Saulus war auf dem Wege nach Damaskus, um die Jünger Jesu Christi gebunden nach Jerusalem zu bringen, als ihn plötzlich ein Licht vom Himmel umleuchtete. Und er fiel auf die Erde und hörte eine Stimme, die zu ihm sprach: „Saulus, Saulus, warum verfolgst du mich?“ Er sprach: „Wer bist du, Herr?“
Welch ein Gegensatz zwischen Saulus, der wutschnaubend und mordgierig gegen die Jünger des Herren auszieht, und Paulus, der die Gefahren zu Wasser, die Gefahren unter den Räubern, die Geißelhiebe, Steinigung, Hunger und Durst, Kälte und Blöße, ja selbst den Tod um Jesu willen für nichts erachtete; zwischen dem Neubekehrten, der in seiner Unwissenheit fragte: „Wer bist du, Herr?“ und dem Apostel, der ausrief: „Ich weiß, an wen ich geglaubt habe.“ (2 Tim 1, 12)
Was nur hatte diese wunderbare Veränderung bewirkt? Wohl das eine: Paulus hatte den Herrn kennengelernt, er hatte ihn genau kennengelernt, wie ein Freund den andern. Und durch diese Erkenntnis war er zu einer solch innigen Liebe gelangt, dass er sagen konnte: „Wer wird uns scheiden von der Liebe Christi? Trübsal, Gefahr oder das Schwert? Ich bin sicher, dass weder Tod noch Leben, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, noch irgendein Geschöpf uns von der Liebe zu Gott zu trennen vermag, die da ist in Christo Jesu, unserm Herrn.“ (Röm 8, 35 ff.) Auf welche Weise war Paulus zu dieser Erkenntnis gelangt? Er war keiner von den zwölf, auch war er nicht einer von jenen, die, angezogen durch die Wunder, den Reiz der Worte und der Person des Heilandes, ihn auf seiner irdischen Wanderschaft begleiteten. Er hatte allerdings übernatürliche Offenbarungen. Aber dennoch hat er „Christus kennenlernen müssen“, wie er selbst bezeugt, und zwar auf dieselbe Weise wie wir, indem er von ihm hörte, über das Gehörte nachdachte und eingedenk war, dass unser göttlicher Erlöser alles, was er getan und gelitten, für uns getan und gelitten hat. „Er hat mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben.“ (Gal 2,20) Das war der Gedanke, der alles edle in ihm weckte und der seine großmütige Natur antrieb, Liebe mit Liebe zu vergelten.
Wenn wir unsern Heiland innig lieben und seine Liebe gegen uns erwidern wollen, so müssen wir uns bestreben, ihn näher kennenzulernen, indem wir uns mit seinem Leben vertraut machen. Wir müssen die Art und Weise, wie er uns gegenüber ist, sein Wohlwollen, sein Mitleid erwägen; seine Zärtlichkeit mit den Sündern, den Kranken, den Betrübten, den Kindern; seine Treue gegen seine Freunde, seine Geduld, seine Liebenswürdigkeit. Wie St. Paulus müssen auch wir uns zu überzeugen suchen, dass, mögen wir in den Augen der Mitmenschen noch so arm und unbedeutsam, noch so unwürdig und sündhaft sein, wir doch dem Herzen unseres göttlichen Heilandes unbegreiflich lieb und teuer sind. Wir müssen bedenken, dass er aus Liebe zu jedem einzelnen lehrte, wirkte, litt; dass, wenn er gekommen wäre, nur eine Seele zu retten, er für eine einzige getan hätte, was er für alle vollbrachte. Jedes aus uns, sei es noch so gering und unwürdig, kann mit dem großen Apostel sagen: „Er hat mich geliebt und sich für mich hingegeben.“ Wenn wir allmählich zu dieser Überzeugung gelangen, dann wird sich unser Herz wohl in Liebe erwärmen. Wir werden fühlen, dass wir das gefunden, was wir so sehnsüchtig zu finden wünschen — einen aufrichtigen und treuen Freund, der unser nicht überdrüssig wird, einen Freund, der unsere Nachlässigkeiten und unsere Selbstsucht erträgt und immerdar bereit ist, uns anzugehören und uns zu helfen. Wir werden anfangen, ihm unser Vertrauen zu schenken, wir werden gerne bei ihm weilen und ihn einladen, öfter zu uns zu kommen. Wir werden unser Herz immer besser zu seinem Empfange bereithalten, so dass seine Besucher reichlichere Früchte tragen. Obgleich die Sakramente ohne unser Zutun wirken, so wird doch ihr Nutzen gehemmt, wenn der Boden nicht bereitet ist. Der Heiland hätte das Wunder in der Wüste, wo er die hungrige Menge speiste, auch ohne das Vorhandensein der Brote wirken können. Aber seine Art ist es, denen zu helfen, die sich selber helfen. Er sandte nach den paar Broten, die ein Knabe aus der Menge mitgebracht hatte, segnete und vermehrte sie. So ist es auch mit unserer Gesinnung. Das Gute, dass er findet, vermehrt er. Und warum sollten wir nicht unser Möglichstes tun, um in willkommen zu heißen, sowohl um seiner selbst willen, als auch um der Gaben Willen, die er mit sich bringt? Er ist der beste unserer Freunde, mit denen wir, unserer Bestimmung gemäß, in Ewigkeit beisammen sein sollen. Müssen wir uns nicht bestreben, ihn besser kennenzulernen, um ihn besser zu lieben? Denn nicht nur um der Kranken willen, die zu seiner Zeit lebten, sondern auch um unsertwillen, zeigte er sich so voll Liebe und Erbarmen. Er wusste, dass wir eines Tages erfahren würden, wie gütig seine Worte, wie erbarmungsvoll seine Werke waren, und es war sein Wunsch, unsere Herzen durch diese Mittel an sich zu ziehen. Wir müssen nachsinnen und versuchen, uns bald das eine, bald das andere seiner Wunder zu vergegenwärtigen; wir müssen uns bemühen, die Gefühle jener in uns wach zu rufen, die er geheilt hat; wir müssen bedenken, dass wir in der heiligen Kommunion den nämlichen liebevollen Heiland besitzen, der da wünscht, dass wir mit ihm verkehren und auf ihn vertrauen, gerade so, wie wenn wir ihn gekannt und geliebt hätten, als er hier auf Erden weilte.
