Das Willkommen eines Sünders

II.

 

„Dein Glaube hat dir geholfen.“ (Lk 7, 50)

 

Vor der Kommunion

Und siehe, ein Weib aus der Stadt, eine Sünderin, erfuhr, dass er in dem Hause des Pharisäers zu Tische saß, und sie brachte ein Gefäß von Alabaster mit Salbe, stellte sich rückwärts zu seinen Füßen und fing an, dieses mit ihren Tränen zu benetzen und trocknete sie mit den Haaren ihres Hauptes, küsste sie und salbte sie mit der Salbe.

Sie kam ungeladen; sie kam, bevor die Einladung: „Kommet alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid,“ ausgesprochen war. Noch hatte sie nicht das Wort gehört: „Die Gesunden bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken.“ „Ich bin nicht gekommen, die Gerechten, sondern die Sünder zu rufen. „Freude wird bei den Engeln Gottes sein über einen Sünder, der Buße tut.“

Könnte der Versuch, sich ihm zu nahen und seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, nicht als Kühnheit, ja als Unehrerbietigkeit ausgelegt werden? Würde ihre Gegenwart nicht eine Beleidigung für ihn sein, wie sie es in der Tat für den Gastgeber und die Gäste war? Sollte sie nicht eine schicklichere Gelegenheit abwarten und vorerst einen Fürsprecher und Vermittler suchen? Sollte sie nicht wenigstens seine Billigung für ihr Eindringen sich sichern?

Nein, sie konnte nicht warten; sie konnte nicht überlegen Unbekümmert um den Erfolg, eilte sie zu ihrer Rettung, wie sie ihrem Verderben zugeeilt war. Ihr Elend trieb sie zu ihm. Ihr Elend war ihr Ratgeber und ihr Verteidiger. Sie hatte ihn gesehen und bei seinem Anblick hatte sie sich selbst durchschaut. Sorglos und neugierig war sie eines Tages durch die Menge gedrungen, die ihm folgte. Sein Auge hatte sie getroffen und sie war in die Knie gesunken. Dieser Blick hatte ihrer Seele das Bewusstsein ihrer Sündhaftigkeit eingebrannt. Sie war sich selbst unerträglich geworden. Was erst musste sie in seinen Augen sein. Doch dieser Blick stieß sie nicht zurück. Sie fühlte sich angetrieben — nicht etwa vor seinem Auge sich zu verbergen —, sondern zu ihm, dem Heiligsten der Heiligen, zu flüchten und sich ihm anzuvertrauen. Keine Furcht hielt sie zurück, keine Demütigung erschreckte sie; sie hatte ihn gesehen, sein Auge hatte auf ihr geruht; was war ihr nun die ganze Welt? Und er sprach zu ihr: „Deine Sünden sind dir vergeben. Dein Glaube hat dir geholfen, gehe hin in Frieden!“

Ich, ein Sünder, nahe mich jetzt dir. Oh hätte ich doch ihren Glauben, ihr Vertrauen, ihre Reue, ihre Tränen! Ich opfere dir jene Gesinnungen auf, durch welche sie vor deinen Augen Gnade fand. Gib mir Anteil an denselben, dass auch ich gereinigt von jeder Makel, in deinen Augen teuer und kostbar werde.

 

Nach der Kommunion

Oh Gott, Allheiliger, ich beuge mich vor dir. In meiner Sündhaftigkeit habe ich mich dir genaht, ja noch näher als sie, da sie zu deinen Füßen kniete. Ich habe keine Tränen für meine Sünden, keine Salbung, keinen Kuss. Mein Herz ist trocken und kalt, ohne Liebe, fast möchte es mir scheinen, ohne Glaube. Aber Wünsche habe ich, und die nimmst du entgegen. Ich bringe dir als mein Eigentum die Schätze dar, an welchen ich durch die Gemeinschaft der Heiligen Anteil habe. Ich danke dir, lobe und preise dich mit all den Engeln des Himmels, die sich über jeden Sünder freuen, der Buße tut. Ich opfere dir auf die Anbetung und Liebe einer heiligen Magdalena; die Dankbarkeit, mit der sie des Tages gedenkt, an welchem sie, mit Sünden beladen, zu deinen Füßen eilte. Ich opfere dir auf die Freude, welche du die ganze Ewigkeit hindurch an ihr haben wirst. Nun, o Herr, nimm auch mich sündigen Menschen auf. Gib mir, nachdem du mir so viele Sünden verziehen, die Gnade, dich viel zu lieben. Möge meine Liebe und mein Dank dich ewiglich erfreuen.

Magdalena zweifelte nie an der Vergebung ihrer Sünden; so will auch ich nie an der Vergebung meiner Sünden zweifeln. Sie hörte die Lossprechung von deinen eigenen Lippen. Ich höre von den Lippen der Diener deiner heiligen Kirche die beglückende Worte: „Ich spreche dich los. Gehe hin in Frieden!“ Ich glaube an dein Wort, dass das, was die Kirche auf Erden löset, auch im Himmel gelöset ist.

Magdalena vergaß nie, dass ihr viele Sünden vergeben wurden. Sie glaubte nicht, dass selbst eine solche Nachlassung, wie sie ihr zuteil geworden, sie von der Pflicht, Buße zu tun, befreit hatte. Von nun an war ihr Leben eine fortgesetzte Buße, aber eine Buße, durchdrungen von Freude und versüßt durch jene Liebesreue, die in der Buße sich offenbart. Magdalena war treu bis ans Ende. Sie stand fest, als selbst Apostel wankten. Sie hielt zu ihrem Herrn in der Zeit der Schmach und teilte sie mit ihm.

Und als er sich vor ihr verbarg, da suchte sie ihn mit Beharrlichkeit. Sie brachte Kunde den Schwachen und Betrübten. Sie stützte den Glauben der minder Eifrigen durch ihren eigenen. Als er dann die Erde verlassen hatte, da ging ihr ganzes Verlangen nach ihm und durch jahrelang fortgesetzte Buße bewahrte sie ihm ihr Herz.

Gib, oh Herr, dass ich ihr gleiche! Lass mich erkennen, dass trotz der Sündenvergebung die Pflicht der Buße bleibt. Lass mich mein tägliches Kreuz, die Trübsale und Enttäuschungen des Lebens, den Kampf mit dem eigenen „Ich“, das Opfer meiner selbst, um des Nächsten, d. h. um deinetwillen, oh mein Gott, so recht im Geiste der Buße, aus deinen Händen hinnehmen! Lass mich, gleich Magdalena, ein Apostel meiner Umgebung sein, indem ich bewirke, dass sie dir leichter und ersprießlicher diene! Lass mich treu sein bis ans Ende und lass mich ewig, wie Magdalena, unter jene Glücklichen gezählt werden, die ihr Vertrauen auf dich gesetzt haben und nicht zuschanden geworden sind!

 

Aufopferung und Bitte

Gebet vor einem Kruzifix