Das Willkommen eines Geschöpfes

II.

 

Aus der Tiefe

 

Vor der Kommunion

 Oh mein Gott, ich wollte, ich könnte nach der Kommunion vor dir hinsinken, tief und immer tiefer, bis zu jenem Gerade der Selbsterniedrigung, der dem ursprünglichen Nichts des Geschöpfes entspricht. Aus dieser Tiefe dich anzubeten, das wäre mein Wunsch. Oh möchte deine göttliche Majestät meine Anerkennung des Unendlichen Abstandes zwischen mir und dir als würdige Anbetung und Verherrlichung annehmen! Ich vereinige mich mit all jenen, die, von dir erleuchtet, diesen Abgrund der Selbsterniedrigung erreicht haben. Mit den himmlischen Hierarchien, die in deiner Gegenwart sich umso tiefer beugen, je edler sie sind, je näher sie deinem Throne stehen, je mehr sie dich lieben und je mehr sie von dir geliebt werden; ich vereinige mich mit den erhabenen Geistern, die vor deinem Antlitz sich verhüllen, mit den vierundzwanzig Ältesten, die ihre Kronen zu deinen Füßen niederlegen, mit jener, die sich eine Magd des Herrn nannte, die dich anbetet aus der Tiefe einer Erniedrigung, die wir nie ergründen, nie begreifen können; mit deinem wesensgleichen Sohn, wahrer Gott vom wahren Gott, der, als Mensch, sich tief vor dir erniedrigt. Von jenem Abgrunde aus, der mir als Geschöpft gebührt, in Vereinigung mit allen Geschöpfen, bete ich dich an, oh mein Gott. Aus der Tiefe rufe ich zu dir, o Herr!

Gibt es einen tieferen Abgrund als diesen? Kann etwas über dem Nichts sein oder unter demselben? Ja, denn dieser Abgrund ist zwar tief, aber er ist nicht dunkel. Er bedeutet unermessliche Entfernung des Geschöpfes von seinem Schöpfer: diese Entfernung jedoch trennt nicht. Im Gegenteil, sie bahnt eine Annäherung, eine Verbindung an durch die gegenseitigen Beziehungen zwischen Überfluss und Dürftigkeit. Die Sünde aber ist schwarz und abstoßend, ihr Ende ist vollständige und ewige Trennung des Schöpfers von dem Werke seiner Hände.

Was ist Sünde? Sie ist die ins Werk gesetzte Leugnung der Ansprüche Gottes auf unsern Gehorsam. In überlegter Weise kehren wir gegen ihn die Gaben, die wir aus seiner Hand empfangen haben; zu gleicher Zeit klammern wir uns an diese Hand und erwarten von ihr Leben und alle Genüsse, die das Leben bringt. So habe auch ich gehandelt, als ich sündigte. Das ist der tiefere Abgrund. Weit über ihn erhebt sich die Oberfläche der Schöpfung, beleuchtet von dem Sonnenschein der göttlichen Liebe. Aus der Tiefe rufe ich zu dir, o Herr!

Außer diesen beiden Abgründen gibt es noch einen, nämlich den Abgrund des Mangels, entstanden aus den beiden andern. Der Mangel des Geschöpfes ist vollständig. Nichts besitzt es aus sich selbst. Bis in sein innerstes Wesen ist es auf ewig von des Schöpfers Willen abhängig. Das natürliche Leben seines unsterblichen Geistes ist zwar von ewiger Dauer und nur durch denselben Akt der Allmacht, der es ins Dasein rief, kann es zurückgenommen werden. Aber alles, was das wirkliche Leben ausmacht, ein Leben, das diesen Namen verdient, das Glück, das aus der vollen Tätigkeit und Befriedigung seiner Kräfte entspringt — all dies ist des Geschöpfes Not; das ist das unermessliche Bett des Ozeans, das einzig und allein der ausfüllen kann, der es geschaffen. Aus der Tiefe rufe ich zu dir. Ein Abgrund ruft dem andern zu.

Wie aber kann ich bemessen die Not, in welche die Sünde mich gestürzt? Aus mir selbst besitze ich nichts, womit ich die Unerträglichkeit meiner unsterblichen Seele stillen könnte.

Gott ist das Ziel, für das ich geschaffen wurde, das ich erreichen muss, wenn ich nicht immer und ewig in fruchtlosen Wünschen mich verzehren will. Und von ihm habe ich mich losgerissen! Mit welchen Worten kann ich beschreiben, wie notwendig mir die Gnade ist, die mich wieder mit ihm vereinigt? Abyssus abyssum invocat! Aus der Tiefe rufe ich zu dir, o Herr!

