich dir ohne Vorbehalt während der kurzen Spanne meines irdischen Lebens. Nur bis zu den Toren der Ewigkeit hinan verlangst du Glauben von mir. Bin ich einmal angelangt innerhalb jener Tore — welche Veränderung! Welche Enthüllung! Meine Augen werden den König in seiner Herrlichkeit schauen. Ich werde deinen Ruhm schauen und befriedigt sein. Wenn ich dann vor deinem enthüllten Antlitz niederfalle, wie innig werde ich dir für die Gabe des Glaubens auf Erden danken!

Jesu, quem velatum nunc aspicio,
Oro fiat illud quod tam sitio:
Ut te revelata cernens facie,
Visu sim beatus tuae gloriae.

 

Oh Jesus, du bist hier dem Auge noch verhüllt,
Wann endlich wird des Herzens Durst nach dir gestillt;
Dass ich dich schaue unverhüllt von Angesicht,
Und ewig selig bin in deiner Glorie Licht!

 

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