Das Willkommen eines Arbeiters

II.

 

„Der Mensch wird zur Arbeit geboren.“ (Job 5, 7)

 

Vor der Kommunion

Das Gesetz der Arbeit liegt auf uns allen. Der Kopf oder die Hand oder beide zugleich müssen den Urteilsspruch, der im Paradiese über jedes Adamskind ausgesprochen worden ist, ausführen. Aber außer der körperlichen Arbeit, zu der wir jeden Morgen uns erheben, gibt es noch eine wichtigere und beschwerlichere, von der niemand ausgenommen ist. Der heilige Paulus legt sie uns in seiner gewöhnlichen, scharfen Ausdrucksweise dar. Indem er an seine Neubekehrten von Philippi schreibt, sagt er: „Wirket euer Heil mit Furcht und Zittern!“ (Philip 2, 12) Ferner in dem vielsagenden Satze: „Ihr habt Christum angezogen.“ (Gal 3, 27)

Die Ausführung eines Werkes schließt mannhafter Kraft und geduldige Ausdauer in sich. Eine Aufgabe wird nicht gelöst, wenn wir deren Lösung dem Zufall überlassen oder zuversichtlich hoffen, sie werde sich ohne unser Mitwirken richtig lösen. Auf jedes Werk, das einen Erfolg haben soll, muss verständige und ausdauernde Arbeit verwendet werden und ein Wille, der bereit ist, alle Schwierigkeiten zu überwinden. Kein Gebäude wird aufgeführt, keine Kunst erworben, kein Sieg gewonnen, es sei denn, unter diesen Bedingungen. Und das „Eine Notwendige“ kann um keinen geringeren Preis gesichert werden. Uns unserem Haupte gleichförmig zu machen, auf dass wir würdig werden, seine Herrlichkeit zu teilen, das ist der alleinige Zweck, wozu wir auf Erden sind. „Denn die er vorhergesehen hat, die hat er auch vorherbestimmt, dem Bilde seines Sohnes gleichförmig zu werden.“ (Röm 8, 29)

Zu den Ephesern spricht der heilige Paulus vom „ Kennenlernen Christi“. (Ephes 4, 20) Dies ist eine harte Aufgabe, aber sie ist zwischen Meister und Schüler geteilt. Ein guter Lehrer bereitet sich lange und sorgfältig vor. Er erachtet keine Mühe zu groß, kein Mittel zu kostbar, keine Einzelheit zu klein, dass sie nicht Aufmerksamkeit verdiente. Und wenn er seine Schuldigkeit getan, erübrigt es den Schülern, die ihrige zu tun. Soll ein befriedigender Erfolg erzielt werden, so müssen sie einen gelehrigen, eifrigen, empfänglichen Geist dem Unterricht entgegenbringen und ein aufmerksames Auge und Ohr sowie einen entschlossenen Willen. Wenn das Interesse erschlafft, so wird der beste Unterricht fehlschlagen — und wer ist imstande zu sagen, zu welcher Enttäuschung für den Lehrer?

Geliebter Meister, wie lange und wie schmerzlich hast du dich auf deinen Unterricht für mich vorbereitet! Weit zurück, in den ewigen Jahren wurde Bethlehem und Nazareth, Gethsemane und Golgatha beschlossen und all ihre Umstände meinen Bedürfnissen angepasst.

Es hätte ein Engel als Lehrer für mich bestimmt werden können und das wäre sicherlich eine unschätzbare Gnade gewesen. Aber der Herr der Engel wollte keinen Stellvertreter haben. Er wollte selbst kommen. Von seinen eigenen Lippen sollten die ernsten Wahrheiten gelehrt und durch seine eigene Ausführung angenehm gemacht werden; durch seine eigene Gnade sollten sie Früchte tragen.

Der heilige Paulus lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die wunderbare Liebe Gottes, der sich herabließ, unser Lehrer zu werden. „Die Gnade Gottes, unseres Heilandes, ist allen Menschen erschienen und lehrt uns.“ (Tit 2, 11) Soll ich nicht dankbar sein? Soll ich mich nicht um das Lernen kümmern? Und wenn Könige und Propheten zu sehen und zu hören gewünscht haben, was mir gewährt worden ist, soll ich unachtsam und gleichgültig bleiben?