Ich glaube, oh mein Heiland, ich glaube fest, dass du, der du kommst mich zu besuchen, der wahre Sohn Gottes bist, den Maria empfing, der in einer Krippe lag, der durch die Städte von Judäa und an den Ufern von Galiläa wandelte. Ich glaube, dass du derselbe Gott bist, der am Ölberg Blut schwitzte und für mich am Kreuze hing. Alles dieses glaube ich. Und dennoch rufe ich mit Saulus auf seinem Wege nach Damaskus: „Wer bist du, Herr?“ Lehre mich, dich immer mehr und mehr erkennen! Zeige mir, was ich durch meinen Glauben festhalte! Wie ist es möglich, dass ich so viel Glauben und dabei so wenig Liebe besitze? Oh könnte ich dich lieben, könnte ich dir vertrauen wie diejenigen, die dich kannten, als du auf Erden wandeltest, deren Herz schneller schlug bei dem Gedanken, dass sie dein Antlitz schauen, deine Stimme hören würden und dass diese Stimme sie bei ihrem Namen rufen werde.
Aber dich innig zu lieben, ist es nicht notwendig dich gesehen zu haben: „Weil du mich gesehen, Thomas, hast du geglaubt; selig, die nicht sehen und dennoch glauben.“ (Joh 20, 29) Lasse diesen Segen, oh Herr, über mich kommen. Komme zu mir, auf dass ich dich besser erkenne und dich zum einzigen Gegenstand meiner Liebe erwähle! Komm und lehre mich, wie ich mit dir reden und dir mein Herz eröffnen, wie ich dir mein Elend, meine Schwäche, meine Sehnsucht nach Höherem anvertrauen soll!
Ich bin betrübt ob all der Sünden, die meinen Verstand für die göttliche Wahrheit verdunkelten, die ich im Glauben festhalte. Es ist mir leid, dass ich so oft mein Herz verhärtete, wenn ich deine Stimme in meinem Innern vernahm. Vergib mir, oh Herr, der du stets zum Vergeben bereit bist, komme jetzt zu mir und hilf mir, dass ich in Zukunft dir eifriger diene!
Nach der Kommunion
Heil unserm Gotte, der auf dem Throne sitzt, auf dem Thron seiner Herrlichkeit im Himmel, auf dem Throne meines armen Herzens hier auf Erden!
Oh ihr Engel des Herrn, rühmet den Herrn, preiset und erhebet ihn über alles, immer und ewig!
Oh ihr Diener des Herrn, rühmet den Herrn, preiset und erhebet ihn über alles, immer und ewig!
Lobet unsern Gott, ihr alle seine Diener und ihr, die ihr ihn fürchtet, klein und groß.
Oh danket dem Herrn, weil er gut ist und sein Erbarmen ewig währet!
Wer bist du, Herr? Ich weiß es, ich bete dich an. Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes. Ich beuge mich vor dir. Ich bete deinen Heiligen Leib an, der Hunger und Durst, Kälte und Beschwerden und einen grausamen Tod für mich gelitten hat. Ich bete dein kostbares Blut an, das für mich vergossen worden ist. Ich bete deine heilige Seele an, die einst für mich bis in den Tod betrübt gewesen. Ich bete deine Gottheit an, mit welcher du eins bist mit dem Vater und dem Heiligen Geist.
