Das Willkommen
eines Kindes
I.
„Ist er nicht dein Vater, der dich erworben, der dich gemacht und
erschaffen?“ (Deut 32, 6)
Vor der Kommunion
Dort im Tabernakel, den ich mit meinem Arm umschließen kann, ist
alles enthalten; der Gott, von dem, in dem, durch den alle Dinge gemacht sind.
„Der Gott meines Lebens.“ (Sir 23, 4) „Der Gott, der meinen Odem in seiner Hand
hat.“ (Dan 5, 23)
Und
dieser Gott ist mein Vater. Zu dem Bande, das mich an ihn bindet, als sein
Geschöpf und seinen
Diener, hat er das der Kindschaft hinzugefügt. Diener Gottes ist ein so großer,
edler Titel, dass er selbst ihn seinen besonderen Günstlingen beilegt: „Mein
Diener Abraham (Gen 26, 24); mein Diener Jakob (Is 14); mein Diener Moses (Num
12, 7); mein Diener Job.“ (Job 42, 7) Immer und immer wieder gibt er
wohlwollende Versprechungen „um meines Dieners David willen“. (3. Reg 11, 13)
Im neuen Gesetze, dem Gesetze der Liebe, rühmen sich die
Auserwählten Gefährten und Freunde unseres Herrn des Namens Diener. „Simon
Petrus,
Diener und Apostel Jesu
Christi“; „Paulus, ein Diener Jesu Christi“.
Aber dieses Band war nicht fest genug für die Liebe dessen, der
uns seinen eingeborenen Sohn als Bruder gab. „Sehet, welche Liebe uns der Vater
erwiesen hat, dass wir Kinder Gottes heißen und sind“ (1. Joh 3, 1), ruft
Johannes, der Lieblingsjünger, aus, der einzige unter den Aposteln, der sich in
seinen Episteln nicht den Namen Diener beilegt. „Geliebteste, jetzt sind wir
Kinder Gottes,“ ruft er voll Entzücken aus! „Daher sind wir nicht Diener,
sondern Söhne.“
„Vater“ ist der Name, den unser Herr selbst uns auf die Lippen
legt, und dieser Name verleiht alles das, was er bedeutet: „Wenn aber Sohn, dann
auch Erbe.“ (Gal 4,7) Er gibt uns das Recht, zu unserem himmlischen Vater zu
treten als „die lieben Kinder“ (Eph 5, 1) und in all unseren Nöten „Abba, Vater“
zu rufen. Der Vater ist der Ernährer der Familie. Wir rufen zu unserem
himmlischen Vater um unser tägliches Brot, um die Nahrung der Seele nicht
weniger als um die Nahrung des Leibes. Der Ruf unseres Herzens betrifft uns
selbst: „Meine Seele dürstet nach Gott.“ (Ps 41, 3) „Gleich wie ein Hirsch
verlangt nach Wasserquellen, also verlangt meine Seele nach dir, oh Gott!“ (Ps
41, 2) „Und er erfüllte Ihnen Ihre Wünsche; es wurde ihnen das nicht entzogen,
um was sie baten.... Er gab ihnen Himmelsbrot; Engelsbrot aß der Mensch.“ ( Ps
77, 24 f.) „Du nährtest dein Volk mit Engelsspeise und gabst ihnen Brot vom
Himmel, bereitet ohne Arbeit, das alle Annehmlichkeit und jeglichen Geschmackes
Süßigkeit in sich hatte. Denn diese deine Speise machte offenbar, wie gütig du
gegen deine Kinder bist.... Deine Kinder, oh Herr, die du lieb hast!“ (Weish 16,
20 ff.)
Ein Kind, das sich auf die erste Kommunion vorbereitete, sagte:
„Ich finde es ganz wunderbar, dass Gott unsere Nahrung werden soll; denn, ich
glaube“, fügte es zögernd hinzu, „das kann ihm doch nicht gefallen.“ Dann und
wann kommt auch uns, gleich jenem Kinde, blitzartig aufleuchtend die Einsicht,
in welche unbegreifliche Tiefe Gott in diesem Geheimnisse hinabsteigt; doch wie
ein Blitz verschwindet sie auch wieder, und wir blicken auf zu ihm in der Hostie
und er kommt zu uns an die Kommunionbank und der Schleier ist so dicht wie
immer; wir können nichts tun, als
„Credo“
rufen und jenen Tag erwarten, an welchem dieses Credo sich auflöst in das
„Schauen von Angesicht zu Angesicht“.
„Das ist Gott, unser Gott.“ (Ps 47,15)
Doch die Liebe wird durch die Ehrfurcht nicht beeinträchtigt und
unsere Ehrfurchtsbezeigungen halten die unendliche Majestät Gottes nicht ferne.
Als Geschöpf liegen wir zu den Füßen unseres Schöpfers; als Kinder umringen wir
die Knie des Vaters, verkehren vertraulich mit ihm, tragen ihm alle unsere Nöte
vor, freuen uns in seiner Gegenwart und schätzen uns glücklich, weil sein Auge
auf uns ruht und weil dieses Auge bis in das Innerste unserer Herzen blickt.
Seine eigene unendliche Vollkommenheit ist ihm hinlänglicher Ruhm. Er sieht ab
von den Formalitäten irdischer Höfe und ist zufrieden mit der einfachen
Huldigung des geringsten seiner Untertanen, des jüngsten seiner Kinder.
