Das Willkommen des Vertrauens

I.

 

Am Ufer des Sees Tiberias

 

Vor der Kommunion

Gibt es wohl ein schöneres Bild in den Evangelien als die Schlussszene bei St. Johannes? Die Jünger sind nach dem wunderbaren Fischfang um unseren Herrn versammelt. Es ist am Gestade des galiläischen Meeres, wo jede Stelle so reiche Erinnerungen an ihren Meister wach ruft. Weithin erstreckt sich das steinige Ufer, welches sie an ihrer vor drei Jahren an sie ergangene Berufung erinnert, als sie alles verließen, um ihm nachzufolgen. Dort hinter den Bergen liegt die Ebene, wo er die hungrige Menge gespeist hatte; hoch oben das Felsenriff, wo er, vom Sturme umtost, in jener Wundernacht betete ... unten das Ufer, von wo aus er durch die stürmischen Wogen wandelte und zu ihnen kam. Hier, vom Schiffe des Petrus aus, hatte er das Volk gelehrt. Hier auch war es, wo er schon früher einmal ihren Fischfang wunderbar gesegnet und ihnen versprochen hatte, dass sie in Zukunft Menschen fangen würden.

Es ist früh am Morgen. Kein Mensch ringsumher, nur in weiter Ferne einige Fischer, die, entmutigt durch die mühevolle und doch vergebliche Arbeit der Nacht, herankommen. Die Sieben haben ihn ganz für sich allein, denn seit der Auferstehung kommt er nur zu seinen Freunden. Auferstehung, oh welche Erinnerung erweckt dieses Wort! Wieviel haben sie seitdem gelernt! Sie schauen zurück auf ihren dreijährigen Verkehr mit Jesus von Nazareth und staunen über Gottes Vorsehung. Der Pfad, der so offen zum Kalvarienberg führte, war vor ihnen verborgen geblieben, damit sie nicht Ärgernis nehmen und von ihm abfallen möchten. Er hatte von den kommenden Ereignissen gesprochen, sie aber hatten ihn nicht verstanden. Er hatte ihnen vorher gesagt, dass der Hirte geschlagen und die Herde sich zerstreuen würde und sie hatten seine Warnungen mit ungestümen Beteuerungen erwidert. Dann war der Sturm über sie hereingebrochen und hatte sie von seiner Seite gerissen, aber nur für eine kurze Zeit. Seine Liebe hatte sie wieder aufgesucht, seine Hand hatte sie wieder gesammelt, hier am Ufer des Meeres waren sie wieder rings um ihn geschart. Jetzt lag es klar vor ihren Augen, das Christus litt, um in seine Herrlichkeit einzugehen, und dass die Jünger, gleich ihrem Meister, nur durch viel Trübsale in das Reich Gottes gelangen sollten.

Betrachte sie, jene sieben — Petrus war ans Ufer geschwommen und seine raue Fischerkleidung ist vollständig durchnässt; doch Petrus kennt keine Unbehaglichkeit. Sein wettergebräuntes Angesicht glüht vor Liebe und Begeisterung, da er in das Antlitz seines Meisters blickt. Keine Spur von Misstrauen oder Niedergeschlagenheit. Wofür auch? Er hatte ja Verzeihung gefunden. Der Herr hatte die Vergangenheit wieder gutgemacht und ihm das wiedergegeben, was er verwirkt hatte. Warum also sollte er sich nicht mit den Schuldlosen freuen und wieder der erste im Dienste sein? Petrus war es, der sie zum Fischfang in jener Nacht hinausgeführt hatte; er war es, der auf die leise geflüsterten Worte des Johannes: „Der Herr ist es“ mit dem alten Eifer sich ins Meer gestürzt hatte, um ein geheimnisvolles Wort zu vernehmen, bevor die übrigen kamen. Er war es, der auf seines Meisters Befehl das Netz ausgeworfen und es voll großer Fische ans Land gezogen hatte; es waren einhundertunddreiundfünfzig. Als Lohn für die Kundgebung seiner Liebe und nicht seines Glaubens, wie in Cäsarea Philippi, soll er nun sogleich das Hirtenamt über die gesamte Herde erhalten und das Versprechen eines Todes, ähnlich dem seines Herrn, um Gott dadurch zu verherrlichen. Eifrige, vertrauensvolle Seele, wie teuer bist du Christus, dem Herrn!

In seiner Nähe ist Thomas. Er hat durch seine Trennung von Petrus zu viel verloren., als dass er sich je wieder von ihm trennen wollte. Schau hin, wie sein Auge und sein Herz sich ergötzt an seinem Herrn und Gott, für den er in seiner Treue zu sterben gewünscht hatte! Und Bartholomäus, ohne falsch, war ein passender Gefährte für Johannes.