Wie kann ich dir danken, oh Gott, dafür, dass du dich selbst mir geschenkt hast. Wer wird mir helfen, dich zu loben und zu preisen? Meine Seele preiset den Herrn und mein Geist frohlocket in Gott, meinem Heilande. Denn er, der mächtig ist, hat Großes an mir getan und heilig ist sein Name. Mit der Danksagung deiner heiligen Mutter, mit dem freudigen Lobe all deiner Engel und Heiligen danke ich dir, lobe und preise ich dich. Oh gewähre mir, dich in alle Ewigkeit zu preisen!
Großes hast du an mir vollbracht, mein Gott, Großes zu vollbringen bist du gekommen. Erst im Himmel werde ich auf meine Kommuniontage zurückschauen, erkennen, was du in den kostbaren Viertelstunden der Danksagung unbemerkt und in aller Stille für mich getan hast. Trotz meiner Kälte und meiner Zerstreutheit schreitet das Werk deiner Liebe voran. Die Vergebung meiner lässliche Sünden, die Beruhigung meiner Leidenschaften, das Schwächerwerden meiner schlechten Gewohnheiten, neue Freude am Dienste Gottes, Kraft für bevorstehende Kämpfe, Wachstum in der Liebe zu Christus und Ähnlichkeit mit Christus — alles Gute wird mir mit dir, oh Herr, zuteil. Was soll ich dem Herrn vergelten für alles, was er mir erwiesen hat?
„Gib mir, mein Sohn, dein Herz!“ (Prov. 23, 26) Gib es mir, denn ich habe es erschaffen und habe daher ein Recht darauf! Gib es mir, denn ich habe mein Herzblut vergossen, um es vom Elend zu erlösen und um ihm ewige Freuden zu erkaufen! Gib es mir, ich allein kann es glücklich machen! Gib es mir, damit es nicht etwa durch Selbstsucht und zu gieriges Haften nach den Dingen dieses Lebens verdorben werde. Gib es mir, damit es nicht zuletzt enttäuscht werde! Gib es mir, damit ich all seine Wünsche erfülle und all sein Sehnen nach Liebe und Glück stille und damit ich selbst sein übergroßer Lohn sei!
Nimm es, oh Herr, nimm es hin, ich gebe es dir! Wer wird sich um dasselbe kümmern wenn nicht du, oh Herr? Wer müsste es nicht verachten, wenn er es so gut kennen würde wie du, oh mein Gott! Oh Allgütiger, der du die Herzen aller Heiligen besitzest und der du auch das meinige haben willst, ich biete es dir an mit demütigem Danke für die Liebe, die dich zu diesem Verlangen bewogen hat. Oh wäre es doch ein Geschenk, das deiner weniger unwürdig wäre! Ich gebe es dir; nimm es in deine Obhut und möge all seine Liebe nur dir gehören. Und mit demselben übergebe ich dir alle, die ich liebe; erhalte sie in deinem Dienste oder führe sie zu demselben zurück! Geleite uns durch die Gefahren dieses kurzen Lebens und mache uns würdig, dich im zukünftigen Leben zu besitzen und uns auf ewig in dir zu erfreuen! Amen.
Bitte
Ich will dich zu einer Säule machen im Tempel meines Gottes. (Offb 3, 12)
Ich wollte, ich könnte eine kleine Säule sein, mein Gott, die etwas für dich stützte, gleichviel was. Eine Säule, rauh und ungeschliffen und im Hintergrund stehend, wenn es so dein Wille wäre, aber dennoch von einigem Nutzen für dich. In einer Hinsicht wenigstens kann ich eine solche Säule sein. Deine in der ganzen Welt zerstreuten Interessen sind uns anvertraut, dass wir sie alle stützen — durch das Gebet. Führe mir zu Gemüte, oh Herr, die Verantwortlichkeit, die auf mir ruht, auf dass ich es ernst nehme mit meinem Gebete für jene, so du mir anvertraut hast, oder die auf irgendeine Weise unter meinem Einflusse stehen, und nicht nur für diese, sondern für alle Mitchristen und Mitmenschen, für jede Seele auf der weiten Welt. Sie alle sind deine Kinder und haben das Recht, dich Vater zu nennen; sie haben einen Platz in deinem Herzen; also müssen sie auch in meinem Herzen einen Platz haben.
„Ich bete für alles, was die Interessen deines Reiches auf Erden betrifft: für den Heiligen Vater, für die Diözese, für die Kirche in jedem Lande. Für die weltliche Unabhängigkeit des Papstes, für die verfolgten Ordensleute fern von ihrer Heimat, für die Wohlfahrt der Schulen in unserm Vaterlande.
Oh Herr des Himmels, höre mein Gebet! „Sei du Herrscher in jedem Herzen, brich und vernichte die Macht des Bösen, lasse Jesus Christus überall triumphieren, gib, dass sein Gesetz, seine Gebote und seine Kirche die ganze Welt regieren! Möge es in Zukunft keinen Aufrührer, keinen Verräter und keinen Abtrünnigen mehr geben und mögen alle unter seiner Herrschaft und in deiner Gnade leben, bis sie das irdische Königreich vertauschen mit dem, was ihnen im Himmel bereitet ist.