 

Nach der Kommunion

„Herr, Herr allmächtiger König! Du hast Himmel und Erde gemacht und was in des Himmels Umkreis enthalten; du bist der Herr über alles und es ist keiner der deiner Majestät widersteht.“ (Esth 13,9) Woher kommt es, dass mein Herr zu mir kommt?

Niedersinke ich in deiner Gegenwart, tief, immer tiefer; wie der Funke des fernsten Sternes vom Himmelsraum niederfällt, so sinke ich in deiner Gegenwart weiter, immer weiter hinab, bis ich die dem Geschöpfe gebührende Stelle erreiche, den Punkt, auf welchem es durch des Schöpfers Wort aus seinem Nichts entsprang. Oh, wenn es mit dieser Tiefe abgetan wäre! Aber tiefer und dunkler als der leere Raum des Nichts ist der Abgrund der Sünde. Und in diese Untiefe hat deine Hand hinabgegriffen, um mich zu retten. In dieses Elend hat ihn sein Herz hinabgezogen, um mich zu lieben. Ja, zu dieser Verkommenheit hat er sich herabgebeugt, um mich zu ihm emporzuziehen.

„Lobsinget unserm Gott, alle seine Diener, und die ihr ihn fürchtet, klein und groß!“ (Offb 19,5)

„Denn Großes hat an mir getan, der da mächtig und dessen Namen heilig ist.“ (Lk 1,49)

„Was soll ich dem Herrn vergelten für alles, was er mir gegeben hat?“ (Ps 115/12)

Lobe, meine Seele, den Herrn und vergiss nicht alle seine Wohltaten!“ (Ps 102,2)

„Lobet den Herrn vom Himmel her! Lobet ihn in den Höhen! Lobet ihn, alle seine Engel, lobet ihn, alle seine Heere!“ (Ps 148, 1 ff)

„Singet dem Herrn, lobsinget ihm, erzählt alle seine Wunder!“ (Ps 104,2)

„Lobet den Herrn, denn er ist gut; denn in Ewigkeit währet seine Barmherzigkeit!“ (Ps 105,1)

Aus der Tiefe. Schrecklich, oh mein Gott, ist die Stimme der Sünde, die im grellen Missklang der Herausforderung zum Throne deiner Majestät emporsteigt, zu jeder Stunde, im Geräusche des Tages und in der Stille der Nacht. Ich aber freue mich in dem Gedanken, dass sie nicht, ja bei weitem nicht  jene ruhige Höhe erreichen kann, wo du thronest in unzugänglichem Lichte, dessen Reinheit sie ebenso wenig trüben kann, wie das Feuer und der Donner unserer Kanonen die weit entlegenen Sterne stören. Ich rühme mich meiner Armseligkeit, durch welche die Möglichkeit, dich zu beleidigen eingeschränkt ist. Dank meiner endlichen Natur bin ich zu einem unendlichen Akte unfähig. Doch dadurch, dass du selbst dich mir hingabst, habe ich Gewalt über Unendliches. Daher kann ich meine Sünde größer machen, als meine Übeltat gewesen. Gesündigt habe ich vor deinen Augen, doch nicht mit einer Bosheit, die unendlich ist. Mit Christus im Herzen kann ich dir unendlichen Ruhm, unendliche Ehre erweisen. Dank sei dir gesagt für deine unaussprechliche Gabe. Zur Sühne für meine Undankbarkeit bringe ich dir dar den Dank deines vielgeliebten Sohnes. Zum Ersatze für die Unwürdigkeit, mit der ich dich behandelt habe, für alle meine Unehrerbietigkeit in deiner heiligen Gegenwart, opfere ich dir ihn auf, ihn, der um seiner Ehrerbietigkeit willen erhört wurde. Zum Ersatz des Dienstes, den ich dir schulde, und den ich dir solange verweigert habe, opfere ich dir den unendlichen Wert der Werke dessen, der stets alles tat, was dir gefiel. Zur Genugtuung meiner Kälte, Unachtsamkeit und Herzlosigkeit gegen dich, meinen Schöpfer und Vater, bringe ich dir die unendliche Liebe deines zärtlich geliebten Sohnes dar, all seinen Eifer in deinem Dienste, alle Arbeiten und Leiden seines Erdenlebens, seine Gleichförmigkeit mit deinem Willen, der die Richtschnur all seiner Gedanken, Worte und Werke war. Blicke auf das Angesicht deines Sohnes und um seinetwillen blicke auch auf mich mit Liebe und Erbarmen!

