Das Willkommen eines Kreuzträgers

III.

 

„Kommet zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, und ich will euch erquicken.“ (Mt 11, 28)

 

Vor der Kommunion

„Kommet!“ — Ist dieses Wort eine Einladung oder ein Befehl? Beides. Es ist eine Einladung, denn weit mehr liegt es in unseres Herrn Art und Weise anzuziehen als zu zwingen. Es ist aber auch ein Befehl, denn: „Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht essen und sein Blut nicht trinken werdet, so werdet ihr das Leben nicht in euch haben.“ (Joh 6, 54)

„Kommet zu mir!“ — Er sendet die Hungrigen nicht ungesättigt hinweg, wie die Apostel tun wollten, als fünftausend Männer, ohne Weiber und Kinder, ihm in die Wüste gefolgt waren. „Sie haben nicht nötig wegzuziehen,“ sagte er. Und er sammelte sie um sich und speiste sie mit eigener Hand und dann entließ er sie gesättigt und glücklich.“

„Kommet zu mir alle!“ — Damit ich nicht etwa in meiner Verkehrtheit denke, ich sei ausgenommen und ausgeschlossen. Seine Einladung und seine Vorschrift lassen keine Ausnahme zu. „Kommet alle!“

„Kommt zu einem, der euch durch und durch kennt, der sieht, an welcher Stelle und in welcher Weise die Bürde drückt und wo die schwachen Seiten in eurer Seele sind, der jede Anstrengung, jeden Wunsch wahrnimmt, der jedem Kampf mit liebender Teilnahme folgt und der gar oft an einem Fehler mehr zu bemitleiden als zu tadeln findet.

„Kommet zu mir, damit ich euch helfe, eure Hände führe und stärke, eure Bürde von euch nehmen oder erleichtere, indem ich sie teile; kommet, damit ich euch zeige die Ähnlichkeit mit mir, die in eurer Seele hergestellt wird und den Lohn, den sie sich verdient!

„Kommet, damit ich euch meine Schätze mitteile, meine Neigungen und Abneigungen, damit ihr sie euch zur Regel machet, meinen Frieden, den die Welt weder geben noch nehmen kann, meine Liebe als Ersatz für alles übrige.

„Kommet zu mir, damit ich euch Stärke in eurer Angst um eure Lieben! Es gibt keinen Schmerz, in welchem ich euch mehr Mitgefühl entgegenbringen könnte. „Auch ich habe ein Herz so gut wie ihr.“ (Joh 12,3) Ich weiß es, was es um den Menschen ist, der bösen Einflüssen ausgesetzt ist, dessen Wille schlaff und dessen Herz matt geworden, dessen Seele die Kraft verloren hat zu widerstehen oder anzuspornen.

„Kommet zu mir, vertrauensvoll, denn ich bin einer aus eurem Geschlechte! Ich nahm ein menschliches Herz an, auf dass ich aus Erfahrung wüsste, was ihr zu leiden habt, und damit ich euch jene Teilnahme, deren nur ein Leidensgenosse fähig ist, entgegenbringen könnte. Den Stachel der Ungerechtigkeit und der Undankbarkeit habe ich gefühlt und die Todesangst der Liebe, die machtlos den Leiden seiner Liebsten gegenübersteht. Das Bitterste der menschlichen Traurigkeit habe ich kosten wollen, auf dass ich durch Mitgefühl jedes betrübte Herz an mich ziehen könnte.

„Es gibt Zeiten, wo verschlossener Schmerzt deine Seele niederdrückt. In solchen Stunden komme zu mir! Erleichtere deine Last in meiner Gegenwart! Sage alles, sprich unumwunden! Ich verstehe die Heftigkeit deiner Klage. Fürchte nicht, durch leidenschaftliche Worte den zu erzürnen, der die Angst der Seele sieht. Ungehemmt und ohne Tadel mag sie sich ergießen vor dem allliebenden Schöpfer, der mit einem unbegrenzten Mitleiden die ganze Zärtlichkeit seines vollkommenen, menschlichen Herzens verbindet. Ich erinnere mich an jene Nacht in Gethsemane, wo die Leiden und auch die Sünden aller meiner Mitbrüder mir auferlegt wurden. Ich erinnere mich an den mächtigen Ruf und an mein von Tränen begleitetes Flehen. Das Rufen, dass stammelnde Gebet eines jeden Leidtragenden nehme ich auf, mache es zu meinem eigenen und stelle es meinem Vater mit den fürbittenden Verdiensten meines Leidens vor. Ich will immer hören; ich will stets helfen. Die Hilfe wird in Befreiung von deinem Leiden bestehen, falls dies das Beste für dich ist. Wenn ich aber sehe, was auch du einst sehen wirst, dass Mut und Kraft eine passende Antwort auf dein Gebet sind, so wird dir auf diese Weise geholfen werden. Oh Menschenkind, beraube dich nicht selbst dessen, was ich in den einsamen Stunden deiner Leiden für dich tun kann! Komm zu mir und überzeuge dich aus eigener Erfahrung von der Hilfe, die du in meinem Herzen hast!