Mein Gott, ich bin nicht erstaunt über so manche Wunder, die mich
mein Glaube, in Bezug auf dich, lehrt: Dein absolutes Sein, deine Ewigkeit,
deine Allmacht, deine Unendlichkeit in jeder Vollkommenheit. Aber dass du, der
Inbegriff aller Seligkeit, in Liebe zu deinem kleinen Geschöpfe entbrennst, das
ist unbegreiflich, fast unglaublich. Welche Freude, dass mein Glaube unter
anderen Geheimnissen mich lehrt, dass, wenn ich zitternd vor dir erscheine, um
mich mit dir zu vereinigen, du liebend zu mir sprichst: „Mit Sehnsucht habe ich
verlangt.“
Komm also, Vater, lass dich herab zu dem Willkommen, das ich zu
geben imstande bin! Neige dich huldvoll und empfange meine Anbetung, meine
Danksagung, meine Ehrfurchtsbezeigung und meine Liebe!
Nach der Kommunion
“Gesegnet sei Gott, der Herr, heute!“ (3. Reg 5, 7)
„Lobe, meine Seele, den Herrn und vergiss nicht alle seine
Wohltaten!“ (Ps 102, 2)
„Lobsinget unserm Gott, alle seine Diener und die ihr ihn
fürchtet, klein und groß!“ (Offb 19,5)
„Lobet den Herrn, denn gut ist der Herr; lobsinget seinem Namen,
denn er ist lieblich!“ (Ps 134, 3)
„Er hat gesättigt die arme Seele, die hungernde Seele gesättigt
mit Gütern.“ (Ps 106, 9)
„Würdig bist du, Herr, unser Gott, zu empfangen Preis und Ehre
und Kraft.“ (Offb 4, 11)
„Amen! Lob und Herrlichkeit und Weisheit und Dank, Ehre und Macht
und Kraft sei unserm Gott in alle Ewigkeit. Amen!“ (Offb 7, 12)
O könnte ich ganz
und gar mir die furchtbare Wahrheit vergegenwärtigen, dass ich in meinem Herzen,
als mein Eigentum, meinen Schöpfer und Vater besitze, ihn, von dem ich ausging,
ihn, zu dem ich zurückkehre, der mein ewiges Geschick in seinen Händen hält.
Ihn, mit dem ich viel enger verbunden bin als mit irgendeinem anderen Geschöpfe!
Ein treuer Diener, ein Vertrauter, ein Freund, ein geliebtes Kind - all das bin
ich meinem Gott, der mich erschuf. Habe ich nicht Ursache zur Freude im Dienste
Gottes, zur freiwilligen Hingabe alles dessen, was ich bin und habe, zur
Anbietung von Diensten, die keine anderen Grenzen haben als meine Niedrigkeit
und Schwachheit.
Mein Gott, der du
willst, dass ich dich Vater nenne, gib, dass ich dich als Vater ehre, und dir
als meinem Vater diene! Lege in mein Herz all die Eigenschaften, die du mit
Recht von deinen Kinder erwarten kannst! Gib mir jenen erhabenen Gedanken der
Gotteskinder, die deinen Ruhm und deinen Dienst zum Ziel ihrer Wünsche machen,
die sich als treue Diener, aber auch zugleich als „überaus liebe Kinder“
erweisen! Ernstlich wünsche ich das größte und erste all deiner Gebote zu
erfüllen, dich aus meinem ganzen Herzen und aus meiner ganzen Seele zu lieben,
aus meinem ganzen Gemüte und aus allen meinen Kräften. Lass mich dich lieben aus
ganzem Herzen, aus ganzer Seele dadurch, dass ich dir alle meine Gefühle weihe!
Sei du immerdar der Erste in meinem Herzen! Wenn ich dich auch nicht mit jener
Innigkeit lieben kann, mit welcher ich dich in der Ewigkeit lieben werde, o gib,
dass ich dich wenigstens ehre durch jene Liebe, die dich und deine
Angelegenheiten allen Geschöpfen und allen Dingen vorzieht! Lass mich dich
lieben aus meinem ganzen Gemüte, indem ich alle meine Gedanken und Werke nicht
auf ein selbstsüchtiges Ziel richte, sondern auf die Heiligung deines Namens und
die Erfüllung deines Willens in allen meinen Standespflichten! Lass mich dich
lieben aus allen meinen Kräften durch ausdauernde Anstrengung, meinen Willen in
Einklang mit dem deinigen zu bringen, trotz aller Gebrechlichkeit und aller
Fehltritte! Lass mich dich lieben, nicht nur in Worten, sondern in der Tat und
in Wahrheit! Lass mich Geschmack finden an harter Arbeit in deinem Dienste und
gib, dass ich für dich, für deine Kirche und zum Heile der Seelen bereitwillig
Mühen und Opfer auf mich nehme!
O Vater, wenn ich
heimkehre von meiner langen Lebensreise, nimm mich in deine Arme; lege mein
Haupt an deine Brust als Ersatz für meine lange Trennung von dir, für meine
mühevolle Suche nach dir, für die Furcht, dich nie zu erreichen, die mich
lebenslänglich verfolgte, für die durch meine Sündhaftigkeit zu oft
hervorgerufene Trennung von dir, für die Armseligkeit meines Dienstes, die ich
teilweise selbst verschuldete und die teilweise, o Schöpfer, das Ergebnis der
hinfälligen Natur ist, die deine Hände geschaffen! Wenn ich mich dann an deine
Brust schmiege und deine Arme mich umschlingen, so nimm meine ersten glücklichen
Tränen hin als Anbetung, Danksagung, Sühne und kindliche Liebe, die ich dir so
lange vorenthalten habe und die du in deinem väterlichen Mitleid, wie ich hoffe,
als Ersatz für die Vergangenheit annehmen wirst!