 

Aufopferung

„Was soll ich dem Herrn opfern, das seiner würdig wäre? Soll ich das Knie beugen vor dem hohen Gott?! (Mich 6,6)

Ich habe nichts, das ich nicht von ihm empfangen hätte. Aber auch seine eigenen Gaben will er aus meiner Hand annehmen, als ob sie nicht bereits sein Eigen wären; als ob er derselben bedürfe, und für deren Schenkung will er sich mir zum Schuldner machen. O liebevoller Erlöser, wie unendlich ist deine Herablassung gegen mich, dein armseliges Geschöpf; wie zärtlich ist dein Mitleid gegen mich, dein schwaches Kind!

Ich komme also zu dir mit allem, was ich bin und habe. Ich opfere dir meine Seele, mein Leid, alle Güter dieses Lebens, mit denen du mich gesegnet — meine Familie, meine Freunde. Meine Arbeit, meine Erholungen, meine Verantwortlichkeit, meine Ängste, meine Versuchungen und Gefahren, meine Wünsche und Enttäuschungen, alle Zustände und Wechselfälle des Lebens, all seine Leiden und Freuden, alle meine Interessen für diese und die zukünftige Welt, mein Leben und meinen Tod, alles opfere ich dir auf, oh mein Gott!

Und da das alles doch nur eine wertlose Gabe ist, so fasse ich zusammen und bringe dir dar die Ehre und den Ruhm, der dir vom Anbeginne dargebracht wurde und der dir in alle Ewigkeit dargebracht wird von allen Geschöpfen: die ununterbrochene Anbetung der Engel; die Arbeiten der Apostel und Missionare, um die Kenntnis deines Namens auszubreiten; die Standhaftigkeit der Märtyrer und der Menge sanftmütiger Dulder, die dir, ihr Kreuz tragend, nachgefolgt sind; die Geduld der Bekenner und all jener, die in dem steten Ringen mit sich selbst trotz Ermüdung und Niederlage, unermüdlich ausgeharrt haben; all die Reinheit der Jungfrauen; all die Tränen jener, die ihre Kleider weiß gewaschen haben im Blute des Lammes. Ich freue mich über die Liebe und Anhänglichkeit deiner treuen Diener und opfere dir dieselbe auf zur Sühne meiner Kälte und meiner Trägheit. Ich vereinige mich mit der vollkommenen Anbetung und dem Dienste deines einzig vollkommenen Geschöpfes, der allerseligsten Jungfrau, der Erhabensten Würde, die sich am tiefsten vor dir erniedrigte. Ich opfere dir auf den Gottesdienst, der allein deiner würdig und deiner Hoheit entsprechend ist — das Lob, die Ehrerbietung, den Gehorsam deines eingeborenen Sohnes; alle die Leiden seiner Kindheit, die Entbehrungen seiner Jugend, die Mühseligkeiten und Verfolgungen seines Mannesalters, die Qualen seines bitteren Leidens, die Herrlichkeit seiner Auferstehung, seine Fürbitte für uns im Himmel zu deiner Rechten, das unaussprechliche Geschenk seiner wirklichen Gegenwart unter uns bis zum Ende der Zeiten, das reine und immerwährende Opfer mit seinen unendlichen Verdiensten, das deinem Namen an jedem Orte, in der ganzen Welt, dargebracht wird,. Blicke, oh Gott, unser Beschützer, blicke auf das Angesicht deines Gesalbten! Wie, haben wir dir mit ihm nicht alles gegeben?

 

 Bitte

O, dass du Gottes Geschenk erkennen möchtest! Oh Kind, wenn du wüsstest, welche Macht du über mein Herz hast, du würdest ihm eine heilige Gewalt antun, du würdest ihm jene Gnaden entreißen, die diejenigen davontragen, die Gewalt gebrauchen! Du würdest Sünder retten, die im Begriffe stehen, ihre letzte Gnade zurückzuweisen. Du würdest Kinder retten, die von ihren Eltern verlassen und dem Tode preisgegeben sind. Du würdest unverzüglich den Seelen, die um dein Mitleid flehen, den Himmel öffnen. Du würdest die Hände meiner vielgeliebte Missionare, die meinen Namen zu jenen tragen, die mich noch nicht kennen, stärken und ihre Herzen erfreuen. Du würdest das Licht des Glaubens für jene gewinnen, die es suchen, und Kraft für die, so den Schatz gefunden, denen es aber an Mut gebricht, alles hinzugeben, um ihn zu erwerben. Wenn du verkündest, was ich für dich getan, dadurch, dass ich mich selbst dir gab, „wenn dein Glaube nur so groß wäre wie ein Senfkörnlein“ (Mt 17, 19), so würdest du deine Hand zu großen Dingen ausstrecken. Bis zu den äußersten Grenzen der Erde und über die Erde hinaus, hinüber zu dem traurigen Orte der Reinigung, wo es Seelen zu erlösen gibt; würde die Frucht deiner Kommunion reichen.