Und Johannes erst mit seinem Adlerblick, der das Geheimnis durchdrungen hatte, „vom Worte des Lebens, das vom Anfange war“, das er gehört, gesehen, berührt und mit dem er in der Vergangenheit so trauten Umgang gepflogen hatte. Wie staunt er über die Kühnheit, mit der er sein Haupt an jene Brust gelegt, über jene Liebe, die ihn unter den Geliebten „zum Jünger, den Jesus liebte“, gemacht hatte!

Fühle die Frische des Morgenwindes! Sieh den blauen See; das Feuer, das am Ufer flackert; die Menge der Fische, die in ihren Bewegungen wie Silber glänzen; unsern Herrn, wie er in der ihm eigentümlichen liebreichen Weise die Jünger einladet: Kommet und esset; wie er Platz nimmt in ihrer Mitte und sie bedient! Sieh die Ehrfurcht und Verwirrung, die in der Freude liegt, mit welcher sie ihn Anblicken und Speise aus seiner Hand annehmen!

Betrachte in Christus, unserm Herrn, die wunderbare Vereinigung der menschlichen und göttlichen Natur! Durch ein Wort hatte er ihre Netze gefüllt und Feuer und Brot herbeigeschafft. Jetzt ladet er sie mit gewinnender Freundlichkeit ein, Erfrischung zu nehmen: „Kommt und esset!“ „Kommt“, nicht „ Gehet“, und Jesus nimmt Brot, gibt es ihnen und in gleicher Weise auch die Fische. Ist es nicht sein Wille, dass sie ihn als den anerkennen sollen, der er vorher war? Kein Wunder also, dass sie trotz all ihrer Ungläubigkeit und Hartnäckigkeit ihm das Vertrauen, das er sucht, nicht länger vorenthalten können und dass hier am Meeresufer keiner von allen, die beim Male sitzen, ihn zu fragen nötig hat: „Wer bist du,“ da sie ja wissen, es ist der Herr.

Wann wird seine Herablassung und Sanftmut die nämlichen Früchte in uns hervorbringen? Wann wird die dringende Einladung uns als eifrige Gäste an seinen Tisch ziehen mit einem so starken Glauben und Vertrauen, dass wir, trotz unserer Unwürdigkeit, keine Besorgnis haben, da wir wissen, „das ist der Herr?“

Unser göttlicher Bruder ist „uns in allen Dingen gleich“ — aber dennoch wie ungleich! Vergessen und vergeben fällt uns so schwer; schauen wir nun auf ihn, wie er hier beim Male mit den Sieben sitzt! Während drei Jahren hat er diese Männer mit Sorgfalt zu seinen Jüngern herangebildet. Sie haben seine Wunder gesehen, ja es war ihnen sogar die Kraft, Wunder zu wirken, anvertraut worden. Sie waren seine Vertrauten und Freunde gewesen. Sie hatten ihre Bereitwilligkeit, mit ihm ins Gefängnis und in den Tod zu gehen, erklärt. Und in der Stunde der Not hatten sie alle ihn verlassen und waren geflohen. Kein Wunder, dass sie, als er, vom Tode zu einem unsterblichen Leben auferstanden, wieder zu ihnen kam, nur allmählich glauben konnten, er könne je wieder mit ihnen so sein wie vorher, und dass sie zaghaft in sein Antlitz schauten, um dort zu lesen, was sie erwarten durften. Wie begegnete er diesem gedankenvollen Blicke? Wie behandelte er diese schwachen, aber trotzdem so aufrichtigen Freunde? Mit der ganzen Zärtlichkeit seines selbstlosen Herzens. Er brauchte die ganze liebevolle Art, ja noch mehr als die Zärtlichkeit der Vergangenheit, um ihnen die Furcht zu benehmen. Daher gab er allen im Überfluss, ohne Vorwurf, gab umso freigebiger, je größer ihre Bedürfnisse waren. Mehr als je musste er jetzt eins mit ihnen sein und alles, was er hatte, mit ihnen teilen. Beim letzten Abendmahle hatte er gesagt: „Ich nenne euch jetzt nicht mehr Knechte, sondern ich habe euch Freunde genannt.“ (Joh 15, 16) Nach der Auferstehung sind sie nicht mehr Freunde sondern „Brüder“. „Gehet zu meinen Brüdern und saget ihnen: Ich fahre hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gotte und zu eurem Gotte.“ (Joh 20, 17)

Er ist sich noch immer gleich; der gleiche mit uns, wie mit den Sieben am Meeresufer an jenem Tage. Jesus Christus gestern, heute und immerdar. Wenn die Angst über unsere vergangene oder gegenwärtige Untreue uns niederdrückt, so begeben wir uns hin zu jener gesegneten Gruppe am Meere, schauen ihn, wie er inmitten seiner Brüder sitzt, den Männern, die ihn verleugnet und verlassen hatten. Werfen wir einen Blick auf den Tabernakel, wo er noch immer bei uns weilt, und hören wir, wie er auch zu uns spricht: „Fürchtet euch nicht! Ich bin es.“

 

Nach der Kommunion

„Woher geschieht mir dieses, dass mein Herr zu mir kommt?