Wir müssen „Christum anziehen“. Es ist eine Folge unserer Taufe, wie der heilige Paulus und sagt. (Gal 3, 27) Doch auf welche Umgestaltung weisen diese Worte hin! Wie viele Dinge, die unserem „Ich“ anhaften, müssen abgestreift werden, bevor wir in Christo gekleidet werden und bevor wir Christum anziehen können! Oh Herr, welch eine Umwandlung muss meine Seele durchmachen, bevor ich einigermaßen dir ähnlich werde? Was für ein Gegensatz besteht zwischen deiner Liebe und der freudigen Annahme des Willens deines Vaters und meinem Misstrauen und meiner heutigen Zurückweisung jenes heiligen Willens, um der Verkehrtheit meines eigenen zu folgen, zwischen deiner Heiligkeit und meiner Sündhaftigkeit, zwischen deinem Mute bei allen Leiden deines Lebens und meiner Ungeduld bei der geringsten Beschwerde, zwischen dem erhabenen Selbstopfer deines Lebens und der äußersten Selbstsucht des meinigen. Oh Herr, wo soll ich beginnen? Habe ich überhaupt meine Lebensaufgabe, dich kennenzulernen, schon begonnen?“

„Lernet von mir, denn ich bin sanftmütig und demütig von Herzen!“ (Mt 11, 29)

Du selbst hast mir meine Laufband, wo ich beginnen und wo ich enden soll, vorgezeichnet. Denn, wenn ich dir in deiner Sanftmut und Demut ähnlich bin, werde ich vollkommen sein wie du; ich werde Christus angezogen haben!

Herr, hilf mir! Denn gerade diese zwei Punkte sind es, worin ich dir am meisten unähnlich bin. Ich schaue dein Selbstvergessen, deine edle, freundliche Umgangsweise, dein Mitleid mit den Armen und Leidenden, deine zärtliche Liebe für alle Hilfsbedürftigen, die Demut deines Herzens, die Bereitwilligkeit zu geringen Dienstleistungen und, inmitten unvergleichlicher Schmach und Beleidigung, Heiterkeit und Herzensfrieden.

Und mein Herz! Es ist so hart und selbstsüchtig! Unfreundlich sind meine Gedanken; ich bin zum Tadel geneigt; barsch ist mein Ton; herrschsüchtig bin ich im Umgang mit dem Nächsten; karg spende ich ihm Zeit, Teilnahme und Liebe; langsam bin ich in der Ausübung einer opferfordernden Nächstenliebe! Selbstsucht liegt in meinem Verkehre mit dem Nebenmenschen, Selbstsucht sogar im Verkehr mit dir. Wenn ich das Gebet vernachlässige, wenn ich mit der Versuchung spiele, wenn ich die Pflichten meines Standes unterlasse — so ist Nachsicht mit mir selbst die Wurzel von alledem.

Was soll ich tun, oh Herr? Welches Mittel kann so viel Unrecht gutmachen?

„Fürchtet nichts, sehet, euer Gott!“ (Is 40,9

„Fürchte dich nicht und zage nicht: denn der Herr wird mit dir sein und dich nicht von sich lassen, auch nicht verlassen, bist du vollendet alle Werke zum Dienste des Hauses des Herrn.“ (1. Par  28, 20)

Hilf mir also, lieber Gott! Das soll meine Ermutigung in dem Kampfe mit mir selbst sein, dass ich nicht allein oder auf eigene Faust kämpfe, sondern im „Dienste“. Um deine Sache handelt es sich, oh mein König, und du bist immer nahe mit allen nötigen Gnaden. Dein Auge hatte gütige Blicke, dein Mund freundliche Worte, dein Ohr achtet auf das, was gesprochen wurde; gib auch mir Freundlichkeit in meinem Blicken und Worten! Mache mich dir ähnlich im Verkehr mit andern, besonders mit den Gefährten meines täglichen Lebens! Zeige mir, wo die Selbstsucht verborgen liegt, und hilf mir, sie täglich, wenigstens in etwas, überwinden! Lehre mich, wie ich mich jenen anpassen kann, deren Charakter verschieden von dem meinigen ist! Lehre mich, Fehler und Missverständnisse übersehen und anerkennen, dass sie unter dem Drucke der Versuchung und der Arbeit entstanden sind. Und gleich deiner gebenedeiten Mutter zu Kana — sei mein erster Gedanke nicht Tadel, sondern Mitleid, Entschuldigung, Hilfe. Durch beständige Ausübung der Barmherzigkeit lass mich Barmherzigkeit finden!

Der Sieg über sich selbst kann nur durch häufige und ernste Anstrengung gewonnen werden. Und Anstrengung erfordert Überwindung. Aber ich kann alles in dem, der mich stärkt, der heute zu mir kommt, um in mein Herz die Schätze seines Herzens niederzulegen.