„Komme zu mir, ganz besonders dann, wenn das Gefühl der Sünde dich niederdrückt! Es gibt eine Macht, die dich entweder zu mir hin oder von mir weg zieht. Mein Wunsch ist es, dass sie dich in meine Arme führe. Wie kommt es, dass du vor mir fliehest, gerade dann, wenn du mich am notwendigsten brauchst? Dass du meinst, deine Treulosigkeit und dein Umdank hätten mich dir so entfremdet oder die Beziehung zwischen uns geändert, dass ich dir weniger Vater bin als vorher? „Wenn wir schon sündigen, so sind wir doch dein.“ (Weish 15, 2) Wenn sich eine Seele durch die schwere Sünde von mir, soweit das an ihr liegt, trennt, so hat sie mich dadurch nicht zu ihrem Feinde gemacht im Sinne, wie die Menschen dieses Wort verstehen. Diese verwünschen einen, der eine Stunde vorher noch ihr Freund war. Sie verschließen ihm ihr Herz. Sie weichen einer Wiederversöhnung aus. Nicht so handle ich. In dem Augenblick, wo ich den Sünder von mir stoße, öffne ich meine Arme, um ihn wieder aufzunehmen. Mein Herz ist bereit, ihm das zurückzugeben, was er verloren, es ist bereit, ihm Liebe und Vertrauen zu schenken und  ihn zu segnen wie zuvor. Und zwar nicht nur einmal, sondern so oft, als er es braucht und will, nicht nur nach einem Fall, sondern nach siebenmal siebzig Fällen. Mit ewiger Liebe habe ich euch geliebt, mit einer beharrlichen, geduldigen, alles erwartenden Liebe. Komme zu mir nach deinem Falle und ich werde alles wieder recht machen! Komme um Kraft und Stärke, deren du bedarfst! Komme, es erwartet dich meine Umarmung und mein Kuss! Komme zu mir schnell, wenn nicht um deine Liebe zu befriedigen, so doch um die meine zufriedenzustellen!

 

Nach der Kommunion

„Preise den Herrn, alle Diener des Herrn!“ (Ps 133, 1)

„Erhebet den Herrn, unsern Gott!“ (Ps 98, 9)

„Lobet den Herrn, ihr, alle seine Engel!“ (Ps 102, 20)

„Danket dem Herrn, denn er ist gut!“ (Ps 106, 1)

„Bete den Herrn, deinen Gott, an und danke ihm!“ (Tob 11, 7)

„Den Herrn, meinen Gott, bete ich an.“ (Dan 14, 24)

„Gebenedeit sei der Herr, denn er hat mir seine Barmherzigkeit wunderbar erwiesen.“ (Ps 30, 22)

„Hochpreiset meine Seele den Herrn und mein Geist frohlocket in Gott, meinem Heilande.“ (Lk 1, 46 f.)

„Denn Großes hat an mir getan, der da mächtig ist und dessen Name heilig ist.“ (Lk 1, 49)

„Was soll ich dem Herrn opfern, das seiner würdig wäre? Soll ich das Knie beugen vor dem hohen Gotte?“ (Mich 6, 6)

„Gib dem Allerhöchsten nach der Gabe, die er dir gegeben!“ (Sir 35, 12)

 

Herr, du selbst hast dich mir gegeben. Ich gebe dir dich selbst zurück als Dank für deine unaussprechliche Gabe. Du hast mir dein Kreuz gegeben. Ich bringe es dir, damit es durch deine Gegenwart gesegnet und geheiligt werde.