„Denn dieser ist Gott, unser Gott in Ewigkeit und immer und ewig.“ (Ps 47, 15)

Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehest unter mein Dach.

„Dich sollen preisen, oh Herr, all deine Werke und deine Heiligen dich rühmen!“ (Ps 144, 10)

„Ich will mich freuen und frohlocken in dir.“ (Ps 9, 3)

„Ich will dich erheben, Gott, mein König, und preisen deinen Namen ewig, ja immer und ewig.“ (Ps 144, 1)

„Lobsinget unserem Gott all seine Knechte und ihr, die ihr ihn fürchtet, klein und groß! (Offb 19,5)

„Lobsinget dem Herrn, ihr seine Heiligen!“ (Ps 29,5)

„Liebet den Herrn, ihr all seine Heiligen!“ (Ps 30, 24)

„Lobet den Namen des Herrn, lobet ihn, Diener des Herrn in den Vorhöfen des Hauses unseres Gottes!“ (Ps 134, 1 f.)

„Lobe den Herrn, denn gut ist der Herr; lobsinget seinen Namen, denn er ist lieblich!“ (Ps 134, 3)

Ich danke dir, oh liebster Herr, für alles, was du bist, was du mir gewesen bist. Meine Schuld reicht weit zurück. Von Ewigkeit zu Ewigkeit bin ich bei dir gewesen, bei dir, dem alles gegenwärtig ist. In deinen Plänen hast du dich mit mir beschäftigt. All die Weisheit, all die Liebe des ewigen Gottes galt mir. Jede Lage in meinem Leben, bis in die kleinsten Einzelheiten war von Ewigkeit her von ihm ausgewählt in Rücksicht auf die Stellung, die ich eines Tages in seinem Reiche einnehmen soll, und mit Rücksicht auf jene, die ich jetzt in seinem Herzen besitze.

Ich danke dir, oh Gott, für die Liebe, mit welcher du dich von Ewigkeit her entschlossen hast, für mich Mensch zu werden, ein demütiges Leben zu führen zu meinem Beispiele und zu meinem Troste, das grausame Leiden durchzumachen, die Kirche zu gründen, deine Sakramente einzusetzen — für mich. Den Schoß des Vaters zu verlassen und ein Erdenbürger zu werden hat dir wohl viel gekostet; aber du konntest den Preis bezahlen — es geschah für mich. Die Kälte und Undankbarkeit der Menschen, die Geißelung, der Abfall deiner Freunde, die Trostlosigkeit deiner Mutter, die Verlassenheit am Kreuze — all das war wohl hart zu ertragen, aber nicht zu hart — es geschah — für mich. Oh was kostet es dich, „jene Quellen des Heilandes" zu schaffen, woraus ich mit Freude schöpfen, jenen Tisch zu bereiten, an welchen ich ein stets willkommener Gast sein soll? Nicht mit vergänglichen Dingen, sondern mit dem letzten Tropfen deines Blutes wurde meine Erlösung erkauft. Mit einem großen Preis musste sie bezahlt werden, du aber bezahltest ihn willig und gerne, denn du tatest es für mich, um mich vor dem zukünftigen Grimme zu retten.

Und der Dank? Er sah ihn auf Gethsemane und war bis in den Tod betrübt. Er sah, was ich als hinreichende Anerkennung für das halten werde, was er für mich getan. Er sah meine Teilnahme an dem unblutigen Opfer; er sah die Reue, mit der ich zum Sakrament der Buße trete; das Willkommen, dass ich ihm im Sakramente der Liebe bereite. War es der Mühe wert, so viel zu tun, für so geringen Erfolg? Ja, er erachtete es für genug. Doch so soll es nicht immer bleiben. Endlich soll meine Seele seiner Güte sich bewusst werden; ich soll dazu gelangen, auf irgendeine Weise den Wert seiner unaussprechlichen Gabe zu erkennen; wenigstens soll ich wünschen, ihm Liebe mit Liebe zu erwidern. Er konnte warten; der hat bis zur Stunde gewartet.

Wie lange, oh Herr, wie lange? Ist die Zeit noch nicht gekommen, dass mein Herz die Liebe des deinigen nach bestem Vermögen erwidere? Oh Herr, lass mich dich lieben und möge der Lohn deiner Liebe darin bestehen, dass ich dich täglich mehr und mehr Liebe! (Heiliger Ignatius)

 

Aufopferung und Bitte

Gebet vor einem Kruzifix