„Stärke mich, Herr, Gott! in dieser Stunde!“ (Jud 13, 9)

„Gib meinem Gemüte Standhaftigkeit ... und Kraft, dass ich meine Feinde überwinde!“ (Jud 9, 14)

„Stärke mich, dass ich vollbringe, was ich im Glauben gedachte, das durch dich geschehen könne.“ (Jud 13, 7)

 

Nach der Kommunion

„Fürchtet nichts, sehet, euer Gott!“ (Is 40, 9)

„Ich bin es, fürchtet euch nicht!“ (Joh 6, 20)

„Heilig, heilig, heilig, Herr, Gott der Heerscharen.“ (Is 6, 3)

„Alles Land bete dich an und singe dir.“ (Ps 65, 4)

„Preiset den Herrn, ihr Engel des Herrn, lobet und erhebet ihn über alles in Ewigkeit!“ (Dan 3, 58)

„Lobsinget unserm Gott, alle seine Knechte, und die ihr ihn fürchtet, klein und groß!“ (Offb 19, 5)

„Preiset unsern Gott und lasset hören die Stimme seines Lobes!“ (Ps 65, 8)

„Denn wer ist Gott außer dem Herrn, oder wer ist Gott außer unserm Gott?“ (Ps 17, 32)

„Würdig bist du, Herr, unser Gott, zu empfangen Preis und Ehre und Kraft, denn du hast alle Dinge geschaffen, und durch deinen Willen wurden sie, und sie sind geschaffen.“ (Offb 4, 11)

„Der Herr ist mit dir.“ Wie oft sind diese Worte auf meinen Lippen! Wie oft beglückwünsche ich die Gebenedeite unter den Weibern über dieses ihr höchstes Glück: „Gegrüßet seist du, voll der Gnaden, der Herr ist mit dir.“ Und siehe! in diesem Augenblick, wo ich auf den Knien liege, das Haupt gebeugt, die Hände über der Brust gefaltet, strömen mir Glückwünsche — oh könnte ich sie nur hören — von allen Seiten zu.

„Der Herr ist mit dir“, sagt mein guter Engel, indem er seine Danksagung an meiner Seite macht und ihn, den er unter der Hülle der Brotsgestalt erblickt, anbetet, lobpreist und liebt. Oh Kind, freue dich und sage Dank, „denn dieser ist Gott, unser Gott, in Ewigkeit und immer und ewig.“ (Ps 47, 15) Da du ihn besitzest, besitzest du alles. Alles, was ihm gebührt, kannst du ihm jetzt geben. Er ist hier, um alle deine Bedürfnisse zu befriedigen. „Hochpreiset den Herrn, lasst uns erheben seinen Namen mitsammen!“ (Ps 33,4)

„Der Herr ist mit dir“, sagen die Heiligen, indem sie sich an ihre eigene Kommunion erinnern; jetzt, wo sie die Früchte ihres Glaubens genießen, sehen sie, wie Ihre Kommunionen auf Erden der Grund waren zu allen Gnaden, die jetzt in Glorie erstrahlen, der Grund auch zur glorreichen Auferstehung, die den Leib nach Vollendung der Zeit erwartet. „Der Herr ist mit dir, der Herr ist mit dir“, rufen sie mir zu. Oh benütze seine Gegenwart, wovon jeder Augenblick reich an ewigen Früchten ist!

„Der Herr ist mit dir“, sagen die heiligen, harrenden Seelen mit sehnsüchtigem Flehen. Derjenige ist mit dir, der auf Erden, dem Reiche des Erbarmens, so leicht zu versöhnen ist, dessen Urteile so strenge erfunden werden, wenn Leben und Zeit verflossen sind. Opfere dein Gebet für uns; um es anzuhören, ist er zu dir gekommen. Strecke über uns aus die Hände, die ihr mit Gaben füllt, damit durch deine Reichtümer deine Brüder befreit werden!

„Der Herr ist mit dir“, spricht die heilige Dreifaltigkeit zu mir. Mehr als diese Gabe kann selbst ein Gott nicht geben; weniger würde deine Bedürfnisse nicht befriedigen. Schwer lasten zu allen Zeiten deine Pflichten als Geschöpf auf dir — Anbetung, Danksagung, Lobpreis; als ein sündhaftes, hilfsbedürftiges Geschöpf — Gebet um Erbarmen und Hilfe. Der Herr ist mit dir in dieser Stunde, um alle deine Schulden abzutragen, um in deinem Name anzubeten, zu loben und zu danken, um all deine Sünden zu vergeben, deinen Bedürfnissen abzuhelfen. Wie, hat er mit sich nicht alles gegeben?