O Herr, könnte ich dir den Weg zu jedem Herzen bahnen, könnte ich die Schlüssel zu jeder Festung auf der ganzen Welt in deine Hände legen! Doch sie sind ja in deinem Besitze. In deiner Hand sind nicht nur die Schlüssel zum Himmel und zur Hölle, sondern auch die Schlüssel zu jedem Menschenherzen. Mag die Handhabung auch noch so schwierig sein, mag der Rost der Jahre das Öffnen erschweren, deiner Berührung weicht jedes Hindernis. Du hältst den Schlüssel, ja du selbst bist der Schlüssel. „O Schlüssel Davids, du öffnest und niemand schließet, du schließest und niemand öffnete; komme und befreie die Gefesselten, die in Dunkelheit und Todesschatten sitzen!“ Ich flehe dich an für all die Meinigen, für alle jene, die du mir gegeben, damit ich in Liebe für sie Sorge. O möchte meine heutige Kommunion Schutz und Wachstum in der Gnade für sie sein!

Mögen sie Licht, Kraft und Trost sein unserem Heiligen Vater, dem Papste, allen Bischöfen und Priestern, allen, die Seelen zu gewinnen trachten, den Armen, den Leidenden, den Versuchten, den Kindern! Wie der Strom des lebendigen Wassers durch das himmlische Jerusalem fließt, so möge die Gnade dieser meiner Kommunion durch die Kirche fließen; ihre Frucht möge die Heilung der Völker sein! Möge sie zukommen jeder Seele, die außerhalb der sichtbaren Kirche ist, meinen Verwandten und Freunden, den armen Heiden, die außer dem Bereiche der Gnade der Sakramente stehen. Oh Jesus, mein Mut sinkt bei dem Gedanken an die 900 Millionen erlöste Seelen, welche jetzt im 20 Jahrhundert den Namen ihres Erlösers noch nicht gehört haben. Sende Arbeiter in deinen Weinberg und erinnere dich in Liebe an jene Menge, die du mit deinem Blut erkauft hast! Man sagt, die heilige Theresia hätte dir ebenso viele Seelen gewonnen, als der heilige Franziskus Xaverius. Das Bedürfnis nach dem fürbittenden Gebete ist nicht geringer als in jenen Tagen, und da es nicht genug Heilige gibt, deine Barmherzigkeit zu rühren, so musst du wohl das Gebet der Sünder erhören. Höre mein Gebet; am heutigen Tage hat es mehr Kraft und Wirksamkeit — es ist dein eigenes, denn du selbst bist in mir.

Oh Herz Jesu, Arche der zugrunde gehenden Welt, zu dir fliehen all die Auserwählten, um sich vor dem Zorn Gottes und dem Sündenstrome zu schützen. Ziehe in diese Zufluchtsstätte nicht nur jene, die sie suchen, sondern auch jene, die sie nicht suchen und die derselben am meisten bedürfen! Dein Herz wurde auf Golgatha geöffnet, um uns einzulassen, und bleibt geöffnet immerdar, auf dass alle, welche wollen, durch dich gerettet werden. Und wenn der letzte der Auserwählten durch dich zum Heile gelangt sein wird, dann wird die Türe geschlossen und der hereinbrechende Zorn Gottes wird alles verzehren, was sich nicht darin befindet.

Oh Herz Jesu, Heil derer, die auf dich hoffen, habe Erbarmen mit uns! Herz Jesu, das uns vor dem bevorstehenden Zorne gerettet hat, ziehe alle Menschen an dich, zwinge sie einzutreten, auf dass die Zahl der Geretteten vermehrt werde! Wo nur immer eine Versuchung zu überwinden, die Unschuld zu bewahren, der Tod zu Wasser oder zu Lande zu vermeiden, wo die Gnade der Beharrlichkeit zu sichern und das Gute zu unterstützen ist, wo es einen Schwachen zu stärken, einen Gefallenen zu erheben, einen traurigen zu trösten gibt — dorthin lasse die Frucht meiner Kommunion gelangen!

 

Gebet vor einem Kruzifix - hier!