Kreuz ist mir alles, das meinem „Ich“ entgegensteht, alles, was der Selbstliebe Überwindung kostet. Kreuz ist mir die Anstrengung, meinen Willen in Einklang mit dem deinigen zu bringen. Kreuz ist mir alles, was meiner Neigung zuwiderläuft in Bezug auf meinen Nächsten, auf meine Pflichten und in Bezug auf die vergangenen und zukünftigen Ereignisse.

Ist es mehr als dieses? Ist mein Kreuz eines jener schweren, lebenslänglichen, heiligenden Prüfungen, die jeden Tag zu einem Kreuzweg machen? Herr, du weißt es. Sieh, oh Herr, du hast alles vorgesehen.... meinen Lebenspfad und meine Wege hast du ausgesucht. „Alle meine Wege sahest du vor.“ „Ps 138,4) „Mein Gott bist du, in deinen Händen ist mein Schicksal.“ (Ps 30,15) In deinen Händen lass auch meinen Willen sein. Lehre mich sehen, wie du siehst, gib mir ein richtiges Verständnis für das Kreuz, in was für einer Gestalt immer es zu mir kommt! Das allein würde meine Lebensanschauung richtigstellen. Ich weiß, dass das Leiden über einen jeden von uns kommen muss. Ich glaube, dass es nach deinem Willen oder deiner Zulassung kommt und dass es für jene, die dich lieben, mit Gütern beladen ist. Aber ich möchte auch mehr als dieses. Ich möchte das, was ich glaube, verwirklichen. Ich möchte innigst überzeugt sein, dass das Leiden nicht das ist, wofür die Welt es hält — ein Übel, sondern ein Schatz, an welchem diejenigen den größten Anteil haben, die dir am nächsten und am liebsten sind. In den Lebensgeschichten der Heiligen sehe ich wohl, dass dem so ist. Aber das Kreuz meines eigenen Lebens also schätzen, das ist etwas anderes. Gib, dass ich gleich ihnen den Schatz erkenne, der im Kreuz verborgen ist! Es heiligt nicht alle, die es berührt. Viele entfernt es sogar von dir. Herr, gib, dass es an mir wirke, was es bei deinen Heiligen gewirkt hat! Gib, dass es mich lehre, dass wir Wanderer sind auf Erden und hienieden keine bleibende Stätte haben! Gib, dass es mich zu dir hinziehe! Nicht die mächtigen, noch die Glücklichen fühlten sich während deines Erdenlebens zu dir hingezogen, es waren vielmehr jene, die in Trauer waren für sich oder für ihre Angehörigen. Wir finden dich immer unter den Leidenden. Wenn uns alles glückt, dann vergessen wir dich leicht. Aber wenn uns ein Unglück trifft, wenn eine Demütigung über uns kommt, wenn die Geschöpfe uns täuschen, dann eilen wir zum Schöpfer, der uns nicht von sich stößt. Oh mein Gott, möge jedes Kreuz mich dir näher bringen! Möge es dein Bild in meiner Seele erzeugen, so wie der Bildhauer mit dem Hammer, mit der Feile und dem Meißel Schönheit hervorbringt aus dem ungeformten Marmor und zuletzt sein Ideal verwirklicht. Das Werk kann ohne Leiden nicht verbracht werden. Herr, mache mich stark zum Leiden! Nimm mir die außerordentliche Furcht vor allem, was Schmerz bereitet! Hilf mir den Schmerz willkommen heißen als ein Mittel, wodurch ich meine begangenen Sünden abbüßen und Mitleid mit anderen fassen könne, als ein Mittel, das mich dir, meinem Meister, ähnlich macht und mich befähigt, dir meine Liebe zu beweisen! Dein leidensfähiger Leib und deine Seele haben alle Tiefen der menschlichen Traurigkeit ergründet, auf dass du jeden Schmerz des Leibes und der Seele mit uns fühlen könntest. Vereinige meine geringen Schmerzen mit den deinigen, auf dass sie ewigen Lohn verdienen, den Lohn nämlich, nach Ablauf des Lebens in deinem Königreich dir ganz besonders nah zu sein!

 

Aufopferung und Bitte

Gebet vor einem Kruzifix