Du bist schwach und unbeständig. Der Teufel und die Welt sind stark. „Aber, ich bin der Gott, der überaus Starke, fürchte dich nicht!“ (Gen 46, 3)

Ein Feind, noch hinterlistiger und gefährlicher, greift dich im Innern an. Ruhelose Leidenschaften stören fortwährend deinen Frieden und bedrohen dich mit Verderben. Fürchte dich nicht, zage bei nichts! (Deut 1, 21) „Wenn du in deinem Herzen sagst: diese Feinde sind zahlreicher denn ich, wie kann ich sie vertilgen, so fürchte dich nicht, denn der Herr, dein Gott, ist in deiner Mitte. Er wird sie ausrotten vor deinen Augen, allmählich, einen nach dem andern. Du wirst sie nicht auf einmal vertilgen können, damit du nicht sagest in deinem Herzen: Meine Kraft und die Stärke meiner Hände hat mir das alle errungen, und dein Herz sich erhebe. Denn der Herr, dein Gott, wird sie schlagen, bis sie vollständig vernichtet sind.“ (Deut 7, 17. f.) „Er treibt weg von dir den Feind und spricht: Sei vertilget!“ (Deut 33, 27) „Euer Herz verzage nicht, fürchtet euch nicht, erschrecket nicht vor ihnen, denn der Herr, euer Gott, ist unter euch und wird streiten für euch gegen eure Feinde, auf dass er euch errette aus der Gefahr.“ (Deut 20, 3 f.)

„Du bist krank, sogar todkrank.“ Ich bin gekommen, dich zu heilen. „Nicht die Gesunden bedürfen des Arztes, sondern die Kranken:“ (Lk 5, 31) „Der Herr wird alle Krankheit von dir wegnehmen und die überaus bösen Seuchen (Ägyptens), die du kennest.“ (Deut 7, 15)

Du bist bedauernswürdig und elend und arm und blind und nackt. Mit einem begehrlichen Auge schaust du auf die Reichtümer anderer — auf den Edelmut und die Opferwilligkeit, die Demut und Geduld, die Nächstenliebe, den Glauben und die Geistesstärke der Heiligen. Sei guten Mutes! Findest du diese Dinge nicht alle bei mir? Habe ich dir mit mir nicht alles gegeben?

Die Zahl der Freunde vermindert sich mit den Jahren und das Gefühl der Einsamkeit drückt dich mehr und mehr nieder. „Siehe, ich bin bei euch alle Tage.“ (Mt 28, 20) „Der Treue und Wahrhaftige.“ (Offb 19, 11) „Gott ist nicht wie ein Mensch, dass er lüge, nicht wie eines Menschen Sohn, dass er sich ändere.“ (Num 23, 19) „Ich bin der Herr und verändere mich nicht.“ (Mal 3, 6) (Mit ewiger Liebe liebe ich dich.“ (Jer 31, 3) „Ich bin der Herr, der dich bei deinem Namen gerufen.“ (Is 45, 3)

Das Leben ist lang und der Weg ist mühselig, du bist gebeugt unter des Tages Last und Hitze. „Handle männlich; lass stark sein dein Herz!“ (Ps 26, 14) „Harre auf Gott in Geduld; vereinige dich mit Gott und harre aus!“ (Sir 2, 3) „Denn siehe, die kurzen Jahre gehen vorüber und du wandelst den Weg, worauf du nicht zurückkommst.“ (Job 16, 32)

„Gott ist meine Stärke, auf ihn will ich hoffen; der Herr ist mein Fels und meine Kraft und mein Retter.“ (2. Reg 22, 3) „Denn es ist kein anderer Gott als du, der du sorgest für alle. Und weil du der Herr aller Dinge bist, erzeigest du dich schonend gegen alle.“ (Weish 12, 13 f.) „Dem Werke deiner Hände reiche deine Rechte!“ (Job 14, 15) „Lass mich dir anhangen aus ganzem Herzen, oh Herr, mein Gott!“ (Jos 22, 5)

Herr Jesus, ich wünsche aufrichtig dir ähnlich zu werden, dir, meinem Haupte. Ich wünsche dir gleich zu sein schon hienieden, damit ich auch im Jenseits dir gleich sei. Ich weiß, dass ein verzärteltes Glied gar schlecht zu einem Haupte steht, das so viel gelitten. Auch weiß ich, dass du in der heiligen Kommunion zu mir kommst, um mich dir ähnlich zu machen, dass aber diese Umgestaltung nur allmählich vor sich geht; dass sie durch meine eigene Anstrengung, unterstützt durch deine Gnade, bewirkt werden muss. Das geschieht nicht auf einmal, es geschieht auch nicht schmerzlos. Nur durch fortwährende Anstrengung kann ich den alten Menschen aus- und Christus anziehen. Ich darf die von deiner Vorsehung angebotenen Gelegenheiten nicht vorübergehen lassen; ich muss sie auszunützen suchen. Viele Fehler werden vorkommen. Aber ich will den Mut nicht verlieren. „Gott ist meine Stärke, auf ihn will ich hoffen.“ (2. Reg 22, 3) Sein ist das Werk, er wird es in der von ihm festgesetzten Zeit vollbringen. Sanft und allmählich wird er mich in sich umgestalten, sodass ich dann gewissermaßen sagen kann: „Ich lebe, doch nicht ich, sondern Christus lebt in mir.“ (Gal 2, 20)

 

Aufopferung und Bitte

Gebet vor einem Kruzifi